9i.92. 28.»« i. Wage des„Nmiilts" Kerlim Noldsdlillt.Franzötiklicr Parteitag.2. Tag.Et. Oueutin, 17. April.(Eig.Ber.)Die Diskussion über den Fraktionsbericht wird fortgesetzt.>Fernand F a ur e» Dordogne: Ich teile nicht die Anschauungmeines Freundes Nappoport, der in der Politik unserer Fraktionetwas Heroisches findet. Die Opposition gegen Briand war eineSelbstverständlichkeit. Der Enthusiasmus, der Monis entgegen-gebracht lourde. scheint mir mit der revolutionären Klassenpolitikunvereinbar.Raffin-DugenS: Ich habe im Fall Malvh für die Kredit-bewilligung gestimmt. Die meisten anderen Genossen hätten dasgleiche getan, wenn dos Ministerium in Gefahr gewesen wäre.(Stürnnscher Beifall bei einem Teil des Parteitags. Der VorsitzendeCompere-Morel bemerkt: Das ist eine persönliche Ansicht!)Varenne erklärt, warum er bei der Nachwahl in St. Claudeseine Kandidatur im zweiten Wahlgang gegen einen Republikaneraufrechterhalten hat, und bemerkt weiter: Als der gemäßigteSozialist, der ich bleibe, bin ich doch der Ueberzeugung, daß sich diebürgerlichen Parteien gegen uns mehr und mehr zusammenschließenwerden. Sicher will die große Mehrheit dem radikalen Experimentdes Kabinetts Monis kein Hindernis in den Weg legen. Bewahrenwir aber Vorsicht und Zurückhaltung!Jaurss: Ich verkenne nicht die Notwendigkeit der an unsererFraktion geübten Kritik, besonders wenn sie bei aller Entschiedenheitso freundschaftlich wie diesmal ausgeübt wird. Niemals war dieFraktion in ihrer Gesamttätigkeit mit der Partei und mit sich selbstin solcher Harmonie wie in der jetzigen Legislawrperiode. Gegenüberden in Zersetzung übergegangenen bürgerlichen Parteien stehen wirin frohem Kraftbcwnßtsein da. Die Einigkeit in der Fraktion brauchtman nicht erst herzustellen, sie ist eine gegebene Tatsache. Mit Rappoportbin ich ganz einverstanden. Zwei Regeln müssen uns leiten: unsere snnda-mentale Opposition gegen die kapitalistische Gesellschaft, dieerst mit dieser selbst aufhören kann und die Ausnutzung derwechselnden Situationen im Interesse der Arbeiterklasse.Keine Regierung will die sozialistische Idee verwirklichen. Jede istein Ausdruck dcS Kapitalismus, aber mit einem wechselnden Ein-schlag neuer Elemente. Nappoport zieht mit Recht 50 Schläge 100Schlägen vor. Aber er sollte sich an das Marxsche Wort von denOuantitätsdifferenzen erinnern, die in Oualitätsdifferenzen um«schlagen. Rappoport sprach von einer heroischen Periode. Wirhaben schwere Kämpfe ausgefochten. Hätten loir nicht inder entscheidungsvollen Stunde des Eisenbahnerstreiks eineVerantwortlichkeit, die nicht die unsere war, auf uns genommen,wären wir Verräter an der Arbeiterklasse gewesen.(Stürmischer Beifall.) Aber gerade in dieser Zeit war eZ leicht füruns, unseren Weg zu finden. In Wahrheit fängt die heroischePeriode erst da an, wo wir einem Ministerium gegenüberstehen, dasunS unsere Entscheidungen nicht so leicht macht. Wir müssen da injedem Augenblick die Interessen des Proletariats wahren, ohne vonunserem Programm etwas aufzugeben. Wir sind vollständig un-abhängig. Hätten wir unS der Regierung gegenüber gebunden,würden wir beim Proletariat mehr verlieren als bei ihrgewinnen. Favre unterschätzt die Bedeutung deS Sturzes Briands.Damals sagte ich den Radikalen, als sich die