Mr. 97.

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Vorwärts

Berliner   Volksblaff.

28. Jahrg.

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Telegramm- Adresse: Sozialdemokrat Berlin  ".

Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutfchlands.

Redaktion: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amit IV, Nr. 1983.

Der Strafgesetzentwurf

und die

Mittwoch, den 26. April 1911.

Expedition: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1984.

Internationale Kriminalistische en urden, daß Duellmörder fünftig nicht mehr mit einer bei der nächsten Revision wieder beseitigt

Vereinigung.

entwurf zum deutschen   Strafgesetzbuch. Bei gewonnenen Erfahrungen teine Lust be diesen ganzen Verhandlungen ist nun- um das für stehe, dieselben wieder einzuführen. Die uns Wichtigste vorwegzunehmen mit teinem fächsische Regierung sei der Ansicht, daß Wort der politischen Nücken und Lücken des Entwurfs ge- diese Bestimmungen, wenn sie wirklich in dacht worden, während z. B. blutige Tränen darüber ver- das Strafgesetzbuch aufgenommen würden, gossen fidelen Festungshaft, sondern mit gewöhnlicher Haft bestraft werden müßten. Ein Greifswalder Professor Merkel und dadurch„ Dirnen, Bettlern und Landstreichern gleich warf sich hingegen zum begeisterten Verehrer der vor­gestellt werden sollen. Der Kieler Privatdozent Kriegsmann geschlagenen Barbareien auf. Aus der sonstigen Diskussion fand allseitigen Widerspruch mit seiner Aeußerung, er würde sei noch eine scharfe Anklagerede des Breslauer Rechts­Es sind nunmehr 1½ Jahre verflossen, seitdem das sich auch ganz wohl fühlen unter einem Strafrecht, das den anwalts Dr. Mamroth gegen die Untersuchungshaft her­Reichsjustizamt den Vorentwurf zu einem neuen Strafgesetz- Duellanten ins Gefängnis schickt. Dieser Widerspruch war vorgehoben. buch veröffentlicht und zur Kritik desselben freundlichst ein- aber nicht so zu verstehen, daß die Widersprechenden etwa für Der dritte Verhandlungstag war einem Referat des geladen hat. Der Vorwärts" hat dieser Aufforderung, wie die anderen Mördern und Totschlägern gegenüber angedrohte Gießener   Professors Dr. Mittermater über die Behand­den Lesern wohl noch in Erinnerung ist, gründlich Folge ge- Buchthaus- oder Todesstrafe eingetreten wären, sondern selbst lung der unsozialen Elemente im Vorentwurf nebst an leistet und in einer Serie von Leitartikeln alsbald nach Er- die Gefängnisstrafe schien der Versammlung für diese feudale schließender Diskussion gewidmet. scheinen des Entwurfs dargelegt, daß derselbe ein aus- Art von Verbrechern noch zu hart. Statt schwerer Strafe gegen die sogen. gewerbs- und gewachsenes Sozialistengeset in sich birgt, das sich in gleicher Es wäre ungerecht, wenn nicht nach diesen Ausstellungen gewohnheitsmäßigen Verbrecher verlangte Mittermaier eine Weise gegen die politische wie gegen die gewerkschaftliche auch betont würde, daß auf der Tagung manche Aeußerung Humane Sicherungshaft. Besonders scharf wandte er sich Seite der modernen Arbeiterbewegung richtet.( Vergl. auch fiel, die ihren Urheber als über dem Durchschnittsniveau des gegen die heutigen Arbeitshäuser, von denen er mit meine im Stuttgarter Parteiverlage erschienene Schrift: bürgerlichen Strafrechtlers stehend erscheinen läßt. So ver- Recht sagte, sie seien oft viel schlimmer als die Zucht­" Die Arbeiterklasse und der Strafgesehentwurf".) Wir dient beispielsweise die Diskussionsrede des Berliner   Straf- Häuser. Zuzustimmen ist auch dem Verlangen des Referenten haben dort hingewiesen auf die Gefahren, die dem färglichen anstaltsdirektors Finkenberg  - die zwar für uns Sozial- nach Einführung des in Amerika   längst bewährten progressiven Reft freier Meinungsäußerung, den wir in demokraten nur Selbstverständliches enthält,- in den Strafvollzuges, der die allmählige Gewöhnung des Ge­Preußen- Deutschland haben, drohen, auf die Unter- Streisen seiner Berufsgenossen Beherzigung. Dieser Redner strauchelten an ein soziales Leben bezweckt. Der Vor­bindung des Streifrechts der Arbeiter der führte aus: steher der elsaß  - lothringischen Gefängnis. öffentlichen Betriebe und auf die vielen juristischen Unfere erfahredenb große Kriminalität verwaltung, Geheimrat Schwalb, unterstützte die Möglichkeiten zur Knebelung mißliebiger politi­beruht weniger auf der Uusozialität der Verscharfen Angriffe Mittermaiers gegen das heutige Arbeits­brecher als auf der herrschenden Not. Meist haben haus:„ Es macht die Menschen nicht zu nük­scher Agitation. Um nur einige der Schönheiten des die rüdfälligen Gewohnheitsverbrecher Vergehen gegen das Eigenlichen Mitgliedern der Gesellschaft, sondern Entwurfs ins Gedächtnis zurückzurufen, sei daran erinnert, tum begangen und es sind Leute, die nichts mehr zu beißen und daß der Entwurf beispielsweise nach dem glorreichen Vorbilde zu brechen hatten und ihrem schwachem Willen erlegen sind. es zieht diejenigen, die noch zu retten sind, der preußischen Umsturzvorlage die, Verherrlichung" Das sind eben die Leute, die, wenn fie bei der Polizei eingeliefert her ab auf das Niveau der Unverbesserlichen", begangener auch politischer Verbrechen", werden, feinen Pfennig in der Tasche haben und sich in einer lautet sein von Sachkenntnis getragenes Verdammungsurteil. zum Beispiel der französischen   Revolution, der Rom  - vollständigen Desperadoverfassung befinden. Nun rangiert man Sozialpolitisch und recht unpreußisch berührte ferner in der mune usw. unter schwere Strafe stellt, daß er die Hoch- diese Leute unter den Begriff der Unsozialität, während fie doch Diskussion die Schilderung, die Strohne von dem von ihm berratsparagraphen aufs gefährlichste er­nur Produkte der Not find. Gegen diese Leute sind in viel geschaffenen Freiluftzuchthaus auf Hela gab. Die Ge­weitert und auch bei anderen Delitten den Kautschuk­höherem Maße soziale Maßnahmen am Blaze, als das, was fie fangenen arbeiten dort fast nur im Freien. Es gäbe kein hier verlangen. Alle diese friminellen Maß- Schimpfen und Schelten auf Hela, jeder gehe freund­tatbestand der berbotenen Aufreizungen" schafft. nahmen aber wiegen nur feberleigt gegen lich mit den Inhaftierten um. Hingewiesen sei auch noch auf die unerhörte Erweite­die wirklich durchgreifenden Maßnahmen auf Diese seien so frei, rung des Nötigungsparagraphen. Ferner auf fozialem Gebiet." daß fie ruhig weglaufen könnten, sie täten es aber nicht, weil die angedrohte Bestrafung der gefährlichen" und Finkenberg   erwähnte auch einen haarsträubenden Fall, in es ihnen gut gefiele. Hoffentlich kontrastiert die Wirklichkeit gemeingefährlichen Drohung", die so recht auf dem ein Mann, der sich in einem Restaurant zwei Flaschen nicht gar zu sehr mit dieser idyllischen Schilderung. die überall in den Motiven herumsputenden geschickten und Selters bestellt und nicht bezahlt hatte, weil er rückfällig war, Der legte Verhandlungstag war der Behandlung gefährlichen Voltsaufwiegler" gemünzt erscheint. Fehlen darf zu einem Jahr Zuchthaus und 150 M. Geldstrafe sowie Verlust der Jugendlichen gewidmet, ein Problem, das anläßlich auch bei dieser summarischen Aufzählung einiger Schönheiten der bürgerlichen Ehrenrechte verurteilt wurde! der bedrohlichen Steigerung der Kriminalität der Jugendlichen

