Schweden ist heute,' wir wiederholen es, nurauf den, Wege gefolgt, den wir schon lange ge-wiesen haben. WaS wirbellagen, ist, dost alle diese Zugeständnisse und auch die Einräumung der vollen MeistbegQnsti»gung an Schweden keine vorteilhafteren Bedingungen für unsereAusfuhr zu erwirken vermochten.Man wird trotzdem dem Reichstag nicht ratenkönnen, den Vertrag abzulehnen. Wenn nicht mehrzu erreichen war, so ist dies schlimm, aber ein Zollkrieg wärenoch schlimmer. Ein solcher ist, wie heute jeder Krieg, inunervom Uebel für beide Parteien. Er wäre ein schwer zu be-klagendes Unheil auch in politischer Beziehung. Unser politischesVerhältnis zu dem uns � so sympathischen Bruder- undNachbarvolke auf der anderen Seite der Satznitzer Fähr-brücke ist heute ausgezeichnet. Wir freuen uns dessenund bleiben auch besten eingedenk, daß ein Handelsvertrag nichtfür die Ewigkeit geschlossen ist. Der Schutzzollrausch wird drübenvorübergehen, wie bei uns der Schutzzollkatzenjammer schon imAnzug ist."Die bündlerische„Deutsche Tageszeitung" verlangte zu-nächst nach dem Erscheinen der Tarifauszüge in der„Nordd.Allgem. Ztg." einen kleinen Zollkrieg. Sie schrieb amDonnerstagabend:„Soweit die Presse schon jetzt dazu Stellung genommen hat,äußert sie sich dahin, daß die Zugeständnisse des Deutschen Reiche?an Schweden weit bedeutender und weit erheblicher sind als dieSchwedens an das Deutsche Reich. Trotzdem glauben einigeZeitungen schon jetzt dem Reichstage raten zu sollen, den Vertragnicht abzulehnen; eS fei zwar schlimm, daß nicht mehr erreichtworden sei, aber ein Zollkrieg wäre noch schlimmer. Auch diese Frageläßt sich erst nach sorgfältiger Prüfung der Bestimmungen desHandelsvertrages und nach ebenso sorgfältiger Abwägung unserer ge-samten wirtschaftlichen Verhältnisse entscheiden. ES l ä tz t s i chwohl denken, daß ein schlechter Handelsvertrag,der S o der 10 Jahre dauern soll, ein größeresUebel ist al« ein etwaigerZollkrieg, der nur vonvorübergehenderDauer fein kann und seinwird.'Inzwischen hat jedoch auch daS Jntelligenzblatt der Land-bündler entdeckt, daß sich mit dem neuen Vertrag leben läßtwenn auch der deutsche Milchzoll darin fehlt.Mstnentsiliche Zersetzungin der tiirbei.Aus Konstantinopel schreibt uns P a r v u s:Das Kriegsgericht hat an alle Zeitungen in Kon-stantinopel ein Rundschreiben versandt, folgenden Inhalts:,.Aus Anlaß des Streites innerhalb der Partei„Union undProgreß" hätten einige Zeitungen für und wider Artikel ge-bracht, welche die öffentliche Meinung aufreizen: wenn weiter-hin solche Artikel gebracht werden sollten, welche die öffent-liche Meinung aufreizen, so werden die resp. Zeitungen zurVerantwortung gezogen werden." Trotzdem setzen dieZeitungen ihre Kampagne fort. Das Rundschreiben desKriegsgerichts verblieb ohne jede Wirkung.Das kennzeichnet die Situation.Denn Konstantinopel befindet sich im Belagerungszustand,Und das Wort des Kriegsgerichts war bis jetzt Gesetz. DasKriegsgericht diktierte harte Strafen, suspendierte Zeitungen,verbannte deren Redakteure und war in seiner Rechtsprechungdurch nichts gebunden. Sich dem Kriegsgericht nicht zu fügen,galt bis jetzt als Tollheit. Man spielte vielmehr das Prä-venire und vermied alles, was zu einem Konflikt mit demKriegsgericht führen könnte. Und nun fetzt man sich über seinedeutliche Drohung hinweg— und das Kriegsgericht schweigtdazu, es läßt das Unglaubliche geschehen.Das Kriegsgericht müßte so ziemlich alle Zeitungen suS-pendieren, wenn es seine Drohung erfüllen wollte. Die poli-tische Diskussion hat sich endlich in der Presse Bahn gebrochen,und die Erregung ist groß.Wohin führt diese Bewegung? Bedeutet sie eine Stärkungder Reaktion? Vielleicht— vielleicht auch nicht.Es ist durchaus falsch, die gegenwärtige Krisis vomStandpunkte des Gegensatzes zwischen Reaktion