Zum Schluß sei kewirlt, Saß der kaiserliche Statthalterin Elsaß-Lothrmgen, der kein Gehalt, sondern„nur" 200 000 WiRepräsentationsgelder bezieht, mit dem Dispositionsfonds, demStatthalterbureau usw. das Land nach der Berechnung Wetterlösauf 460 030 M. jährlich zu stehen kommt. Und dabei ist er eigentlichneben dem Staatssekretär und den Uuterstaatsselrxtgreri ganz über-flüssig tverleumtlei' am Franger.In, Juni 1910 hatten sich durch Rebisionen und sonstige Erwitte-langen Unregelmäßigkeiten in der Geschäftsführung der Orts-krankenkasse l in Freiberg ergeben, die nur durch den Geschäfts-sührer G r ä ß e r verschuldet sein konnten. Genosse Bieligk sah sichdaher als Vorsitzender der Kasse genötigt, beim Stadtrate zn Frei-berg eine Generalrevision der Kasse zu beantragen.Kurz danach unterbreitete er in Gegenwart Gräßers die er-mittelten Unregelmäßigkeiten dem Kassenvorstande und kam dabeizu dem Schluß, daß Großer unter diesen Umständen die Geschäfteder Kasse nicht mehr weiterführen könne. Doch beschränkte man sichzunächst darauf, Größer einen Urlaub in der Dauer von 14 Tagenzu geben.In der darauffolgenden Nacht beging jedoch der suspendierteGeschäftsführer Selbstmord. In einem hinterlassenen Briefehatte er bemerkt: Tie Genosien haben mich in den Tod ge-trieben, besonders Bieligk. Obwohl nun dieser eilig vor-genommene Selbstmord für jeden vernünftigen Menschen zu derVermutung hätte führen müssen, daß Größer wahrscheinlich weitmehr als die bereits ermittelten Unregelmäßigkeiten auf dem Kerb-holze habe, deren Entdeckung er zu fürchten hatte, war diesertraurige Fall sowohl für die Unternehmer im Ziassenvorstand, wiefür den agrartonservativen„Freiberger Nnzeiger" Ver-anlassung, in ebenso frivoler wie leichtfertiger Weise mit gehässigenVerdächtigungen über die sozialdemokratischen Mitglieder imKassenvorstand, besonders aber über den Vorsitzenden GenossenBieligk herzufallen.In zwei Artikeln des„Freiberger Anzeigers", von denen einerüberschrieben war:„Ein Opfer sozialdemokratischerMachinatio ne n", wurde unter anderem behauptet. Größersei ein Opfer des rigorosen Vorgehens der sozialdemokratischen Vor-standsmitglieder. Die gänzlich harmlosen UnregelmäßigkeitenGräßers seien eine Folge davon gewesen, daß die sozialdemokratischeVorstandsmehrheit bei der Anstellung von Beamten nicht nach Be-fähigung und Vorbildung, sondern nach deren p a r t e i p o l i-tischer und gewerkschaftlicher Tätigkeit frage. Fürdie sozialdemokratischen Machthaber in der Kasse habe es sich nurdarum gehandelt, einen Beamten zu beseitigen, der ihnen wegender Betätigung seiner nationalen Gesinnung längst lästiggeworden war.Natürlich druckte die reichsverbändlerische Presse diese Ergüssemit Behagen nach, während sie die Klarstellung Bieligks unterschlug.Der„Freiberger Anzeiger" selbst lehnte eine Be-richtigung des Genossen Bieligk rundweg ab undsetzte damit seinem frivolen Verhalten die Krone auf. Da bliebBieligk nichts weiter übrig, als die Verleumder vor den Straf-richter zu zitieren, um so eine Klarstellung zu erlangen.