kapitalistischeClique bemühte. Briand als den unentbehrlichen Mann wiederzurückzubringen. Laßt Euch Euren Sieg nicht stehlen I Zeigt, wasIhr könnt, wir werden Euch keine Steine in den Weg legen. Ver-wirklicht Euer Programm— aber wir Iverden unsere Uirabhängigkeitbewahren. Unabhängig entscheiden wir, sei es, daß wir uns überdie einzelnen Fragen beraten haben oder in der Kammer eine Be-sprechung improvisieren müssen. Praktisch ist die Einstimmigkeit beiunS fast stets vorhanden. Beanstandet wird eigentlich nur die Ab-stimmung im Fall M a l V y. Wir haben da aber nicht demMinisterium das Vertrauen, sondern einen Kredit bewilligt.bei dem es allerdings die Vertrauensfrage aufgeworfen hatte.Die Uebertragung des Strafvollzuges aus dem Resiortdes Ministeriums des Innern und der Polizei in das dcS Justizministeriums hatten wir von jeher gefordert. Die Wut der Brian-disten und Konservativen zeigte uns ihren Wert. Als es dann zurSturmszene im Parlament kam, waren eS nur ein paar arm« Re«formisten. die in ihrer Bank sitzen blieben. Wir stimmten für denKredit. Ihr revolutionäres Temperament aber hatte sich in stürmi-scher Draufgängerei die vorherige Kompensation für die folgendekühle Abstinenz verschafft.(Heiterkeit und Beifall.) Die Errichtungdes neuen Unterstaatsiekretariats hatte die Freilassung der verhaftetenEisenbahner und Redakteure, die Gewährung des für politische Häftlingegeltenden Regimes und— sprechen wir es offen aus— auch die Ent-scheidung deS KaffationShofes in der Frage der Mitschuld an allen aufkleines femUetou-Die Wiederkehr dcS Frühlings nach dem 14 Tage dauerndenKälterückfall ist während der Ostertage erfolgt und hat sofort zueiner ganz beträchtlichen Steigerung der Temperaturen geführt,ähnlich der rapiden Erwärmung, wie sie die letzten Märztage sounvermittelt gebracht hatten. Nachdem schon Ostermontag dasThermometer an einzelnen Orten 20 Grad überschritten hatte undzu Frankfurt am Main 22 Grad Celsius erreicht waren, erhob sichDienstag das Quecksilber fast im ganzen Lande weit über 20 Gradhinaus. Berlin und viele andere Orte hatten mittags 23—25 GradWärme; im Westen und Nordwesten deS Landes, zumTeil auch in Mitteldeutschland, wie in Dresden, lagenDienstag bereits die Morgentemperattiren 12—13 Grad über Null.Bemerkenswert bei dieser Erwärmung war die ungewöhnlich geringerelative Feuchtigkeit der Luft; diese betrug z. B. Dienstag mittag mBerlin nur 23 Proz., ein ungewöhnlich geringer Wert, der selbst imheißesten Sommer nur selten registriert wird. Den äußeren Anlaßzu der Umgestaltung der Wetterlage gab das Erscheinen eines neuen,Uesen Wirbels im hohen Norden Europas, dessen Minimum unter737 Millimeter Tief« Sonnabend im nördlichen� Skandinavienlagerte. Während dieser Wirbel unter ziemlich lebhaften Westwindenostwärts wanderte, drang auch gleichzeitig das atlantische Maximumendlich ostwärts vor. Westlich von Irland ist Dienstag ein neuestiefcS Minimum erschienen, das in Wechselwirkung mit dem östlichenHoch Winde aus südlichen Richtungen verursacht. Bei seiner An-Näherung an den Kontinent dürften die Temperaturen �noch weitersteigen, woraus zunächst im Südwesten des Landes, später auch inNordwest- und Mitteldeutschland verbreitete Wärmegewitter zur Ent-ladung komnien werden.Reinhardt aiif Reisen. Herr Reinhardt entwickelt sich immermehr zu einem Universalregisseur und Bllhnenunternehmer größtenStils. Im Münchener Künftlertheater wird er diesen Sommerals Operettenregisseur auftreten. Inzwischen aber beglückt er dieöstlichen und nördlichen Völker mit seinem ZirkuS-OedipuS. Nacheinem längeren Verweilen in Petersburg ist er jetzt in Stock-Holm.reformatorisch' tätig.