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fommWon beschlossen, ffitt baben selbst einen solchen Antrag gestellt, nachdem uns mitgeteilt ivorden war, daß die Herren von der Rechte» eine große Staatsaktion planten, um ihnen zuvor- zukommen, und wir haben es nicht bereut, denn wir haben dadurch einen sehr wertvollen Kommissionsbericht erhalten, der zugleich ein bedeutsames Dokument für den Grad ist, den die politische Verblendung und Parteilridenschaft in diesem Hause erreicht haben.(Sehr richtig I bei den Sozial- demokraten.) Mein Freund Liebknecht   persönlich wollte auf die Immunität verzichten, aber die Mehrheit meiner Freunde konnte ein solches Recht einem einzelnen Abgeordneten nicht zuerkennen und deshalb haben wir den Antrag auf Einstellung des Verfahrens gestellt. Es handelt sich nicht etwa um irgendein gemeines Ver- brechen, das verfolgt werden soll, sondern ein Berliner  Rechtsanwalt hat Ende Oktober ISly beim Justizminister be- antragt, gegen Liebknecht wegen einer Rede auf dem sozialdemo- kratischen Parteitag in Magdeburg   einzuschreiten, also wegen eines politischen Vergehens. Der Antrag ist weiter gegeben an den Oberstaats- vnwalt des Kammergerichts, dieser ist mit dem Oberreichsanwalt und dem Oberstaatsanwalt in Naumburg   in Verbindung getreten, beide aber haben ebenso wie der Erste Staatsanwalt in Magdeburg  einen Anlaß zum Einschreiten nicht gefunden.(Hört! hörtl bei den Sozialdemokraten.) Dann wurde die Eröffnung der Voruntersuchung beim Ehrengericht der Anwaltskammer beantragt. Auch dieser An- trag wurde abgelehnt. Auf Beschwerde des Oberstaatsanwalts hat dann das Kammergericht die Eröffnung des Hauptverfahrens. vor dem Ehrengericht der Anwaltskammer in Berlin   ohne Vorunter- suchung verfügt, weil Liebknecht in Magdeburg   über den Kaiser von Rußland   und die preußische und hessische Regierung schwer beschimpfende und aufreizende Aeußerungen getan habe und sich durch dies Verhalten außerhalb seines Berufes der Achtung, die der Beruf eines Rechtsanwalts erfordere, unwürdig gezeigt hpbe.(Hört, hört l bei den Sozialdemo- kraten.) Also das Ehrengericht hat den Antrag auf Eröffnung der Voruntersuchung abgelehnt. Das muß man sich vergegenwärtigen, wenn man den unerhörten, einem unglaublichen Fanatismus ent- sprungenen Beschluß der Geschäflsordnungskommission richtig würdigen will.(Sehr ivahr l bei den Sozialdemokraten.) Uebrigens will ich noch den Namen des Denunzianten mitteilen, von dem der Antrag ausgegangen ist, eS ist der Rechtsanwalt Dr. Schwabe auS der Charlottenstraße in Berlin  . Der Herr wird der Regierung für eine zukünftige Ordensverleihung bestens empfohlen.(Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.) Der Kommissionsbericht bezieht sich nun auf einen Beschluß aus dem Jahre 1853, worin die vom Haufe ftüher befolgten Prinzipien niedergelegt sind. Danach sei es nicht die Aufgabe der Kammer, zu prüfen, ob die erhobene Anklage begründet sei oder nicht. Ferner be- gründe der Arttkel 84 kein absolutes Privileg der Abgeordneten, während der Dauer der Session einer Untersuchung entzogen zu werden, die Sistierung eines Strafverfahrens dürfe vielmehr nur dann ein­treten. wenn ganz überwiegende Gründe dafür vorliegen. Während nun das Haus in früheren Zeiten stets das Vorliegen solcher über- wiegender Gründe anerkannt hat, hat die