— AmFreitag und Sonnabend kam die Sache vor dem Schöffengerichtin Freiberg zum Austrag. Angeklagt war der Redakteur des„Freiberger Anzeigers", Burk Hardt. Als RechtsbeistandBieligks war Genosse Rechtsanwalt Heine erschienen.In der umfangreichen Beweisaufnahme wurde unter anderemfestgestellt, daß Genosse Bieligk auf das Betreiben der Arbeit-geber im Kassenvorstand, die gedroht hatten, im anderen Falleihre Aemter niederlegen zu wollen, vom Stadtrate vorläufigseines Amtes enthoben worden war, angeblich auch des-halb, weil er mitverantwortlich sei für die Unregelmäßigkeit undauch zu shiit eingeschritten sei. Rechtsanwalt Heine stellte zunächstfest, daß dieselben Unternehmervertreter, die erst in einer Erklärungbehauptet hatten, Bieligk habe Größer in den Tod getrieben, vierTage später beim Stadtrat deshalb gegen B. als Vorsitzenden Be-schwerde geführt hätten, weil er zu spät gegen Größer vorgegangenfei. Darin spiegle sich die unsinnig gehässige Kampfesweise gegenBieligk Wider. Im weiteren stellt Heine fest, daß die Kreishaupt-niannschaft Bieligk wieder in fei» Amt e i.n g e s e tz t und inden Entscheidungsgründen hervorgehoben habe, daß das Rechtauf der SeiteBieltgks sei. Allerdings habe sie auch gesagt,Bieligk hätte eher gegen Größer vorgehen sollen. Daraus gehe aberdeutlich hervor, daß Bieligk nicht in rigoroser Weise gegen Größervorgegangen sei.Besonders eingehend wurde in der Beweiserhebung die Be-hauptung erörtert, daß man bei der Einstellung der Kasseubeamtennicht nach ihrer Befähigung, sondern nur nach der Partei-politischen und gewerkschaftlichen Tätigkeit frage.Festgestellt wurde, daß nur ein einziger Sozialdemo-k r a t als Bureaubeamter beschäftigt sei, der sich im Bureau alsbesonders tüchtig bewährt hat. Noch weniger konnte auchnur der Schatten eines Beweises dafür erbracht werden, daß gegenGrößer seiner nationalen Gesinnung wegen vorgegangenworden sei. Es hat sich im Gegenteil ergeben, daß Maßnahmengegen Größer dringend nötig waren, denn außer denbereits früher ermittelten Unregelmäßigkeiten hat er auch nochUnterschlagungen verübt.In seiner Anklagerede konnte Genosse Heine feststellen, daßauch nicht das mindeste von den verleumderischen Behauptungen des„Anzeiger" redakteurs Burkhardt erwiesen worden. Diesem sei derSelbstmord Größer zu Zwecken einer politischen Hetze willkommengewesen; er habe mit Leichen gekrebst und den Tod zupolitischen Machinationen ausgeputzt.Das Ergebnis der Beweisaufnahme war eine völlige Recht-sertigung Bieligks und der sozialdemokratischen Vorstandsmit-glieder, zugleich aber auch eine vernichtende moralische Niederlagefür die Verleumder, besonders Burkhardt. Doch fand der Herrmilde Richter. Auf 30 M. Geldstrafe lautete das Ur-teil gegen Burkhardt. Mit Recht hatte Rechtsanwalt Heine vorherdarauf hingewiesen, daß ein sozialdemokratischer Ne-d a k t c u r, der gegen eine bürgerliche Kassenverwaltung solche An-griffe geschleudert habe, mit 6 Monaten Gefängnis werderechnen müssen. Doch kam es weder Bieligk noch seinem Rcchts-beistand auf eine hohe Strafe an, was auch betont wurde; demAnsehen der Rechtspflege und dem Rechtsbewußtsein kann aber eineso geringfügige Geldstrafe, die förmlich Prämien auf Verleum-düngen sind, nicht entsprechen.Die Tatsache, daß auch dieses Urteil die Rechtsprechung imKlassenstaate wieder einmal beleuchtet, kann aber an der Recht-sertigung Bieligks und der bollständigen Niederlage der Verleumdernichts ändern. Torheit wäre es aber, anzunehmen, daß sie trotzolleo gegenteiligen Beweise ihren Verleumdungsfeldzug gegen dievoll Aibeteu verwalteten KraLkenlasjeZ cinjtMg.poUtifche CkbcrHcbt.Berlin, den 24. April 1911.Die Ersatzwahlen im 4. Berliner Landtagswahlkreise.Die gestrigen Wahlmänner-Ersatzwahlen im 4. BerlinerLandtagswahlkreise haben der Sozialdemokratie einen Ge-w i n n von insgesamt 21 