und Libera-lismus beurteilen zu wollen. Die Regierung und daS Komiteebetrachten als Reaktion alles, was nicht mit ihnen stimmt.Jede Opposition ist in ihren Augen Reaktion— darum sindauch die jetzigen Dissidenten Reaktionäre. Aber wie sieht ihreigener Liberalismus aus? Er ist unbestimmt, kaum definier-bar. Und ebenso unbestimmt ist die Reaktion der anderen.Von einem politischen Programm von großen Gesichtspunktenaus ist weder auf der einen, noch auf der anderen Seite dieRede, und reaktionäre Tendenzen gibt es hüben wie drüben.Die Forderungen der Dissidenten lassen sich ebenso gegen denParlamentarismus wie gegen den Gouvernementalismusdeuten. Wenn z. B. verlangt wird, daß Deputierte keineMinisterposten annehmen sollen, so wird damit keineswegseine Einschränkung des Parlamentarismus beabsichtigt. DieForderung ist vielmehr der Tatsache entsprungen, daß einzelneMinister sich hier geradezu zu unabhängigen Potentatenemporentwickeln. Und um die Minister herum bilden sichmächtige Cliquen, die bei KonzessionSvergebungen. Beamten-ernennungen ihren Einfluß ausüben. Aber allerdings würdediese Forderung der Dissidenten nur zur Bildung von Be-amtenministerien führen, wodurch dem Uebel nicht abgeholfenund die Korruptisn erst recht gefördert wird. Woraus zu er-sehen, daß die Revolte im Schöße der Unionspartei ebensogroße Unzufriedenheit wie Ratlosigkeit aufdeckt.Im Lande selbst herrscht große Unzufriedenheit. DieMassen sind enttäuscht: sie haben von der Aenderung des Re-gimes mehr erwartet und weniger erhalten, als hätte geschehenkönnen. Die Lage der Bauern hat sich verschlimmert. DieArbeiter leiden unter der steigenden Teuerung. Der Libera-lismus sieht sich verraten. Die Reaktionäre, die mehr ein-geschüchtert als niedergerungen wurden, bekommen in demMaße, wie die Regierung ihnen Konzessionen macht, immermehr Macht und sind erst recht unzufrieden, denn ihnen paßtda? ganze neue System nicht. Der eindringende Kapitalis-mus schafft steigende Interessengegensätze.Das Komitee und die Regierung haben nun, abgesehenvon dem Mangel eines Programms wirtschaftlicher Reformenund der sonstigen Unzulänglichkeit, Beschränktheit und Ver-kehrtheit ihrer Politik, vor allem den Fehler begangen, daßsie diese Unzufriedenheit und die daraus entspringendenGegensätze nicht zum Ausdruck kommen lassen wollten. Siewollten mit Gewalt die„Einigkeit" aufrechterhalten und habendadurch schließlich alle gegen sich vereinigt. Sie wollten dasGewitter beschwören und werden zum Blitzableiter, an demjstch das Gewitter entladen kann.Tie jetzt eingetretene politische Zersetzung begann mitKW Moment, öaTalaat-Zes�n.Posten öes Ministers5es JnMsi verließ, unt die Stellung des Führers seinerPartei zu übernehmen. Ohne politischen Blick, aber einroutinierter Verschwörer, d. h. ein Organisator im kleinen.der durch die Autorität seiner Persönlichkeit wirkt, von einerFestigkeit des Willens, die in der Beschränktheit der Ansichtenihre selbswerständliche Grundlage findet, unermüdlich inKleinigkeiten, hat Talaat-Bey, ausgerüstet mit dem Be-schluß der Partei, daß sich jeder dem Votum einer Zweidrittel-Mehrheit fügen muß, tatsächlich Tag für Tag eine geschlosseneMehrheit von 118 Stimmen zustande gebracht. Bei jeder Ab-stimmunst stand er oben auf der Präsidentenbühne, komman-dierte mit emporgehobenen Armen und kontrollierte jedenZettel an der Urne. Und so hat er folgerichtig die Partei vordie Wahl gestellt: entweder Geschlossenheit oder Spaltung!Die politische Zersetzung war das Produkt der Verhältnisse,aber die Massenrevolte, wie sie jetzt innerhalb derUnionspartei ausbrach, ist vor allem das Werk von T a l a a t-Bey.Die Bewegung wurde unterstützt durch die steigende Un-Zufriedenheit im Offizierkorps. Es sind die niederenOffizierschargen— jene, die keine Aspirationen aufhohe