Nr. 102. 28. Jahrgang. 1 Keilsge des Dmiills" WMlh. 3. Mai 1911. Keickstag. 164. Sitzung. Dienstag, den 2. Mal, nachmittags 2 Uhr. Am Bundesratstiscb: Delbrück . Präsident Graf Schwerin-Löwitz heißt die Abgeordneten nach der tnerwüchigen Pause herzlich willkommen und gedenkt des Todes des Fürsten von Schaumburg-Lippe.(Die Abgeordneten haben sich von den Plätzen erhoben.) Auf der Tagesordnung steht die erste Beratung des Einfnhrungsgesetzes zur Reichsverficherungsordnung. Staatssekretär Delbrück : Das Einführungsgesetz und das Gesetz betr. die Aushebung des Hilfskassengesetzes sind notwendige Folgen der Reichsverficherungsordnung. Das Einführungsgesetz zur Reichs- Versicherungsordnung schafft Uebergangsbestimmnngen für die Feit des Wechsels der gesetzlichen Vorschriften. Zunächst bestimmt es den Termin des Inkrafttretens der neuen Bestimnmngen; zum Teil wird ein Termin im Gesetz festgesetzt, zum Teil wird seine Festsetzung einer Bundesratsverordnung überlassen. Für die H i n t e r b l i e b e n e n- Versicherung wird der 1. Januar 1912 eingesetzt werden müssen, nachdem das Zolltarifgesetz entsprechend abgeändert ist; aber die Hinterbliebenen-Versicherung wird am 1. Januar 1912 nur dann in Kraft treten können, wenn die Reichsversicherungsordnung selbst erheblich früher erledigt ist. Der Redner geht dann, bei seiner leisen Stimme.schwer verständlich, auf einige Uebergangs- bestimmungen ein. Abg. Trimbor»(Z.): Das Einführungsgesetz zur Reichs- Versicherungsordnung wird namentlich in den ersten Jahren von größerer Bedeutung sein, als das Hauptgesetz selbst. Deshalb wird es notwendig sein, das Gesetz an eine Kommission zu ver- weisen, was ich beantrage. Die Hinterbliebenenversicherung kann, wie schon der Staatssekretär hervorgehoben hat, nur dann am 1. Januar 1912 in Kraft treten, wenn die Reichsversicherungsordnung erhebliche Zeit vorher erledigt ist; das ist eine e r n st e Mahnung an uns.— Das Einführungsgesetz enthält Uebergangsbestimmungen auch für die bisherigen Kassen- beamten. Die materielle Regelung der Verhältnisse der Kassenbeamten wird bei dem Hauptgesetz erfolgen. Daß die vorhandenen Kassenbeamten der neuen Dienstordnung unter- worfen werden sollen, erregt bei mir, wenigstens prima vista, keine Bedenken; erheblichere Bedenken sind dagegen erhoben gegen die Art und Weise, wie die Gehaltsverhältnisse der bisherigen Beamten geregelt werden sollen. Wir meinen, daß wohl- erworbene Rechte respektiert werden müssen; aber Verträge, die offenbar in krauäom legis geschlossen sind, um in Rücksicht auf die kommende Reichsversicherungsordnung sich Vorteile zu sichern, die bei der neuen Ordnung der Verhältnisse nicht möglich wären, können wir als mit bona ficlss(gutgläubig) geschlossene nicht an- erkennen.(Zustimmung im Zentrum.)— Das Gesetz wird auch dem Umstände Rechnung tragen müssen, daß die Einführung der Hinterbliebenenversicherung ursprünglich zum 1. Januar 1919 ver- sprochen war; deshalb wird eine gewisse Rückdatierung not- wendig werden.(Sehr richtig I im Zentrum.)— Zum Schluß ist dem Bundesrat vorbehalten, noch andere ihm erforderlich erscheinende Uebergangsbestimmungen zu treffen. Hier wird man mindestens verlangen müssen, daß sie dem Reichstage zur nachträglichen Genehmigung vorgelegt werden.(Bravo I im Zentrum.) Abg. Schickert(k.): Zu der Anregung, der Hinterbliebenen- Versicherung rückwirkende Kraft zu geben, haben meine Freunde noch nicht Stellung nehmen können; doch glaube ich, sie werden dieser Anregung aus finanziellen Erwägungen nicht zustimmen können.