Mandaten gebracht, und zwar 18 inder 2. Abteilung und 3 in der dritten.Für die einzelnen Abteilungen stellt sich das Resultat fol-gendermaßen dar:In der ersten Klasse wurden gewählt 2 Sozialdemo-traten und 139 Freisinnige.In der zweiten Klasse: 30 Sozialdemokraten und96 Freisinnige.In der dritten Klasse: 115 Sozialdemokraten und1 Demokrat.Hierzu kommen 22 bürgerliche Wahlmänner der erstenund 16 der zweiten Abteilung sowie 1 bürgerlicher der drittenAbteilung, die ihr altes Mandat behalten haben. Es stehensomit insgesamt 275 bürgerlichen Wahlmännern 215 s o z i a l-demokratische gegenüber.>Das ueue Zuchthausgesetz.Nach der Mitteilung eines mecklenburgischen Blattes ist derKommission zur Beratung des neuen Strafgesetzbuchs eine Denkschriftüber Ausschreitungen bei Lohnkämpfen, zur Herbeiführung einer Ver-schärfung der Strafen gegen den TerroriSmuZ zugegangen. Neberden Inhalt dieser Denkschrift werden nähere Angaben nicht gemacht.Daß die Nachricht de-Z mecklenburgischen Blattes den Tatsachenentspricht, ist kaum zu bezweifeln, wenn man sich vergegenwärtigt,daß der Reichskanzler bereits im November vorigen Jahres imReichstag ausdrücklich betont hat, daß für einen größeren Schutzder Arbeitswilligen gesorgt werden müsse. In dieselbe Kerbe hatüberdies der preußische Polizeiminister v. Dallwitz am 8. Aprilin einer Sitzung des Herrenhauses geschlagen, als er ausdrücklicherklärte:.Jedenfalls wird es meines Dafürhaltens nicht zu umgehensein, daß bei der Revision des Strafgesetzbuches auch diese Fragegeprüft und die Materie, wenn möglich, besser geregelt wird, alses bisher der Fall ist."Daß die Regierung das Material geheim hält, läßt den Schlußzu, daß sie auf die Beweiskraft dieses Materials selb« nicht besonders baut. Wir erinnern dabei an daS Material, das dazu her-halten mußte, die seinerzeit verscharrte ZuchthauSvorlage zu be-gründen. Die meiste» Fälle waren so maßlos übertrieben, daß eSeine Leichtigkeit war, sie auf das richtige Maß zurückzuführen. Dieneueste Vorlage an die Strafrechtskommisston ist offenbar von langerHand vorbereitet. Schon vor etwa drei Jahren wurde bekannt, daßdie Polizeibehörden angewiesen worden sind, über jeden Streik undseine Begleiterscheinungen, insbesondere über angeblichen TerrorismiiSder Streikenden, an eine Zentralstelle zu berichten. Die Denkschrift,die der Kommission zugegangen ist, stellt jedenfalls ein Sammel-surium polizeilichen Eifers dar. Das mindeste, was man von einerRegierung, die noch einigermaßen als vernünftig gelten will, ver-langen kann, wäre das, daß solches Material erst der Leffentlichkeitbekannt gegeben würde, ehe es in arbeiterfeindlichem Sinne fruk-tifiziert werden soll. Allem Anschein nach ist aber das Materialso, daß eS einer öffentlichen Kritik nicht standhalten würde,und die Negierung rechnet damit, daß, wenn erst einmal aus-nahmegesetzliche Bestimmungen in das neue Strafgesetzbuch hinein-gearbeitet sind, eS außerordentlich schwer hält, fie bei der parlamen-tarischen Beratung wieder herauszubringen. Dadurch gewinnt dergeplante Ueberfall auf die Arbeiterklasse ganz wesentlich an Bosheitund Hinterlist. Unter allen Umständen muß von der Regierungverlangt werden, daß fie. nachdem ihre Methode an das Licht derOeffentlichkeit gezogen.wird, auch ihr Material der Oeffentlichkeitunterbreitet.Noch eine Bestätigung.Auch die.Kreuz-Zeitung" bestätigt jetzt, daß in gewissen Kreisender RegierungSbureaukratie und der Agrarkonservativen