in mimiaHiöTcit Diensie im Interesse der Arbeiter und bor allem für die Errichtung und Entwickelung unentgeltlicher Dienste au dem Gebiete der Erziehung, des Unterrichts, der Hygiene, der Ver- sicherung, der Wohlfahrtspflege und der Lebensmittelversorgung ver- wendet werden." Resolutionen. Es folgt der Bericht der Resolutionskonnnission. Die in der Kommission abgeänderte Resolution Pressenss über den Proporz wird mit allen gegen eine Stimme angenommen. Sie lautet:„In der Erwägung, datz das„Apparente- inent" einen Teil der ärgsten Fehler, die man der Majoritätswahl vorwirst, forrsetzt, fordert der Kongreß die Fraktion auf, für den Triumph des exaktesten Systems des Proportionalsystems alles in Bewegung zu setzen." Die Resolution RoldeS über Freimaurerei , Antiklerikalismus und Antisemitismus wird dem nächsten Parteitag zugewiesen mit der Hervorhebung des selbstverständlichen Prinzips der Weltlichkeit. Angenominen wird eine Resolution Bracke, die in Anerkennung deS bisherigen Borgehens der Fraktion für die Zukunft eine Fort- dauer der Einigkeit erhofft. In der folgenden Diskussion über die Taktik bei den Munizipalwahlen fordert D e l o r y zur Vermeidung gefähr- licher Konfusion vollständige Listen für den ersten Wahlgang, für den zweiten die Ueberlassung der Entscheidung an die Föderationen wie bisher. Kongreß der belgifchen Sozialdemofirafle Brüssel , 18. April. (Eigenbericht.) Der Punkt über die Statutenänderung des General» rat es der Partei bringt einen kurzen Meinungsaustausch über die Zusammensetzung der Parteileitung. Hins vertritt da die Ansicht, daß die Leitung des Generalrates unabhängig von der parlamentarischen Gruppe sein solle und künftig keine Deputierten mehr dem Borstand angehören— welcher Auffassung Vandervelde entgegentritt. Der Generalrat sei Haupt- sächlich ein Kontrollorgan der Partei, wenngleich er zu Zeiten ver- antwortungsvolle Entscheidungen zu treffen habe. Daraus resultiert, daß der Leitung Männer angehören müssen, die den Partei- Organismus gründlich kennen. Die Frage wird schließlich einer Kommission überwiesen. Der Pressebericht wird ohne Debatte angenommen. Beim Punkt: Bericht über den Verband der Genossen- schaften wird eine Resolution vorgelegt, die eine Regelung und Verbesserung der Beziehungen zwischen Gewerk- schaften und Genossenschaften anregt. Es existiere eine große Anzahl Genossenschafter, die nicht den Ge- werk schaften angehören und umgekehrt. Die Resolution schlägt vor, eine aus Gewerkschaftern und Genossenschaftern zu bildende Kommission zu ernennen, die die Situation prüft und dem nächsten Kongreß Bericht erstattet.(Angenommen.) Leblanc übt Kritik an der Genossenschaftsbewegung über- Haupt: die Genossenschaften erfüllten nicht ganz ihre Pflicht gegen- über der Partei. Bandervelde macht dem Kongreß Mitteilung über die im Vorjahre erfolgte Gründung der.Centrale d'Education"— eine vom Generalrat im Einvernehmen mit der Gewerkschafts- kommission und dem Genossenschastsverbande geschaffene Institution für die Zentralisierung des Arbeiterbildungs- Wesens. Das Kapital von 85 OOO Fr., über das der BildungS- ausschuß verfügt, stammt aus zwei privaten Spenden. Sekretär der Bildungszentrale ist Genosse De Man — für die Kunstsektion wirkt Genossin Vandervelde . Es ist ein Budget von 20000 Fr. pro Jahr vorgesehen, wovon 10000 Fr. die Zenttale selbst aufbringt; die restlichen 10000 Fr. sollen von der Partei bei- gestellt werden. Die Debatte über die Taktik im Kampf gegen die Schulvorlage. Zum Punkt WahlrechtSkampf und die Kampagne gegen die Schulvorlage liegt die Resolution Vandervelde vor. Sie gibt eine Kritik der Schulvorlage und eine Zusammenfassung aller Konsequenzen und Gefahren, die ihre Gesetzwerdung mit sich führte. Die