Gcwcrhfcbaftlicbce. Pollzcifürforgc im Streikbred�erquarticr. Wir brachten wiederholt Mitteilungen über das Maffenquartier von Streikbrechern der Firma Thomas in Spandau , die ge- rade nicht von erbaulichen Zuständen berichteten. Der Polizei so- wohl, als auch der Besitzerin jenes Massenquartieres waren jene Veröffentlichungen offenbar unangenehm, beide zwangen uns durch den§ 11 des Pretzgesetzes, das von uns Mitgeteilte zu»berich- ligen". Wie sieht es nun in jenem Massenquartier wirklich aus? Obgleich wir für die von uns aufgestellten Behauptungen den Deweis zu erbringen in der Lage waren, haben wir doch vorsichtiger- weise eine erneute Prüfung der Verhältnisse vorgenommen und müssen nun schon sagen, daß wir nicht nur nichts von dem Be- richteten zurückzunehmen haben, sondern daß die Zustände noch weit grauenhaftere sind. Eine Polizeibehörde, die durch das, was wir im Massenquartier der Witwe Heyn in Tiefwerder 7a festzustellen vermochten, befriedigt wird, ist, rundheraus gesagt, zur Aufsicht über solche Massenquartiere ungeeignet. Entweder sieht sie nicht, was dort zu tadeln und zu bessern wäre, oder sie stellt zu geringe Anforderungen an eine menschenwürdige Behausung. Beides macht sie unbrauch- bar. ihre Aufgabe zu erfüllen. Als„Bettstellen" dienen in jenem Quartier aus rohen Kistenbrettern zusammengenagelte Behälter, in denen sich als Unterlage ein Strohsack befindet. Derartige„Bett- stellen"— wie Frau Heyn sie in ihrer„Berichtigung" nennt— be- finden sich Reihe an Reihe im Saale sowie im Tunnel(Keller), in welchem ebenfalls Leute beherbergt werden. Der Geruch in diesen kahlen Räumen ist ein geradezu pestilen- zialischer, was in einem derartig angelegten Quartier ohne weiteres begreiflich ist. Die„Kopfkissen" bestehen zum Teil aus Strohkissen, welche mit einem„Ueberzug " versehen sind. Die Unterlaken starren zum Teil vor Schmutz. Bezüglich der Handtücher konnten wir fest- stellen, daß die„Streikbrecher" acht Tage lang überhaupt keine Handtücher(!) hatten, da Frau Hehn diese zu spät bestellt und keine mehr im Besitz hatte. Allerdings soll Herr Thomas erklärt haben, daß e r alles selbst liefern würde, was aber unterblieb. Die„häufige Revidierung" des Massenquartiers erfolgt erst »ach Erscheinen unseres Artikels. Die„Schlafstelle" kostet allerdings 2.50 Mk. inklusive einer Tasse„Kaffee" und zwei Brötchen pro Woche. Für eine derartige Beherbergung aber dennoch ein allerdings unerhörter Preis. Die Speisen und Getränke, die sich in einem nicht gerade sehr appetitlichen Räume befinden und. ihrem Aussehen nach zu beur- teilen, nicht besonderer Qualität sind, find ebenfalls, wie erwähnt, den Verhältnissen entsprechend zu teuer. Als Abendbrot erhalten, wie wir uns überzeugt, die Arbeiter ein paar Kartoffeln und eine dünne Scheibe gekochten Schweinebauch zu dem Preise von 40 Pf. Die hauptsächlichsten Insassen des Quartiers sind polnische Arbeiter, die am Bahnbau usw. beschäftigt werden. Daß in einem solchen Räume, wo alle Arten Menschen zusammengepfercht sind, sehr leicht Epidemien ausbrechen können, ist selbstverständlich, von Ungeziefer gar nicht zu reden. Die Leute entkleiden sich zum größten Teil gar nicht, sondern gehen, um sich vor der Kälte zu schützen, mit