Hr. 91 28. Jahrgang.1. KcilM des Lmiick" Knlim WsdlMZs«ll>lde«d> 22. Jfril 191LKongreß der belgischen SozialdemokratieBrüssel, 19. April.(Eigenbericht.)(Schluß.)In der Montag?sitzlMg erstattet Genossin Maria TillemanS einenBericht über den Stand der Arbeiterinnenbewegungin Belgien. Die vlämische Frauenbewegung, die ebenfalls ihreeigene Sekretärin und ihr Frauenblatt hat, ist der wallonischenvoraus. Es wäre nötig, daß die Partei an der Erziehung derFrauen arbeite, ehe etwa die Katholiken mit einem Frauenwahlrechtherausrücken. Genossin Tilleorans tritt dafür ein, daß die Fraueneinerseits für die Gewerkschaften herangezogen werden,andererseits den politischen Parteiorganisationenbeitreten, wo für ihre allgemeine Aufklärung gesorgt werden kann.Sie erinnert daran, daß der vorjährige Kongreß sich für dieSchaffung eines speziellen Sekretariats für die weiblichen Mitgliederder Partei ausgesprochen habe. Bis jetzt sei aber nichtsfür die Verwirklichung der Sache geschehen. Sie schlägtvor, daß eine Kommission ernannt werde, die sich mit der Bs-schaffung der nötigen Fonds befaßt.A n s e e l e schlägt vor, Genossin Tillemans(die schon früherMitglied des Generalrats war, letztes Mal aber durch einen Zufallausgeschaltet war) in den Gene'ralrat als Vertreterinder Frauen zu wählen.De Brouckdre unterschreibt völlig die Darlegungen der Genossin.Nur in dem Punkt: Schaffung eines speziellen Sekretariats fürFrauen, müsse er widersprechen. Da eine Gewerkschaftskommissionexistiere— wozu eine separate Vertretung für die Arbeiterinnen?Genossin Tillemans hält De Broucköre entgegen, daß Frauenbesser zu Frauen sprechen, Frauenangelegenheiten am besten vonihnen telbst erörtert werden, und beharrt' darauf, daß die Parteiihren Antrag ausführe.Im Namen der vlämischen Frauenföderation spricht GenossinDe Meulebrouck in vlämischer Sprache. Sie berichtet von derwachsenden Aktivität der arbeitenden Frauen Flanders; Gent zumBeispiel verzeichnet 699 Mitglieder. Die vlämische Föderation um-faßt insgeiammt 1199 Frauen. Das Frauenblatt verzeichnet gleich-falls Fortschritte und wird demnächst mit einer Beilage für dieJugend erscheinen. Auch sie unterstützt die Forderung nach einemFrauensekrelariat. Der Kongreß entscheidet sich für die Wahl einervom Generalrat zu ernennenden Kommission zur Beratung der An-gelegenheit.Der Kongreß geht nun an die Beratung über dieOrganisation des Wahlrechtskampfes,>wobei noch einmal die Tagesordnung Jocquemotte(Vor-beratung fiir einen Generalstreik) in die Debatte verflochten,aber schließlich, nachdem insbesondere De lp orte die bereits er-wähnten Argumente unterbreitet hat, endgültig fallen gelassen wird.Die Organisierung des Wahlrechtskampfes wird von zwei Gesichtspunkten aus erwogen: Soll der Generalrat die Kampagne alleinleiten oder soll dies im Zusammenwirken mit der Gewerkschafts-kommission bezw. den Gewerkschaften geschehen. Außerdem liegtder Vorschlag de? Verbandes der Jugendorganisationen(lleimesGardes) vor, für dieses Jahr von den der Partei angeschlossenenMitgliedern einen Extrabeitrag von zehn Centimes fürdie Finanzierung des Wahlrechtskompfes einzuheben.Anscele ist dafür, daß der Wahlrechtskampf vom General-rat und von derGewerkschaftskom Mission organisiertwird. Die Gewerkschaften müssen als politisch Interessierte ampolitischen Kampf direkt teilnehmen.Parteisekretär Bandersmissen macht geltend, daß der Vorschlagder„ckeunos Gardos" der Generalrat möge allein die Leitung indie Hand nehmen, nicht die Mitwirkung von Genossenschaften undGewerkschaften ausschließe. Aber man könne vom