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Nr. 190.

Erscheint täglich außer Montags. Brets pränumerando: Biertel­fährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 mt, wöchentlich 28 Bfg. fret in's Haus. Einzelne Nummer 6 Pfg. Sonntags= Nummer mit illuftr. Sonntags Beilage ,, Neue Welt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 3,30 Mt.pro Quartal. Unter Kreuz­ band : Deutschland u. Defterreich: Ungarn 2 Mt., für das übrige Ausland 3 Mt.pr.Monat. Eingetr. in der Post- Zeitungs- Preisliste für 1893 unter Nr. 6708.

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Jihiluads 10. Jahrg.

Vorwürts

Infertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pfg., für Vereins- und Bersammlungs- Anzeigen 20 Pfg Inferate für die nächste Mummer müssen bis 4 Uhr Nachmittags in Der Expedition abgegeben werden. Die Ervedition ist an Wochen­tagen bis 7 Uor Abends, an Sonn­und Festtagen bis 9 Uhr Bors mittags geöffnet.

Fernspredjer: Amt I. 4186. Telegramm- Adresse: Sozialdemokrat Berlin !

Berliner Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

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Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Das Frankfurter Steuerbouquet.

Dienstag, den 15. August 1893.

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Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

uns nicht einzulassen, da mit Ausnahme der Quittungs- weil blos ein Theil der Weine beſteuert werden soll, so bandlungen möglich ist. Auf Einzelheiten brauchen wir theuer.

So bleiben nur als ins Gewicht fallende Steuern die Quittungssteuer und die Tabatfabrikats- Steuer, deren Be­deutung für die ärmeren Konsumenten im Vorwärts" schon mehrfach gewürdigt wurde.

Wir können daher zusammenfassend behaupten, daß die Miquel'sche Steuerpolitik nur bei den Besitzern der großen Vermögen, niemals aber in den breiten Volksschichten auf Sympathieen rechnen kann. Für uns ist das Frankfurter Steuerbouquet so übelduftend wie nur möglich, wir haben gar keinen Anlaß, es uns überreichen zu lassen, wir können schon jetzt sagen, daß die Sozialdemokratie den neuen Steuerplänen rückhalt lose und entschiedenste Opposition machen wird.

