zeugt, daß Mexiko sein äußerstes tun werde, um an der Grenze eine zurückhaltende Politik zu beobachten, und er fürchte nicht, daß sich irgend ein Anlaß für eine Intervention. eine Verniittelung irgendeiner Art oder eine Einmischung in die Angelegenheiten Mexikos ergeben werde. Das Kongreß- Mitglied Sulzer äußerte sich, als er nach Beendigung der Konferenz das Weiße Haus verließ, dahin, man sei überein- gekommen, so zu handeln, daß eine Invasion oder eine Jnter- vention der Bereinigten Staaten in die mexikanischen Angelegenheiten vermieden werde. Der Angriff auf Iuarez. New Jork , 20. April. Die«Associated Preß " meldet aus El Paso: M a d e r o benachrichtigte die ausländischen Konsulu in Iuarez. daß er Iuarez wahrscheinlich um Mitternacht an- greifen werde. Gomez, der hiesige Vertreter MaderoZ, sandte an diesen ein Telegramm, in welchem er abrät, Iuarez jetzt anzugreifen. Er halte es unbedingt für notwendig, weitere internationale Ver- Wickelungen zu verhüten._ Ein Ultimatum MaderoS. New Park, 21. April. Nach einem Telegramm aus El Paso gab M a d e r o bekannt, daß, wenn er nicht die Zu- sicherung von dem Rücktritt von Diaz und der Räumung von Iuarez erhielte, er am Freitag nach- mittag Iuarez angreifen würde. Der Befehlshaber der BundeStruPpcn erklärt, sich nicht ergeben zu wollen. stsn3öiischei' Parteitag. 4. Tag. St. Queuti«, 10. April. (Eig. Ber.) An der Morgensitzung beginnt die Verhandlung über die Or- ganisation der »Humanitö". Sie verläuft im ganzen sachlick, und würdig. Bekanntlich ist von einem Teil oer Parteigenossen beantragt worden, an die Stelle des einzigen politischen Direkror-Z ein dreigliedriges Direltorium zu setzen, das die verschiedenen Tendenzen repräsentieren sollte und für das Jaurös, GueSde und V a i l l a n t vorgesehen waren. Alle Befürworter dieses Antrages erkannten die großen Leistungen und die Unentbehrlichkeit JaurdS an und verwahrten sich gegen die Darstellung, als ob eS sich ihnen darum handelte, JauröS ouSzu- schiffen. Als Lafargue der Sympathie und Verehrung der ganzen Partei für Jaurös Ausdruck gab. brachte der Parteitag diesem eine stürmische Ovalion dar. Die Verteidiger des Antrages bemühten sich, die Möglichkeit und Nützlichkeit eines Direktoriums nachzu- Weisen. Sie beriefen sich auf schwere Unterlassungen der «Humanitü", wie ihr Schweigen über den Fall Bissolati und meinten, Jaurös selbst würde manchmal ein Vorteil daraus er- wachsen, sich keine Stellungnahme abzwingen zu müssen. Jnter- «ssant war die Mitteilung Lasargues, daß sich Hervö ihm gegen- über bereit erklärt habe, für die.Hunranitö" Artikel mit Hintan» stellung antiparlamentarischer und antipatriotischer Tendenzen und im Sinne der Beschlüsse der nationalen und internationalen Kongresse zu schreiben. Lafargue beklagte, daß die«Humanitö" das Organ einer bestimmten Tendenz mnerhalb der Partei sei, erklärt sich ober schließlich auS Verehrung für Jaurös bereit, den status quo anzunehmen. Jaurös meint, es sei selbstverständlich. daß man den ver- schiedenen Tendenzen Rechnung trage. Ein Direktorium von mehreren Köpfen aber würde nur bewirken, daß niemand die richtige Verantwortung und niemand die eigentliche Leitung hätte, dagegen erklärt er sich gerne bereit, die Ratschläge anzunehmen, die ihm z. B. der zu einem RedaktionSrat erweiterte Verwaltungsrat geben würde. Renandel führt auS, daß die.Humanitü' seit drei Fahren So facto daS Organ der Partei sei. Im VcrwaltungSrat hat die Partei die Mehrheit, in der Verwaltungskommission 10 von 19 Stimmen. Zu dem 06 000 Fr. Aktienbesitz und den 27 000 Fr., die von den ausländischen, besonders