— Besonders stark sind die Bestimmungen angegriffen worden, welche sich mit der Regelung der Verhältnisse der bisherigen Kassenangestellten beschäftigen. Ver- träge in lrauckom legis, Verträge, die geradezu zur Umgehung des Gesetzes geschloffen sind, werden wir nicht respektieren, und ebenso billigen wir, daß unangemessen hohe Bezüge weiter an Kassenbeamte gezahlt werden. Meine Freunde wünschen aber, daß hierbei in jedem einzelnen Falle mit Schonung und Rücksicht vorgegangen wird.(Beifall rechts.) Abg. Hoch(Soz.): Die Bestimmungen des Einführungsgesetzes, welche die Verhält- niffe der bisherigen Kassenangestellten regeln, sind von grundsätzlicher Bedeutung, sie bringen etwas Neues, noch nie Dagewesenes in die Gesetzgebung hinein, es soll ohne jeden zwingenden Grund das geschehen, was sonst nur in revolutionäre» Zeiten als ein Akt der Revolution durchgeführt wird, nämlich die Entziehung wohlerworbener Rechte. Eine Begründung dafür, daß wohlerworbene Rechte ohne jede Entschädigung entzogen werden sollen, ist nirgends gegeben. Es handelt sich dabei um die Aufhebung eines Rechtsgrundsatzes nach bürgerlicher Anschauung, der bisher als erster Grundsatz der kleines f cuUlcton. „Damen der Berliner Gesellschaft". Man bezahlt 1 M. und be- kommt sie zu sehen, nicht auf einem Fünfuhrtee im„Kaiserhof". wo sie für ein Täßchen Tee mehr Geld hinlegen, als ein Heimarbeiter oder eine Näherin an einem schweren Arbeitstag verdienen— nicht bei einer inhaltsreichen Premiere— nicht bei der Eröffnung irgendeines Ver- gnügungSpalasteS— nicht auf einem„Elitcball"' für lediglich wohltätige Zwecke— nicht zu Roß im Tiergarten und nicht bei Rennen im Grunewald oder Hoppegarten . Man hört sie nicht maniriert über Firlefanz plauschen, sieht sie nicht geschnnnkten Antlitzes flirten— man bewundert nicht die voruehm-gleichgültige Eleganz, mit denen sie an den ersten Erdbeeren, Kiebitzeiern und Spargel» nippen, noch die fesche Art, wie ihnen die parsüinierten Zigaretten in den Puppen- fingerchen wippen. Man riecht kein Odeur und vergöttert keine Fünfhundert- und Tausendmarkhüte— nein, man begegnet ihnen allesamt in vollster Glorie: der Frail Gräfin, der Frau Stadtrat, der Frau Kommerzienrat, der Frau General , der Frau Geheimrat, der Frau Bankdirektor, der Frau Doktor, den Schauspielerinnen und Sängerinnen, man begegnet ihnen für den Spottpreis von einer Mark im Kunstsalon von»Keller u. Reiner". Sie haben ihre Pariser Kostüme angezogen, halte» den Mund geschloffen, sofern sie orientalisch-dicke Lippen haben, lachen jedoch freimütig, wenn die Zähne echt und nicht zu goldig flimmern, kokettieren mit kostbaren Ringen, Luxusgewändern und kostspieligen Hüten, sind dekollettiert und zu 99 Proz. auffallend häßlich. Aber das letztere ist Nebensache. Die größten Meister haben häßliche Frauen für alle Zeit verewigt. Hier hat fast keine Malerhand etwas zu erreichen verstanden. Hier weilt man im Land der Vogel- scheuchen und enipfindet Mitleid mit den Opfern. DaS sind wir, die eine Mark geblecht haben, in zweiter Reihe— das sind die Maler, die Männer»nt verlorenem oder verloren gehendem Talent an erster Stelle. Diese Ausstellung ist ein normales Zeichen der Zeit. Hält man fünf Minuten darin aus, länger erträgt man es nicht, dann blickt man nach keiner Frau Bankdirektor, nach keiner Frau Eisenbahn - direktionspräsident mehr, dann eilt man befreit auf die Straße und schaut mit zehnnial größerem Interesse das erste Grün der staubigen Läuinc. • Um einen bestimmten Teil des Publikums heranzuziehen ist diese Ausstellung:.Damen der Berliner Gesellschaft" bc- nannt. Es ist keine Angelegenheit, sich darüber aufzuregen. Ich wiederhole, es ist ein normales Zeichen der Zeit, die sich der eigenen Staatserhaltung gegolten hat. Alle Juristen, die bisher sich mi* dieser Frage beschäftigt haben, können es gar nicht begreifen, wie die Regierung zu einem solchen Vorschlag gekommen ist. Ein so reaktionärer Jurist wie Professor Zorn— um von anderen ganz zu schweigen— erklärt es für die selbstverständliche Pflicht einer jeden Regierung, die Staatsbürger nicht bloß gegen rechtswidrige Handlungen zu schützen, sondern sich auch selbst jedes ungesetzlichen Eingriffs in das Eigentum und die Rechte der Staatsbürger zu enthalten. Und ungesetzlich ist dieser Eingriff, denn die Verträge sind geschloffen auf Grund der Gesetze und im Vertrauen auf die Gesetze. Deshalb dürfen die mohlerworbenen Rechte nicht ohne Entschädigung entzogen werden.(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Dieser Grundsatz ist hier auch stets anerkannt worden. Ich erinnere an da« Gesetz, durch welches die Privatposten aufgehoben wurden, ferner an das Verbot der Phosphorzündhölzer; erst kürzlich beschäftigte man sich in diesem Hause bei der Wert- zuwachssteuer mit derBesteuerung der Landesfür st en, und da erklärten dieselben Herren, welche jetzt den Kassen- beamten ihre Rechte nehmen wollen, die Fürsten müßten steuerfrei bleiben aus staatsrechtlichen Gründen. Bei den Kassenbeamten haben sie staatsrechtliche Bedenken dagegen nicht. Bei der Einführung des preußischen Einkommensteuer- gesetzes wurden an die Reichsunmittelbaren sehr erhebliche Ent- schädigungen gezahlt, weil ihre wohlerworbenen Rechte geschädigt wurden. Bei den Kasienbeamten, die ja nur gewöhnliche einfache Menschen sind, setzt man sich darüber hinweg. Dieses Vorgehen der Regierung ist so ungeheuerlich, daß selbst ein Mann wie der AmtsgerichtSrat Hahn die Frage aufgeworfen hat, wie es möglich sei, daß eine solche GesctzeSvorlnge gemacht wird, und er macht für die Herren Geheimräte das Privilegium der Dummheit geltend und meint, sie übersehen die Tragiveite ihrer Handlungen nicht. Ich meine aber, die Herren wußten sehr wohl, was sie taten, ich glaube gar nicht, daß es ihnen mit dieser Bestimmung ernst ist, ich sehe darin nur ein abgekartetes Spiel, die Regierung soll einen solchen Vorschlag machen und dann werden die bürger- lichen Parteien sich als die Verteidiger der bürgerlichen Rechte hin- stellen und eine kleine Entschädigung zubilligen.(Widerspruch im Zentrum,) Jawohl, Herr Kollege Becker, in dem langen Sommer, in dem ich mit Ihnen zusammengearbeitet habe, habe ich gelernt, auch an solche Dinge zu glauben. Wenn meine Voraussetzung richtig ist— und darin bestärken mich die ungenügenden Entschädigungsanträge, die in der Kommission gestellt sind— so muß ich doch betonen, mit Entschädigungen sind nur Einzelpersonen abzufinden, hier aber dreht es sich nicht nur um An- sprüche und Rechte der in Betracht kommenden Personen, sondern um die Leistungsfähigkeit der Kran kenfür sorge, um das Selb st verwaltungsrecht der Arbeiter, darum, ob die Krankenfllrsorge weiter ausgebaut und ver- bessert oder heruntergedrückt werden soll.(Lebhaftes Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Und wenn eine Ent- schädigung für die Kassenbeamten ausgesprochen wird, wer soll sie bezahlen? Die Regierung wird sagen, das sollen die Kassen tun. Liegt denn aber irgend ein Grund zu solcher Maßnahme vor? Die Regierung, der Staatssekretär Herr T r i m b o r n und Herr Schickert hätten doch die Pflicht gehabt, den Nachweis zu er- bringen, daß eine Notwendigkeit vorliegt, die Kassen zu ent- rechten, sie zu bevormunden und ihnen ihre Beamten zu nehmen. In der Kommission ist Herr Becker als Wortführer seiner Partei aufgetreten und sagte, er hätte ivohl Material, er wolle es aber erst im Plenum vorbringen. Im Plenum sagt jetzt Herr Trimborn. das sind Einzelheiten, das werden sie erst später vorbringen. Bei so ungeheuerlichen Dingen ist man verpflichtet, das Material vorzubringen. Aber sie haben kein Material und drücken sich deshalb von einem Tage zum andern.(Lebhafte Zu- stimmung bei den Sozialdemokraten.) Sie müssen ja fürchten, tvenn Sie mit Ihren Schauergeschichten kommen, daß wir in jedem einzelnen Falle die Unwahrheit nachweisen, und deshalb wagen Sie nicht, mit der Sprache herauszugehen.