Die Mreskonfmira der S. D. P. 1 London , 18. April. (Cig. 23er.) Am Karfreitag und dem folgenden Tage hielt die S. D. P iSozialdemolratische Partei) in Cnventrh ihre 31. Jahreskonferenz ab. Es waren ungefähr hundert Delegierte der verschiedenen Sek- Honen anwesend. Den Vorsitz führte der Genosse Bannt ngton aus ßoventry. In seiner Begrüßungsrede wies dieser darauf hin. daß der Sozialismus im vergangenen Jahre in Großbritannien nur wenig Fortschritte gemacht habe. Es sei aber falsch, die Stärke der Partei nach der Zahl der parlamentarischen Vertreter zu beurteilen. Die Mittel und Wege, die die bürgerlichen Parteien benutzten, um die Wahl ihrer Kandidaten herbeizuführen, seien vor einigen Tagen bei der Untersuchung über die skandalöse Wahl in Exeter wieder einmal ans Tageslicht gekommen. Es wäre besser für die Partei, keinen einzigen Vertreter in eine Ver- tretungskörperschast zu schicken, als den Erfolg ihrer Kandidaten zweifelhaften Mitteln und jämmerlichen Notbehelfen zu verdanken. Eine Hauptursache des langsamen Fortschritts sei in dem Man- gel an einer sozialistischen Tageszeitung zu suchen. Alle Zeichen der Zeit wiesen aber darauf hin, daß die Arbeiterklasse anfinge, sich zu regen. In Südwales kämpften Proletariat und Kapitalismus einen erbitterten Kampf und die Antisozialistische Liga sammle wieder einen großen Fonds, um der Ausbreitung sozialistischer Gedanken entgegenzuarbeiten. Es sei daher notwendig, daß die Sozialdemokratie energisch eingreife. Im Parlament verschleudere die Niegierung die Zeit der Volks- Vertretung mit einem Scheinkampfe gegen die Lords, während die dringendsten das Wohl der Arbeiterklasse betreffenden Aufgaben der Lösung harrten. Das Traurigste an der Sache sei, daß die Arbeitervertreter dem Spiele untätig zusäben. Die erste Frage, die zur Diskussion stand, betraf das Ver- hältnis der S. D. P. zur Arbeiterpartei. Die Partei- Organisation von North-West Hain hatte den Antrag gestellt, es einem Parteimitglied in Zukunft zu verbieten, als Kandidat der Arbeiterpartei aufzutreten. Die Spitze dieses Antrages richtete sich gegen den Genossen Will. T hörne, der«in bekanntes Mit- glied der S. D. P. ist und West Ham als Arbeiterparteiler im Parlament vertritt; er ist der Kandidat seiner Gewerkschaft, die der Arbeiterpartei angeschlossen ist. Die Gründe, die für die Resolution ins Feld geführt wurden, waren prinzipieller Natur. Die Gegner des Antrages brachten namentlich taktische Bedenken vor. Es wurde angeführt, daß es nicht im Interesse der Partei sei. Streitigkeiten mit der Arbeiterpartei heraufzubeschwören. Queich führte aus. daß der bestehende Zustand der Partei jaum gefährlich werden könnte. Die Arbeiterpartei habe nicht nur kein Programm und keine Politik, sondern auch keine Disziplin; jeder Parlamentarier handle nach eigenem Gutdünken und unbekümmert um die Beschlüsse der Parteikonferenz. Unter diesen Umständen brauche-in sozialdemokratisches Mitglied der Arbeiterpartei nicht in die Lage zu geraten, sich mit seinen Parteigenossen in Wider- spruch zu setzen. Nach langer Diskussion wurde die Resolution schließlich mit großer Mehrheit mit dem Zusatzantrag ange- u o m m e n. daß ein Parteimitglied. daS als'Arbeiterparteiler kandidiere, in seinen, ZSahlaufrns ausdrücklich erklären müsse, daß es der S. D. P. angehöre und sür alle Forderungen dieser Partei «intrete. Ein zweiter Antrag von West Ham verlangte, daß bei allen Wahlen, wenn kein sozialistischer Kandidat auftrete, sich