der deutichen Partei stammen, kommen die zurückgekauften 53 000 Fr. des Herrn RoSnoblet. Mit einem vielköpfigen Direktorium kann man keine gute Zeitung machen. Man ha, an die hervorragenden Genossen aller Richtungen appelliert. Leitartikel zu schreiben. GueSde und Vaillant haben abgelehnt. Während dieser Rede kommt eS zu einer furchtbaren Sturm- szene. Rcnaudel hat einen Artikel Rappoports aus dem.Socialisme" zitiert, worin dieser von den.Sümpfen" der«Humanitö" spricht. Aufgefordert, zu präzisieren, nennt Rappoport L e v y- B r ü h l, einen der ersten großen Geldgeber der„Humanitö" bei ihrer Gründung, und meint. Levy-Brühls Stellung— er ist Professor an der Sorbonne—- laffe nicht aus so günstige VermögenSverhält- Nisse schließen. Jaurös stellt fest, daß Levy-Brühl ein uneigen- nütziger Idealist und organisierter Parteigenosse ist. Bracke er- klärt, daß er und seine Freunde die Verantwortung für RappoportS Artikel nach der von diesem gegebenen Interpretation ablehnen und der GueSdist MayeruS bezeugt als ehemaliger Schüler Levy-Brühlö Gefinnungshoheit. Die Versammlung weigert sich, Rappoport weiter anzuhören und dieser muß unter ungeheuerem Lärm die Tribüne verlassen.«„. Resoluttonen. Die ResolutionSkommission hat der Resolution Vaillant über die Munizipalpolitik folgende Einleitung voran» gesetzt t)(m bti; �arlei füt hie Eroberung der Stadthäuser geführte Kampf ist nur ein Teil de« von der Arbeiterklasse ge führten Kampfes. Die vollständige Besieiung der Arbeiterklasse ist nur durch die Eroberung der politischen Macht und die allgemeine Umwandlung deS kapitalistischen Eigentuins in soziales möglich. Die Sozialisten können durch ihre Aktion in den Gemeinden, indem sie die Bürgschaften des Wohlergehens und der Freiheilen und die Kampfmittel des Proletariats verstärken, die Kraft seiner Forderungen und des Kampfes gegen den Kapitalismus und den bürgerlichen Staat erhöhen." Die Resolution Vaillant wird mit diesen EinlertungSsatzen an genommen. Ebenso wird daS von Veber vorgelegte Ko in munal» Programm im Prinzip angenommen und zur Umredigiernng an die mit seiner Ausarbeitung beauftragte Kommission zurückgeleitet. tur Wahltaktik bei den Gemeindewahlen liegen nttäge vor. Die Aufrechterhaltung aller Kandi- daturen im zweiten Wahlgang wird mit 37S gegen 20 Stimmen bei 2 Enthaltungen abgelehnt. Die Mehrheit der Seine- Föderation beanttagt das allgemeine Verbot der Koa litionen im ersten Wahlgang und die allgemeine Zurückziehung der Parteikandidaturen in, zweiten, sobald der Erfolg nicht gesichert ist. Der erste Teil dieser Resolution wird mir 291 gegen 103 Stimmen abgelehnt und die Resolution der Kommission a genominen. Der zweite Teil der Seine-Resolution wird mit 320 gegen 61 Stimmen abgelehnt. Zehn Delegierte üben Stimm «nthaltung. Die Resolution der Kommission verpflichtet d,« Kandidaten, das Parteimanifest anzuschlagen, in den Versammlungen die sozialisti» sche» Prinzipien und ihre Anwendung in der Gemeinde auseinander- zusetzen und sich zur Beobachtung der Parleiprinzipien und der Kongreßbcschlüsse zu verpflichten. Was die Koalitionen anlangt, so erinnert die Resolution an den Pariser Beschluß von 1900. der jede Allianz mit der Kapitalistenllasse verbietet und nur in dringenden Ausnahme» fällen Koalitionen ohne Konfusion deS Programms und der Taktik zuläßt. Die Resolution fordert die Sektionen auf. mit qäti B.itcht qpzusttkbkp. W 1. Mghlgäpg mit dxn Kräften der Parter allein zu känipfen. Die iit dringenden, durch die Lokal» Politik gegebenen Ausnahmefällen gebotenen Koalitionen dürfen nie» malS für die Aufrechterhaltung