Kommission im vorliegenden Falle dies verneint. Bisher wurden überhaupt die Gründe nicht geprüft, sondern ein solcher Antrag wurde einfach angenommen. Mir dieser Praxis will man jetzt brechen. Wenn aber erst die Gründe jedesmal geprüft werden sollen, dann ist es mit der Gleichberechtigung der Abgeordneten zu Ende, dann gibt es keine Gerechtigkeit mehr. Ich bitte Sie nicht um Annahme unseres Antrages. Das halten wir nicht mit unserer Ehre für vereinbar, es liegt auch nicht im Sinne des Abg. Liebknechts. Für uns handelt eS sich hier um die Wahrung deS Ansehens des Parlaments.(Bravo  ! bei den Sozialdemokraten.) Abg. Ronen(Z.): Wir treten dem Koinmissionsbeschluß nicht bei. Wir wollen, daß an der bisherigen Praxi» festgehalten wird, die dieses Haus und auch der Reichstag   seit Jahren geübt hat. Auch ist der Antrag auf Einstellung des Verfahrens sachlich be- gründet. Das Versahren kann während der Session stattfinden und dann ist der Abg. Lieblnecht an der Ausübung seines Mandat? ver- hindert. Wir bitten daher um Ablehnung des Kam- missionsantrageS.(Bravo   links.) Abg. MathiS(natl.): Die bisherige Praxis des HmiseS steht zweifellos nicht im Einklang mit dem Sinn der Berzassung.(Hört! hörtl rechts.) Danach sollte von dem Recht der Einstellung des Versahrens nur Gebrauch gemacht werden, um tendenziöse Verfolgungen von Abgeordneten zu verhindern. Wir wollen aber trotzdem von dem seit dreißig Jahren geübten Brauch des Hauses nicht abweichen und werde»' daher gegen den Rom   missionsantrag stimmen. Abg. Tracger(Vp., auf der Tribüne unverständlich) spricht für den Antrag aus Einstellung de» Verfahrens. Abg. v. Brandenstein(k.)ff Meine Freunde werden für den AommiffionSantrag stimmen. Der Antrag ist von mir ausgegangen, weil ich durch eingehende? Studium der Geschäftsordnung zu der lleberzeugung gekommen bin, daß so manches, waS in diesem Hause iiblicki ist, keine innere Berechtigung hat.(Abg. Hoffmann fSoz.ft Sehr wahr I Heiterkeit.) Deshalb habe ich auch beantragt. eine allgemeine Revision der Geschäftsordnung vorzunehmen. Erst in den letzten Jahrzehnten hat sich der Brauch herausgebildet, daß daS HnuS ohne jede Prüfung der Sachlage einfach jeden solchen Antrag aus Einstellung eines Verfahrens angenommen hat. Man hat ganz im Gegensatz zu dem Geist der Verfassung es so hin« gestellt, als handele es sich um ein Privilegium für die Abgeordneten. Uebcrhaupt herrscht ja die Tendenz vor, dio Freiheiten und Rechte der Abgeordnetin immer mehr zu erweitern. Hat man doch sogar beantragt, daß der Abg. Liebknecht bei Beginn der Session sofort aus seiner Festungshaft entlaffen werden solle. Man sagt einfach, jeder Abgeordnete habe die Pflicht, im Hanse anwesend zu sei». Das war natürlich nicht haltbar, die Er- fahrung beweist ja. daß ständig ein großer Teil des Hauses diese Pflicht, im Hause anwesend zu sein, nicht erfüllt.(Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten. Heiterkeit.) Dann hat man von dem Rechte der Volksvertreter gesprochen und hat gesagt, der Wille des Volkes sei das oberste Gesetz.(Sehr wahr! bei den Sozialdemo- kraten.) WodaS steht. weißichjan ich t.(Heiterkeit rechts.) Unter Volk verstehen die Herren aber nur sozialdemokratische Volks- Versammlungen. Ein königs- und gottestreuer Mann ist für Sie überhaupt nichtVolk", sondern entweder blödsinnig oder ein ver- worfener Mensch.