zu reden

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des Entwurfes auf dem Gebiete politischer Ausnahmegesetz- Gegen den Vorentwurf selbst wurden von den Referenten bon großer Bedeutung ist. Allerdings ist die Heilung hier gebung nicht der Hinweis auf den um im Marinejargon und den Diskussionsrednern eine Reihe gewichtiger Argumente nicht von kriminellen, sondern von sozialen Maßnahmen zu Ersatz- Grober- Unfug"-Paragraphen, der ein geltend gemacht, wenngleich die allgemeine Meinung dahin erwarten. Das Referat hatte der Frankfurter   Professor ordnungsliebendes staats- und fönigstreues Publikum vor ging, daß der Entwurf eine geeignete Grundlage abgebe, um Freudenthal. Vom Referenten wie von den Diskussions­der Belästigung" durch ungebührlich es darauf weiter zu bauen. Dies war auch das Resultat, zu rednern wurde übereinstimmend die Schaffung eines be­Verhalten" politischer oder sozialer Gegner durch erheb- dem v. Liszt   in seinem Referat über den Entwurf gelangte. sonderen Jugendstrafgefeßes verlangt. Mit Recht bekämpft liche Strafandrohung schützt. Dies Referat war in seinem ersten Teil ein Hymnus auf die wurde von verschiedenen Seiten der standalöse Vorschlag des