Kongreß ausweder die Gewerkschaftskommission noch den Verband der Genossen-schaften für alle etwaigen finanziellen Erfordernisse verpflichten.EineS stehe aber fest: daß politische Partei. Gewerkschaften undGenossenschaften vereint in die Schlacht ziehen.HuySmans ist nicht dafür, daß man die Gewerkschaftskommisstondirekt engagiere— schon mit Rücksicht daraus, daß die angeschlossenenMitglieder zwar Anhänger des Klassenkampfes, aber nicht schlechtwegSozialisten sind. Wenn wir die Partei als solche hinter uns haben,bedürfen wir nicht der Mitwirkung der Gewerkschaftskommission.HuySmanS beharrt auf der finanziellen Beihilfe der Arbeiter, dennkleines Feuilleton.Kinematograph und Medizin. Der Kinematograph hat auchsn den Bezirken der exakten Naturwissenschaften festen Fuß gefaßtund seine praktische Daseinsberechtigung erwiesen. Schon in denwenigen Jahren seiner Verwendung hat er der Medizin wertvolleAufschlüsse über den Ablauf von verwickelten Vorgängen geliefert,die man bisher nur in ihrem Gesamteindruck, nicht aber in denEinzelheiten gekannt hatte. Das menschliche Auge addiert be-kanntlich schnell aufeinanderfolgende Betoegungsvorgänge zu einemeinzigen Bewegungseindruck! der photographische Film aber nimmtdie einzelnen Phasen der Bewegung nacheinander auf und gestattetalso dem Forscher, diese zu analysieren. So kann man mittels desKincmatographen die Bewegungen der Gelenke studieren, sowohleinfad>e Bewegungen wie auch zusammengesetzte Funktionen wieden Gang. In Verbindung mit der Wirksamkeit der Röntgen-strahlen, die den Körper durchdringen und ein scharfes Abbild derKnocben und schwächere von inneren Organen wie Lunge, Herzund Magen liefern, führt uns der Kinematograph den Prozeß derVerdauung vor Augen. Wie sehen, wie lange eine in den Mageneingebrachte Substanz dort verweilt, nach welcher Zeit sie durch denPförtner ihn verläßt, um in den Zwölffingerdarm zu gelangen;wir sehen das Herz sich rhythmisch kontrahieren, das Zwerchfell beider Atmung auf und ab gehen, den Darm sich peristalrisch bewegen.Auch die Welt des Unendlich-Kleinen, wo Objekte von einemTausendstel Millimeter als Riesen gelten, eröffnet uns der Film.Reizvolle Bilder gehen an uns vorüber von den primitivsten Formendes Kampfes ums Dasein, wo ein weißes Blutkörperchen(Leukozyt)mit amöbenhaften Bewegungen an ein Bakterium herankriecht,dieses umfließt und so vertilgt. Endlich auch die molekülaren Be-wcgungen der unbelebten Materie, die durch Ultramikroskopie(Dunkelfeldbeleuchtung) sichtbor werden. Für all diese Erschei-nungen ist der Film ein sicheres Depot. � Was dies für experimen-tellcs Weiterarbeiten, noch mehr aber für den Unterricht bedeutet,liegt auf der Hand.Auch für die breiten Schichten der Gebildeten haben diese Er-rungenschaften ihre Bedeutung. Der Popularisierung der Natur-Wissenschaften und in letzter Linie der Pertiefung der Volkshygienemuß der Kinematograph mehr und mehr dienstbar gemacht werden.Dafür geeignete Films sollen, so plädiert Professor Kutner, derLeiter des Kaiserin-Friedrich-Hauses für ärztliche Fortbildung inBerlin in seiner Zeitschrift, an Kinematographentheater und anVereine, Schulen leihweise abgegeben werden.Die älteste Maschine. Wahrscheinlich ist der Mensch schon ineiner sehr frühen Zeit zur Erfindung und Anwendung vonMaschinen gelangt, wenn man diesen Begriff im allgemeinsten Sinnefassen will. AIS älteste Maschine in diesem Verstand ist das ein-fache Mittel zur Erzeugung von Feuer bezeichnet worden, wie eSder Urmensch besaß und noch heute von einigen wenigen Natur-Völkern gebraucht wird. AlS