(Lachen bei den Sozialdemokraten.) In der Kommission wurde von einem Redner gesagt, er sei zwar mit meinen Ausführungen einverstanden, aber man müsse bedenken, daß hier ein Sozialdemokrat in Betracht komme. Demgegenüber er- innere ich an das Dichterwort:Der eine fragt: was kommt- nach, der andere: was ist recht, und dadurch unterscheidet sich der Freie von dem Knecht." Wir fühlen uns frei von jeder Knechtschaft der Sozialdemokratie(Gelächter links) und stimmen deshalb einmütig für den Beschluß der Kommission. (Lebhaftes Bravo! rechts. Zischen links.) Abg. Viereck(srk.) erklärt, daß auch seine Freunde an dem Kommissionsbeschluß fe st halten. Die Abgg. v. Saß-JaworSki(Pole) und Brust(Z.) sprechen für die Einstellung deS Verfahrens. Abg. Hirsch(Soz.): Herr v. Brandenstein, der so siegesbewußt, in den Kampf gezogen ist, Muß nun erlebeit. daß nur noch die Heiden konservativen Parteien für seinen Antrag stimmen.(Zuruf reäitS: Abwarten!)' Die Koitservätlben halten eS wieder einmal für nötig,-als Netter des Vaterlandes aufzutreten und Ord- nung zu schaffen.(Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.) Wir geben Herrn v. Brandenstein durchaus zu. daß hier im Hause manches üblich ist, was innerlich nicht berechtigt ist, und es erfüllt uns mit Genugtuung, daß es erst deS Eintreten« der Sbzialdemo- traten in bics Parlament bedurft hat. um die Herren daran zu erinnern, daß es Zeit ist, hier einmal Ordnung zu schaffen.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Wenn<ie Nalionalliberalen nur Heöhalb für unsere» Antrag stimmen, weil wir eine Minder» cheitspartei sind. dann sollten sie lieber ihrer lieber- Zeugung folgen und den KommijsionSanttag annehmen. Herr b. Brandenstein hat dann die Debatte auf daS politische Gebiet hin- 1 übergespielt und sagte, wir erklärten jeden, der königstreu und gottesfürchiig ist, für blödsinnig. So etwas ist uns natürlich niemals eingefallen. Wir haben vielmehr tiefes Milleid mit all denen, die Herrn v. Brandenstein und seinen Freunden nachlaufen (Sehr gul! bei den Sozialdemokraten), und werden alles tun, auch diese aufzuklären, wie falsch sie beraten sind. Herr v. Brandenstein meinte, es handele sich hier um eine Lappalie. Dabei dreht es sich um ein Verfahren, da? zum Zwecke hat, die ganze wirtschaftliche Existenz des Abg. Liebknecht zu ruinieren. Die Angehörigen freier Berufe sind ja nicht so gut gestellt, wie zur Disposition gestellte Beamte, für die sich im preußischen Staate noch immer fette Sinekuren finden.(Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten.) Gegenüber der Berufung deS Herrn von Brandenstein aus das Dichterwort von den Freien und Knechten bemerke ich ihm: Sie spielen sich hier als freie Männer auf. wo Sie die Macht haben durch das Dreiklassenwahlsystem. Für meine Freunde muß ich entschieden protestieren dagegen, daß ww unseren Antrag aus anderen als Gecechtigkeitsgründen gestellt hätten. Würden wir danach fragen: was kommt danach? dann wäre es uns das liebste, Sie lehnten unseren Antrag ab, denn unsere Partei wird nur dadurch gefördert. Aber für uns handelt es sich hier nicht um das Interesse der Partei, sondern um die Wahrung des Ansehens des Parlaments. Abg. Dr. Fricdberg(natl.): Die Ausführungen des Abgeordneten v. Brandenstein erwecken den Anschein, als ob ein Teil dieies Hauses nicht aus Gründen, die in der Sache selbst liegen, für den Antrug eingetreten sei. Für meine politischen Freunde weise ich diesen Bor» wurf zurück.