(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Was hat denn die Regierung für Material vorgebracht? Nur die Verträge, die hier und in der Presse wiederholt schon besprochen sind. Zu meinem Bedauern hat Herr Trimborn auch heute die Hand dazu geboten, gewisse Lügennachrichten über diese Verträge zu unterstützen, denn er sprach von Verträgen, die in böslicher Absicht, um dem Gesetze ein Schnippchen zu schlagen, geschlossen sind. Die Verträge reichen bis zum Jahre 1999 zurück. Damals hat bereits Regierungsrat Dr. H o f f m a n n, der einfluß- reichste Mann in diesen Dingen— er ist viel einflußreicher, als die Herren auf dem Ministersessel— geschrieben, eine Verbesserung der Verwaltung der Krankenkassen würde nur dadurch zu erreichen sein, daß die Verwaltung der Gemeindeverwaltung oder der des weiteren KoininunalverbandeS angegliedert wird, wie es jetzt der Entwurf indirekt vorsieht. Weiter verlange er, daß im Streitfalle der Vorsitzende aus der Zahl Mißgeburten nicht schämt. Keine dieser Damen der Berliner Ge- sellschaft. eine einzelne Schauspielerin vielleicht ausgenommen, ist von der Hand des Malers aus Verlangen, aus innerem Drang, ans Leidenschaft, aus freiem Willen, geschaffen worden. Es ist alles be- stellte Kunst, Modeleistung. Nur ein Künstler mit Talent, der z. B. die erste beste Straßendirne in sein Atelier führt, weil in ihm die Be- gierde entstand, diese Dirne ihres GesichtsauSdruckes wegen zu malen und der dabei, in glücklicher Schöpferstunde, an leinen Verkauf denkt, vollbringt etwas— der Modemaler, der in Person gekaust wird.Znie nichts. In einem halben Jahrhundert— den Fall gesetzt, daß dann von der Massenindustric, die heute Gemälde, Romane, Dramen in unberechenbarer Anzahl auf den Markt wirft, etwas übrig bleibt!— wird es keinen Sterblichen interessieren, ob die Dame mit dem Schülerschen Kostüm eine Frau Geheimrat oder eine Frau Ritter- gutsbesitzer der«Berliner Gesellschaft" war. Dann lvird man das Gemälde als Gemälde und den Maler nach seiner Hingabe und Be- geisterung für das Werk beurteilen. Wir fragen auch jetzt nicht nach den belanglosen Namen der gutsituierten Bürger und Philister, die sich von einem Rembrandt , einem Dürer, einem Holbein malen ließen; wir bewundern daS Talent der vergangenen Jahrhunderte, nur das Talent, und ärgern uns höchstens über die vornehme Gelassenheit, mit der so eine„Frau von Ansehen" oder so ein„Mann von Ansehen" für den Maler jener Zeit posierten. Die Ausstellung in der Potsdamer Straße lehrt mit zynischer Offenherzigkeit, nach welcher Mchtung hin die Künstler gedrängt werden. So lange kein Name vorhanden, wird am Hungertuch gesogen. Hat man einen Namen, dann malt man Damen der Berliner Gesellschaft und saugt am Geldeutel der Protzen. An eine Ausstellung von„Arbeitern der Berliner Fabrikwelt" würde kein Mensch mit gesundem Hirn denken. Geht hin, beschaut Euch die PorträtauSstellung in der Potsdamer Straße , die Frau Kommerzienrat, die Frau Bankdirektor, die Frau Generalissimus, die Frau Wirkliche Geheimrat, Exzellenz Soundso--- � Es hat seit langer Zeit keine solche lehrreiche, erhebende, von unfreier Kunst Zeugnis ablegende Ausstellung gegeben, meint HeinzSperber. Theater. Trianon-Theater(Gastspiel des Neuen Schauspielhaus- Ensenible): Das Prinzchen. Schwank von Robert Misch. Wieder eine jener mit wenig Witz und viel Behagen versuchten Nachahmungen der schon in den Originalthpen bei allem aus- geschminkten Uebermut meist so frostig gekünstelten Pariser Schwank - inanier. Plumpe Frivolität, der nicht nur jede Kraft, auch jede Absicht zur Satire fehlt, soll für das Manko lustspielmäßiger Er- der Kommunalbeamten genommen wird, wie es ebenfalls