die Parteigenossen entweder der Stimme enthalten oder das Wort„Sozialist" aus den Wahlzettel schreiben sollten. Diese Taktik fand auf der Konferenz wenig Zlnhänger. Die Praxis, das Wort„Sozialist" auf den Wahlzettel zu schreiben, die in der Ver- gangenheit in einer Reihe von Fällen beobachtet worden ist. wurde von mehreren Rednern als geradezu albern bezeichnet. Ein Gegenantrag des Parteivorstandes, der diesem die Aufgabe gibt, vor der Wahl zu entscheiden, in welcher Weise die Stimmen der Partei am vorteilhaftesten angewendet werden können, wurde mit großer Mehrheit angenommen. Eine von der Parteiorganisation in West Leeds gestellte Reso- lution verlangte, daß es den lokalen Organisationen nicht gestattet werden sollte, sich der Arbeiterparlei� anzuschließen. Die Sektion Southamptou forderte dagegen, daß sich die Partei als solche der Arbeiterpartei anschließen sollte. Für diesen letzten Antrag wurde hauptsächlich das Argument angeführt. daß sich die Arbeiterpartei nach der Richtung zum Sozialismus entwickele und daß der Anschluß der S. D. P. dieser Eutwickelung nur förderlich sein könne. Dies wurde von den Gegnern des Sin- träges verneint. Sie wiesen darauf hin. daß sich die Arbeiter- parte, seit dem Anschluß der Bergarbeiter nach rückwärts ent wickelt habe und daß die Affiliierung der S. D. P. mit ihr der sozialistischen Bewegung schaden würde. Beide Anträge wurden verworfen. Von besonderem Interesse waren die Ausführungen des Ge Nossen Higgs über die Agrarfrage. HiggZ ist vielleicht der einzige tätige Sozialist in der Klasse der kleinen Pächter Englands. Er schilderte das Elend der kleinen Pächter, wie sie sich abrackern müssen und doch auf keinen grünen Zweig kommen können. Trotz der üblen Erfahrungen werde die Vermehrung des Äleinpächter- standes von bürgerlichen Politikern als das Allheilmittel gegen die sozialen Schäden angepriesen. Di« einzige Hoffnung für die Landwirtschast sei der Sozialismus. Ein klares und leicht ver- ständliches Agrarprogramm müsse entworfen werden, um d.e Landarbeiter und Pächter dem Sozialismus zuzuführen. Die wichtigste Frage, die auf der Konferenz diskutiert wurde, war jedoch die Frage der Kriegsrüstungen, in der einige hervorragende Führer der S. D. P. eine Stellung einnehmen, die in der Partei selbst und anderswo schon Anlaß zu scharfer Kritik gegeben hat. Es lagen zwei Resolutionen vor. In der ersten wurden die Parteisektionen, der Parteivorstand und die einzelnen Parteigenossen aufgefordert, gemäß den von den internationalen Sozialistenkongresseu gegen die Rüstungsbestrcbungen gefaßten Resolutionen zu handeln. ES wurde ferner erklärt, daß die best« Gewähr für die Sicherheit des Landes geschaffen werden könne, wenn die Regierung ihre aggressiv- imperialistische Politik auf- gebe. Die zweite vom Parieivorstand eingebrachte Resolution lautete:«Diese Konferenz drückt ihre vollständige Uebereinstim- mung aus mit den von dem internationalen Sozialistenkongrcß gefaßten Resolutionen zugunsten des Friedens, �der Abrüstung und der Einführung allgemeiner internationaler Schiedsgerichte. In Anbetracht jedoch, daß Kriege und Rüstungen die unvermeidlichen Folgen des dem modernen kommerziellen und industriellen System innewohnenden Wettbewerbs sind, ist diese Konferenz der?lnsicht, daß ein energischer und beständiger Kampf gegen den Kapitalismus das beste Mittel ist, um den Krieg zu bekämpfen, und daß in- zwischen die unmittelbaren Ziele, die wir erstreben sollten, um