(Beifall bei den Nationalliberalen.) Nachdem noch der Abg. Dr. Bell(Z.) gegen den KommisstonS- antrag gesprochen hat, schließt die Debatte. Auf Antrag des Abg. v. P a p p e n h e i m(k.) wird über den Antrag der Kommisston namentlich abgestimmt. Der Antrag der Kommission wird mit 123 Stimmengegen 116 Stimmen abgelehnt. Es folgt die erste Beratung eines Gesetzes, das die blinden und taubstuminen Kinder zum Besuch der für sie ein- gerichteten Unterrichtsanstalten verpflichtet. Nach kurzer Debatte, in der u. a. Abg. Liebknecht den Standpunkt der sozialdemokratischen Fraktion entwickelte, wird die Vorläge an die Unterrichtskommisston verwiesen. Hierauf vertagt sich das HmiS. Nächste Sitzung Freitag 12 Uhr.(Erste Lesung der Sekundärbahn Vorlage. Schluß 4'/« Uhr.  _ Hirn der Partei. Genosse Stadthagen  hat die Operation gut überstanden. Sein Zustand ist den Um- ständen entsprechend befriedigend. Der Patient ist vollständig fieberfrei. Es besteht Aussicht auf vollständige Wiederherstellung. Blumentage. Die meisten deutschen Städte stehen jetzt im Zeichen der Blumentage. Margaretentage, Kornblumentage usw. sollen ver- anstaltet werden, um kranken und notleidenden Kindern oder In- validen zu helfen. Das Bürgertum will mit solchen Veranstaltungen sein soziales Gemissen beschwichtigen und durch eine Art breit an- gelegten Wohltätigkeitssports sich über die sozialen Krebsschäden unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung hinwegtäuschen. Daß die Summen, die durch den Maffenverkauf von Blumen ourch vom Wohltätigkeitskoller befallene junge Damen erzielt werden, nur einen Tropfen auf den heißen Stein bedeuten, daß das Elend unzähliger Kinder, Mütter und Invaliden in Ursachen wurzelt, die auch die bestgemeinte Wohltätigkeit nicht beseitigen kann, sollte jedem Kenner der sozialen Verhältnisse klar sein. Um so befremd- licher ist es, daß einige Parteiblätter ihren, bei verschiedenen sehr gering bemessenen Raum den Blumentag-Komitees zur Verfügung stellen und ohne jede Kritik, höchstens mit ein paar lendenlahmen Bemerkungen, deren Reklamenotizen abdrucken. Wir»einen, die sozialdemokratische Presse hätte alle Ursache, diese neue Art von ge- blümter-unverblümter Wohltätigkeitsplage recht gründlich unter die Lupe zu nehmen. Wir haben uns nicht auf den Standpunkt des Spießers zu stellen, der da meint, er l?abe eine soziale Großtat be- gangen, wenn er für zwanzig oder fünfzig Pfennige Margareten  oder Kornblumen kauft. Die sozialdeniokratische Presse, die die Ruferin zum Streit gegen alle soziale Notlage und Ausbeutung sein soll, hat andere Dinge zu tun, als bürgerliche Wohltätigkeits- fexereien zu fördern und zu begünstigen. Die Bremer   Arbeiterschaft beabsichtigt, dem für dort geplanten Margareten  -Tage als Protest einen proletarischen Blumentag ent- gcgenzustellen. Arbeiterfrauen und junge Mädchen sollen am 10. Mai rote Nelken zum Besten des Wahlfonds verkaufen. Darob natürlich großes Entsetzen in der gutgesinnten Presse. Uns erscheint aber diese Lösung der Blumentag-Frage konsequenter und würdiger, als die beabsichtigte oder unbeabsia)tigte Unterstützung des bürgerlichen Blumentag-Rummels durch sozialdemokratische Zettungen._ Tschechisch-separatistische Sonderkaudidaturc» in Böhmen  . In Dux und Brüx   fanden am Sonntag Konferenzen der tschechischen Genossen statt, die sich im Prinzip dafür erklärten, für die Kandidaten der deutschen Sozialdemokratie in Böhmen   mit allen Kräften zu arbeiten. Nur im Duxer und Brttxer Bezirke, wo die tschechischen sozialdemoktatischen Organisationen stärker sind al« die deutschen, müßten Ausnahmen gemacht werden. Da über- dies in diesen beiden Bezirken Funktionäre der zeNtralistischen Union der Bergarbeiter aufgestellt wurde», beschlossen beide Kon- fercnzen die Aufstellung eigener Kandidaten der tschechischen So- zialdemokratie. In Dux-Land wird gegen Genossen Jarolim, den Obmann der Union der Bergarbeiter, der Obmann des tfchecho- slawischen Bergarbeiterverbanoes, Josef Horacek aus Brüx  , in Brür-Land gegen Genossen Äofron oer Redakteur deS scpara- tistischon Bergarbeiterorgans, Josef Budil, kandidieren. Außer dem in W i c u von den tschechischen Zentralisten heraus- gegebenen TageblattDelnicky Dennick" sind auch in Jung» bunzlau, in Pilsen   sowie in M ä ht i sch- O st r a u zcntra- listischc Wochenblätter gegründet worden. Aus der italienische» Partei. Ein reformistisches Vertrauensvotum. Die Wähler des Wahlkreises Ostiglia haben auf dem Kongreß ihres Kreises ihrem Abgeordneten Bonomi ihr völliges Vertrauen ausgesprochen. Bonomi sollte bekanntlich als Unter- staatSsekretär in das Kabinett Givlitti eintreten. Dem Kongreß wohnten nicht weniger als 9 reformistische Abgeordnete, darunter B i s s o l a t i, T u r a t i und C a b r i n i, bei. Barteiliteratur. Der preußische» Schutzmannsfchneidigkeit wird in einem launigen Bildcrwerk ein satirisches Denkmal gesetzt, das soeben im Verlage der Buchhandlung Vorwärts unter dem vielsagenden Titel:Der Geist der Unzufriedenheit" erscheint. In Bildern, Versen undLochern" zeigt hier G. B C a»dt, welche unglaubliche Verrenkungen vom preußischen Polizeier fertig gebracht werde»,»in den Geist des Umsturzes zu zerschmettern. Das schmuck ausgestattete Werk, das sich ganz be- sonders zur Anschaffung für Bibliotheken, Lesehallen, Wartezimmer der Organisation usw. eignet, ist dütch alle BuchhandlMgcn zum Preise von 2,80 M. zu beziehen. Soziales. OrtSkrankcnkasscu können ungestraft verleumdet werben. Der soeben erschienene Jahresbericht der Kieler Ortskranken kssse tochsci ufefi einen FM, der ottiift wie fchlltzlüS die äsüi i-Smiiüiüe. kranlenkassen gegen die vön Reichsöerbändlern und der ihnen Nahe- stehenden Kreise ausgesprengten Verleumdungen sind. In der Reichsversicherungsordnungskommission hatte der konservative Neichstagsabgeordnete Pauli-Potsdam Beschuldigungen allgemeiner Art gegen den Vorstand der Ortskrankenkasse in Kiel   erhoben, ohne aber nähere Tatsachen anzugeben. Herr Pauli, von dem Vorstande der Ortskrankenkasse in Kiel   aufgefordert, seinen Gewährsmann und Tatsachen zu nennen, nannte als Gewährsmann einen frühe- rcn Angestellten der Kasse, den Kaufmann E. Walther, Kiel  , lehnte aber die Angabe von Tatsachen ab. Der Vorstand der Orts- krankcnkasse stellte nun bei der Staatsanwaltschaft Strafantrag gegen Walther wegen Beleidigung. Der Erste Staatsanwalt Jeschke am Kieler   Landgericht lehnte aber die Erhebung der öffcnt- lichrn Anklage ab. Es fehle an einer ausreichenden Grundlage, daß Walther tatsächlich