die� grundlegenden Maschinen sinddann namentlich der Hebel, der Keil, die schiefe Ebene, die Rolleund die Schraube zu betrachten, die in ihren Anfängenwohl gleichfalls sehr früh in ihrer Nützlichkeit erkanntworden sind. Unzweifelhaft können diese einfachen Borrichtungen,J wenn der Kampf für das Kommunal- und Provinzialwahlrecht leichter' sein wird, so wird es für die Erlangung des Wahlrechts für die Kammerder allergrößten Anstrengungen bedürfen. Seine Anregung, einePetition einzuleiten, stößt auf den Widerspruch des Kongresses.In der Debatte sprechen noch: Jccguemotte für die Organisationdes Generalstreiks, B a e ck im Namen der Metallarbeiter—die bereits ihre Zustimmung gegeben haben— für die Erhebung des19 Centimes-Beitrages. Baeck weist in warmen Worten auf dasbesondere Interesse der Gewerkschaften an der Erringung eines ge-rechten Wahlrechtes hin. Es wird ihm zugerufen, er möge sich andie Bergarbeiter wenden.... Baeck: Allerdings sind es dieBergarbeiter, für die besondere Gesetze gemacht wurden, die sich fürdas Wahlrecht einsetzen und der Gewerkschaftskommission beitretensollten. Mehr noch: sie sollten sich mehr mit sozialistischem Geistdurchtränken.Jocquemotte verlangt unter ungeheurem Protest namentlicheA b st i m m u n g über die Erhebung des ExtrabeitrageS von 19 Cent.Die namentliche Abstimmung ergibt: 138 Gruppen für und3ö gegen den Antrag bei IS Stimmenthaltungen. Die Leitungder Wahlrechtskampagne ist dem Generalrat überantwortet.Gemeinderat Genosse Bint bringt ein ausführliches Referatüber das sozialistische Kommunalprogramm. Die dabei auf-geworfenen theoretischen Fragen(so insbesondere die Anwendung desPrinzips der integralen Proportionalvertretung fürdie Stadtratswahlen, über die geteilte Meinungen vor-herrschen) werden der Kommission zugewiesen, die über dieStatutenänderung des Generalrates beraten wird. Auf WunschD e l s i n n e s(Wagenmacher) wird in diese Beratungen eineRevision des Parteiprogramms überhaupt einbezogenwerden.An dem gedruckt vorliegenden Bericht über die Parka-m e n t s w a h l e n ist als charakteristisch hervorzuheben die Fest-stellung, daß die Partei sich gegen die Bündnispolitik beiWahlen wendet und Kartelle nur für Ausnahmefälle zulässigfindet.Der Berichterstatter Abg. Fürnemont betont am Kongreß diewachsende Tendenz zum selbständigen Vorgehen, da« die Pro-paganda für die Parteiziele begünstigt. Die Föderationenkönnen autonom entscheiden, Ivo die besonderen Um-stände Wahlabmachuugen notwendig erscheinen lassen. An-genommen wird folgende Resolution De BroucköreS: DerKongreß konstatiert, daß gegenwärtig für die Parlamentswahlen von1912 die Gesamtmeinung der Partei dem bündnislosenKampfe immer günstiger wird. Er verpflichtet die Föderationen,die in Anwendung ihrer statutenmäßigen Autonomie lokaler Ber-Hältnisse halber zum Kartell greifen zu müssen glauben, die Juxta-Position(gemeinsame Liste, mit Freiheit für die eigenen Kandidatenzu stinimen) anzuwenden, die die Autonomie der Partei und die Pro-paganda ihres vollständigen Programms besser sichert. Der An-trag wird ein st im m ig angenommen.Bertrand schließt den Parteitag mit dem stürmisch akkla-mierten Wort: Und nun in den Kampf für daS ollgemeine Wahl-recht und gegen die klerikale Regierung lNachzutragen ist, daß die Frage der vlämischen Universität nicht,wie irrtümlich gemeldet, zur Verhandlung auf die Tagesordnungdes Kongresses gesetzt war, sondern auf einem außerordentlichenKongreß zur Verhandlung kommen wird.Genckts- Leitung.Haftpflicht der Großen Berliner Motor-Ontnibusgesellschaft fürdas Verschulden