der Plangehegt wird, die Bethniann Holllvegsche Regierung dazu zu be-stimmen, noch dem jetzigen Reichstage im Spätherbst den Reichs-Haushaltsplan für 1912 vorzulegen. In einer an die National-liberalen gerichteten Mahnung, sich dem Fuselblock bei der nächstenGesetzgebungskampagne anzuschließen, schteibt nämlich das Blatt derHammerstein-Epigonen:„Nicht minder aber, sollten wir meinen, wird eS auch einerMittelpartei wohl anstehen, wenn sie alles daran setzt,um noch vor den Wahlen den Etat für daskommende Jahr verabschieden zn helfen. Es istuns nur von, Standpunkt der Sozialdemokratieund ihrer Helfershelfer verständlich, wenn dem Wunsche, diesenReichstag noch den Etat erledigen zu lassen, widersprochenwird. Glaubt denn irgend ein Gegner der Finanzrefornimehrheit,daß der Etat anders ausseben wird, wenn er dem neuen Reichstagevorgelegt wird, oder daß sich dann eine Möglichkeit biete» könnle,die vielgeliebte Ausdehnung der Erbschafts-st e u e r a u s W i t iv e n und Waisen einzuführen, dieT a n t i e m e n st e u e r aber abzuschaffen? Für absehbareZeit kann die Regierung nicht die Hand zuneuen Steuerexperimenten bieten. Und wenn siees wollte: welche Partei könnte es wagen, die tatsächlich bei allenseßhaften Leuten so überaus unpopuläre Witwen- und Waisen-steuer durchzusetzen? Das Verlangen danach— man sei dochendlich so ehrlich, eS stillschweigend einzugestehen— war nichtsanderes als ein parteitaktischer Trick zur Niederzwingung der„Agrarier". An und für sich ist dies- Steuer mindestensebenso drückend, wie jede andere direkte Steuer, und wer sieohne Not einführen will, macht sich Feinde. Da eS sich also imJahre 1012 unter keinen Umstände» um eine Beseitigung derFinaiizreform handeln kann, wird man auch vom Standpunkteiner Mittelpartei nicht bestreiten dürfen, daß es im Reichs-t n t e r e s s e liegt, wenn es möglich wäre, den Etat vor denWahlen zu verabschieden. Ob die Regierung selbergroßen Wert darauf legt, wissen wir nicht; es wird behauptetund wir finden eS begreiflich; ebenso begreiflich würden wir eSim anderen Falle finden, wenn die wütenden Proteste der Sozial-demokratie und ihrer Helfershelfer die Regierung erst daraufbrächten, daß der Gedanke gut und empfehlenswert sei...Die Konservativen wünschen demnach dringend, daß die Regie-rnng in der Herbsttagung noch dem scheidenden Reichstage denReichsetat für 1912 vorlegt. Und die Regierung wird sicherlich inwilliger Anerkennung ihrer gottgegcbenen Abhängigkeit von denAgrarkonservativen diesen Wunsch erfüllen. Doch kommt es wederallein auf die schönen Absichten und Wünsche der Konservativen nochder Regierung an, auch die oppositionellen Parteien des Reichstageshaben ein Wort mitzureden._Zentrumsstratege Erzberger.An die Regierung werden jetzt gar seltsame Ansinnen gestellt.Sie soll schöne Verteidigungsschriften über die letzte Reichsfinanz-rssorm ausarbeiten lassen, die Reichöbilanzen frisieren, billige Reichs-Haushaltspläne aufstellen usw. Und jetzt kommt gar noch HerrErzberzer aus Builenhausen und berkangi, die Regierungsolle energisch die offizielle Stimmungsmache für dieaus der Komniisstoii hervorgegangene Reichsversicherungs-ordiiung betreiben. Derselbe Schwätzer, der früher nicht genugüber die Regierung und' ihre liederliche Gesetzgebimgsarbeit her-fallen konnte, findet jetzt, daß bei der VersicherungZordimiig allesgetan sei, was sich bei ordiiungSgemäßer Erledigung eines Gesetzestun ließe und daß