der wirtschaftlichen und politischen Freiheiten gefährlich sein, noch den Interessen der Partei und der sozialen Republik widerspreche». Für den zweiten Wahlgang wird bestimmt: Die Sektionen, die unter der Kontrolle der Föderationen und des National- rais Ententen oder Rücktritte praktizieren, haben dies entsprechend den Motiven deS Beschlusses von 1903 zu tun. Schließlich warnt die Resolution, da» gute Prinzip des gesetzlichen Proporzes durch eine sreiwillige Anwendung zu kompromittieren. Zwei Resolutionen, die ein spezielles allgemeines Verbot des Rücktritts zugunsten von„Unabhängigen" fordern, werden abgelehnt. Der gleichlautende Beschluß von Chalon bleibt indes aufrecht. Eine Resolution über den Rückkauf der Bahnen wird von Jaurös begründet. Sie lautet: Auf den von der Föderation Savohen gemachten Vorschlag bezüglich des allgemeinen Rückkaufs der Eisenbahnen gibt der Kongreß der Fraktion das Mandat, im Einvernehmen init dem Parteivorstand zu untersuchen, unter welcher Form, unter welchen Bedingungen und mit welchen Mitteln die im Partei- Programm stehende Rückergreifung des Monopols der Transport- mittel im Interesse der Eisenbahner und des Publikums verwirklicht werden kann.— Die Resolution wird angenommen. Tubreuilh legt die Resolution über die.Humanitö" vor. Sie besagt, daß der bisherige VerwaltungSrat auch die Funktionen eines RedaklionSratS erhält. Er besteht auS 13 Delegierten der Partei und je 3 der Gewerkschaften und Genossenschaften, die all- jährlich zu wählen sind. Der Direktor wird vom Parteitag gewählt. JauröS wird als Direktor bestätigt.— Angenommen. Die Agrarfrage wird zum nächsten Kongreß vertagt. Der Parteitag beschließt eine allgemeine Amnestie für die wegen politischer Streikvergehcn Verurteilten und für Hervö speziell die Wiedcrzulassung zur RechtSanwaltschaft zu fordern. Nach der' Neuwahl der Verwaltungskommission Wird der Parteitag geschlossen. Am Abend fand im Stadttheater eine von der Munizipalität ver» anstaltete Festvorstellung statt, bei der neben vortrefflichen Kunst- kräslen auch die Kindergruppe der Genossenschaft«La Fraternelle" mitwirkte. • Berichtigung. Im Text der gestern mitgeteilten Resolution Vaillant über das Munizipalprogramm muß es heißen:«unter Mit- Wirkung der gewerkschaftlich und genossenschaftlich(nicht politisch) organisierten Arbeiter". Hus der Partei« Zur Maifeier in Baden. Man schreibt unS: Nach den Vorbereitungen zur Feier deS 1. Mai steht bereits fest, daß eine Anzahl der badischen Organi- sationen zur alten Unsitte zurückkehrt, die Maifeier an einem Sonntag abzuhalten. Für etliche Maidemonstrationen ist bereits der letzte Sonntag deS April festgelegt; andere Orte beabsichtigen, den 7. Mai für den internationalen Festtag auszuwählen. Den badischcn Genossen wurde früber schon von dieser Stelle ans klargelegt, daß die Feier deS 1. Mai einen einheitlichen Charakter trägt, und daß man von einer Demonstration lieber absehen solle, wenn sie nur an einem anderen Tage, als am 1. Mai möglich ist. Noch ein MaiumzugSverdot. Auch in Lübeck hat die Polizeibehörde den geplanten Mai- fe st zug durch die Straßen der Stadt verboten und zwar, wie sie angibt, auf Grund des§ 7 des Vereinsgesetzes. In der Begründung des Verbotes beißt es,«daß auZ der Veranstaltung des Umzuges durch diese Straßen eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit zu befürchten sei. Eine polizeiliche Absperrung der namentlich durch den Straßen- und Wagen- verkehr stark in Anspruch genommenen Straßen» züge der inneren Stadt zugunsten eines poli- tischen Demonstrationszuges könne nicht in Frage komme