Resolution rust die sozialistischen Mandatare zum energischsten Kampf auf. Die Resolution fordert ferner, daß(auf Grund der neuen Volkszählungs- ergebnisse) die Zahl der Deputierten vermehrt und Wahlen für das ganze Land ausgeschrieben werden. Der Ausgangspunkt dieser Kampagne, erklärt die Resolution, muß die Eroberung des gleichen Wahlrechts sein. Für diese Forderung und gegen den klerikalen Anschlag werden die Arbeiter ganz Belgiens am 15. August demonstrieren! Vandervelde als Berichterstatter geht in seinen Aus- sührungen vor allem auf eine Untersuchung der taktischen Rot- wendigkeiten im Kampf gegen daL klerikale Parteiwerk aus und kommt zum Schluß, daß nur das einige und gemein- same Vorgehen der Oppositionsparteien— von Sozialisten und Liberalen— den Sieg verheißt. Wenn die Arbeiterschaft alle Kraft und Fähigkeit dransetzen würde, könnten die Neuwahlen von 1012 der Negier ung den To des- stoß versetzen und das gleiche Recht für die Arbeiter wäre in Sicht I Wenn die Opposition im Jahre 1012 den Sieg davon trägt, werden die Sozialisten von den Liberalen die Einführung des all- gemeinen Wahlrechts für die Gemeinde- und Provinzvertretungen verlangen. Was die Erlangung des glichen Wahlrechts für die Kammer betrifft, so ist der Sieg weniger leicht zu holen, denn es bedarf für die Durchsetzung in der Kammer der Zweidrittel- Majorität. Um die zu erreichen, machen wir uns. sagte Vandervelde , keine Illusion, werden wir einen Teil der Klerikalen zu uns herüber- ziehen müssen.— Aber wenn eine mächtige Bewegung außer- halb deS Parlaments, die das ganze Land mitreißt, um sich greifen wird, wird auch das Parlament nicht wider- stehen.— DaS Feuer ftir den Kampf ums Wahlrecht wird freilich auch nach Vanderveldes Meinung die Arbeiterschaft allein aufzubringen haben. Vandervelde erinnert an die Versamm- lung. wo er neben dem liberalen Führer H y m a n s über die Schul- Vorlage gesprochen und das Kampfbündnis quasi seine Weihe empsing. Dort hatte H y m a n S, obwohl feine Worte Töne von revolutionärer Resonanz hatten, kein Wort für das Gr ll ndrecht der Arbeiter gefundenl.Das Wort ist nicht gekommen und eS wird nicht kommen", sagte Vandervelde ..Die libe- role Bourgeoisie hat sich nur gezwungenermaßen mit dem allgemeinen Wahlrecht abgefunden und ihre Vertreter werden ohne Begeisterung dafür stimmen. Die Echollaertsche Vorlage wird durch die Macht der gesamten Opposition niedergerungen werden: aber für den Kampf um 8 Wahlrecht werden die Arveiter nur auf ihre eigene Kraft zählen können I" Nach Vandervelde fpricht der Vertreter der Handelsangestellten. Jacquemotte. der den„Block" Utopist isch findet, in einem Augenblick, wo die Arbeiterschaft gegen die Schulvorlage und für das Wahlrecht auszieht. Die Arbeiterschaft hätte auch aus eigenen Kräften den Widerstand gegen die Vorlage organisiert I Der Kampf fürs Wahlrecht, dessen Erringung die Vorbedingung für alle Reforme» sei, müsse ins vorderste Tressen gestellt werden. Und hier haben die Arbeiter nur auf sich zu zählen. Jacquemotte wendet sich dagegen, daß man zu viel nach den Liberalen blinzle. Er legt eine Tagesordnung vor, die die Vorbereitung für den General» streik empfiehlt. S o u p l i t unterstützt Vanderveldes Auffassungen. De Brouckere fpricht sich vorerst gegen die Tagesordnung Jacquemotte aus. Wir verfolgen eine realistische Politik. Der Generalstreik ist am Platze, wenn die Organisationen im ganzen Lande bereit sind, ihn durchzuführen. Aus der Tagesordnung Vandervelde will De Brouckere den Passus.in Uebereinstimmung mit allen OpportunitätSparteien" gestrichen sehen. Auch viinscht er, daß es einfach heiße:.die Arbeiterschaft wird ans- gefordert, eine energische Kampagne gegen die Schulborlage zu führen(nicht wie es im ursprünglichen Text heißt: sich der bevor- stehenden Bewegung anzuschließen). Die Arbeiterschaft solle ihre Kampagne für sich führen.