ihrer Chauffeure.Bei einem Beförderungsvertrage haftet der Eigentümer desbetreffenden Transportmittels für das Verschulden seiner An-gestellten genau so wie für eigenes Verschulden. Auf Grunddieser Bestimmung des Bürgerlichen Gesetzbuches hat die Klägerindieses Reckitsstrettes die Große Berliner Motor-Omnibusgescllschaftaus einem Unfall in Anspruch genommen, den sie im August 1997als Fahrgast in der Oranienstraße erlitten hat.Bei nassem Wetter und Schlüpfrigkeit der asphaltiertenStraßen kommt es vielfach vor, daß die schweren, dem Verkehrdienenden Motoromnibusie bei der geringsten Schwenkung mitihren Hinterrädern ins Rutschen geraten. Anläßlich eines solchenVorkommnisses ist die Klägerin dadurch verunglückt, daß derdie zum Teil von der Natur selbst dargeboten werden, als Maschinenbezeichnet werden. Etwas anderes ist das erste Einsetzen einereigentlichen Jngenieurkunst, als deren großer Pionier ziemlich auS-schließlich Archiinedcs gegolten hat. Der Hebel und seine Wirkungenwaren schon lange vor ihm bekannt, er aber erfand die Hebelgesetzeund schuf damit das Fundament zu weiterem gewaltigenjFortschritt.Fast vergessen neben ihm ist einer seiner Zeitgenossen, namensChesibius, von dem eine auS Bronze verfertigte Pumpe herstammensoll, die sich im Britischen Museum befindet und von Ellingtonin einem Vortrag vor dem Londoner Institut der Maschinen-ingenieure als das älteste Exemplar einer eigentlichen Maschinen-konstruktion bezeichnet worden ist. Chesibius war ein einfacherBarbier in Alexandria und lebte im dritten Jahrhundert v. Chr.UcbrigenS hatte auch ArchimedeS eine Art von Pumpe erfunden, beider eine Schraube zur Hebung des Wassers benutzt wurde. DiePumpe von Chesibius scheint aber ihre Zwecke bester erfüllt zuhaben als die von ArchimedeS, da ähnliche Pumpen, wie Aus-grabungen bewiesen haben, zur späteren Römerzeit vielfach in An-Wendung gewesen sind.Die Lebensdauer ber Ehelichen und der Unehelichen. Daß dieSäuglingssterblichkeit unter den unehelid) geborenen Kindern be-deutend stärker wütet als unter den ehelich geborenen, ist eine be»kannte Tatsache. Von je 199 Lebendgeborenen starben im Jahre1998 in Deutschland im ersten Lebensjahre bei den Ehelichen 16,8,bei den Unehelichen dagegen 28,5. Aber die Benachteiligung der„Kinder der Liebe" hört mit dem Säuglingsaltcr nicht auf, wieUntersuchungen von Prof. Othmar Spann in Bonn ergebenhaben, die dieser auf Grund der Musterungslisten der StadtFrankfurt a. M. angestellt hat. Danach waren in den den unter-suchten militärischen Musterungsjahren entsprechenden 12 Geburts»jahrgängen 1879— 1881 2683 Knaben unehelich geboren. Von diesen2683 kamen, unter Berücksichtigung gewisser das Bild fälschenderUmstände, nur 487 zur Stellung, was ungefähr gleichbedeutend mitErreichung des zwanzigsten Jahres ist. Das sind auf 1999: 181,5.Nimmt man an, daß etwa 15 Proz. der Unehelichen legitimiertwurden, �also in dieser Aufstellung nicht mehr erscheinen, so erhöhtsich der Satz auf 213,6 pro Mille. Von den ehelich Geborenen ge-langten 4669 wirklich zur Stellung, d. h. auf je 1999: 669,5. Bringtman von dieser Summe wiederum die später legitimierten Unehe-lichcn in Abzug, so ergibt sich bei den Ehelichen ein Promillesatz von649,1 derer, die das zwanzigste Lebensjahr erreichen, gegen 213,6 beiden Unehelichen, also fast genau der dreifache Betrag. Diese Be-rechnungen werden auch insofern von den Tatsachen bestätigt, wieDr. Spann in dem„Zentralblatt für Vormundschaftswesen,Jugendgerichte usw." mitteilt, als in der Frankfurter StellungS-bevölkerung sich nur 3,39 