n." Von unseren Genossen war natürlich eine derartige polizeiliche Absperrung mit keinem Worte verlangt, sondern im Gegenteil die Stellung der nötigen Ordner aus den Kreisen der Arbeilerschaft angeboten worden. Die vorgeschützte Gefährdung der öffentlichen Sicherheit wirkt um so eigenartiger, wenn man in Betracht zieht, daß die gleiche Polizeibehörde nichts dagegen einzuwenden hat. wenn patriotische oder andere Klimbimvereine die gleichen Straßen Lübecks in geschlossenem Zuge passieren. In der„demo- kratischen' Republik an der Trabe werden die Arbeiter eben genau so wie anderwärts mit anderem Maße gemessen als das Bürgertum. Redaktionswechsel in Kopenhagens „Socialdemokratcn". Genosse E. Wiinblad, der 30 Jahre lang Hauptredakteur des Zentralorgans der dänischen Sozialdemokratie war, ist von dieser Stellung mit dem 19. April zurückgetteten. Er hatte schon vor fünf Jahren den Wunsch dazu geäußert, wurde jedoch damals vom Konirolltoinitee und der Kontrahentenversammlung deS Blattes ver» anlaßt, noch einige Jahre weiter im Amte zu bleiben. Als seinen Nachfolger hat die Kontrahentenversammlung den Genossen F. I. Borgbjerg gewählt, der schon eine lange Reibe von Jahren als ständiger Mitarbeiter in»EocialdemolratenS" Redaktion tätig ist._ Gegen SpaltungSgelüfte in der italienischen Partei. Rom , 18. April. (Eig. Ber.) Die Haltung der italienischen Parlamentsfraktion während der Krise und daS Vertrauensvotum für daS Kabinett G i 0 l i t t i hat die der revolutionären Richtung angehörenden Genossen von Forki bewogen, ihren Austritt ans der Partei zu erklären. Dieser Tendenz tritt daS Zentralkomitee der revolutionären und inttan sigenten Fraktion in einen: Communiquö entgegen, das dringend vor ähnlichen unbedachten Schritten warnt. In der Tat kann man, von den Erwägungen der numerischen Kräfteverhältnisse der beiden Richtungen auf dem nächsten Parteitag ganz abgesehen, der Sache des revolutionären Sozialismus gar nicht schlechter dienen als durch leickilsertiges Herausbeschwören einer Spaltung. Ueber die Disziplin Verletzung der Fraktion ist der Parteitag Richter. Wer sich aus solchen Gründen außerhalb deS Parteiverbandeö stellt, schädigt gleichzeitig die Sache seiner Tendenz, die Sache der Partei und die des Proletariats._ Der 18. ungarische Parteitag tagte Ostern im Budapester Stadthaus. Ein Tadelsantrag gegen das ParteileitnngSmitglied Garbai wegen Teilnahme an einer Deputation, die den Handelsminister— zu einem Orden beglück» wünschte, wurde durch die Mitteilung erledigt, daß die Parteilertung diesen Tadel schon ausgesprochen habe. Die Beschickung d«S Partei» tagcS war etwas sehr eigenartig: 129 Vertreter für 71 Bndapester Organisationen und 63 Vertreter für 55 Provinzorte! ES wurde vom Referenten Weltner erklärt, daß die nichtmagyarischen sozial- demokratischen Parteien trotz ungewöhnlich starker Unterstützung nichts geleistet haben. Die slowakische Partei in Oberungarn wurde sepa - ratistischer Zersplitterungstendenzen beschuldigt und ihr Abhängigkeit von Prag nachgesagt.(Die Slowaken, ein infam geknechtetes Volk von einer Million, sind tatsächlich Tschechen.) Eine längere Debatte über die politische Lage führte zu dem Beschluß, mit der chauvinistischen, auch ein bißchen klerikalen Jnsth-Partei gemeinsam den Kampf gegen die.Wehrreform", die enorme Milttärlasten bringt, und für die Wahlreform zu führen. Diese Partei ist nämlich gegen den mit Oesterreich gemeinsamen Militarismus. Ihre Aufrichtigkeit, für das Wahlrecht zu kämpfen, ist von dtzfl meisten DiSlussionS- redyem sehr entschieden bezweiselt worden, Jugendbewegung. „Arbeiter-Jugend." AuS dem Inhalt der soeben erschienenen Nr. 8 Heden wir her« bor : Zum ersten Mai.