Aeußerungen getan habe, die eine straf- bare Beleidigung enthalten. Die weitere Begründung der Ab- lehnung ist nun gerade nicht besonders schmeichelhaft sür den Ab- geordneten Pauli. Es heißt darin nämlich: Daß die Information des Walther an den Abgeordneten Pauli so gelautet hat, wie sie von diesem zum Vortrag gebracht worden ist, ist nur eine Vermutung Ihrerseits. Walther selbst hat dies nicht zugestanden. Es ist daher die Möglichkeit, daß seine Aeußerungen sich durchaus im Nahmen einwandfreier oder mindestens durch die Schutzvorschrift des§ 193 Str.-G.-B. gedeckter Mitteilungen gehalten haben, nicht von der Hand zu weisen. Bei dieser Sachlage ist für die Staatsanwaltschaft auch für eine Vernehmung des Pauli als Zeugen kein genügender Anlaß gegeben, um so weniger, als ein unbedingt öffentliches Interesse an weiterer Klarstellung des Sachverhalts und an der Erhebung der össentllchen Klage in vorliegendem Falle verneint werden mutz." Der Vorstand der Kasse beschwerte sich gegen diesen Bescheid bei dem Oberstaatsanwalt. Und nun bescheinigt in seiner Antwort auf die Beschwerde der inzwischen zum Oberstaatsanwalt avan- cierte frühere Erste Staatsanwalt Jeschke dun früheren Ersten Staatsanwalt Jeschke, daß er vollständig korrekt gehandelt habe, als er die Erhebung der öffentlichen Anklage ablehnte. Wenn einer der reichsverbändlerischen Verleumder von einem sozialdemokratischen Redakteur einmal etwas unsanft auf die Hühneraugen getreten wird, dann hat es die Staatsanwaltschaft sehr eilig mit der Erhebung der öffentlichen Anklage, dann liegt immer ein öffentliches Interesse vor. Aber der Vorstand einer öffentlichen, auf gesetzlichen Bestimmungen beruhenden Einrich- tung leben wir doch in der Aera des schwakzblauen Fuselblocks, wo die Verleumdung der Ortskrankenkassen zum Waffenarsenal aller.Staatserhaltenden" gehört. Das Bild wäre nicht vollständig, wenn wir nicht auch der Tätigkeit der Kieler   Aufsichtsbehörde über das Krankenkafsenwesen in dieser Sache gedenken würden. Herr Stadtrat Frcyse, rühmlichst bekannt durch seine scharfmacherische Tätigkeit beim Kieler Gemeindearbeiterstreik, ersuchte von den zwölf Mitgliedern des Vorstandes der Kasse ein Arbeitgebervor- standsmitglied, ihm Auskunft zu geben über die Eindrücke, die es über Vorgänge im Vorstand gewonnen habe. Herr Frehse hatte sich ausgerechnet ein Arbeitgebervorstandsmitglied für seine In- formationen ausgewählt, und zwar ein solches, das erst vor drei Monaten in den Vorstand gewählt worden war und erst an einigen Sitzungen des Vorstandes teilgenommen hatte. Haben wir nach obigem zuviel gesagt, daß die Ortskrankenkassen gegen Perleum- düngen schutzlos sjnd l. Hus Industrie und Kandel  . Bergmann. Die Allgemeine Elektrizitätsgeseklschaft sowie Siemens u. Halske  resp. Schuckert würben heute schon, nachdem sie auch die Lahmeyer- A.-G. geschluckt haben, das Monopol sür die gesamte deutsche Großelektrizitätsindustrie besitzen, wenn nicht die 1893 mit nur einer Million Aktienkapital gegründeten Dergmannwerke zu einem be» achtenswerten Konkurrenten sich ausgewachsen hätten. Welche Entwickelung dieses Elektrounteniehmen genommen hat, zeige» die Ziffern seines Kapitalwachstums. Die Bergmanngesell- schaft besitzt jetzt 29 Millionen Mark Aktienkapital und 10 Millionen Mark Obligationen. Geplant ist die Aufnahme weiterer 10 Millionen Mark Obligationen. Bis jetzt sind alle Versuche der A. E.