Stiefel und Sporn in ihr„Bett". Die polizeiliche Anmeldung der Schlafstellenleute erfolgt bei den polnischen Arbeitern nach drei Tagen, bei den deutschen nach sechs Tagen, so daß die Polizeiverwaltung überhaupt nicht fest- stellen konnte, daß sich„keine steckbrieflich verfolgten Elemente" in dem Quartier aufgehalten haben. In einem Falle hat ein von der Behörde gesuchter Streikbrecher zwei Tage bei der Witwe Hehn gewohnt und sich alsdann, als ihm der Boden zu heiß wurde, aus dem Staube gemacht. Wir müssen schon dabei bleiben, daß die polizeiliche Fürsorge in diesem Massenquartier alles zu wünschen übrig läßt. Oder glaubt die Polizeiverwaltung, daß durch„Aushang der Polizeiver- ordnung über das Schlafftellenwesen" alle? in schönster Ordnung und sie weiterer Pflichten enthoben sei? Deutscher Transportarbeiter-Verband. Ortsverwaltung Spandau . Berlin und Umgegend. Allgemeiner Arbeiterinnenstreik im Glühlampenwerk von Bergmann. Die über 800 Arbeiterinnen des Glühlampenwerke» der Firma Bergmann Aktiengesellschaft, Seestraße, stehen seit gestern morgen einmütig im Streik. Die Ursache der Arbeitsniederlegung sind Lohn« abzüae, die da» Matz de» Erträglichen weit übersteigen und all» gemeine Empörung unter den Arbeiterinnen hervorgerufen haben. Am Montag voriger Woche hatte die Firma durch Anschlag im Be- triebe diese Abzüge bekannt gegeben, und sie betrugen 30 bis 40. ja bei einzelnen Arbeiten bis zu 60 Proz. von den bisherigen Akkordpreisen. Eine Kommission der Ar» beiterinnen wurde vorstellig und hatte damit auch den Erfolg. daß der Direktor versprach, die Abzüge vorläufig rückgängig zu machen. Am Mittwoch wurden gleichwohl in einzelnen Abteilungen die neuen herabgesetzten Akkordpreise in Anrechnung gebracht. Zur Entschuldigung wurde gesagt, daß die betreffenden Meister von der Zurücknahme der Abzüge noch nichts gewußt hätten. Die Kommission wurde von neuem vorstellig und erhielt nun die Antwort, daß sie der Direktion Zeit und Mutze lassen müsse, mit den Meistern zu be- raten, bevor eine endgültige Emscheidung getroffen werden könnte. Die Direktion hat der Kommission keine weitere Antwort zukommen lassen, sondern eS vorgezogen, am vorgestrigen Dienstag durch An- schlag folgendes bekannt zu geben: „Die Wünsche der am Donnerstag, den 13. April, vorstellig gewordenen Kommisston können nickt erfüllt werden. Zu unserem Bedauern sehen wir uns mit Rücksicht auf die stille Saison und die angesammelten Lagervorräte genötigt, die Anzahl der Arbeiter und Arbeiterinnen erheblich zu verringern. Wiedereinstellungen werden in ungefähr sechs Wochen erfolgen." Damit war es also klar, daß die Firma trotz ihre? acht Tage vorher gegebenen Versprechens die Abzüge durchsetzen wollte und diesem Vorhaben durch Drohung mit Massenentlassungen weiteren Nachdruck zu verleihen suchte. Die Arbeiterinnen, die sich diese un- geheuerlicke Herabsetzung ihrer so wie so schon geringen Löhne nicht bieten lassen konnten, beschlossen daraus am Dienstagnachmittag in einer Versammlung, die den großen PharnSsaal bis auf den letzten Platz füllte, einstimmig die Arbeitsniederlegung. Gestern vormittag hielten sie im selben Saale ihre erste Streik» Versammlung ab. Die Kommission hatte dem Direktor von dem