der Entwurf vorsieht und ebenso wollte er, daß die Kasienbeamten von der Gemeinde zur Verfiiguna gestellt würden. Damals suchten die Kasienbeamten sich gegen solche Vergewaltigung zu schützen und traten in Berlin zusammen und verlangten den Abschluß eines Tarifvertrages, in dem sich der ominöse Z 1 schon wörtlich findet. Ist das etwa böswillig geschehen gegen die spätere Gesetzgebung, und nicht vielmehr ganz loyal, um ihre Stellung zu sichern. Aus der Vorlage sehen Sie ja, wie berechtigt die Furcht der Kassenbeamten war. Und es handelt sich bei diesen Beamten nicht um Leute, die heute und gestern oder vor wenigen Jahren ihre Stellungen angetreten haben und sich ebenso leicht andere Stellungen suchen können. Die Krankenversicherung besteht jetzt 26 Jahre und wir haben Beamte, die seit 29 und mehr Jahren in ihren Stellungen sind, sich vorzüglich eingearbeitet haben, aber bei ihrem vorgerückten Alter und ihrer seitherigen einseitigen Beschäftigung für andere Stellungen unfähig geworden sind. Daß solche Leute sich in ihrer Stellung schützen wollen, ist doch selbstverständlich, und auch Herr Trimborn würde in einem solchen Falle als Familienvater diese Verpflichtung empfinden.(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Es handelt sich also nicht um eine Täuschung des Gesetzes, sondern um einen Akt der Notwehr, und bei der Notwehr muß man e§ den Leuten auch zu gute halten, wenn sie etwas über das Ziel hinausschießen. Ich trage nicht Bedenken zu sagen, daß das geschehen ist, eS sind Bestimmungen ungeschickt abgefaßt, weil die Leute sich vor Vergewaltigung schützen wollten. Mit großer Eile ist nicht vorgegangen worden, im Jahre 1999 sind die Berliner Angestellten mit ihrer Forderung aufgetreten, und erst im Jahre 1996 wurde der Vertrag angenommen, und in der ganzen Zeit ist öffentlich darüber diskutiert worden, und bei den Vertragsverhandlungen 1996 war Dr. Hoffmann und noch ein Rcgierungsvertreter zugegen. Aber diese fanden nichts dagegen zu erinnern und ebensowenig die Aufsichtsbehörden, die sich in den näÄsten Jahre» damit zu beschäftigen hatte». Erst 1919 wurde der Spandauer Fall vom Oberverwaltungsgericht entschieden, und die von ihm beanstandeten Bestimmungen sind dann sofort be« seitigt worden. Schon 1997 ist der Vertrag auch im Reichsarbeits- blatt veröffentlicht worden, und weder der Staatssekretär noch irgend einer der anderen Herren haben sich damals darüber entrüstet. Es ist auch unrichtig, daß nur sozial- demokratische Kassen solche Bestimmungen getroffen haben. Herr v. Westarp liest freilich aus der Bestimmung, daß politische Gründe kein Grund zur Entlassung sein dürfen, heraus, daß die Kassen sogar Königsmörder anstellen wollen.(Lachen bei den Sozial« dsmokraten.) Solche Einwände sind natürlich nicht ernst zu nehmen. Von Kassen, deren Vorstandsmitglieder überwiegend dem Zentrum angehören, sind diese Verträge ebenfalls geschlossen worden.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Und in einem nicht von einer Krankenlasse, sondern von der Aufsichtsbehörde geschlossenen Vertrage heißt eS, daß nur Bei wiederholter grober Verletzung der Dienstpflicht eine Kündigung zu- lässig i st. Warum stellt man denn dann eine solche Aufsichts- behörde nicht unter Kuratel?