— De Brouckere wendet sich gegen das Wort Vanderveldes: die Arbeiter mögen nicht der liberalen Bourgeoisie die Ehre lassen, allein für die Schule zu kämpfen. Daß die Arbeiter bereit sind, haben sie bereits gezeigt. Die Frage ist nur, ob auch die Liberalen.marschieren" werden.— Wir würden uns selbst verleugnen, wenn wir aussprächen, daß wir uns einer Bewegung anschließen, die wir selbst gemacht haben. Denn die Arbeiter sind auf den Ruf des Generalrats bereits losmarschiert.— De Brouckere kommt auf die K a r t e l l t a k t i k zu sprechen, die die Aktionskraft der Arbeiter ebenso gelähmt habe wie die der Liberalen. Die erwachenden Arbeiter finden auf ihrem Wege nicht nur die klerikale, sondern ebenso die liberale Bourgeoisie. Ein gemeinsamer Kamps mit den Liberalen wird der Arbeiterklasse nicht die nötige Begeiste- rung geben! Vandervelde hat in der liberalen Versammlung zu den Liberalen gesagt: Bergessen wir. waS uns trennt! Aber was uns trennt, ist unser ganzes Programm, ist vor allem das Wahlrecht, das wir er- kämpfen wollen! Wenn wir aber daS Wahlrecht nicht vergessen und an den Kampf gegen das Schulprojekt die Wahlrechtsforderung ketten, können wir dann mit den Liberalen gemeinsam vorgehen? Vandervelde selbst mußte zugeben, daß der liberale Führer über das Wahlrecht geschwiegen hat! Wir aber müssen reden, um die Massen zu uns zu ziehen I Die Partei würde ihren Klassencharatter und.das, was uns von allen Parteien trennt", ver« hüllen, wenn sie hinter den Liberalen marschiert. ES könnte für die Partei von ungeheurem Schaden werden, wenn(sie in der gegenwärtigen Volksbewegung, die nicht nur gegen das Schulgesetz, sondern ebenso und mehr noch für die Arbeiterforderungen eingesetzt hat, das zurückstellen würde, was ihre Existenzberechtigung ausmacht. In seiner Erwiderung erklärt sich V a n d er v e l d e mit der zweiten von De Broucksre vorgeschlagenen Abänderung einverstanden. aber nicht mit der Streichung des Passus: in Uebereinstimmung mit allen Oppositionsparteien. Der Geueralrat habe sich dahin erklärt, daß die sozialistischen Redner an den gemeinsamen(liberal-sozia- listischen) Meetings teilnehmen, die Kampagne der Arbeiterschaft aber selbständig geführt wird.— Bezüglich der Bündnispolitik bei Wahlen erklärt Vandervelde , gegen die Kartellpolitik in großen Wahlkreisen zu sein und sie nur für Ausnahmefälle gelten zu lassen. Er könne den ersten Abänderungsvorschlag nicht akzeptieren, weil er der festen Ueberzeugung sei. daß das Schulgesetz nur durch eine Auftüttelung der gesamten öffentlichen Meinung verhindert werden könne. Es sprechen weiter die Deputierten Roher für den .Oppositionsblock" und MeySnians— mit Berufung auf die letzten Kongreßentschließungen der Partei bezüglich ihrer Taktik— gegen ihn. Deputierter Hubin hält MehsmanS entgegen, daß sich leit dem Kongreß die Siluatton durch die Vorlage des Schulprojekts völlig geändert habe, wodurch sich die von Vandervelde in seiner Tagesordnung verteidigte Taktik rechtfertige. Camille Huysmans sagt, er sei in diesem Punkte nicht .verdächtig", er müsse aber erklären, daß die Liberalen in der Schulsrage Vorwürfe nicht verdienen. Um nicku den Verdacht einer Art.Blockpolitik" aufkommen zu lassen, schlägt HuySmanS eine stilistische Abänderung des von De Brouckere beanstandeten Satzes vor(„insbesonderS in Uebereinstimmung mit den anderen Parteien der Opposition und allen, die guten Willens sind"). Er unter- stützt auch De Brouckeres Anregung, die gegenwärtige Bewegung auszunützen, um für daS ganze Schulprogramm der Partei einzu- treten. ES sprechen noch Abg. P ö p i n für und