absolut nichts Neues mehr in der Sache vor-gebracht werden könnte. In einem Artikel im„Tag"(Nr. 93 vorn23. April) meint er, der den Reichstag mit seinen endlosen Redereienunzählige Stunden gekostet hat, mit der ihm eigenen Ueberhebung:„In der Geschäftsordnung steht letzten Endes auch nichts ge-schrieben, daß alles das, was schon in der Kommission dreimalgesagt worden ist, sechsmal im Plenum zu wiederholen sei. Wennalle gesetzgeberischen Arbeiten so gut vorbereitet wären, wie esdie Reichsversicherinigsordnung heute ist, stände es gut.Dazu kommt noch ein weiterer Grund: eine große Mehrheitist den Kommisfionsbeschlüssen im allgemeinen gesichert. Solangekann man nicht beraten, bis Einstimmigkeit erzielt ist. � Rechte,Zentrum und Nationalliberale haben den festen und entschiedenenWillen bekundet, dieses Werk zu verabschieden... Die schonvorhandene Zweidrittelmehrheit ist sich über sehr viele Punkteeinig, von den anderen kann noch eine Einigkeit erzielt werdcv-Eine solch große Mehrheit wird auch vor einer Obstruktion nichtkapitulieren.In Vorbereitimg seiner späteren Broschüren über die Vortreff-lichkeit der Zentrumsarbeit bei der Reichsversicherungsordnung hälteS nun Erzberger für notwendig, an dieser Stelle schon von zahl-reichen und ungemein großen Vorteilen für die Arbeiter znschwindeln. Und der Abgeordnete der Zentrumspartei, die voreinigen Jahren gegen offiziöse Stimmungsmache in den stärkstenFormen wütete, verlangt nicht» Geringeres, als daß die Regierungjetzt eine ungeheure Stimmungsmache für die Versicherungsordnung,natürlich zugunsten der Schwarzblauen, in Szene setzte. Er schreibt:„Das stärkste Motiv für die Verabschiedung der Reichs-versicherungsordnung liegt schließlich in den zahlreichen und un-gemein großen Vorteilen, die für die Arbeiterschaft in dem Gesetzeenthalten sind. Die Leistungen werden auf der ganzen Linie er-klecklich erhöht, die Hinterbliebenenversicherung wird neu ein-geführt; wenn die Arbeiterschaft einmal alle Vorteile der Koni-inissionSanträge kennt, dann wird sie selbst am lautestenden Ruf nach ihrer sofortigen Verabschiedung erheben.Die Regierung sollte daher auch in ein-facher und übersichtlicher Weise diese Fort-schritte gegenüber deni bestehenden Gesetze zu-sammenstellen und durch Tausende von Kanälenin das Volk leiten; das wäre eine sehr verdien st-volle Arbeit, die dem deutschen Volke er st rechtdie Bedeutung dieses Werkes klarmacht. Dannmüßte die Sozialdemokratie verstummen, auch wenn sie weiß, daßdie Neuregelung 4000 sozialdemokratische Organisationsträger—die roten Angestellten der Krankenkassen— nicht mit dem Wohl-wollen behandelt, das dem erkrankten und invaliden Arbeiter zuteilwird. Es fehlt den breitesten Voltsschichten noch viel zu sehr ander Kenntnis der weitgehenden Kommissionsbeschlüffe."Die Sozialdemokratie wird in der nächsten Zeit dafür sorgen.daß diese Kenntnis den Arbeitern in umfangreichster Weise ver-mittelt wird, und die Arbeiter werden dann bei den Neuwahlen denSchwarzblauen den Dank für die Entrechtung und für die ver-kcnppelte Sozialreform ebenso heimzahlen, wie Herrn Erzbergerfür seine Unverschämtheiten._Chauvinisten an der Hetzarbeit.Der„Alldeutsche Verband' hat am Sonntag eine Ver-sammlung abgehalten, in der der bekannte NeichSverbandSgeneralv. Liebert über die politische Situation referierte und gegen diePolen und Elsaß-Lothringer scharf machte. Dann wurdenMaßregeln verlangt, die den Eintritt in die französischeFremdenlegion unmöglich machen sollten. Den Gipfel chauvi-nistischer Torheit aber erreichte die Tagung, indem sie einen Antragfür die Aufteilung Marokkos annahm. Dabei müßte dosganze atlantische Marokko dem Deutschen Reiche zufallen» damitDeutschland endlich eine SisdlungSkolonie erhalte.Wenn die Pariser Boulevardblätter den alldeutschen Narren denGefallen tun sollten, ihre Redereien ernst zu nehmen, kann eine ganznette chauvinistische Hetze herauskommen.Das neue hessische Landtagswahlrecht.Nachdem jetzt der GesetzgebungSausschuß der Ersten Kammer deShessischen Landtages den Beschlüssen der Zweiten Kammer zugestimmthat, kann man die Reform deS hessischen LandtagSwahlrechtS endlichals vollendet ansehen. Bon den vier süddeutschen Staaten hat HessendaS weitaus schlechteste Wahlrecht erhalten, ein in mancher Beziehungsogar noch schlechteres, als es selbst in norddeutschen Staaten, wiez. B. Oldenburg, nach seiner Reform gilt. Nach dem neuen Gesetzsind alle Personen mäniilichen Geschlechts wahlberechtigt, die zur Zeitder Wahl daS 25. Lebensjahr vollendet haben, wenigstens drei Jahrein Hessen wohnen, seit mindestens einem Jahre die hessische Staats-angehörigkeit besitzen und seit dem Beginn deS Rechnungsjahres,in dem die Wahl vorgenommen wird, zu einer direkten Staats- undGemeindesteuer herangezogen find. Jeder mindestens 30 Jahre alteWähler erhält eine Zusatzstimme. DaS Wahlrecht kann- von denWählern nicht ausgeübt werden, die zur Zeit der Wahl mit demletzten fälligen Ziel der Staats- oder der Gemeindesteuer im Rück»stand sind. Die Wahl ist direkt und geheim. Für die Wahlhandlunggelten im wesentlichen die gleichen Bestimmungen wie bei derReichstagSwahl.(WahlkouvertS, Jsolierraum usw.) Wenn imersten Wahlgauge kein Kandidat die absolute Mehrheit aufsich vereinigt, ist Stichwahl zwischen den beiden„Höchst-bestimmten" erforderlich. Die Abgeordneten der Zweiten Kammerwerden auf sechs Jahre gewählt; alle drei Jahre scheidet die Hälfteaus. Die Zweie Kammer wird in Zukunft 38 statt 30 Mitgliederzählen. Die Städte Darmstadt, Mainz, Offenbach, Gießen undWorniS, von denen die beiden ersten bisher je zwei, die anderenbisher je einen Abgeordneten wählten, erhalten nach der Wahlreformje einen Abgeordneten mehr. Ebenso wird in jeder der drei Pro-vinzen des Großherzogtums je ein ländlicher Wahlkreis neu gebildet.Die nächsten Landtagswahlen finden im kommendenHerbst statt. Es scheiden 8 Antisemiten, 8 Nationalliberale,5 Klerikale. 8 Sozialdemokraten(Bcrihold, Fulda, Raab) und einFreisinniger aus. Mit den neu geschaffenen 3 städtischen und3 ländlichen Mandaten sind also diesmal SS Mandate neu zu be«setzen._Die Dortmunder Handelskammer über die erhöhte Bier-steuer und den Bierkonsum.Die Blätter des Schiiapsblockcs bringen in letzter Zeit wiedereine Nachricht über die andere von den„segensreichenWirkungen" der letzten Finanzreform. Was in Wirklich-keit daran ist, lehrt erneut der vor kurzem erschienene Jahresberichtder Dortmunder Handelskammer. lieber die Lageder Brauindustrie heißt es in dem Bericht, das Jahr 1910sei für die Brauindustrie eine Probe auf ein sehr bedeutsames undschwieriges Exempel gewesen. Es habe sich herausstellen müssen, obeS gelingen würde, sich mit der erhöhten Braufieuer„abziisindeii". Es sei indes gelungen, unter dein Drucke derVerhältnisse mit dem größten Teil der rheinisch- westfälischenBrauereien einen Vertrag über die Erhöhung der Bierpreis« zustand«