den Beschlüssen der internationalen sozialistischen Bewegung nach- zukommen, die sind, eine genügend starke Flotte zu erhalten und die Reorganisation unseres militärischen Systems aus der Grund- löge einer nationalen Bürgerwehr und das Aushören jeder aggressive» imperialistischen Politik herbeizuführen." Diese zweite Resolution wurde mit 47 gegen 33 Stimmen angenommen. Auf diese DiSkufsign werden wir noch zurüAogimcn. politische(Übersicht. Berlin , den 20. April 1911. Offizielle Bilanzverschleierung im Dienste des Fuselblocks. Tie gestern von den„Münchener Neuesten Nachrichten" gebrachte und von uns weitergegebene Meldung, daß in Re gierungs» und gewissen parlamciitanschcn Kreisen ernstlich geplant werde, den gegenwärtigen Reickistag zur Erledigung des Reickssctats sür das Rechnungsjahr: 1912 bis in den Januar nächsten Jahres tagen zu lassen, wird von verschie denen konservativen Und liberalen Blättern bestritten. Tai sächlich scheint, wie wir schon gestern andeuteten, das Münchener nationalliberale Blatt schlecht'insorimert worden zu sein. Zwar ist in gewissen konservativen Kreisen auch über das Projekt, den jetzigen Reichstag noch den Reichsetat für 1912 erledigen zu lassen, verhandelt worden; aber allem An- schein nach hat dieser Plan doch nur geringe Zustimmung ge funden. Dagegen wird ein anderes sauberes Projekt in ton servativen Kreisen sorgfältig erwogen, nämlich der Plan, die Regierung zur frühen Fertigstellung und Vorlegung eines Reichsetntsentwurfs zu veranlassen, der, schön frisiert und optimistisch geschminkt, nachweist, daß die Reichs- finanzreform des Jahres 1999 eine große, segensreiche, die Sanierung der Reichs- finanzen prächtig einleitende Tat gewesen sei, und der andererseits die Neuforderungen für Heer und Marine so knapp hält, daß die Regierungsparteien mit Nach- druck der Behauptung entgegenzutreten vermögen, es ständen bald weitere beträchtliche Erhöhungen der militärischen Aus- gaben in Aussicht. Kurz, an Stelle der früher verlangten autoritativen Aufklärung über die letzte Reichsfinanzreform fordert man jetzt von der Regierung die Ausstellung eines wohltemperierten Etatsentwurfs, der ungefähr den frisierten und verschleierten Bilanzen fauler Aktiengesellschaften entspricht. Mit einem solchen Etatsentwurf meint man in kon- servativen und klerikalen Kreisen schöne Wahlgeschäfte machen zu können, zumal wenn er durch eine entsprechend abgefaßte Denkschrift oder einen Bericht über die günstige Finanzlage des Reiches wirksam ergänzt wird. Daß dieser Etatsentwurf auch beraten wird, verlangt die konservativ- klerikale Sippe gar nicht; vielleicht sieht sie sogar lieber, wenn in die saubere Mache nicht näher hineingeleuchtet wird; es geniigt ihr völlig, wenn die Regierung.solchen Etat mit der schönen Erklärung vorlegt, daß das Ergebnis der 1999er Finanzreform ein unerwartet günstiges sei, so daß weitere Steu'ererhöhungen vorerst durchaus nicht nötig seien. Schon vor kurzem erhielten wir Andeutungen, daß man sich in bestimmten konservativen Kreisen mit solchen Plänen trage; aber es fehlte uns au Beweisen für solches Gerücht. In dem Artikel„DieHerbsttagungdesReichstnges" ihrer heutigen Abendnummer gesteht aber die„Deutsche Tages- zeitung" ganz o f f e n z u, daß man aus konservativer Seite tatsächlich die nächste Reichstagswahlkampagne mit frisier- ten Bilanzen einzuleiten beabsichtigt. Das Bündler- blatt erklärt nämlich mit schätzenswertem Freimut: „Wir möchten uns aber vor