SanderS gegen die Kampfgemeinschaft mit den Liberalen. De Brouckere erNärt sich mit dem Amendement HuySmanS befriedigt, vorausgesetzt, daß die Zeit deS Kampfes gegen die Schulvorlage ftir die Arbeiterpartei keinen Waffen still st and und keinen.Block" bedeutet und die A u t o n o m i e der Parteitätigkeit unangetastet bleibt. Vandervelde stellt noch fest, daß es sich nicht allein, „wie De Brouckere zu glauben scheine", um ein Zusammen- wirken der parlamentarischen Gruppen handle. Die Partei selbst, sagt Vandervelde , muß zusammen mit allen Männern, die guten Willens sind, gemein» sarn marschieren, um das Schulprojekt zunichte zu machen. Aber eS sei niemals die Rede davon gewefen, daS Programm in die Tasche zu stecken. Wir sindSozialisten und werden es bleiben! De Broucköre: Darum handelt es sich nicht! Ja oder nein? Werden wir in unserer gegenwärtigen Propaganda hervorheben, WaS uns von den Liberalen trenn;? Vandervelde: Ja, wir werden das tun. Aber wir werden auch betonen, was uns im Kampf gegen das Schulgesetz näher bringt.— Vandervelde bemerkt, daß es für ihn die größte Befriedigung wäre. De BroucköreS Zustimmung zur Resolution zu finden. De Broucköre stellt die Frage, ob neben den Meetings, die mit den Liberalen veranstaltet würden, die Partei ihre eigene, elbständige Bewegung führen würde. Vandervelde bejaht und De Broucksre erklärt unter diesen Bedingungen für die Tagesordnung Vandervelde mit dem Zusatz HuySmanS zu stimmen. Damit ist die bewegte Debatte erschöpft. Die Tagesordnung Vandervelde mit dem Zusatz HuySmanS und.kommentiert im Sinne De Brouckeres", wie der Vorsitzende sagt, wird mit allen Stimmengegen zwei Abstinenzen unter Beifall an- genommen._ ilm 4. Candlagsivalssltrelie widmen sich unsere Genossen jetzt mit immer größerem Eifer der Arbeit für die bevorstehende Nachwahl, über deren Ergebnis bekannt- lich durch die Urwahlen am nächsten Montag, den 24. April, ent- schieden wird. Auf Mittwoch abend hatten unsere Genossen vier öffentliche Wählerversammlungen veranstaltet, die der Agitation für die Wahl und der Aufstellung der Wahlmänner dienten. Sie fanden im Meßpalast, in Habels Brauereiausschank, bei Rabe in der Fichte- straße und in SchnegelbergS Festsälen statt und waren alle ziemlich zahlreich besucht, wenngleich nicht in dem Maße, wie eS wünschenS- wert gewesen wäre. Ueberall gedachte man vor Eintritt in die Tagesordnung deS verstorbenen Landtagsabgeordneten Borgmann, ehrte sein An- denken, seine rastlose Tätigkeit für die Partei und gelobte sich, in seinem Sinne weiter zu kämpfen und dafür zu sorgen, daß statt seiner zwei neue Sozialdemokraten in das Abgeordnetenhaus ein- ziehen. Als Referenten sprachen die Landtagsabgeordneten Adolf offmann, Liebknecht . Hirsch und Ströbel. In treffenden Worten legten sie dar, um was es sich bei der Wahl handelt. Sie beleuchteten scharf und gründlich das ganze Gebiet der preußischen Reattion, die schmachvolle Ungerechtigkeit, die ihre Grundlage in dem schändlichen Dreiklassenwahlrecht hat, und zeigten auch, welche Handlangerdienste der„Freisinn" den reaktionären Machthabern geleistet hat und wie er nun selbst mit seinem Vertteter im 4. LandtagSwahllreise in dieselbe Grube gefallen ist. die er vor zwei Jahren den sozialdemokratischen Abgeordneten Berlins gegraben' hat. In allen vier Versammlungen hielt auch der Landtagskandidat Ge- nosse Max Grunwald eine zündende Ansprache. Die Aufforde- rung zu eifrigster Tätigkeit für den Sieg der sozialdemokratischen Wahlmänner fand begeisterte Zustimmung, die ohne Zweifel auch mit aller Kraft in die Tat umgesetzt wird. Die Aufstellung der Wahlmännerkandidaten, die ja schon in den Bezirken vorbereitet worden war, vollzog sich ohne jede Schwierigkeit. 