Streikbeschlutz Mitteilung gemacht und die Antwort erhalten, daß die Abzüge aufrechterhalten werden sollten. Inzwischen hat die Firma schon versucht, durch große Versprechungen Streikbrecherinnen heranzuziehen, aber damit so geringen Erfolg erzielt, daß es ihr gewiß nicht möglich werden wird, ihren Betrieb mich nur einiger» matzen aufrecht zu erhalten. � Die kleine Zahl Arbeitswilliger wird der Firma wohl auch noch wieder abtrünnig werden, wenn sie erst einmal richtig von dem Stand der Dinge unterrichtet ist. Die Streikversammlung bot ein Bild glänzender Solidarität und Ein- mütigkeit, wie man eS bisher selten be, großen Arbeiterinnenstreiks beobachten konnte, und die Aufforderung H a n d k e S. des Vertreters des MetallarbeiterverbandeS. nun treu im Kampfe auszuharren, wird sicherlich von allen befolgt werden._ 'Perantw. Redakteur: Albert Wachs, Berlin . In jeratenteil verantv-l Ei« Streikbrecheragent in der Liebenwalder Str. 46, 4. Etage, sucht durch Inserat in der .Morgenpost" unorganisierte Dreher und Stanzer, angeblich nach Sachsen . Hoffentlich mißlingt der schöne Plan. Die Streikbewegung in den HandelSgärtnereibetrieben Groß- Berlins, die vor allem die Verkürzung der Arbeitszeit von 11 auf ly'/s Stunden und Minimalwochenlohniätze von 24 und 22 M. zum Ziele hat, vollzieht sick recht lebhaft, jedoch ohne besondere Schärfe hüben und drüben. Die Unternehmer wissen, daß die aufgestellten Forderungen sich in berechtigten und bescheidenen Grenzen bewegen. Demgemäß hatten einige bessere Firmen bereits bewilligt; aus» ständig wurden 252 Mann. Am 14. April waren in 63 Betrieben mit 200 Gehilfen die Forderungen anerkannt. Besonders erfreulich bei dieser Bewegung ist, daß die Arbeitszeitverkürzung nicht mehr solchem Widerstände begegnet, wie das der Fall war in den Jahren 1900 und 1908, wo selbst die Einführung des ElfstundentageS sich nur langsam und schwer eingebürgert hat. Der Streik der Holzpflasterarbeiter und der Jalousicarbeiter in der konstitutionellen Fabrik vonHeinrichFreesein Nieder- Schönhausen dauert noch unverändert fort. Herr F r e e s e versucht, so schwer wie ihm dies auch wird, sich mit den„lieben Arbeits- willigen", die ihm die Hirsche und Christlichen liefern, auszuhelfen. Seine aufsichtsführenden Beamten sind am allerwenigsten mit diesen Arbeitskräften zufrieden. Sie klagen darüber, daß die Ar- beiten nicht vorwärtsgehen, weil die Leute nicht fachkundig sind. Die Reparaturarbeit auf der Kaiser-Wilhelmbrücke und Neue Wil - Helmstraße ist bis heute, nach vierwöchiger Dauer, kaum fertig. Eine Arbeit, die nach Meinung der Streikenden in 5— 6 Tagen zu erledigen war, wenn s i e diese Arbeit ausgeführt hätten. Durch diesen Umstand ist wochenlang der Verkehr durch die Sperrung von Straßen an den genannten Stellen behindert und das Geschäfts- leben geschädigt. Was sagt Herr v. Jagow hierzu? Die Straße soll doch dem Verkehr dienen! Der Platzmeister Schi pull sagte vor einigen Tagen treuherzig zu den Streikenden:..Nach Ostern werdet Ihr wohl wiederkommen. Bis dahin werdet Ihr wohl aus- gehungert sein." Diesen Gefallen werden die streikenden Arbeiter Herrn F r e e s e nicht tun. Es sei denn, daß er die Erklärung ab- gibt, das Koalitionsrecht seiner