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Wir hatten ferner gelegentlich jener Besprechung des Ent- von den Verfassern des Entwurfs vorgeschlagene grenzenlose Entwurfs, die sog. relative Strafmündigkeit zu beseitigen, also wurfes darauf hingewiesen, daß derselbe auch in seinen Erweiterung der richterlichen Willkür. Es findet sich in dem die Freisprechung Minderjähriger wegen mangelnder Einsicht und unpolitischen Teilen eine Reihe bekämpfenswerter Entwurf keine einzige Einschränkung des freien richterlichen Charakterreife auszuschließen. Während nach der Auffassung unserer Einzelheiten enthält; erinnert sei nur an die vorgeschlagenen Ermessens... Von einer Eindämmung der richterlichen Be- herrschenden Streife ein junger Mann im achtzehnten Lebens­barbarischen Strafverschärfungen durch harte fugnisse ist im deutschen   Vorentwurf glücklicherweise jahre nicht reif fein soll, einen einfachen politischen Vortrag Lagerstatt und Hunger. Wir erwähnten auch, daß der Ent- nichts zu spüren." Diese Kennzeichnung des Entwurfs ist anzuhören, soll ein vierzehnjähriges Kind in jedem Falle wurf einige Verbesserungen gegenüber dem geltenden Recht richtig. Nur sind wir Sozialdemokraten so gut wie einstimmig reif genug sein, die kompliziertesten Verbrechenstatbestände zu aufweist, und daß er sich überall bemüht, seine reaktionären der Meinung, daß dies fein Glück", sondern ein Unglück erkennen. Zuzustimmen ist dem Referenten, wenn er die Blößen durch ein modern schillerndes Gewand zu verdecken, ist in unserer von Klassengegensätzen so durchwühlten Berabfolgung alkoholischer Getränke an Jugendliche unter insbesondere durch scheinbare oder wirkliche Konzessionen, an Gesellschaft mit ihrem ausschließlich aus Angehörigen schwere Strafe gestellt wissen will, ein Vorschlag, der übrigens die früher so verfemte sogenannte moderne Strafrechts- der bürgerlichen Klassen rekrutierten Richterstande. Im wei- in dem österreichischen und schweizerischen Strafgesetentwurf schule". teren Verlaufe feines Referats forderte v. Liszt   eine Abgrenzung verwirklicht ist. An der Regelung des Jugendstrafrechts in Es gibt nämlich in der bürgerlichen Strafrechtswissenschaft des kriminellen vom polizeilichen Unrecht und die dringend dem Entwurf fand der Referent mit Recht vieles auszusehen. zwei Lager: die sogenannte„ tlaffische" Straf  - notwendige Einverleibung der Nebengeseye. Er kritisierte die In der Diskussion bemängelte der Hamburger   Amisrichter rechtsschule, der die Strafe Selbstzweck und nur heillose Verwirrung, in die unsere Reichsgesetzgebung Dr. Hertz mit Recht die Herauffegung des Strafmündigkeits­Sühne einer Schuld ist, deren Verhängung nach hineingeraten ist, die es kaum noch möglich mache, in dieseni alters auf das vierzehnte Lebensjahr als nicht ausreichend dem ewigen, göttlichen Maßstabe der Gerechtigkeit zu Wufte zu arbeiten. Er verlangt ferner ein einheitliches Straf- und verlangte Heraussetzung auf das fünfzehnte Jahr. Uns erfolgen hat. Besagter Maßstab, der dem uneingeweihten vollzugsgesetz und wandte sich gegen verschiedene Einzel- erscheint auch dies noch nicht als genügend. Gilt doch von unerfennbar ist, wird erworben durch die Absolvierung einer vorschläge des Entwurfs. Das folgende Referat des preußischen feiner Kategorie von Menschen so sehr das Wort: dreijährigen Studenten- und vierjährigen Referendarzeit nebst Wirklichen Geheimen Oberregierungsrats Dr. Krohne be­" Ihr laßt den Armen schuldig werden, zugehörigem Examinibus. Er geht wieder verloren durch die handelte das Thema:" Freiheitsstrafen und Strafvollzug nach dann überlaßt Ihr ihn der Pein!" Bekundung einer nicht genügend fönigstreuen und staatsfreund- dem Vorentwurf". Interessant war das Geständnis dieses als von den sogenannten„ jugendlichen Verbrechern". lichen Gesinnung. Im Gegensatz zu dieser unter den Theore- sachkundigen Mannes, daß sich kaum ein Finanzminister Die letzte Tagung der Internationalen Kriminalistischen tifern des Strafrechts aussterbenden, in der Strafrechtspraxis oder eine Volksvertretung finden werde, unt die Vereinigung, deren Verlauf wir im vorhergehenden kurz skizziert jedoch noch fast unbeschränkt herrschenden Anschauung steht die für eine humane Ausgestaltung des Strafvollzuges haben, war zwar nicht geeignet, uns zu befriedigen. Der modernem Empfinden erheblich näherstehende sog.