— Die Revoluiion in England. I. Vor» geschichte und Ansänge der Revolution. — Eine tzexennacht. Von A. Ellinger.(Schluß.)— Der Panamakanal.(Mit Illustrationen.) — Hat die Arbeiterjugend Religion?— Die Gegner an der Arbeit. — Vom Kriegsschauplatz. — Aus der Jugendbewegung(Dortmund , Württemberg , Schweiz ). Beilage: Mai 1911: Der Kampf gegen die Arbeiterjugend. Zeichnung von Erich Schilling.— Pitt und Wilm auf dem Schützenfeste. Von Thea Blistain.— Einiges über Gerhart Hauptmann . II. Naturalistische Dramen. Von Otto Koenig.— Verfall des Hand- Werks und der Zünfte.(Mit Illustrationen.)— Freundschaftsklubs. Von Walter Stoecker. — Bücher sür die Jugend.— Pflicht. Er- Zählung von H. Rh.--- Allerhand Kurzweil.(Illustriert.) Soziales« Knebelung der Landarbeiter. DaS Gesetz wegen Verletzung der Dienstpflichten deS Gesindes und der ländlichen Arbeiter vom Jahre 1854 kann in der Hand kundiger Gutsbesitzer neben fast völliger RcchlloSmachung de» Ar- beiters auch zur Beschaffung billiger Arbeitskräfte dienen, wie nach- stehender Fall beweist: Der Pferdeknecht S., auf einer pommerichen Domäne im Kreise Franzburg , der gegen 1 M, Tagelohn, Deputat und freie Wohnung eingestellt war. hatte sich mit dem Inspektor überworfen. Dieser lauerte auf eine Gelegenheit, den Pferdeknecht zu schikanieren. Diese kam, als dem S. Pferde zur Arbeit übergeben wurden, an denen die Spuren früherer Mißhandlungen, durch einen Kutscher- jungen begangen, zu sehen ivarcn. Der Pferdeknecht wurde beschul- vigt, die Mißhandlungen verübt zu haben und angewiesen, nunmehr seinen Dienst als Pferdeknecht mit der schweren Arbeit an der Dreschmaschine zu vertauschen. Er sollte aber nicht etlva den 6 bis 10 M. betragenden Akkordlohn während der Drescharbeit erhalten, sondern seinen bisherige» Tagelohn von 1 M. Selbstverständlich iveigerte sich der Knecht, die schwere Arbeit für diesen geringen Lohn zu verrichten und machte außerdem geltend, daß er wegen eines alten Brustleidens den Staub beim Dreschen nicht vertragen könne. Zur Arbeit als Pferdeknecht erklärte sich S. nach wie bor bereit, erschien auch mehrere Tage nacheinander in der tühe auf dem Hos und bot sich dem Inspektor zur rbeit an. Er wurde jedoch nicht weiter beschäftigt, vielmehr Strafanzeige gegen ihn erstattet wegen Arbeitsverweigerung, Uebertretung deS Gesetzes vom 24. April 1854 und Tierquälerei. Wegen der Tierquälerei wurde er kostenlos freigesprochen, wegen Arbeitsverweigerung aber zu einer Geldstrafe verurteilt. Das Schöffengericht in Franzburg begründete das Urteil damit, daß nach der Gesindeordnung der land Wirtschaft- liche Arbeiter zu allen landwirtschaftrichen Ar- betten herangezogen werden könne. Es sei im vorliegenden Falle unerheblich, daß die übrigen Dreschmaschinenarbeiter in anderem Lohnver- Verhältnis standen. Ans den gleichen Standpunkt stellte sich die Strafkammer in Stralsund als Berufungsinstanz. Wie Hohn klingt die Stelle aus dem zweiten Urteil:«Der Knecht hatte um so weniger Ver- anlassung, die Drescharbeit zu versagen, als nach der Bekundung des Arbeitgebers als Zeugen diese Arbeit nicht schwerer ist. als die bei den Pferden und er denselben Lohn>vie bis- her beziehen sollte: aus welchem Grunde der Angeklagte wechseln sollte, ist unerheblich: der Herrschaft steht es allein zu, über die Verteilung der Arbeit unter ihre Leute Bestimmungen zu treffen." Traf die Geldstrafe den Knecht auch nicht so schwer, so was ihn und seine Familie viel schwerer die wirtschaftlichen Schädigungen und Bedrückungen, die