�In Petersburg hat die in Berlin maßlos überschätzte ZirkuS-regierat künstlerisch keinen besonderen Eindruck gemacht. ES wirddarüber berichtet:Der Zirkus Ciniselli war trotze der selbst für unsere Verhältniffeenorm hohen Preise sehr gut besucht. Die künstlerische Ausbeutefreilich war geringer; eS war im wesentlichen der Erfolg einer un-gewöhnlichen Sensation, nicht aber einer zwingenden künstlerischenTat. Wenn Moissi nicht die Oedipusrolle gespielt hätte, wäre dasGastspiel wohl kaum ans sechs Abende gekommen, da die übrigenKarjteller nach russischen Begriffen zur sogenannten dritten Garniturfranzösischem Boden verübten Sabotagen zur Folge. Alles dies habenwir ohne Kompromisse erreicht. Die Verhandlung über die Eisen-bahner war charakteristtsch, weil die Radikalen gezwungen wurden,die Gewaltakte, die sie mit auf ihr Gewissen geladen hatten, wiedergutzumachen. In Frankreich sind Regierungen nicht mehr möglich,die gegen die Arbeiterklaffe eine dauernde Gewalttätigkeit ausüben—eine Ordnung einer wenigstens halben Gerechtigkeit muß ihnen folgen.Was wird nun geschehen? Entweder»Verden die Gesellschaftennachgeben und das wird ein großer Sieg für die Sache derorganisierten Arbeiterschaft sein.(Zwischenruf Rappoports: Nur derstatu8 cjuol) Nein! Die Armee, die nach einer Niederlage dasSchlachtfeld zurückgewinnt und ihre Gefangenen befreit, erlangt mehrals den status guo I Gebe» die Gesellschaften nach, so ist das eineweittragende Bekräftigung der Macht der Arbeiterklasse. Wenn dieGesellschaften aber widerstehen, so wird entweder die Regierung undihre Mehrheit jämmerlich untergehen und wir bleiben einzig mitbewahrter Würde zurück oder sie erhält die verlangten Waffen und dannwird ein Kampf zwischen der Republik und den monopolistischen Gesell-schaften, eine neue Periode großer sozialer Entscheidungen anheben.Der Redner schließt mit einem Appell, im revolutionären, die Wirk-lichkeit wahrnehmendem Handeln dem Geiste Baboeufs treu zubleiben. Minutenlanger sich wiederholender Beifall der Parteitags-Mehrheit folgt der Rede.NachmittagSfitzung.Die Diskussion über den Fraktionsbericht— in Wirklichkeit ziehtsie allerdings eine Menge anderer Gegenstände in ihren Bereich—dauert fort. Prof. Edgar M i l h a u d- Rhöne, ein Spezialist sürdie Fragen der Staats- und Gemeinderegie, beantragt eine Reso-lution für die allgemeine Verstaatlichung der Bahnen. G u e s d eund seine Freunde sind gegen eine Erörterung dieser Frage, dienicht auf der Tagesordnung stehe. Die Unterbrechungen nehmeneinen sehr stürmischen Charakter an und der Redner schließt im Lärmunter andauerndem demonstrativen Beifall der Mehrheit.Der MinisterialiSmus unmöglich.V a i l l a n t bestätigt, daß noch niemals die Fraktion unter sichund mit der Partei so einig war. Wir alle wissen, daß jede Re-gierung die Geschäftsführerin der Kapitalisten ist(Beifall, besondersbei den Guesdisten) und die so notwendige Anpassung an die ge-gebenen Situationen uns nicht in Widerspruch mit unseren gegenden Staat und den Kapitalismus gerichteten Ideen bringen darf.Man hat vom MinisterialiSmus gesprochen. Aber seitAmsterdam sind wir mit ihm fertig.