handlung en möglich ist. Auf Einzelheiten brauchen wir theuer. Eine Kontrolle der Steuer würde sehr schwer sein, Der verhängnißvolle Kongreß der deutschen Steuer- steuer alle auf der Frankfurter Konferenz in Aussicht ge- daß unter falschen Etiquetten und dergleichen Weine steuer­fünstler hat stattgefunden und der Präsident dieser uns nommenen Steuern eingehend in früheren Artikeln des frei bleiben können, die eigentlich besteuert werden sollten. so theueren Gesellschaft packt schon seine Koffer, um den Vorwärts" besprochen wurden. Nur in betreff der Daß man mit den Luxussteuern den ärmeren Voltsklassen Auszug aus der Amtswohnung des Staatssekretariats der Quittungssteuer sei noch einiges mitgetheilt. Sand in die Augen streuen, sie darüber täuschen will, daß Finanzen zu bewerkstelligen. Aber blos ein Personen- Diese Gebühren sind ein Lieblingsobjekt des Fiskalis - sie die die eigentlichen Träger der Steuerlasten sind, ist ein wechsel findet statt, am System wird nichts geändert, ja mus. In jeder Form und in den letzten Winkel hat man weiterer Grund gegen diese Form der Besteuerung. trotz des Abganges dieses parlamentarischen, aus der Reichs die Rechnungen und Quittungen verfolgt, aber einen Was die Börsensteuer anlangt, so darf man sich auch partei hervorgegangenen Staatssekretärs wird das bis- 3wang, Geschäfte und Käufe aller Art schriftlich ab- nicht der Erwartung hingeben, daß sie den Reichskassen marckische Finanzsystem, daß die wirthschaftlich Starken be- zuschließen hat man nicht gescheut, und Privatnotizen, wo große Erträgnisse zuführen würden, hiergegen spricht das reichert und auf die wirthschaftlich Schwächsten die Lasten sie als Rechnungen und Quittungen zu dienen scheinen, Versprechen, das Miquel der Frankfurter Börsendeputation wälzt, unter seinem Nachfolger blos verschärft werden. zum Stempel herbeigezogen. So weit Rechnungen und gegeben hat und der Umstand, daß die Börse ein inter­Dies kann man trotz des ungeschriebenen Blattes, das Quittungen in Geschäftsbriefen sich verstehen, hat man auch nationaler Markt ist, so daß die heimischen Steuergesetze der frühere Posener Landesdirektor angeblich darstellen soll, die letzteren stempelpflichtig erklärt. Die Rechnungen und spielend leicht umgangen werden können. schlangweg behaupten, denn die neugebackene Exzellenz Quittungen, die Fahr- und Frachtkarten und Transport­ist einerseits agrarisch bis in die Knochen hinein, urkunden sind die Massenurkunden des täglichen Verkehrs, andererseits so unvorbereitet für die ungeheuer deren Besteuerung auch blos mit wenigen Pfennigen sehr hohe schwierige Aufgabe, in den gegenwärtigen Beit- Erträge abwerfen muß. Aber dies empfiehlt diese Steuern läuften die Reichsfinanzen zu leiten, daß er nichts lediglich vom Standpunkte des Fistus, sonst sind sie des als ein Werkzeug des Kommunisten a.' D., nationalliberalen entschiedensten zu verwerfen, denn jedermann sieht ein, daß Parteiführers a. D. Miquel, des Lieblings der Agrarier die Masse aller Geschäftsabschlüsse, namentlich aller Rech­sein wird. nungen und Quittungen, auf besonders steuersfähigen Er­Die Reichsfinanzen werden auch fürderhin den Agrariern werb oder auf stattgehabte Kapitalisirung nicht hinweisen teine Kopfschmerzen bereiten, dieser Theil des Caprivi'schen und daß die formlosen Geschäfte sich der Steuer ganz ent­Finanzprogrammes wird buchstäblich erfüllt werden. Nicht ziehen. Der Geschäftsverkehr wird durch die Quittungs­erfüllt wird aber werden, wie wir vorausgesagt haben, die steuer sehr erschwert, die Kontrolle ist entweder unmöglich andere Zusicherung des Reichskanzlers, daß die Lasten auf die oder dringt in unerträglicher Weise in das Privatleben ein. leistungsfähigsten Schultern gelegt werden sollen. Dies be- Der Quittungsstempel entwickelt sich naturgemäß zu einer Aber auch den Anhängern der Militärvorlage und den weist das Ergebniß der Frankfurter