der Dienstherr auszuüben vermochte. Weder Deputat noch rückständiger Lohn wurde ihm ausgezahlt, noch eine Entschädigung für die nach Lösung des Dienstverhältnisses folgende Erwerbslosigkeit. Nach wenigen Tagen wurde ihm die Milchkuh entzogen, deren Milchnutzen täglich etwa sechs Liter betrug. So wird von den Agrariern durch das Gesetz vom Jahre 1854 der Landarbeiter zum Unfreien herabgedrückl und wenn der in den Urteilen verkündete Rechtsarnndsatz allgemeine Geltung finden soll. so können die Agrarier auf diesem ettvas ungewöhnlichen Wege noch zu besonder» billigen Arbeitskräften kommen: sie stellen Knechte ein niit einer Marl Togelohn und zwingen sie dann, bei gleichem Lohn höher bezahlte Arbeit zu verrichten. Im gewerblichen Leben ist es sonst ganz allgemeiner und selbstverständlicher Rechtsgrundsatz, daß kein Arbeiter zu anderer Arbeit gezwungen werden kann, für die er sich bei Eingehung des Arbeitsverhältnisses verpflichtet hat. Daß aber ein Arbeiter gezwungen werden kann, für niedrigen Lohn höher bezahlte Arbeit verrichten zu müssen, widerspricht ganz und gar dem natürlichsten Rechtsempfinden. Aus Industrie und Kandel . Wo hat England seine Kapitalien angelegt?, Nach einem Ende Dezember 1910 von George Paish in der«Royal Statistical Society" in London gehaltenen Vortrage beträgt die Gesamtsumme des britischen Kapitals, das gegenwärtig außerhalb des Mutterlandes angelegt ist, 319 2 Millionen Pfund Sterling, das sind nahezu 63 Milliarden Mark. Davon entfielen aus die britischen Kolonien 1554 Millio» neu. auf fremde Länder 1638 Millionen Pfund Sterling. Auf die einzelnen Länder verteilt sich die Anlagesumme folgendermaßen: Unter�den britischen Besitzungen steht Kanada mit 373 Will. Pfd. Stcrl. an der Spitze; ihm folgt Indien und Ceylon mit 365, Südafrika mit 351, Australien mit 302 Pfd. Sterl., während auf die andere» Kolonien verhältnismäßig kleinere Summen cnt- fallen. Von den fremden Ländern stehen natürlich die Vereinigten Staaten von Amerika alle» anderen weit voran. Es sind in ihnen nicht weniger als 688 Millionen Pfd. Sterl. britischen Geldes angelegt. Das nächstfolgende Land. Argentinien , weist mit 269 Millionen Pfd. Sterl. nicht viel mehr als den dritten Teil dieser Summe auf. Auch die dann folgenden Beträge entfallen auf über- seeische Länder, nämlich 94 Millionen auf Brasilien , 87 auf Mexiko . 53 auf Japan usw. In Europa steckt das meiste britische Kapital, nämlich 38 Millionen Psd. Sterl., in Rußland. in Spanien sind nur 18. in Italien 11, in Frankreich 7 und in Deutschland gar nur 6 Millionen Pfd. Sterl angelegt. Nach der Schätzung Paishs bringt dieses im Auslände und in den Kolonien angelegte britische Geld dem Lande jährlich 15 3 Millionen Pfd. Sterl. Zinsen ein, was einer Verwertung des Kapitals zu mehr als 5 Proz. entsprechen würde, Die Folgen der Zündholzfteuer. In einer badischen Zündhölzer- fabrik Schnellingen bei Haslach (Kinzigtal ) enthält der Steuer» räum de« Lagers zurzeit 200 Millionen Stück Zündhölzer. darunter Vorräte seit der Steuereinführung vom Oktober 1909. Dies« unverkäufliche Ware repräsentiert eine Fracht für etwa sieben Waggons im Werte von 30000 M. Die Fabrik hatte bisher mit ständiger BetriebScinschränkung gearbeitet, meistens mit nur halber Arbeitszeit. Dabei ist der Betrieb nicht ausschließlich aus die An- fertigung der Streichhölzer angewiesen. Wenn keine Arbeiter e n t» lassungen vorkamen, so ist dies auch darin begründet, daß die Arbeiter zuhause bleiben und den landwirtschaftlichen Beschäftigungen nachgehe» ktznnen,
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