(Donnernder Bei-fall, an dem sich auch die Umgebung JauröS: Renaudel,Albert T h o in a s u. a. beteiligt.) Dieses Experimentwird sich nicht mehr wiederholen. Nicht nur die Altender Bewegung, auch die Jungen sind darüber einer Ansicht. KeinMinisterialiSmus ist mehr möglich.(Minutenlanger Beifall, besondersdemonstrativ bei den Guesdisten.)Compäre-Morel bringt eine Resolution in diesem Sinneein. Renaudel ruft: Das steht schon im EinignngSpakt IP r e s s e n s ä spricht über den Proporz und wendet sich gegendaS.Apparenteinent", das im schärfsten Widerspruch zu unseren An-schauungen stehe. Wir wollen den KonfusionismuS, diese ärgstePlage der französischen Politik, beseitigen und die Parteien organi-sieren. DaS Apparentement würde aber die üblen Sitten des zweitenWahlgang» schon vor den ersten verlegen. Ich frage mich, ob einemSystem, daß da? Apparentement mit Listenpanaschierung vorsieht,nicht die einstweilige Aufrechterhaltung des heutigen Systenrs vor-zuziehen ist. Wenn erst einmal eine Reform gemacht ist, vergehtvielleicht ein Menschenalter, bis es zu einer neuen kommt.G r o u s f i e r, der Berichterstatter der Wahlreformkoinmissio nder Kammer erwidert: DaS Apparentement ist iminer noch besserals das jetzige Wahlsystem. In Belgien, wo sie daS gute Systemdes Proporzes herrschend glauben, gibt eS fast überall Wahlkartelle.S e m b a t will eine Kampagne gegen das Apparentement.Sollte aber die Frage im Parlament praktische Bedeutung bekommen, so soll die Fraktion im Einvernehmen mit dem Partei-vorstand die Entscheidung treffen. Nehmen wir jetzt schon dasApparentement an, so lähmen wir die Bewegung dagegen,lehnen wir es bedingungslos ab. so nützen wir vielleicht denen,die auf daS gefährlichste aller Systeme, daS Listenskrutinium, lauern.G u e s d e wendet sich in einer scharfen Rede gegen den Antrag,die von Milhaud beantragte Resolution in der Koinmission zu ver-handeln. Ueber die Frage der Nationalisation hat keine Föderationdiskutiert. Keine Kommission kann sich den Föderationen und demParteitag substituieren. Ich fordere Rückverweisung an dennächsten Parteitag. Man fordert die Nationalisation im Interesseder Eisenbahner. Dasselbe Recht haben aber auch die Textil-arbeiter usw. Man fordert ja auch die Verstaatlichung der Berg-werke. Wo aber sind die»»ötigen Milliarden vorhanden? Wirgehören. Die Petersburger Kritik anerkennt die Regiekünste Rein-Hardts, verschweigt aber nicht, daß diese Künste den Eindruckdes Gemachten hervorrufen und Stimmungswerte erzeugen,die nicht aus der Handlung fließen, sondern ausgeklügelt feienund keinen Vergleich mit der delikaten Regiekunst unseres StanislaSkioder Muaerhold aushalten könnten, weil diese von jeder.brutalenEffekthascherei"' absähen und daS Schwergewicht auf die aus-geglichene Einheitlichkeit der Darstellung verlegten, die bei Reinhardtvermißt werden müßte.Die maßgebende Kritik ist von Moissi entzückt, wenngleich sieerklärt, daß dieser wunderbare Darsteller den Oedipus auf den Kopfstellt, indem er ihn des Heroischen