allem deshalb über diesen an- geblichen Plan(das von den„Münchener Neuesten Nachrichten" gemeldete Projekt) einstweilen den Kopf nicht weiter zerbrechen, weil wir es voraussichtlich nur mit einer Kombination nicht sehr maßgebender Stellen zu tun haben. Bisher wenigstens i st n u r davondieRedegewesen. den neuen Etat dem scheidenden Reichstage gleichsam zur Kenntnisnahme zu unter- breiten, nicht aber zur völligen Erledigung. Eine solche Absicht aber wäre sachlich sehr wohl begründet und politisch zweckmäßig. Der Reichstag hat ein natürliches Recht darauf. eine möglichst vollständige Bilanz seiner Hauptarbeit zu sehen. Diese Bilanz wird, wie oben be reiis gesagt, der nächste ReichßhaushaltSetat jedenfalls in noch besserer und schlüssigerer Weise darstellen können als der diesjährige. Wenn dem Reichstage also entweder der vollständige Etat oder eine eingehende EtatSiibrrsicht zuge stellt und in einer besonderen Regierungskundgebung näher anf dessen Bedeutung hingewiesen würde, so wäre damit nur der finanziellen wie der politischen und der parlamentarischen Lage in gleichem Maße ge- dient; und es würde damit zugleich gegenüber der Bevölke- rung, die vor bedeutsamen Neuwahlen steht, wie gegenüber dem Auslände eine wichtige Regierungs- aufgäbe erfüllt." j Also ein Wahlparad'eetat! Bilanzverschleierung im Dienste des Fuselblocks! Ein recht nützliches Ansinnen, das die' Junker an ihre ministeriellen Kommis stellen. ». Vielleicht erklären sich aus diesem Bestreben, die Wirkung der letzten Reichsfinanzlage als möglichst günstig hinzustellen, auch gewisse Notizen, die seit einigen Tagen in halb- und vierteloffiziösen Blättern erscheinen. So schreiben z. B. die„Berliner Polit. Nachr."; „Demnächst wird das Ergebnis der Einnah meil aus Zöllen, Steuern und Gebühren während des Rechnungsjahres ISlv veröffentlicht werden. Dieser Publikation wird sich die Jahreseinnahme aus der Post- und Reichseisenbahn- Verwaltung anschließen. Die ersten Zahlen dieser hauptsächlich- sten Reichseinnahmeergebnisse sind keine endgültigen, sie erfahren später immer noch kleine Berichtigungen auf Grund genauerer Aufstellungen, jedoch gewähren sie ein im großen ganzen zu- treffendes Bild. Es ist sicher, daß die wirklichen Ein- nahmen bei den Zöllen, Steuern und Gebühren, wie bei den beiden großen Betriebsverwaltungen deS Reiches die Etatsansätze übertrofsen haben. Man darf sich sogar aus ansehnliche Summen gesaßt machen. Jeden- falls sind sie so groß, daß auch insgesamt für das Rechnungs- jähr 1910 auf einen Ueberschuß beim Endabschluß der Reichs- Haupikaffe zu rechnen ist." Und in einer anderen Ehrenrettung des Fuselblocks heißt es: „Daß dieser Reichstag bisher unfruchtbar gewesen, ist gar nicht wahr. Er hat durch den Haushaltsplan für 1911 die Finanzen des Reichs, die früher recht viel zu wünschen übrig ließen, auf eine gesunde Bahn gebracht, und er hat das neue Jriedenspräfenzgefetz genehmigt, wonach auf die uäch. sten fünf Jahre die EntWickelung des deutschen Heerwesens sichergestellt ist. Finanzen und Wehrmacht sind zwei so wichtige Grundpfeiler jedes Staatswesens, daß, wenn der Reichstag nichts iveiler als ihre Stärkung unb Befestigung siollbrachk hälke, her gegen ihn gerichtete Vorwurf der Unfruchtbarkeit als völlig deplaciert erscheinen müßte. Wenn der Reichstag von den großen sozialpolitischen und anderen umfassenden Vorlagen bisher keine erledigt hat, so ist zunächst zu betonen, daß dem Reichstage, der vor Weibnachten nicht allzuviel Zeit zur Verfügung hat und zwischen Neujahr und Ostern seine Zeit auf den Etat Hauptfach- lich verwendet, es gar nicht außergewöhnlich ist, daß er zur Ent- scheidung über die ihm sonst unterbreiteten Vorlagen erst zwischen Ostern und Pfingsten kommt. Dazu ist ihm NUN auch diesmal reichliche Gelegenheit geboten." Die Arbeiten des Landtages im Mai. Die Korrespondenz Woth schreibt: Es ist beabsichtigt, die Slrbeiten des Landtags nach Wieder- aufnähme der Arbeiten am 2. Mai so zu fördern, daß der Schluß der Session noch vor Pfingsten eintritt. Es ist beabsichtigt, zunächst die Vorlagen zu beraten, die noch Kommissionen überwiesen werden müssen. Es sind dies die Novelle zur Landgemeinde- ordnung für die Rheinprovinz , der Entwurf über die läud- lichen'PflichtfortbildungHjchnleii. einige kleinere vom Herrenhaus überwiesene Vorlagen, das SluSführungZgesetz zum ReichSviehseuchen- gesetz, die Denkschrift über die Ansiedelung in Posen und Westpreußen und einige andere Denkschriften. ES soll sodann mit der Beratung der zahlreichen vorliegenden Anträge und der zurückgestellten Etats- resolutionen begonnen werden. Im ganzen werden in den Kommissionen Anfang Mai fünfzehn Gesetzentwürfe beraten werden müssen, die im Laufe deS Monats vom Plenum zu verabschieden sind. Dazu tritt das noch in den nächsten Tagen dem Landtag zugehende Eisenbahn- anleihegcsetz. dessen Beratung im Plenum etwa acht Tage in Anspruch nehmen wird. Der größte Teil des Materials hat dem Herrenhaus noch nicht vorgelegen und ist auch von diesem noch nicht verabschiedet. Die Hauptarbeit wird die Verabschiedung der beiden Zweck- Verbandsgesetze sein, deren Beratung auch einige Tage währen wird. Da die Kommissionen nicht, wie ursprünglich beabsichtigt war, schon Ende April zu tagen gedenken, um das Material vor- zubereiten, sondern größtenteils erst anfangs Mai zusammen- treten, so ist eS immerhin nicht ausgeschlossen. daß die Verabschiedung der lö Gesetzentwürfe sich bis Pfingsten nicht wird durchführen lassen und eine kurze Tagung nach Pfingsten noch notwendig sein wird, zumal im günstigsten Falle die Gesetzentwürfe dem Herreuhause erst Ende Mai werden zugehen können. Die Kommission zur Vorberatung der Zweck- Verbandsgesetze wird als einzige Kommission ihre Be- ratungen bereits am 25. April aufnehmen. Belehrte Rechtsgelehrte. Wie die Leser deS„Vorwärts" sich erinnern werden, führte ein Bericht über die Solinger Polizeiattacke vom S. März 1910 im Januar dieses Jahres zu einer Verurteilung unseres damaligen ver- antworilichen Redakteurs, des Genossen Barth-Berlin , vor der Straf- kammer I des Berliner Landgerichts I . In dem unter Vorsitz des LandgerichtSdireltorS Schmidt gefällten Urteil ist die PublikationZ- befugnis verfügt je einmal im„Vorwärts" und in der»Bergischen Arbeiter stimme" und zwar im redaltionellen Teil dieser Blätter. Der Erste Staatsanwalt Steinbrecht beim Berliner Landgericht I sandte nun unter dem 4. April d. I. der Redaktion der»Bergischen Arbeiterstimme" in Solingen eine Abschrist des Urteilstenors mit dem Ersuchen um Abdruck zu, erhielt darauf jedoch folgende Antwort: Den geforderten Abdruck des uns übersandten Urteilstenors in Sachen des Redakteurs Barth, Berlin (32 I. 424. 10/38) lehnen wir aus grundsätzlich- rechtlichen Gründen für den redaktionellen Teil unseres Blattes ab. Das Verlangen stellt ein Novum dar, das'ge- setzlich nicht begründet ist. Nur für dasjenige Blatt, welches die fragliche Beleidigung veröffentlicht hat. kann das Gericht gemäߧ 200 Abs. 2 des Str.