Proz. Uneheliche befinden gegenüber12 Proz. unehelich Geborener unter den überhaupt Geborenen.Diese Zahlen beleuchten recht deutlich das traurige Schicksal derarmen vaterlosen Kinder; sie bilden eine schwere Anklage gegenunsere heutige Gesellschaftsordnung.Humor und Satire,William II.Herr Bonn schwang sich grimm aufs Manegeroß,Und ritt eine forsche Attacke:Omnibus, den sie gegen Lösung eines Fahrscheins benutzte, be»dem Versuche, um einen Kohlenwagen herumzufahren, weiter-rutschte, an einen Laternenpfahl anfuhr und gegen ein HauSschlug. Die von ihrem Ehemann erhobenen Ansprüche sind ineinem Vorprozesse abgewiesen worden, weil nach ihrer Behaup-tung die Schäden in der der Klägerin selbst entstandenen Erwerbs-einbüße bestehe. Und zwar hat die Klägerin behauptet, daß siedoppelt eigenen Erwerb gehabt habe, dem sie jetzt nicht mehr nach-gehen könne. Sie habe aus der von ihr betriebenen Hosen-fabrikation jährlich 1999 M. verdient und 1999 M. jährlich durchein Pensionat.In der nunmehr erhobenen Klage sind ihre Ansprüche vomLandgericht Berlin dem Grunde nach als gerechtfertigt anerkanntworden. Das Kammergericht zu Berlin hat die Entsckieidung desLandgerichts gebilligt. In den Entscheidungsgründen dazu erflärtdas Kammergericht, daß die beklagte Omnibusgesellschaft zu haftenhabe, wenn den Führer des betreffenden Motoromnibusses ein Per-schulden treffe. Ein solches Verschulden des Wagenführers fei alsdargetan anzusehen. Wie die Zeugen bekunden, sei der Führertrotz der schlüpfrigen Straße in gewöhnlicher Geschwindigkeit umden Kohlenwagen herumgefahren. Wenn er das getan habe, trotz-dem er sich sagen mußte, daß der Omnibus bei der Nässe derStraße gleiten werde, so liege darin eine sein Verschulden be-gründende Fahrlässigkeit. Das sei deshalb um so mehr der Fall,weil er bereits drei Wochen lang den Omnibus geführt habe unddas Gleiten der Hinterräder schon mehrfach miterlebt haben müsse.Für dieses Verschulden ihres Angestellten aber hafte die beklagteGesellschaft wie für eigenes Verschulden(Z 278 B. G. B.).Die von der Beklagten gegen dieses Urteil des Kammergerichtseingelegte Revision ist vom Reichsgericht zurückgewiesen worden.(Alt.-Z. VII. 596/19.— Urteil vom 20. April 1911.)Vom Spandauer Schöffengericht.Am 11. Februar er. veranstaltete der sozialdemokratische Wahlverein für Falkenhagen und Umgegend im Nicolaisd)en Lokal seinStiftungsfest. Nicolai kam um eine Erlaubnis zur Abhaltungder Veranstaltung nicht ein, da es sich um eine geschlossene Ge-sellschaft handelte. Neun Tage vor dem Vergnügen wußte auchdie Polizei bereits von der bevorstehenden Veranstaltung durcheine in ihren Besitz gelangte Eintrittskarte. Sie traf aber nichtetwa Anstalten, dem Wirt Verhaltungsmaßregeln zu geben, umeine Uebertretung zu verhindern, was doch die erste Pflicht� derPolizei ist, sondern wartete bis zwei Tage nach dem Vergnügenund ließ dann im ganzen Dorf recherchieren, ob auch dem Wahl-verein Fernstehende das Vergnügen besucht hätten. Da erwischtesie zu ihrer Freude drei Mädchen, die dem Wahlverein nicht an»gehörten und denen am Abend des Vergnügens in einem Neben-zimmer Eintrittskarten verkauft worden waren. Flugs bekamNicolai ein Strafmandat über 15 M., weil er eine öffentlicheTanzlustbarkeit nicht angemeldet hatte. Dieser erhob Einspruchund machte vor dem Schöffengericht durch seinen VerteidigerRechtsanwalt Theodor Liebknecht geltend, daß er an dem frag.lichen Abend dem Wahlverein sein Lokal zur Verfügung gestellthabe, und dieser auch verantwortlich für dasselbe sei. Er habe, sogut es sein Geschäft erlaubte, auch