„, moderne" erforderlichen Mittel zu bewilligen. Sympathisch berührte es, herrschenden Strafrechtsbureaukratie aber hat sie sicherlich noch Strafrechtsschule, die ihren Stristallisationspunkt in daß sich Dr. Krohne dahin ausließ, man folle auch bei Zucht weit weniger Freude gemacht. der Internationalen kriminalistischen Vereinigung" gefunden hausgefangenen das Ehrgefühl nicht durch falsche Maßnahmen Freilich, das hat auch diese Tagung gezeigt, den Kampf hat, und zu deren Führern der Berliner   Professor und frei- zu ersticken versuchen. Man könne auch beim schwersten Ver- gegen die der Arbeiterschaft zugedachte Ausnahmegesetzgebung finnige Abgeordnete v. Liszt   gehört. Das Programm dieser brecher nicht sagen, daß er absolut kein Ehrgefühl mehr habe. wird die Sozialdemokratie allein zu führen haben. Auch die Schle rückt vor allem die kriminalsoziologischen Gesichts- Leider wurde das Sympathische dieser Ausführungen voll- vorurteilsloseren der bürgerlichen Strafrechtler halten es punkte in den Vordergrund. Das Verbrechen soll nach kommen dadurch verwischt, daß Krohne den vorgeschlagenen nicht der Mühe wert, darüber nur ein Wort zu verlieren. einem Wusspruch Liszts als sozialpathologische Erscheinung", barbarischen Strafverschärfungen das Wort redete, mit der Gerade jetzt geht eine hochinteressante Mitteilung durch d. h. als ein durch gesellschaftliche Faktoren bedingtes Uebel Einschränkung, daß sie nur für die ersten Monate der Straf  - die Presse: Die Regierung hat der Kommission zur Ausarbei­gewertet werden, dessen Bekämpfung nicht mit irgend welchen zeit zulässig sein sollten. Gegen diese Anschauung wandte tung des Strafgesetzbuchs der ebenso selbstverständlich wie moralisierenden Gründen der Vergeltung, sondern mit dem sich scharf der Berliner   Professor Goldschmidt, der skandalöser Weise fein Mitglied der bei weitem stärkster Zwecke der Wahrung des gesellschaftlichen Wohles gerecht die Strafverschärfungen charakterisierte als eine Stonzession Partei Deutschlands   angehört eine Dentschrift über fertigt wird. an die Forderung nach der Prügelstrafe in demselben die Ausschreitungen bei Lohnkämpfen unter­Die deutsche Landesgruppe der Jnter Augenblic, wo sich Dänemark   anschicke, seinen Irrtum breitet. Aus der Mitteilung Aus der Mitteilung geht nicht hervor, nationalen friminalistischen Vereinigung wieder gut zu machen. Interessant war auch die Erklärung es sich um Ausschreitungen bon Polizisten oder hat nun in voriger Woche ihre 14. Sagung in Berlin   des sächsischen Geheimrats Meier, wonach die um solche, die angeblich von Streitenden berübt abgehalten. Einziger Verhandlungsgegenstand dieser drei- fächsische Regierung sich im Bundesrat gegen sind, handelt. Dbgleich eine Dentschrift der erſterwähnten Art tägigen Tagung, zu der mehr Regierungsvertreter erschienen die Strafverschärfungen ausgesprochen habe, viel wichtiger wäre, ist doch anzunehmen, daß es sich nicht um waren, als zu sämtlichen Arbeiterveranstaltungen seit Bestehen weil dieselben früher im sächsischen Straf- eine solche handelt. Also auch schon die äußere Aufmachung des Deutschen Reiches zusammengenommen, war der Bor.recht bestanden hätten und nach den damals der Schaffung des neuen Strafgesetzbuchs ist dieselbe wie bei

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