(Graf Westarp F.]: Deshalb machen wir eben das Gesetz!) Nein, Sie machen das Gesetz als ein Ausnahmegesetz gegen die sozialdemokratischen Beamte» der Ortskrankciikaffcn. (Lebhaftes Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Ich verweise auf eine Zuschrift in der„Kölnischen Volkszeitung", eititt» Zentrumsblatt, worin Verwahrung dagegen eingelegt wird, daß bei der Ab» fassung der Verträge das sozialdemokratische Parteiinteresse maß- gebend war. Es existieren eine große Zahl von Kassenbeamten, die nicht auf sozialdemokratischem Boden stehen und sich dagegen ver- wahren, daß diese Verträge als sozialdemokratische Mache hingestellt werden. So urteilen politische Gegner, die von der Sache etwas verstehen, sie bestätigen, daß hier em Akt der Notwehr ohne Verbindung mit irgend welcher Partcibestrevuny vorlag. Alle anfechtbaren Bestimmungen in dem Vertrage sind übrigens nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch ungültig, existieren also rechtlich gar nicht. Deshalb sagt Prof. Stier-Somlo mit Recht: Was will denn die Regierung, die Bestimmungen sind ja ungültig und brauchen deshalb nicht erst durch Gesetz aufgehoben zu werden. In den Ausnahmebestimmungen gegen die Kassenbeamten ist auch vorgesehen, daß unangemessen hohe Besoldungssätze gekürzt werden können. Ist denn aber nur eiir einziger Fall einer un- geheuer hohen Besoldung nachgewiesen? Die Beamten behaupten im Gegenteil, sie werden ungenügend bezahlt.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Gehen Sie doch aber einmal an die Berufsgenossenschaften, da sind wiederholt Gehälter von so und soviel Tausenden von Mark nachgewiesen. Weiter meinte Herr Trimborn. er hätte nichts dagegen findung und Durchführung entschädigen. Lang und breit bekommt man die galanten Lumpereien eines Prinzen, den des Autors merk- würdiger Geschmack' für einen ganz famosen Kerl zu halten scheint, aufgetischt. Ein Theaterdämchen nimmt sich, der Ehre und des Geldes halber, seiner Erziehung in dem Fache an und beschäftigt sich außerdem zu ihrem eigenen Vergnügen mit der Verführung eines pedantisch unbeholfenen Philologiestudenten, den sie ols Literaturlehrer engagiert. Sie will den guten Jüngling, nachdem er unter ihrer Leitung sich zu annähernd prinzlichen Bummelleistungen entwickelt hat. heiraten und standesgemäß versorgen. Diesem Zweck dient die Erfindung eines Prinzchens, das sie angeblich erwartet. Der alte Herzog, dem sie die Komödie einer verlassenen Geliebten und künftigen Mutter vorspielt, ist gern zu jeder Abfindung bereit, und macht den Philologen, der gar nicht merkt, welch' klägliche Figur er bei dem Handel spielt, zum Hof- bibliothekar. Eine flotte Aufführung— Ida Wüst ließ in der Hauptrolle höchst ergötzlich alle drolligen Durchtriebenheiten ihres urwüchsig frischen Temperaments spielen— verhalf dem Stück trotz seiner Oede zum Applaus, tU. Notizen. — Theaterchronik. Als einmalige Veranstaltung geht am Sonnabend, nachmittags 3 Uhr, im Modernen Theater Ossip D y m o w s neues Drama„Irrwege" in Szene. Es wird vom„Verein für Kunst" aufgeführt. — In der Turiner A»'s st e l l u n g wurde die deutsche Abteilung für Industrie und zwar als erste am 1. Mai eröffnet. — Die Sonnenfinsternis, die nur auf der siidlichstci Halbkugel sichtbar werden konnte, wurde nach Meldungen anS Melbourne an verschiedenen Punkten Australiens beobachtet. Der Regierungsastronom Baracchi telegraphierte von Vavau, die Ergebnisse der anstralische» Expedition seien besser, als ma>, er- wartet hätte. Es sei gelungen, dreißig Bilder der Korona auf- zunehmen. — Radium und D i p h t h e r i e g i f t. Im Laboratorium Prof. Metschnikoffs in Paris sind interessante Beobachtungen über die Wirksamkeit von Radium aus die von den Diphtheriebazillen ge- bildeten Gifte angestellt worden. Wurden diese Toxine mit einer radiumhaltigen Flüssigkeit vermischt oder von Radiumplatten her bestrahlt und dann Tieren eingespritzt, so war ihre Gistwirkung stark herabgesetzt. Ebenso wurden gewisse Stoffwechselprodnkte von Tuberkelbazillen zwar uickit völlig entgiftet, aber doch in ihrer Wirksamkeit geschädigt. Wenn es sich hierbei auch nur um Laboratoriumsversuche in geringem Maßstabe handelt, so eröffuea sich dpch aus ihnen wertvolle Gesichtspunkte für die Praxis.
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