Arbeiter respektieren zu wollen. Herr F r e e s e will aber lieber, wie er sich ausgedrückt haben soll, 50 000 M. ans Bein binden, als die freien Verbände in seinem Be- triebe anzuerkennen. Besonders ist Herr F r e e s e schlecht auf den „Vorwärts" zu sprechen, weil dieses Blatt niemals für sein Lebens- werk, seine Konstitution, eine Anerkennung übrig hatte, im Gegen- teil, dies in boshafter Weise kritisiert habe. Aber auch das„Corre- spondenzblatt der Generalkommission der Gewerkschaften Deutsch- lands" hat Herrn F r e e s e geärgert, weil es in seiner Literatur- beilage vom 7. Mai vorigen Jahres sein Buch:„Die konstitutionelle Fabrik" angeblich unfreundlich kritisiert haben soll. Herr F r e e s e scheint keine Kritik vertragen zu können, er will neben seiner Kon- stitution selbstherrlicher Monarch sein, und da sind wir derselben Meinung wie das„Correspondenzblatt" in seinem Schlußsatz: „Betracht ich die Sache ganz genau, so brauchen wir gar keinen Kaiser!" Zurzeit versucht die Firma, in Posen, Hannover , Hamburg , Breslau , Dortmund , Bonn a. Rh. und Leipzig Arbeitskräfte anzu- werben, weil sie dort Holzpflasterungsarbeiten auszuführen hat. Auch hier in Berlin hat die Firma an solche Arbeiter, die schon früher bei ihr tätig waren, schriftliche Aufforderungen auf Annahme von Arbeit bei ihr gerichtet. Herr F r e e s e hat aber auch hiermit wenig Glück. Wir machen die gesamte Arbeiterschaft daher nochmals beson- ders darauf aufmerksam, daß der Betrieb von Freese gesperrt ist und bitten dringend, jeden Zuzug fernzuhalten. Alle arbeiterfreundlichen Blätter werden um Abdruck gebeten. Deutscher Transportarbeiterverband. Deutscher Holzarbeiterverband, Ocutfches Reich. Transportarbeiterstreik. Im Speditionsverein Wallwitzhafen bei Deflau sind wegen Matzregelung von 21 ihrer Kollegen 80 Arbeiter in den Streik ein» getreten. Eine Betriebsversammlung hatte beschlossen, die Direktion zu ersuchen, die bis vor drei Jahren gezahlten Akkordsätze wieder einzuführen und den bisher 26 Pf. betragenden Stundenlohn zu erhöhen. Noch bevor die Fordening eingereicht war, erfolgte die Entlassung. Eine von den Organisationsleitungen versuchte Ver- Mittelung wurde vom Direktor de» Betriebe« kurzerhand abgewiesen. Er, der selbst Vorfitzender des ArbeitgeberverbandeS ist, duldet keine organisierten Arbeiter und will in allen Dingen nur mit seinen Leuten verhandeln.— Die streikenden Arbeiter bitten um Fern» Haltung von Zuzug nach Wallwitzhafen. De» Streit in den Kinderwagenfairiken in Zeitz ist beendet. Nachdem mit zwei weiteren Fabriken eine Verständigung statt» gefunden hatte, blieb nur noch die Firma Näther übrig. Bei dieser war nicht mehr viel zu holen, da dort eine ganze Anzahl Arbeits» williger vorhanden war. Bei Näther wird die Arbeitszeit von 60 auf 58 Stunden verkürzt und findet auch hier eine entsprechende Erhöhung der Lohn» und Akkordsätze statt. Unter diesen Umständen beschlossen die Streikenden, den Kampf auch bei Räther für beendet zu erklären. Der Erfolg der Bewegung ist nun: Bei zwei Firmen wird die Arbeitszeit sofort von 57 auf 56, bei einer sofort von 60 auf 57. ab 1. Juli d. I. auf 56 Stunden verkürzt, bei einer Firma sofort von 60 auf 58 und am 1. Januar 1912 auf 57, und