-G., mit den Berginannwerkcn zu einer Einigung zu kommen, gescheitert. Die Deutsche Bank, die neben der DiSconto-Gesell« schaft und dem Schaaff hau senschen Bankverein finanziell beteiligt ist, wird allerdings in dem Moment, wo der Kampf auf die stillen Reserven der A. E.-G. und auch der S. u. H.» Gesellschaft unangenehm zn wirken beginnt, schon einzuschreiten wissen. Der letzte Geschäftsabschluß von Bergmann ergibt einen Rückgang der Dividende von 18 auf 12 Proz. Sicher noch ein sehr anständiger Bissen, aber doch nur errungen durch einen fieberhaft betriebenen Absatz, der nicht allzusehr auf die für die Elektroindustrie üblich gewordenen hohen Preise hielt. ES lag da natürlich daS eherne Muß vor, denn die A. E.-G. hat eS an einem äußerst scharfen Preiskampfe nicht fehlen lassen. Vor Jahresfrist ließ sie offiziös er« klären, es. dürfe kein Zweifel darüber herrschen,.daß für sie zu allen Zeiten die Versorgung ihres Angestelltenheeres(zu deutsch  : ihreS ProfitintereffcS. D. Red.) mit Arbeit, event. mit Kleinarbeit, obenan stehe, und daß diese Beschäftigung gesucht werden müsse in scharfer Konkurrenz gegen andere, auch kleinere und neuere Produzenten, und zwar solange, bi« die lang» ersehnte Vollbahn«Elektrisierungsära eine be» queme Ausfüllung der Kapazität ermögliche". So hieß es vor einem Jahre. Man hat Wort gehalten. Damit ist die Gefahr eines VerschluckenS deS letzten Elektro- außcnseiterS näher gerückt. Ueber kurz oder lang wird es sich, wenn nicht die interessierten Großbanken anders wollen, nur noch um die FriedenSkauteleu, wen» nicht gar um den UeberuahmepreiS Handel». Für die Arbeiter ist der Konkurrenzkanipf nachteilig. Die Lohnreduktionen in der Glühlampenabteilung der Berg- mannwerke zeigen, wo man zu sparen versucht, wenn die Geschäfte angeblich ungünstig gehen. Und wenn eine vertragliche Einigung der jetzt Noch scharfen Konkurrenten oder gar eine durchaus nicht unmögliche, heute allerdings noch nicht allzu wahrscheinliche Fusionierung durchgeführt wird, dann werden die Arbeiter gegen- über dem noch stärkeren Elektrokapital sicher auch keinen leichten Stand haben. Sie sind klug, wenn sie sich danach einrichten. Der Konsum von Rindfleisch. Daß auch im laufenden Jahre die Aussichten der Ber- sorgung Deutschlands   mit Fleisch noch wenig günstig sind, das ist aus der Entlvickelung deS Viehäuftriebes zu schließen, dessen Zu- nähme in keinein Verhältnis zu dem Bevölkerungswachstum steht. Die Versorgung mit Rindfleisch dürfle sehr scharf hinter der vor- jährigen zurückbleiben, denn im ersten Ouartal dieses Jahres betrug der Rindviehqnftxieb an 40 der wichtigsten deutschen Vlehmärlte nur 72,70 Millionen Kilogramm gegen 82,72 Millionen Kilogramm im ersten Viertel des Vorjahres und 81,11 Millionen im selben Zeit- räum 1909. Die Maul- und Klauenseuche hat im laufendcu Jahre vornehmlich in den östlichen Provinzen so gehaust. daß der Rind vi eh bestand in den betroffenen Gegenden sehr geschädigt worden ist. Gerade die Versorgung mit Rindfleisch aber hat schon im vergangenen Jahre scharf abgenommen und auf de» Kopf der Bevölkerung kamen im Jahre 1910 durchschnittlich nur 15,56 Kilo- gram», Rindfleisch gegen 16,31 Kilogramm im Jahre 190!). Für die Agrarier aber besteht kein.. Notstand, denn sie erzielen ja