entkleidet und einen modernenNeurastheniker mimt. Die übrigen Darsteller tut die Kritik entwedermit einer abweisenden Handbewegung ab, oder sie gebraucht so harteWorte, als sie der russischen Kritik, die für Deklamation gar nichtsübrig hat, zu Gebote stehen. Sehr energisch und zielbewußt sinddie Ausstellungen, die man hinsichtlich der nichts weniger alsschönen Kostüme und sonstiger Ausstattung geinacht hat. Un-verständlich bleibt es den Petersburger Theaterfreunden undKritikern, wie man sich n,it»einer ganz mittelmäßigen Truppe.aus der nur die künstlerische Persönlichkeit MoissiS sich hoch hervor-hebt", in fremde Lande gehen kann. Das Urteil der russischenKritik geht dahin, daß in der Reinhardtschen Inszenierung vieleinteressante und brauchbare Momente enthalten sind, namentlich be-wundert man seine geniale Verwendung bewegter Massen; dochman sieht in ihr nicht den Ausgang einer neuen deutschen Bühnen-kunst, sondern den Gipfelpunkt des Verfalls oder, wie man hiersagt, der Dekadenz. Imponiert hat Reinhardt den Russen nicht,eher hat er sie verblüfft.Ueber Fortschritte in der Rechtspflege-» leider nicht in Deutsch-land— wird in.H. Groß' Archiv für Kriininal-Anthropologie'(Bd. 41) berichtet. In Holland wurde in der letzten Zeit ein großeraufsehenerregender Prozeß, die sogenannte„Papendrectsche Straf-fache".(Papendrect ist ein Dorf) verhandelt. Dabei ergab sich dieNolwendigkeit, auch die Zeugen psychiatrisch und psychologisch zuuntersuchen, was auch ausgeführt wurde. Die Ergebnisse der Unter-suchung»varen geradezu verblüffend. Mehrere Zeugen wurden fürgeistesschwach befunden, und einer davon entpuppte sich als Oueru-laut.»DaS Faktum müßten wir zur Nachahmung unserer Juristenniedriger hängen und besonders � letztere auf den geistigen Znstandeben deS Zeugen hinweisen, der bei der Urteilsfällnng das größteUnheil anrichten kann"— beinerkl hierzu die zitterte Zeitschrift.Ob sie mit ihrer Anregung bei der deutschen Justiz Erfolg habenwird, ist sehr zweifelhaft. Auch auf eine andere nachahmenswerteholländische Einrichtung— Beobachtungsstationen fürverbrecherische Minderjährige— wird in derselbenNotiz hingewiesen. Die Stationen arbeiten in Holland mit bestemErfolg; die deutsche offizielle Rechtspflege will sich aber damit keinesind nicht eine Partei des Rückkaufs, sondern ernePartei der Expropriation.(Lebhafter Beifall.) Dazukämpfen wir um die politische Macht. Der Rückkauf dient oft iiurder Bereicherung der Kapitalisten. Ich begreife, daß die Kapitalistenes vorziehen, sich heute auskaufen, statt sich später enteignen zulassen. Uebergeben wir die Angelegenheit regelrecht den Föderationen»md ersparen wir uns Manisestalionen für etwas, was manchenKapitalisten sehr zupaß käme.I a n r ö s: Nicht die Kommission soll ja das letzte Wort sagen,sondern der Parteitag. Dies aber erscheint mir wohl am Platze.Erstens, weil die Debatte über die konnnunale Regie ohnehin dieFrage der öffentlichen Dienste aufrollen tvird. Zweitens aber ist dieFraktion oft gezwungen, Stellung in Fragen zu nehmen, die nochnicht von einem Parteitag diskutiert sind. Niemand wird die so-fortige allgemeine Nationalisation der Bahnen verlangen._ Wirmüssen aber entscheiden, wie wir uns bis zu dem Tag, wo wir diekapitalistische Gesellschaft expropriiere», zu verhalten haben.(Guesde: Wenn Sie sie ausgekauft haben, können Sie sie nichtexpropriieren!) Gerade weil die Frage schwierig ist und weil sieim Parlament praktische Bedeutung bekommen kann, muß der KongreßStellung nehmen. In einem Jahre kann die Fraktion den Parteitagvor ein kait aocompli gestellt haben..!Compsre-Morel lvendet sich«igen JauröS' Antrag, dieResolution Milhauds der Kommission für rw.'nizipale Regie zuzuweisen.Wir haben kein Mandat für diese Frage»nitbekonnnen. Stellenwir— der Parteitag— nicht die Partei vor ein fait aooompli IDer Frakttonsbericht wird einstimniig genehmigt.Internationales Bureau.Vaillant erstattet den Bericht und gedenkt besonders derHaager Konferenz der niederländischen und belgischen Genoffen undder geplanten österreichisch-italienischen Manifestation.L o n g u e t meint, auch wenn inan nicht in die Uebertreibungder englich-deutschen Konfliklsgefahr verfalle, müsse man eine Aktiondes Proletariats namentlich im Hinblick auf die mögliche Rückkehrder englischen Konservativen zur Macht wünschen. Auch in derMarokkofrage sei der Stuttgarter Ententebeschluß für Frankreich undSpanien anzuwenden.L a f a r g u e fragt, ob der internatioirale SekretärHuysmans mit dem„Flammgent" identisch sei, der den Völker«haß nähre. Vaillant erwidert, daß Huysmans nicht gegen die fran-zösische Kultur, sondern für Rechte der Vlämen, die er für gerechthalte, kämpfe und beruft sich auf das Zeugnis des WallonenD e m b l o n aus Lüttich, der ihm beim neulichen Besuche derbelgischen Bürgermeister in Paris Ausklärung gegeben hat.S e n» b a t meint, man müßte sich wohl etlvaS init dieservlämischen Agitation beschäftigen, worauf Vaillant repliziert, daßSeinbat als Sekretär der interparlamentarischen Konfereirz Gelegen-heit zu weiteren Erkundigungen habe.Der Bericht wird einstimmig genehmigt und hierauf die Sitzunggeschloffen._Kongreß der belgischen SozialdemokratieBrüssel, 17. April.(Eigenbericht.)Der 26. Jahreskongreß der belgischen Arbeiterpartei erhieltebenso wie der letzte Parteitag seine Physiognomie durch die Dis-kussion einer Frage taktischer Natur. Die Vorlage des klerikalenSchulprojektS in der Kammer hat im sozialdemokratischen wie imliberalen Lager eine ungeheure Gärung hervorgerufen und hier wiedort»vird die Anspannung aller Kräfte gefordert, um das ver«hängnisvolle Attentat abzuwehren.ES muß dabei gesagt werden, daß die belgischen Liberalen, fürdie die Entwickelung hierzulande noch nicht abgeschlossen liegt, mitden blutlosen und senilen Liberalen Deutschlands schlechthin nicht zuvergleichen sind. Sie treiben hier noch ihre Wurzeln im Bürger«tum; sie haben ihre Organisationen, ihre„Burgen" sogar,»vennman will; sie gehen fleißig in Versammlungen mid sind darumweniger volksfremd, als etwa das liberale Kaliber des schwarz«blatten Blocks. Die letzten Wahlen haben sie sogar als vordrängendePartei gezeigt und auch im jetzigen Kampf gegen die Schulvorlagebeweisen sie Schwung und Fleiß. Daß allerdings Temperamentund Aktivität der Liberalen zu neun Zehnteln von dem Ehrgeiz undder Ungeduld, an die Macht zu kommen, gespeist werden,»st eineandere Sache. Wie die Dinge nun in Belgien liegen, hat die poli«tische und parlamentarische Situation die Parteien der Linken be«sonders in der letzten Zeit öfter zum gemeinsamen Ansturm gegen dieklerikale Regierung zusammengeführt und eine Parallelität des Kampfesergeben, die wie im Falle der Protestmanifeftation in Charleroi(es handelte sich um die von der Regierung verweigerte Anerkennung deSOeffentlichkeitSrechteS für die Lehrerscininare des Hennegau) zu einerMühe machen und überläßt die Sache der privaten Initiative. Esscheint demnach auch hier mit den, stolzen Wort von Deutschland,das in der Welt voran marschiert, seine eigene Bewandtniszu haben!Wieviel Einwohner hat China? Dieses an Naturschätzen un«gemein reiche Land, in dem dank der kulturellen Nückständigkeit undschlechten Verwaltung die Mehrzahl der Bevölkerung an ständigerHungersnot leidet, beherbergt in seinen Grenzen rund ein Vierteldes gesamten Menschengeschlechts. So lautet das Ergebnis derersten genauen Volkszählung, die 1010 in China von militärischenGesichtspunkten aus vorgenommen wurde. Allerdings kann man vonder Genauigkeit dieser Volkszählung nur in sehr bedingtem Sinnereden, denn die chinesische Bevölkerung brachte in diesem Falle, wieimmer, den administrativen Organen ein unverhohlenes Mißtranenentgegen»md hat vielfach die richtigen Angaben verweigert. Außer-dem kann man auch die wissenschaftlichen Methoden derchinesischen Statistik nicht allzu hoch bewerten. Jedenfallsaber besitzt auch diese Zählung, so unvollkommen siesein mag. ein großes Interesse als erster Versuch, die viel um«sttittene Frage über die chinesische Bevölkerungszahl auf dem Wegeder modernen Statistik zu lösen. Demnach beträgt die Gesamt-bevölkerung Chinas 449 214 000 Köpfe. Auf einzelne Provinzenverteilt sie sich wie folgt: Mandschurei 17 Mill., Tichi-li 29.4 Mill.,Shantung 38 Mill., Szu-chuan 79,5 Mill., Hu-nan 22 Mill., Hu-pei34 Mill., Kiang-si 24,5 Mill., An-hui 36 Mill., Kiang-su 23,9 Mill.,Tscheh-kiang 11,8 Mill., Fuh-kien 30 Mill., Canton 32 Mill., Kan-siund Uun-nan je 8 Mill. und ftinf Provinzen: Shan-si, Ho-Han,Shen-si, Kan-su und Kwei-tschou zusanunen 55 Mill. Einwohner.Friß dich mager! Diesen erstaunlichen Rat gibt ein kühner Arztseinen fettleibigen Zeitgenossen. Und seine Theorie hat nicht etwain einem vagen„Anienka", sondern in Paris das Licht der Welterblickt. In der letzten Sitzung der dortigen medizinischen Akademielegte Dr. Robin dar. daß die Fettsucht durch nichts besser be«kämpft werden könne als durch häufiges und ausgiebiges Essen. Erempfiehlt den Dicken, am Morgen mit kaltem Braten oder Fisch an-zufangen, warmeS aromatisches Wasser und ungezuckerten Tee dazuzu trinken und hiernach-eine halbe Stunde spazieren zu gehen. UmlO'/s Uhr nehme man ein kleines Gabelfrühstück, z. B. zwei Eier.und gehe wieder 30 Minuten spazieren. Für Mittag ist eine großeMahlzeit mit beliebiger Zusammensetzung empfohlen, nur vermeideman, mehr als 40 bis 50 Gramm Brot zu essen, und ersetze eS wo-möglich ganz durch Salat. Wasser bezw. Tee und Spaziergang wieoben. Um 4 Uhr ein Vesperimbiß, um 7 Uhr Abendbrot. Manhüte sich aber vor Saucen I Dr. Robin hat nach dieser Methodeeinen 52jährigen Mann von 130.9 Kilogramm Gewicht in 90 Tagenum 30 Kilogramm erleichtert. Sie ist aber, wie man sieht, mir beiwohlhabenden Leuten anwendbar, die auch Zeit zum Spazierengehenhaben. Fettleibigkeit wird zm Proletarierkrankheit.