bei drei Firmen, darunter auch Näther, wird die Arbeitszeit von 60 auf 58 Stunden herabgesetzt. Die Zeitlöhne werden pro Stunde um 2—4 Pf. und die Akkordsätze um 5— 15 Proz. erböht. Bei dem vorhandenen Organisationsverhältnis und den sonstigen widrigen Umständen dürfen die Arbeiter mit dem Erfolg sehr zufrieden sein und die Fabrikanten dürften, wenn die Arbeiter die richtigen Nutz» anwendungen au» dem verflossenen Kampfe ziehen, so leicht einen Kampf nicht wieder suchen. Achtung, Gipsarbeiter! In den drei Gipsfabriken in Baden- Hausen am Harz haben etwa 80 Arbeiter die Arbeit eingestellt, weil die Unternehmer gegenüber eingereichten Lohnforderungen der Arbeiter sich ablehnend verhielten. Um Fernhaltung des Zuzuges von GipSarbeitern, besonders GipSmüllern, wird ersucht. Zu den Ttreikbrecherlieferungen aus Hamburg teilt daS Gewerkschaftskartell von Hamburg-Altona folgendes mit: Auf verschiedene Snftagen von Vertretern aus GcwerkschaftSkreisen wegen auS Hamburg-Altona kommender Streikbrecher diene folgendes zur Aufklärung: Die durch Agenten der Hamburg -Monaer Privat-ArbeitSnach- weise vermittelten Streikbrecher sind nicht organisierte Hamburger Arbeiter; wenigstens dürste dies nur ausnahmsweise der Fall sein. Die Streikbrecher werden durch Agenten besagter Arbeitsnachweise irgendwo, auch in Hamburg , geworben, an Eisenbahnknotenpunkten gesammelt und je nach Anweisung der Arbeitsnachweise nach den Streikorten dirigiert. Die Inhaber der privaten ArbeitSnach» weise in Hamburg beziehen von den auf diese Art angeworbenen Streikbrechern die zu zahlenden VermittelungSgebühren. Die von oder über Hamburg geschickten Streikbrecher bleiben in der Regel in geschlossenen Eisenbahnwagen auf Abstellgleisen, von wo aus die Wagen umgekoppelt und die Streikbrecher dann nach den Bestim- mungSorten weiter transportiert werden. Bon den organisierten Hamburger Arbeitern kann an diesen Dingen vorläufig wenig ge- ändert werden. Sache der sich im Lohnkamps Befindlichen wird eS sein, diesem Treiben mit der nötigen Aufmerksamkeit zu begegnen. Zh. Glocke, Berlin . Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdr. u, Lerlagsanstäli Zum Ausstand der Schuhmacher in Grost - Stuttgart . In der bürgerlichen Presse wird gegen die Streikenden Stimmung zu machen versucht. Es wird berichtet, daß der Zentral- verband der Schuhmacher den Christlichen gegenüber Terrorismus geübt habe und ein gemeinsames Vorgehen mit ihnen abgelehnt habe. Die Christlichen hätten diesen Terrorismus dadurch pariert, daß sie mit den Meistern einen Tarifvertrag abgeschlossen hätten. der eine Lohnerhöhung von 2,00 bis 3,00 M. pro Woche mit sich bringe. Dieser Erfolg dürfte in einem anderen Lichte erscheinen, wenn wir mitteilen, daß der Zentralverband zur Ablehnung eines gemeinsamen Vorgehens mit den Christlichen seine guten Gründe hatte, die aus dem sonderbaren Verhalten der Christlichen bei der Lohnbewegung im Jahre 1907 erklärlich sind. Diesmal haben die Christlichen zur selben Zeit, als sie an die Leitung des Zentralverbandes das Anerbieten stellten, gemeinsam vorzugehen, an die Meister die Mitteilung gerichtet, daß sie eventuell geneigt seien, zu den Bedingungen des alten Tarifes weiter zu arbeiten. Mit ihrem