administrative Posten, dagegen die immer näher heran-rückende Aussicht haben, im Jemen oder in Albanien oder aneinem anderen Orte ihr Leben dranzusetzen diese sind es,die auf der Seite der Dissidenten stehen.Der Riß innerhalb der Unionspartei ist allerdings jetztfür den Augenblick verkleistert worden. Die Dissidenten werdenauch sicher auf die Dauer noch weniger zusammenhaltenkönnen, als die Partei selbst. Ihr Widerstand wixd geringerwerden, aher die Zersetzung selbst schreitet fort- r JpoUtilcbc GcbcrficbtBerlin, den 6. Mai 1911.Fortgesetzte Niederstimmung der Arbeiterforderungen.Aus dem Reichstag, 6. Mai. Etwas häufiger alsgestern sahen sich in der heutigen Beratung der Ver-sicher ungsordnung die Mehrheitsparteien genötigt, indie Debatte einzugreifen. Dafür hatte die Mehrheit aberdurch die gestrige schlechte Behandlung den BerichterstatterDr. D r ö s ch e r in eine beharrliche Schweigsamkeit hinein-geängstigt, aus der er nur selten und zögernd sich zu einigengelinden Redeseufzern hervorwagte. Herr Vahrenhorst hattees nicht mehr nötig, seine symbolische Maultrommel zur Ein-schüchterung des Dr. Dröscher in Bewegung zu setzen.Bei Fortsetzung der Beratung über die gemeinsamenVorschriften kam es zunächst zu einer Aus-einandersetzung über die Kosten, von denen nach§ 69 der Borlage ein Teil durch die Gemeindenaufgebracht werden soll. Dagegen wollte ein sozial-demokratischer Antrag sie ausschließlich den Bundesstaatenaufbürden, da jetzt schon, wie Genosse Hildenbrand ein-gehend darlegte, die Gemeinden auf solche Weise ganz will-kürlich herangezogen werden und dadurch ungleichmäßig be-lastet würden. Trotzdem ursprünglich Regierung undKommission selbst auf diesem Standpunkt gestanden hatten,wurde der Antrag ebenso wie ein gleichartiger der Freisinnigenvon der Mehrheit abgelehnt.Eine lange Reihe von Paragraphen wurde dann debatte-loS erledigt, da keinerlei Anträge vorlagen. Andere Anträgewurden schnell durchberaten. Einen energischen Vorstoßunternahmen die Sozialdemokraten wieder bei den§§ 161und 162. in denen Bestimmungen über den Ortslohn ge-wöhnlicher Tagesarbeiter enthalten sind. Unsere Partei ver-langt, daß als Ortslohn für männliche Personen über21 Jahre nicht weniger als 3 M., für weibliche nichtweniger als 2 M. täglich festgesetzt werden darf. GenosseBrey wies nach, daß eine solche Festsetzung notwendig sei,damit nicht durch Unternehmereinfluß in einzelnen Gegendendie Krankenunterftützung sonst zu einem Zerrbild werdenwürde. Sein Wunsch, daß die„epidemische Mund-sperre" auf der Rechten erlöschen möge, wurde indes nichterfüllt. Ebensowenig gelang eS bei dieser Gelegenheit demGenossen Molkenbuhr. den Agrariern das Gehege derZähne durch die Bemerkung zu lockern, daß die Agrarier jasonst über die hohen Löhne jammern, die sie angeblich ihrenLandarbeitern zahlen müssen. Auch dieser sozialdemokratischeAntrag, der besonders zugunsten der Landarbeiter und HauS-arbeitet wirken würde, wurde schweigend begraben.Dann kam ein sozialdemokratischer Antrag zur Erörterung.den ausländischen Arbeitern gleiche Rechte bei derVersicherung zu gewähren wie den inländischen, sofern sie auSsolchen Staaten stammen, die in der Arbeiterversicherungdeutsche Reichsangehörige nicht ungünstiger behandeln als dieeigenen Staatsangehörigen. Die Kommission wollte das indas Belieben der Regierung gestellt haben. Genosse Huewies an reichem statistischen Material nach, wie ausgiebig diedeutschen Unternehmer von fremden Arbeitskräften Gebrauchmachen, und Molkenbuhr ergänzte die Ausführungendurch den Hinweis darauf, daß die Polizei sowieso gegen-über Ausländern die bedenkliche Vollmacht der Ausweisunghabe, wenn sie„lästig" geworden seien. Es bestehe dieGefahr, daß gerade unterstützungLberechttgte Ausländer leicht„lästig" würden. Die Mehrheit ließ sich auS ihrer