-G.-B. den Abdruck des Urteilstenors im redaktionellen Teil verfügen, nicht aber zugleich auch für andere Blätter, in denen die Publikation erfolgen soll. Für diese kann lediglich der Inseratenteil in Frage kommen, wie aus 8 10 deS Preß- Gesetzes deutlich hervorgeht. Im vorliegenden Falle kann also nur vom„vorwärts" der Abdruck im redaktionellen Teil gefordert werden, nicht aber von unserem Blatt, das mit dem Prozeß gar nichts zu tun hat. Dom Abdruck im Inseratenteil der.Bergischen Arbeiterstimme" steht natürlich nichts im Wege. Daraufhin traf vom Ersten Staatsanwalt in Berlin das Ersuchen ein, den Abdruck deS UrteilStenorS im Inseratenteil vorzunehmen. Er hat sich also belehren lassen, daß sein erstgestellteS verlangen gesetzlich nicht begründet sei. So bleibt ein Teil des „von Rechts wegen" gefällten Urteils unausgeführt von Rechts wegen!_ Tagung der Internationalen Kriminalistische» Bereinigung. Die Landesgruppe Deutsches Reich der Internationalen Krimi- nalistischen Bereinigung ist heute unter zahlreicher Beteiligung ihrer Mitglieder zu einer Tagung zusammengetreten. Die Verhandlungen. die sich über mehrere Tage erstrecken, haben zum Gegenstand die Stellungnahme zum Borentwurf deS Strafgesetzbuches. Der erste Tag brachte ein einleitendes Referat des Herrn Prof. Dr. v. L i s z t- Eharlottenburg und ein Referat deS Wirst. Geh. Ober-Reg.-Rat Dr. Krahne über Freiheitsstrafen und Strafvollzug nach dem Vorentwurfe. Am Freitag steht zur Debatte die BeHand- lung der unsozialen Elemente im Vorentwurfe(Referent Mitter- maier-Gießen) und am Sonnabend wird über die Behandlung der Jugendlichen im Vorentwurfe(Referent Freudenthal-Frankfurt a. M.) verhandelt werden. Nach Abschluß der Verhandlungen werden wir in einem be- sonderen Artikel auf die bedeutsame Tagung zurückkommen. Ter Kampf gegen die freie Jugendbewegung. Ter Vorsitzende des Kreisverbandes Berliner Evangelischer Jüngluigsvereine eifert im.Reichsboten' gar beweglich gegen die freie Jugendbewegung. Besonders warnt er vor der„Arbeiter- Jugend",� die das verderblichste Gift unter der Jugend verbreite. Alles mißfällt dem Herrn Pastor an dem proletarischen Jugend- organ: daß eS ätzenden Spott ausgießt über die kläglichen Ver- folgungsmaßregeln der Behörden gegen die freie Jugendbewegung, daß es dem dreisten Chauvinismus einer verlogenen„patriotischen" Geschichtsfälschung die geschichtliche Wahrheit entgegensetzt, daß es die Ausbeuterpraktiken des Kapitalismus gebührend kennzeichnet. Ein Naiver könnte ineine», daß es gerade einem abgestempelten Vertreter des„Christentums" sympathisch sein müsse, wenn die höchst unchristliche Intoleranz der Behörden gebrand- markt, die frivole Bösterverhetzung bekämpft und den so unbrüderlichen AusbeuwngSbestrebungen des Kapitalismus entgegengetreten werde. Wer da freilich weiß, daß die Kirche sich jederzeit auf die Seite der Herrschenden und Besitzenden ge- schlagen hat. wird auch die Besorgnis dieses Geistlichen verstehen. daß durch die„Arbeiter-Jugend" die Idee» echter Menschlichkeit und Nächstenliebe unter dem heranwachsenden Proletariat» verbreitet werden. Wir können eS daher dem Herrn Pfarrer nachfühlen, wenn er in dem schmerzlichen Ausruf ausbricht:„Wo sollen wir hin- kommen, wenn diese Apostel deS HasseS und der AutoritStSlosigkeit ihr Gift ungehindert(!) weiter verspritzen dürfen!" Die gehässigen
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