jetzigen Erfolg bei dem„Tarifabschluß" ist es eine eigentümliche Sache. Bei einigen ganz unwesentlichen Positionen wurden ihnen einige Pfennige Zulage gewährt, bei anderen Positionen dafür aber Abstriche gemacht, so daß in Wirklichkeit eine Lohnreduktion als Schlußergebnis dieser Tarifberatung herauskommt. Bei rund 200 Positionen des Tarifes wurde kein Pfennig zugelegt. Selbst der Kassierer des christlichen Verbandes erklärte, daß er sich schäme, zu diesen Bedingungen arbeiten zu müssen, und er hat denn auch die Arbeit niedergelegt. Welches Verlegenheitsprodukt dieser„Tarifvertrag" ist, geht daraus her- vor, daß vereinbart wurde, er solle nur so lange Gültigkeit haben. bis ein anderer Tarif zustande kommt. Wird also durch die Macht der Zentralorganisation ein besserer Tarif geschaffen, so war der christliche Tarifvertrag quasi nur ein Streikbrecherabkommen. Achtung. Schuhmacher! Bei der Firma W. Keller, Schuh- fabrik in Ebingen (Württemberg! hatten die Arbeiter einige ganz minimale Forderungen gestellt, wie Verkürzung der Arbeitszeit von 10V, auf 10 Stunden. Vergütung für Ueberstunden, alles Dinge, die in allen anderen Betrieben in Ebingen längst durchgeführt find. Die Firma zeigte sick anfangs nicht direkt ablehnend, und eS bestand alle Hoffnung, die Angelegenheit auf gütlichem Wege regeln zu können. Nun aber legte die Firma den Arbeitern plötzlich einen Revers zur Unterzeichnung vor, worin sich diese verpflichten sollen, aus dem Zenlralverbande der Schuhmacher Deutschland» auszutreten bezw. diesem nicht beizutreten. Ein Teil der Arbeiter ließ sich einschüchtern und unterzeicknete den Revers. Der andere Teil aber, zirka 70 Mann, reichte die Kündigung ein.— Zuzug nach Ebingen ist streng fernzuhalten. Beim Mannheimer Hafenarieiterstreik, für dessen kapitalisten» fteundlichen Verlauf sich die bewaffnete Macht des badischen Staates so tüchtig ins Zeug legt, haben auch die Privat-Nachtwächter eine Mission zum Streikbreckerschutz übernommen. ES sind die Beamten der„Wach- und Sckließges ellschaft", dort im Volks- munde Krach- und Schietzgefellschast genannt. Die meisten dieser bewaffneten Scklotzwächter haben von dem Sicherheitsdienst der Polizei keine Ahnung; sie genießen einen so geringen Sold, daß ihnen schon deshalb die Lust vergehen müßte, den um ihren Bissen Brot kämpfenden Arbeitern hindernd in den Weg zu treten und das in einer Weise, wie da? von staatlichen Polizeibeamten nicht geschieht. ES gäbe die Verwendung solcher Privatpersonen, die mit Säbel und Revolver ausgestattet sind, Veranlassung, die Frage der Verantwortlichkeit für die Bewaffnung solcher Leute, die meist nur vorübergehend solche Posten bekleiden, offiziell zu prüfen. Wenn sich die streikenden Arbeiter diesen Reisigen gegenüber nun etwa auch bewaffnen? Der Genosse O t t i l i e. der am Ostersonnabend als Gewerkschafts» beamter seinen Dienst bei Matrosen im Hafengebiet tat und rechtswidrig von der Polizei auf kurze Zeit fest- genommen wurde, beklagt sich über die unwürdige Vt- Handlung durch die Polizei, die mit dem Gewerkschaftsfunktionär wie mit einem Verbrecher umgegangen sei. Und es handelte sich nur um Feststellung der Personalien Ottilies, der in Mannheim sonst bekannt und als Beamter