8o2iales. Kein tatsächliches Arbeitsverhältnis sonder« fatttillenhafteS Gemeinschaftsleben! Die 67 jährige Näherin Emma H. in Berlin erhob am 20. Dezember 1009 Anspruch auf Invalidenrente. Nach einem Gut- achten des Dr. v. E. vom 13. Mai 1910 war die Klägerin wegen Altersschwäche seit November 1909 dauernd völlig erwerbsunfähig. Die Versicherungsanstalt bestritt indessen das Vorliegen einer Ver- sicherungspflicht. Die untere Verwaltungsbehörde hat unter Bejahung der Versicherungspflicht den Antrag der Rentenbewerberin für begründet erachtet. Die LandeSverficherungS- an st alt Berlin wies den Antrag durch Bescheid zurück. Denn „die Wartezeit sei nicht erfüllt und die Tätigkeit der Renten- bcwerberin als Näherin bei ibrer Tochter sei nicht versilherungs- pflichtig gewesen, weil eS sich dabei nicht um ein tatsächliches Arbeitsverhältnis, sondern um ein familienhafteS Ge- meinschaftsleben gehandelt habe". Gegen diesen Bescheid hatte die Witwe H. beim Schiedsgericht für Arberversicherung Stadtkreis Berlin Berufung eingelegt und schiedsgerichtliche Entscheidung beantragt. Sie begründete ihre Be- rufung damit, daß sie tatsächlich bei ihrer Tochter mit anderen Arbeiterinnen genäht hat und hierfür einen Wochenlohn von 6 M. erhalten habe. Das Schiedsgericht erhob weiteren Beweis. Die beiden Mit- arbeiterinnen erklärten übereinstimmend, daß Frau H. tatsächlich den ganzen Tag hindurch gearbeitet und auch den für Kravattenarbeite- rinnen üblichen Lohn erhalten habe. Nach ihrer Leistung müsse Frau H. als vollwertige Arbeiterin bezeichnet werden. Das Schiedsgericht hat daraufhin die Landesversicherungsanstalt Berlin zur Zahlung der Invalidenrente von An» fang Dezember 1909 verurteilt. Die Klägerin erhält nun endlich eine Monatsrente von 12,20 M. Das Verhalten der Landesversicherungsanstalt ist alles andere denn human. Wie wäre es um diese arme Frau— die mit einem Fuße am Grabesrand steht— bestellt gewesen, wenn die Mitarbeiterinnen nicht hätten be- künden können, daß Frau H. tatsächlich den Lohn von ihrer Tochter empfangen hat? Sie wäre abgewiesen worden. Etwas weniger BureaukratiSmuS und mehr soziales Empfinden wäre dringend von- nöten._ Hu9 der Frauenbewegung. Bon der Frauenstimme. Jedenfalls aufgescheucht durch unseren glänzend verlaufenen sozialdemokratischen Frauentag sucht ein Herr Sch. in dem April- Heft der„Konservativen Monatsschrift" unter obiger Stichmarle die Forderung der politischen Gleichberechtigung der Frau zu ver- höhnen und— vor ihr gruselig zu machen. Der Herr knüpft mit seinem Elaborat an die Tatsache an, daß Fräulein Rogstad, als erstes weibliches Parlamentsmitglied in Norwegen , eine militärfreundliche Jungfernrede hielt. Er meint, das Gegenteil wäre eine kleine Sensation gewesen: Eine Rede gegen den Leutnant aus weiblichem Munde— das Aufsehen! Des wohlfeilen Spottes in diesen Worten geben wir nicht weiter acht, wir wollen dem Herrn Sch. auch gerne schenken, was er über das Interesse gewisser Frauenkreise für die prwate Auf» besserung der Soldatenkost zu sagen weiß, wir wollen vielmehr für uns eine sehr ernste Lehre aus der Rede und der Stellungnahme des Fräulein R. ziehen. Fräulein R. ist eine bürgerliche Frau, die auf Grund des beschränkten Frauenwahlrechts in Norwegen ge- wählt ist. Diese Tatsache erklärt ihre Stellungnahme zum Mili. tarismus. die— um mit Herrn Sch. zu reden— sonst sensationell wirken mühte. Die Stellungnahme des Fräulein R. zeigt aber auch klärlich, wie durch ein beschränktes Jrauenwahlrecht der Ein- fluß der Bürgerlichen gestärkt wird, und wie töricht wir handeln würden, wollten wir für ein solches Wahlrecht eintreten, wie unS von gewisser Seite zugemutet wird. Doch hören wir weiter, was Herr Sch. zur Frage deS Frauen- Wahlrechts zu sagen weiß: Er