die Kontrolle mit versehen.Wenn die drei Mädchen auch erst an dem Abend des Vergnügensihre Karten erhalten hätten, so wäre er dafür nicht verantwort-lich. Befremdend sei das Verhalten der Polizei, in welchem mannur eine Schikane erblicken könne. Das Gericht sprach den Be»schuldigten frei, da ein sicherer Beweis dafür, ob das Vergnügenöffentlich gewesen sei oder nicht, nicht erbracht war; auch dafürnicht, daß Nicolai sein Lokal zu einem öffentlichen Vergnügenhergegeben hatte. Es konnte nicht von ihm verlangt werden, daßer während des ganzen Abends die Kontrolle ausübe, da er auchsein Geschäft versehen müsse. Dann sei es aber auch gerichts-bekannt, daß bei derartigen Vergnügungen nur die Hälfte ein-geladen wird, während die anderen ihre Karten erst an demAbend des Vergnügens lösen, damit sei aber die Veranstaltungnoch keine öffentliche.,Wegen Unterschlagung amtlicher Gelder verurteilt« amDonnerstag die Strafkammer zu Erfurt den PolizeikommisfarTöenniges in Erfurt zu zwei Jahren Gefängnis und 3 JahrenEhrverlust. Töenniges kam mit feinem Gehalt nicht aus, weiler sich verschiedene Liebschaften hielt, die ihm viel Geld kosteten,obwohl er verheiratet war. Deshalb vergriff er sich au ihm aw,vertrauten amtlichen Geldern._Dem nörgelnden kritischen SchwarzsehertroßVerdrosch er gehörig die JockelBei Scherl, unserm August, ließ er, husch, husch,Die Peitsche der Züchtigung pfeifen,Ein Richard der Dritte, direkt aus dem Busch,Und hoppste durch Holzpapier-Reifen.Da wächst kein Gras mehr, wo Ferdinand haut!Die Folgen waren barbarisch:Die armen Gepeitschten erklärten ihn lautFür(lache nicht. Plebs I) literarisch!Sie flehten ihn an, nicht weiterznhaun,Sie lobten sein schneidiges ReitenUnd priesen den närrischen ZirkuSclownAls William Shakespeare den Zweiten.Nun hatte sein Herz, was es lange begehrt!Und als sie's ihm schriftlich gegeben,Da sprang er herunter vom schwitzenden PferdUnd schonte ihr Schwarzseherleben.Stolz schritt er nach Hause voll rüstiger Kraft,In Zukunftsprojekte versunken.Und hat dort mit Shakespeare DuzbrüderschaftAm klopfenden Tische getrunken.Seitdem spricht er immer von„ S h a k« s p e a r««td ich*1!Doch wird er in sieben, acht Tagen(Nicht, Spiegelberg Bonn, wir kennen Dich?)Nur»Ich und Shakespeare" noch sagen..._ Michel.Nottzen.— DaS deutsche Einheitsband. ES gibt kein«Dummheit und Verrücktheit, die nicht von der nationalen deutschenStudentenschaft als heiligste deutsche Sache proklamiert wird. DerKampf für die Einführung der Lateinschrift hat die nationalenStudentengeister bis zum Furor erhitzt. Das deutsche Volk soll inseinen heiligsten Gütern bedroht sein. Köstlich ist in der studentischenResolution die Stelle: Die deutsche Schrift ist da? einzige sichtbareBand und neben der Sprache das eigentlichste äußere Wahrzeichen,das alle deutschen Stämme verbindet.Wir ineinen, die nationale Phrase und der chauvinistischeHumbug sei ein noch viel sichtbareres Wahrzeichen.— Ferngespräche im Eisenbahn zuge. In Strat-ford on Avon, dem Geburtsorte Shakespeares, wurde eine Erfindungerprobt, die eS gestattet, eine telephonische Verbindung zwischen demfahrenden Zuge und einer Station außerhalb herzustellen. ES ge-lang, von der Station aus sich mit dein Zuge— drahtlos— zuunterhalten.— Dänemarks Einwohnerzahl. Nach dem jetzt vor-liegenden genauen Ergebnis der allgemeinen Volkszählung in Däne-mark beträgt die Einwohnerzahl des Landes 2 756 873 Personen.In den letzten 5 Jahre hat die Bevölkerung um 168 999 Seelen zu-genommen. Kopenhagen zählt zusammen mtt der Vorstadt FredrikS-borg 550 502 Einwohner.