Gleichgültigkeit auch nicht durch die Erwägung herausreißen, daß dendeutschen Arbeitern ein Vorteil erwachsen müßte aus derAnnahme deS Antrags. Die Patrioten lehnten auch diesenAntrag ab.Für die HauLarbeiter legte sich dann GenofleA l b r e ch t ins Zeug, um eS durchzusetzen, daß als HauS-arbeiter im Sinne des Gesetzes auch solche Gewerbetreibendezu gelten haben, die neben der Hausarbeit gelegentlich selb-ständige Arbeit verrichten. Eine Verbesserung der KommissionS-fassung sei um so notwendiger, da sie die Möglichkeit ent-halte, daß jene sogenannten Platzgesellen von den Wohl-taten des Gesetzes ausgeschlossen würden. Der Ministerial-direktor Caspar appellierte an die Mehrheit, sie solle dieEntscheidung im Einzelfall nur den Behörden überlassen, unddann wurde auch dieser Antrag abgelehnt.Damit waren die allgemeinen Bestimmungenerledigt. Trotz vielfachen Widerspruches eröffnete derVizepräsident Schultz indes noch die Debatte über daSzweite Buch:„Krankenversicherung". Weit kamer allerdings nicht. Höchst unangenehm wurde der Mehrheitdie Auseinandersetzung über einen sozialdemokratischen Antragzu§ 177. in dem die Ausdehnung der Krankenversicherungauf alle angestellten Personen und selbständigen Gewerbetreibenden mit einem Ein-kommen von weniger als SOOO Mark verlangt wird. GenosseBüchner« der seine Jungfernrede hielt, betonte,daß es hauptsächlich darauf ankomme, dem Mittek-stände zu helfen, für den die Rechte und dasZentrum sonst nur wohlfeile Redensarten auf Lagerhaben. Hier könnte sie einmal durch Taten ihreMittelstandsfreundlichkeik beweisen. Der„schlichte Mann ausder Werkstatt", Herr Paul i-Potsdam, erkletterte die Tribüne,um einige Scheinarm mente gegen diesen mittelstandsfreund-lichen Antrag zusai.ne..ustottern, aber der sonst so lauteStabstrompeter der Mitielstandsretterei, Herr Raab, trautesich nicht den Mund aufzumachen. Genosse B r ü h n e heilteden falschen Mittelstandsfreunden nochmals gehörig ein,während Genosse Hoch einen Eventualantrag be-gründete, durch den die völlig unsinnige Ausschließung derPrivatangestellten mit„wissenschaftlicher Tätig-keit" aus der Krankenversicherung beseitigt werden sollteAls ob ein solcher Mann von einem geringfügigenGehalt mehr für Krankheitsfälle erübrigen könnte als ein„unwissenschaftlicher", ganz abgesehen davon, daß die Unter-scheidungsmerkmale völlig flüssig sind. Aber alle noch soüberzeugenden Gründe halfen nichts; die Mittelstandsfeinde.das heißt sämtliche bürgerlichen Parteien,lehnten die mittelstandsfreundlichen Anträge der Soziat-demokratie ab.Nunmehr benutzte Genosse Bebel die nächste Ab-stimmung, um die Beschlußfähigkeit des Hausesanzuzweifeln. Trotz beharrlichen Läutens der Schrift-führer kam die erforderliche Anzahl von Abgeordneten nichtmehr zusammen und so mußte um 5 Uhr Vertagungeintreten.Am Montag Fortsetzung um 12 Uhr.Stumpfsinn:Ein preußischer Eisenbahnminister ist fürwahr ein gequälterMensch. Fast eine Woche hindurch Tag für Tag fünf Stunden langim leeren Saale des Abgeordnetenhauses zu sitzen und lokale Wünscheüber Bahnverbindungen anzuhören, ist gewiß eine„Tätigkeit", diean die Nerven die größten Anstrengungen stellt. Da haben die.Volksvertreter" es besser: entweder sie kommen überhaupt nicht.oder aber, sie halten sich in den Nebenräumen auf, betreten denSitzungssaal nur, um ihre Rede loszuwerden und ergreifen damrschleunigst die Flucht. So kommt eS denn, baß im Saale bei derBeratung der Sekundärbahnvorlage gewöhnlich nur 6 bis 6 Abgeordnete zugegen sind. Am Sonnabend haben sogar dieSchriftführer eS nicht mehr auSgehalten, sondern ihre Posten ver-lassen. Wenn es so weiter geht, wird am Montag, der auch nochder Beratung der Sekundärbahnvorlage gewidmet ist, vielleicht sogarder Präsident das beffere Teil erwählen und nicht erscheinen.Zur Stuttgarter Oberbürgermeisterwahl.Unser Stuttgarter Parteiorgan, die„Schwäbische Tagwacht", bringt über die Stuttgarter Parteiversammlung, mder Genosse Lindemann als Kandidat aufgestellt worden ist.einen kurzen Bericht, der im wesentlichen mit dem von unsgestern mitgeteilten gleichlautend ist. Dann folgt dieserAufruf:Genossen! Die Parteiversammlung hat entschieden! DiePartei tritt mit einem eigenen Kandidaten in den Wahlkampf ein.Der Kampf wird— daran ist nicht zu zweifeln— hart und schwerwerden. Die bürgerlichen Parteien werden alles daran setzen, dieKandidatur Lindemann zu Fall zu bringen. In dieser Situationist Einigkeit und Geschlossenheit, unablässige Agitation unser allerPflicht. In der Werkstatt und auf dem Bau, überall muß für dieKandidatur Dr. Lindemann gearbeitet werden, damit am 12. Mai,dem Wahltag, der Sieg unserem Kandidaten zufällt.Wir haben schon gestern darauf hingewiesen, daß derBeschluß der Stuttgarter Partciversammlung vom Standpunktder Organisation bedenklich ist. Zunächst bleibt es imunklaren, welch eOrganisationSbeschlüsse GenosseLindemann gemeint hat. die ihm angeblich die AusübungdeS AmteS unmöglich machen. Falls solche beständen, hättensie entweder aufgehoben oder bestätigt werden müssen. Aufkeinen Fall geht es aber an, einen einzelnen Genossenvon den Beschlüssen der Gesamtheit zu entbinden und für ihnAusnahmen in der Gegenwart oder Zukunft zu machen.Handelte es sich gar um Beschlüsse der Landes-Organisation in Württemberg, so wäre die Partei-Versammlung eineS Wahlkreises sicher nicht berechttgt, dieseaufzuheben oder von ihrer Befolgung zu dispensieren. DieSituation, wie sie sich infolge der Ablehnung des Antrags derParteileitung und der Annahme einer allgemein gehaltenenVertrauensresolution für den Genossen Lindemann gestaltethat, ist somit durchaus unklar. Jedenfalls wird die Stutt-garter Parteileitung noch weitere Aufklärungen der Partei-öffentlichkeit wohl nicht vorenthalten.Wir würden uns damit auf jene schiefe Ebene begeben.die die französische Partei eingeschlagen hatte, als es sich umden Einttttt Millerands in die Regierung handelte. Solche„Genossen auf Urlaub" hat die Partei bisher nicht gekanntund wird sie wohl auch in Zukunft nicht kennen lernenwollen.„Aus der preußischen Verwaltungspraxis.In H i r s ch b e r g(Schlesien) fand Anfang dieser Wocheeine Versammlung der Saal- und Konzertlokalinhaber statt.Dabei kam auch zur Sprache, daß der Amtsvorstcher Kunzeaus Arnsdorf i. R. einem dortigen Gastwirt die Ge-nchmigung zur Abhaltung eines RadfahrervergnügenS verbot,weil der Radfahrcrverein angeblich polittsche Ziele verfolgt.Darauf wandte sich der Vorsitzende deS Saalinhabervereinsan den Amtsvorsteher und teilte diesem mit, daß der Vereinkürzlich einstimmig den Beschluß gefaßt hätte, allenParteien ihre Säle für ihre Veranstaltungen zu überlassen:denn als Geschäftsleute seien die Wirte verpflichtet, mit allenLeuten in geschäftliche Verbindung zu treten. Mit Rücksichtauf. diesen Beschluß bat der Vorsitzende um Rücksichtnahme derBehörde. Auf diesen bescheidenen, aber ganz selbstverständ-lichen Wunsch erhielt der Absender folgenden Bescheid;Der Amtsvorsteher des Amtsbezirls Arnsdorf,Kreis Hirschberg i. Schl.I. Nr. 500.Herrn Heinrich Schreich.Vorsitzender des Saalinhabcr-Vereins von Hirschberg u. UmgegendHirschberg i. Schl.Auf Ihr geehrtes Schreiben vom 29. d. MtS. teile ich Ihnenhierdurch ergcbenst mit, daß ich Ihre Ansicht betr. Hergäbe derTanzsäle zur Abhaltung von sozialdemokratischen Vergnügungenund Versammlungen nicht mit Ihnen teilen kann.Die sozialdemokratische Partei ist mir bekannt als eine Partei,welche mit der heutigen Staatsordnung und-Einrichtung voll-ständig unzufrieden(!) ist, und fall» sie einigermaßen zur Sie-gierung(!) gelangen würde, die heutige Staatsordnung sofortumstjeß...,