Ministerverhandlungen. allgemeinen Verbrauchsabgabe, welche des Maßes und des prinzipiellen Freunden der Bismarckisch- Miquel'schen Steuer­Das Steuerbouquet, das dort unter Miquel's Leitung zu- Verhältnisses zu der im Konsum jeder besonderen Waaren- politit wird das Ergeb niß der Frankfurter Berathungen nicht fammengebunden wurde, wird niemand schön finden, denn gattung geoffenbarten Leistungsfähigkeit entbehrt. Quittungen mit Freude erfüllen. Aus unserem Finanzelend, aus der es fehlt ihm die Harmonie. Um ein Hauptstück, die Tabak- für Lohnzahlungen und ähnliche würden die arbeitende ungeordneten Finanzwirthschaft der Einzelstaaten, aus unserem fabrikatsteuer, find mehr zur Verhüllung der schweren Klasse unleiblich belasten. Die Frage der Abstufungen nach Reichs- Schuldenelend weist es keinen Ausweg. Matrikular Belastung der Volksmassen als um ihrer selbst willen der Höhe der Rechnungen kann sehr ungerecht beiträge und Ueberweisungen bleiben bestehen, das Reich Börsen, Quittungs- und Luxusweinsteuer gruppirt. Das wirken, Das wirken, der gleiche Quittungsstempel auf Rechnungen wird finanziell nicht auf eigene Füße gestellt, die Finanzen viele Gerede von der Besteuerung des Luyus der besitzenden ohne Rücksicht auf ihre Höhe wirkt sicherlich ungerecht. der Einzelstaaten können deshalb auch nicht in Ordnung Klassen schrumpft in die Luxusweinsteuer zusammen; die Wer einmal in einem Lande gelebt hat, wo der Quittungs - kommen. Ständige Defizite, Anleihen im Reiche, Anleihen Börsensteuer, von deren hohen Erträgnissen seitens der stempel eingeführt ist, der weiß wie unangenehm und unge- in den Einzelstaaten, hohe Belastung der Aermsten, relative Offiziösen so viel gefabelt wurde, soll nach Zusicherung recht er wirkt. Er trifft nicht die Leistungsfähigkeit, wie Steuerfreiheit der Reichen und Reichsten, Gefräßigkeit des Miquel's den Interessen der Börse möglichst angepaßt die Einkommensteuer, erweckt aber den Anschein, dies zu Militärmolochs und Vernachlässignng der Kulturaufgaben, werden, so daß alles volksthümliche der versprochenen thun und schädigt auch hierdurch, weil er die Einführung bleibt trotz oder wegen der Frankfurter Minister- Konferenzen Steuerreform genommen wird und im wesentlichen nichts einer Einkommenssteuer erschwert und den selbstsüchtigen die Siguatur unserer Finanzwirthschaft. übrig bleibt als die Belastung der Massen. Der große Gegnern derselben Waffen liefert. Wir müssen uns dem- Deshalb wird die sozialdemokratische Fraktion des Miquel, für den die ganze Bourgeoisie, weil er Fleisch von nach auch gegen diese Blüthe im Steuerbouqet des Herrn Reichstages, so wie sie in der letzten Session teinen ihrem Fleisch ist, rastlos Reklame macht, fährt in den Miquel entschieden erklären. Mann bewilligt hat, in der nächsten Session gelegentlich ausgefahrenen Geleisen der längst verurtheilten Bis- Würden wir die Zwecke billigen, denen die neuen der Abstimmung über die Steuervorlagen auch teinen marc'schen Finanzpolitik. Keine beachtens Reichssteuern dienen sollen, so ließe sich wohl über die Groschen bewilligen. neue werthe Idee, keinen neuen Weg, fein neues Ziel Luxusweinsteuer mit uns reden, aber auch nur nach der Rich­weist das Ergebniß der Frankfurter Konferenzen. tung, daß wir die Auswahl der Steuerträger billigen wird gelöst( r. 189 vom 13. August), Spalte 2, Absatz 2, Beile Sie zeigen auch keinen Ausweg aus dem ungeordneten könnten, wir würden aber auch dann die Ertrags- von oben lies: 3wa ng 3 versicherung, nicht: Innungsver Zustande unserer Reichsfinanzen und aus unferer fähigkeit dieser Steuer als sehr gering veranschlagen ficherung. Schuldenwirthschaft. müssen, denn wirkliche Luxussteuern bringen, wie Betrachten wir nun im einzelnen ihre Ergebnisse, so wir schon früher dargelegt haben, stets sehr weit dies nach den spärlichen Mittheilungen über die Ver- wenig ein und ihre Erhebung ist verhältnißmäßig sehr