anerkennt, daß die wirtschaftliche Gestaltung der Gesellschaft es erheischt, daß bald Antwort auf die Frage gegeben wird, ob die Frau in der gesetzgebenden Körper, schaft mitbestimmend sein soll. „Die Frau zahlt Steuern wie der Mann; sie ist erioetbS- tätig wie der Mann; sie ist als Landwirtin. als städtische Haus» ibesitzerin, als Handels- und Gewerbetreibende an der Gesetz- gcbung wirtschaftlich interessiert wie der Mann. Sie will wissen. was mit ihren Steucrgeldern in Staat und Gemeinde geschieht und will daher Gesetze verhindern, durch die ihre Interessen ge- schädigt. Gesetze fördern, durch die ihre Interessen gefördert werden können." Das hört sich an wie eine gute sachliche Begründung der poli- tischen Gleichberechtigung der Frau. Herr Sch. ist jedoch durchaus lein solcher Befürworter. Daß in Amerila Frauen im Parlament für ein Temperenzgesetz und gegen die Reglementierung der Pro- stituierten eingetreten sind, hat seinen ganzen Zorn entfacht, und er malt die schrecklichsten Folgen dieser Maßnahmen aus. Was der Herr dann noch über die Ehe und die modernen Frauenbestrebungen, über die Stellung der Sozialdemokratie zur Jrauenfrage zu sagen weiß, zeugt von einer völligen Unleuntnjs der modernen Frauenbewegung. Herr Sch. faselt von dem Bestreben der Frauenbewegung, die Begriffe„Ehe" und„Mutterschaft" völlig umzuwerten, und fügt dann hinzu: Der Sozialdemokratie passe diese Parole, und des- h a l b habe sie die Frauenbewegung unter ihre Fittiche genommen. Soviel Worte, soviel Unrichtigkeiten! Die Sozialdemokratie ist für die politische Gleichberechtigung der Frau eingetreten, bevor von einer nennenswerten Frauen- bewegung die Rede sein konnte. Geschichtliche Einsicht und daS natürliche Gerechtigkeitsgefühl, welches die Unterdrückten treibt, ihren Leidensgefährten beizustehen, waren die Triebfedern ihres TunS. In der Gegenwart, bei der sich fortgesetzt steigernden Erwerbs- arbeit proletarischer Frauen, kommt noch das wohlverstandene Klasseninteresse hinzu, welches die Sozialdemokratie zum zuder- lässigen Preisfechter der politischen Gleichberechtigung des Weibes werden läßt. Erklärlich genug. Bei den Kämpfen der Arbeiter» klasse, die sich auf wirtschaftlichem und politischem Gebiete immer mehr zuspitzen, sind die Proletarierinnen als Kampfgenossinnen nicht nur willkommen, sondern werden immer mehr unentbehrlich. Einen Kampfgenossen wünscht man aber möglichst kampfgerüstet zu sehen, und das Wahlrecht ist eine gute Waffe für diese Kämpfe. Der konservative Herr Sch. hat jedenfalls von den Bestrebungen des„Bundes für Mutterschutz " gehört, die eine„neue Ethik",„eine Ehereform" und„das Recht auf Mutterschaft" für alle Frauen propagieren. Diese Bestrebungen verwechselt er nun mit denen der Frauenbewegung und sogar mit denen der sozialdemokratischen Be- wegung, wie er denn überhaupt die proletarische und die bürgcr- liche Frauenbewegung durcheinander wirft. So sehr die Sozialdemokratie auch das mutvolle Eintreten der bürgerlichen Frauen im Bunde für Mutterschutz für eine Ehe- reform achtet, steht sie denselben doch vollkommen fern. Aus dem einfachen Grunde, weil geschichtliche Einsicht unS lehrt, daß eine Ehereform in dem angedeuteten Sinne bei der heutigen Eigentums- ordnung unmöglich ist. Ist doch die Familie die Trägerin des Privateigentums. Erst wenn dieses beseitigt, ist eine grundlegende Reform der Ehe denkbar. So wenig Sachkenntnis über Wesen und Ziel der sozialdcmo. lratischen und der bürgerlichen Frauenbewegung der Herr Sch. der» rät, so wenig logisch sind seine Schlußfolgerungen, die er aus seinen e-genen Tarlegungcn über Arbeit und Stellung tzer Frau sür ihre pMische F.cecdjfjgi�g M JetgtigiUZg zieht,'
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