im Adreßbuch eingetragen ist. Vier Schutzleute machten sich mit ihm zu schaffen, der beim Anfassen die Empfindung hatte, als sollten ihm die Knochen zur Erlangung einer Schlangenmenscheneigenschast eingerichtet werden. Ein anderer Parteigenosse, der den Vorfall beobachtete und neugierigen Ar» beitern Auskunft gab, wurde ebenfalls zur Feststellung der Per» sonalien fistiert. Man scheint offizielles Material zur Begründung eines Streik» schutzgesetzes zu sammeln. In Rastati mahlen die Mühlen der Streikverbrecherjustiz noch immer hestta. In Karlsruhe hat eine Versammlung der dorttgen Hafenarbeiter sich zur solidarischen Unterstützung der streikenden Mannheimer Kollegen verpflichtet. LrCtzU Nachrichten. Die französische Regierung und die Eisenbahngesellschaste». Pari», 19. April. (W. T. B.) Der Minister der öffentlichen Arbeiten hat an die Präsidenten der Eisenbahngesellschaften ein Schreiben gesandt, in welchem er ihnen die am 14. April von der Deputiertenkammer angenommene Tagesordnung, betreffend die Wiedereinstellung der entlassenen Eisenbahnbeamtea, mitteilt und hinzufügt:„Ich bin sicher, daß Sie dem formellen Wunsch, den Ihnen die Regierung im Namen der nationalen Vertretung in der einzigen Sorge um das allgemeine Interesse und den öffentlichen Frieden übermittelt, durch Taten entsprechen werden." Die französischen Winzerunruhen. Reim», 19. April. (W. T. B.) Heute wurden wieder mehrere Personen wegen Teilnahme an den Plünderungen in den Arron- dissementS Reims und Epernay verhaftet. Die Zahl der in dem letzten sechs Tagen Verhafteten beträgt nunmehr etwa 1SV. Zu dem RathauSbrand in Schaerbcek. Brüssel, 19. April. (W. T. B.) Wie das Gericht festgestellt hat, ist der Brand im Rathaus der Vorstadt Schaerbeek an sieben verschiedenen Stellen angelegt worden. Nach einem Abendblatt steht die Verhaftung eines der Brandstiftung Verdächtigen un» mittelbar bevor. Sturm auf dem Schwarzen Meere. Scbastopol, 19. April. (W. T. B.) Auf dem Schwarzen Meere herrscht ein heftiger Sturm, der bereits viele Schiffsunfälle im Gefolge gehabt hat._ Kampf gegen die Trusts in Amerika . Washington , 19. April. (W. T. B.) Der Vorfitzende deS AuS- fchusscs für Mittel und Wege legte dem Hause den Bericht der Mehrheit des Ausschusses vor, der sich zugunsten der Bill betreffend die Liste der zollfreien Gegenstände für die Farmer ausspricht. Der Bericht, der als ein demokratisches Manifest an- zusehen ist, erklärt, das Abkommen mit Kanada fyibe alle Schutz- zolle für Erzeugnisse der Landwirtschafttreibenden abgeschafft. ohne zu gleicher Zeit in entsprechender Weise die drückenden Zölle für die Bedürfnisse aufzuheben, die sie kaufen müßten, um ihre Betriebe aufrecht zu erhalten. Die Herstellung der landwirtschaft- lichen Geräte werde von Trusts beherrscht, die sie billiger im Ans- lande als im Jnlande verkauften. In dem Bericht werden ähnliche Anschuldigungen gegen die Stahl-, Bauholz- und Fleischtrusts er» hoben. Antarktische Expedition. Buenos Aires , 19. April. (W. T. B.) Tie„Fram", das Expeditionsschiff Amundsens , ist, aus der Antarktis kommend, hier eingetroffen._ Paul Singer a Co., Berlin L�V. Hierzu 2 Beilagen u. Unterhaltungsbl.
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