Feuilleton.

Nachdruck verboten.]

Sozialistischer Roman

von Georges Renard.

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Druckfehlerberichtigung In dem Leitartikel: Die Zunge

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betrieben wird, haben Sie noch gar nichts gesehen. Was Wenn er alle diejenigen einquartiren wollte, die er ruinirt wollen Sie? Die Korruption, die sich bei den Wahlen hat, dann müßte es hübsch groß sein. Der alte Satan! zeigt, ist der vollständig finngemäße Auspuh eines Bei ihm muß ich immer an die großen Herren früherer Gesellschaftsgebäudes, das in der Börse gipfelt. Haben Zeiten denken, die Kirchen gründeten, um sich damit von Sie darauf geachtet, wie die Bourgeoisie die hundert ihren Sünden loszukaufen. Das hindert nicht, daß der jährige Wiederkehr unseres 1789 feierte, die Feier des verehrungswürdige Herr Dusaule, der Präsident der Gesell­

Die Bekehrung André Savenay's. Jahres, in dem die Menschen- und Bürgerrechte proklamirt schaft, die Gelegenheit benutzt hat, um das Porträt eines wurden, in dem man mit den alten Privilegien so tugendhaften Milliardärs zu zeichnen. Ich fage die Wahr­schön aufgeräumt hatte, in dem Frankreich die heit: Das Geld ist Gott und der Herr Baron von Türk­Souveränität des Volkes zur Grundlage einer neuen Welt heim ist sein Prophet." machte! Damals oder nie war eine gute Gelegenheit ge- André zwingt sich, einige Worte zu erwidern. Aber Autorisirte Uebersehung von Marie Kunert . geben, Verständniß für das wahrhaft Große und Edle zu es drängt ihn, so schnell wie möglich mit seinen Der Eintritt Vater Deschamps zog sie aus aller Ver- zeigen, etwas von dem edlen, heroischen Hauch, der unsere Gedanken wieder allein zu sein, und er schützt Tegenheit. Sie stürzte ihm entgegen und küßte ihn Großväter belebte, wieder zu finden. Ach, ja wohl! Ein daher in vor, daß er der Nacht noch ab­stürmischer als sonst. Der Alte sagte in vorwurfsvollem Weltjahrmarkt, ein riesiger Bazar, ein folossales Geschäft, reisen müsse und verabschiedet sich. Er fühlte, wie die Tone zu ihr: das ist alles, was man gefunden hat. Schließlich liegt auch Hand Johanna's in der seinigen zitterte, als er ihr Lebe­hierin vielleicht etwas Sinn und Gerechtigkeit. Neunund wohl sagte, und da konnte er sich nicht enthalten, die kleine achtzig hat die Bourgeoisie befreit und nicht das Prole- Sand inniger als sonst zu drücken, deren süße Wärme sein tariat. Es ist also eine bürgerliche Feier, ein Feft des Blut noch lange in Wallung versezte. Geldes, ein Triumph des Handels und der Industrie, zweifellos paßte diese Art der Feier am besten zu unserer Bourgeoisie."

Wie Dir der Kopf wieder glüht, Kleine! Du hast ge­wiß zuviel gearbeitet."

Da bemerkte er André. " Ach, Sie sind es!" rief er und drückte ihm die Hand. Gefund? Gut. Und zufrieden? Nicht übermäßig. Es scheint, daß Sie nicht entzückt sind von dem, was Sie drüben mit ansehen."

André erzählte nun mit Abscheu von den Einzelheiten des begonnenen Kampfes.

Bah!" antwortete Vater Deschamps, was will das sagen! Sie werden noch mehr sehen. So lange sich die Kandidaten noch nicht Deserteure, Diebe und Mörder nennen, um sich auf die parlamentarischen Diskussionen vorzubereiten, hat das nichts auf sich. So lange der Stimmenſchacher noch mit einem Rest von Schamgefühl be­trieben wird, so lange die Fälschung des allgemeinen Stimmrechts nicht im Großen und unter freiem Himmel

Wir müssen gestehen, André hörte Vater Deschamps' Worten zu, ohne sie zu verstehen. Er folgte der Entwicke­lung des Traumes, der Johanna's Unruhe plötzlich in ihm erblühen ließ.

Eine Stunden später versuchte André, in eine Ecke des Waggons gedrückt, der ihn nach der Touraine zurücktrug, in seinem Innern und in den traurigen und süßen Ge fühlen, die ihn im Laufe dieses Tages so mächtig erschüttert hatten, etwas Ordnung zu schaffen. Ach! Der Tod klopfte bei den Seinen an, bei den beiden Wesen, die von seinem Fleisch und Blut waren. Wir wissen sehr wohl, daß die­jenigen, welche wir lieben, nicht unsterblich sind, aber wir Lieben sie, als ob sie es wären, und der Tag, an dem wir Wissen Sie, was ich vorhin gelesen habe? Die entdeckten, daß sie sterben können wie andere Menschen Gesellschaft zur Aufmunterung zum Guten hat foeben einem auch und daß ihre Tage gezählt find, an diesem Tage Manne, den Sie kennen, eine goldene Medaille verliehen. wurden wir durch diese schreckliche Wahrheit so nieder­Rathen Sie, wenn... Dem Baron von Türkheim ! Er geschmettert wie durch den unerwarteten Angriff wird wahrscheinlich ein prächtiges Spital gebaut haben. eines Feindes, der uns hinterrücks überfällt. Bei dem

Vater Deschamps hielt sein träumendes Sinnen für Aufmerksamkeit und fuhr fort: