. Wenn oder ein Gastwirt seinen Saal dazu hergibt, daß darin Versammlungen und Ver- gnügungen abgehalten werden, in welchen sozial- demokratische Tendenzen gepflegt und getrieben werden, so lehnt sich der betreffende Gastwirt bezw. Saalinhaber gegen die heutige StaatSord- nung auf und er istinmeinenAugendergrößte Förderer der Sozialdemolratie, indem er die Mittel zur Erreichung des Zweckes durch Her- gäbe seines SaaleS bereitstellt, damit die revolutionären Bestrebungen dieser Partei gekräftigt und ihrem Ziele immer nähergeführt werden. Ein solcher mit der Sozialdemokratie paktierender Gastwirt ist selbstverständlich Sozialdemokrat, denn ihm geht seine Existenz der Erhaltung der Staatsordnung vor. Wenn der Verein der Saalinhaber einen sl) steifen Rückgrat hat und unter sich einig ist, daß der sozialdemokratischen Partei nicht ein einziger Saal zu Versammlnngszwecken und Vergnügungen hergegeben wird, dann wird auch kein Gastwirt unter Boykottierung zu leiden haben, denn diese Boykottierungen gehen in der Regel nur von einzelnen, ganz ordinären Elementen aus, und wenn die große Masse der Sozialdemo- kraten sehen wird, daß ihre Boykottierungen erfolglos bleiben, so wird sie den Anfeuerungen und Rufen der Parteiführer nicht mehr so leicht ein williges Ohr schenken.... Durch das vorstehende Schreiben werden Sie meine Ansicht kennen gelernt haben und werden daraus «inen Schluß ziehen, wid ich einen Saalwirt in meinem Amtsbezirk behandeln werde, der ein Förderer der Sozialdemokratie sein sollte. So lange mir höheren OrtS nicht das Gegenteil befohlen wird, würde ich mir jederzeit zum Vorwurf machen, mit der Sozialdemokratie paktiert zu haben, wenn ich gegen derartige Saalwirte nicht Stellung nehmen würde. Der Amtsvorsteher. gez. Kunze. Herr Amtsvorsteher Kunze mag als Privatperson über die Sozialdemokratie denken, wie er will, das ist seine Sache; aber als A m t s v o r st e h e r hat er die Pflicht, die be- stehenden Gesetze zu respektieren, ganz gleich, um wen es sich handelt. Hier liegt jedoch nach den Erklärungen des jetzigen Reichskanzlers bei Beratung des ReichsvereinSgesetzes ein offenbarer Ämtsmißbranch vor. Hoffentlich nimmt sich der Staatsanwalt den Amtsvorsteher Knnze recht bald gründlich vor._ Abgefallen. Die sächsische Regierung fühlt sich gedrungen— weshalb, verstehen wir freilicht nicht—. sich vor der„Deutschen TageS- zeitung" und einigen anderen Blättern gleicher Qualität zu rechtfertigen, die sie der Begünstigung und Förderung der Sozialdemokratie beschuldigten, weil sie in Dresden einen Maifestumzug mit Musik gestattet hat. Das amtliche„Dresdener Journal" antwortet nämlich auf diese Angriffe in seinem nicht- amtlichen Teil mit folgender Entschuldigung: .Die Umzüge zur Maifeier sind in Sachsen ebensowenig ver- boten worden wie z. B. in Hamburg . München , Stuttgart , Mann- heim usw. Nach§ 7 des ReichsvereinSgesetzes ist die Genehmi- gung öffentlicher Umzüge keine behördliche Gunstbezeigung mehr, sondern kann nur dann verweigert werden, wenn eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit droht. Das war nach densäch fischen Verhältnissen und nach den Erfahrungen mit der M aifeier in den letzten Jahren nicht der Fall. Ander- wärts mag eS anders gelegen haben; in Preußen insbesondere hält die noch nicht zum Abschluß gekommene Wahlrechtsreform die Gemüter in Spannung, zittert die Erregung von den Moabiter Tumulten immer noch nach. Daß in Sachsen keine Gefahr be- stand, hat der Erfolg gelehrt; nirgends ist eine Störung der öffent- lichen Ordnung vorgekommen. Die Verweigerung der Genehmi- gung wäre daher ungesetzlich gewesen. Auch die Genehmigung von Musik, bei welcher revolutionäre Lieder auögeschloffen worden sind, . ist keine Neuerung. Sie ist schon in anderen Jahren erteilt worden, die Veranstalter hatten nur in früheren Jahren von der Erlaubnis keinen Gebrauch gemacht. Von dem gesetzlichen Wege kann und wird sich die Regierung unter keinen Um- ständen abdrängen lasten, auch nicht, wenn dies unter der Sorge um eine Gefährdung staatserhaltender Interessen versucht würde. Denn die Achtung vor dem Gesetz ist und bleibt das vornehmste Gebot aller staatSerhaltenden Politik.' Die„Deutsche Taaesztg." ist von dieser Antwort natür- lich wenig befriedigt. Besonders ärgert sie, daff das amtliche Organ auf den tz 7 des ReichsvereinSgesetzes und den„ g c- fetzlichen Weg" verweist. WaS Reichsvereinsgesetz I Nach Oertelscher Logik steht die Negierung über dem Gesetz. Und wenn preußische Verwaltungsbehörden sich mit den seltsamsten Auslegungen über die klarsten Gesetzes- bcstiinmungen hinwegsetzen, weshalb können das sächsische Behörden nicht auch? So fragt denn entrüstet die„Deutsche Tageszeitung":„War eS nötig, den antimonarchischen Ge- Nossen zu gestatten. daß sie durch Umzüge mit Musik ihre revolutionäre Gesinnung bekundeten? Welches Gesetz zwingt die Regierung zu einer derartigen Erlaubnis? WaS soll die hochtönende Redensart, daß die Regierung sich nicht von dem gesetzlichen Wege abdrängen lassen werde? Wer hat das von ihr verlangt? Hat sich etwa die preußische Regierung von diesem Wege abdrängen lafsen. wenn sie ähnliche Umzüge verbot?" Kciue Enteignung. Die Beratung der Denkschrift über die LnfiedelungSpolitik in der Budgetkommission de? Abgeordnetenhauses brachte interestante Er- klärungen der Regierung. Der LandwirlschaftSminister v. S ch o r» lern er sprach offen aus, was ja längst kein politisches Geheimnis mehr war: daß die Regierung gar nicht an die Anwendung des Enteignungsgesetzes d e n l t, überhaupt die SiedelungS- Politik in langsamerem Tempo fortsetzen will. DaS Besondere an den Erklärungen des Minister war lediglich der Ton, in dem er sich gegen die Hakaristen wendete. Herr v. Schorleiner scheute sich gar nicht, dem Ostmarkenvcrein eine sehr energische Ab- sage zuteil werden zu lassen. Die Regierung betrachte das Ent- eignungsgesetz als eine ultima ratio, die es anwenden werde, wenn die Voraussetzungen dafür gegeben seien; auf- drängen laffe sie sich nicht die Enteignung I Wenn der Ost- markenverein der Regierung unterstelle, daß sie die Denkschrift frisier, habe, so verzichte die Regierung gern auf den Rat und die Unterstützung einer solchen Ver- «insleitung! Wenn eine Korrespondenz diese brüske Zurückweisung des Ost- markenvereinS auf eine gewisse Nervosität der StaatSregierimg zurückführt, die nicht nur von den Nationalliberalen, sondern auch der Rechten„lebhaft bedauert' werde, so ist das doch wohl ein Irrtum. H?rr v. Schorlemer ist viel zu genau von den Stimmungen des Junkertums unterrichtet und nimmt diel zu sorglich auf diese Stimmungen Rücksicht, als daß er sich in der Hitze des Gefechtes zu Aeußerungen hinreißen ließe, die wirklich das Mißfallen der Junker erregten I ES ist vielmehr umgekehrt anzunehmen, daß die derbe Abschüttewng des Ostmarlenvereins ganz im Sinne unserer Junker gewesen ist l Unsere Edelsten und Besten wollen ja längst nichts mehr von einer energischen SiedelungSpolitik wissen. Solange sie sich durch den Verkauf der Güter zu Wucherpreisen auf Staatskosten bereichern konnten, waren sie für die GermanisierungSpolitik; als aber die An« siedler rebellisch wurden, den Bauernbund gründeten und national- liberal wählten, war es vorbei mit der Begeisterung für die Ost- markenpolitik. Schon vor zwei Jahren warnte in der Budget- kommission ein Konservativer vor einem allzu raschen Tempo der Ansiedelung! Die Haltung der Regierung deckt sich also vollständig mit den Wünschen der Junker, und die Leidtragenden sind lediglich die Nationalliberalen. An dieser Tatsache ändern auch die Redensarten mehrerer Ion- servativer Kommissionsmitglieder, daß die Konservativen nicht gewillt seien, hinter die durch das Enteignungsgesetz gezogene Linie zurück- zutreten, nicht da§ geringste. Als„Patrioten" und um eS mit den Ansiedlern nicht völlig zu verderben, müssen die Konservativen natür« lich einen GermanisierungSeifer heucheln, von dem sie keine Spur besitzen. Aber die Regierung kennt ihre Pappenheimer l ES wird also nicht enteignet I Auch wird das Tempo der An- siedelung verlangsamt werden I Und statt selbständiger Bauern wird man möglichst ländliche Arbeiter anzusiedeln suchen, die den Junkern billige Arbeitskräfte liefern. Bon der polizeilichen Tuellkomödie in Elsah-Lothringen . Nachdem am Mittwoch der Abgeordnete Blumenthal im elsaß -lothringischen Landesausschuß die possenhafte Affäre der Duellforderung des Metzer Polizeipräsidenten Baumbach von Kaimberg— Pistolen, 15 Schritt Distanz, dreimaliger Kugel- Wechsel— in ihrer ganzen tragikomischen Herrlichkeit„enthüllt" hatte, erschien prompt am anderen Morgen in der„Straßburger Post" die Erklärung des Kartellträgers Kreisdirektor Freiherr von G e m m i n g e n. daß er(Freiherr v. Gemmingen ) gegen sich wegen Katelltragens und gegen den Polizeipräsidenten von Metz wegen Herausforderung zum Zweikampf bereits Strafanzeige er- stattet habe— und zwar schon, bevor Herr Blumenthal die An- gelegenheit im LandcsauSschuß zur Sprache brachte. Die Presse des Colmarer Dreigcstirns Blumenthal-Preiß-Wetterlä macht sich mit offenbarem Recht über diese Erklärung lustig. Sie sagt, das sei zum mindesten überraschend. Denn vor der Berührung der Sache im Landesausschuß wußte Herr v. Gemmingen gar noch nicht, ob Herr Blumenthal die Herausforderung annehmen werde. Hätte der Rechtsanwalt, Bürgermeister und Abgeordnete Blumenthal sich nun auf das Duell eingelassen, so wäre es doch recht bedenklich gewesen, die kaiserliche Staatsanwaltschaft vorher davon zu benachrichtigen; denn sobald der Staatsanwalt von der Sache Kenntnis hatte, war es zweifellos seine Pflicht, die Absichten der Duellanten und die Ge- sctzesvcrletzung zu verhindern. Die ganze hübsche Geschichte wird durch diese Erklärung des kreisdirektorlichen Kartellträgers nur noch possenhafter. Blumenthal läßt übrigens bekanntgeben, daß er die zuständige Behörde in Colmar um die Erlaubnis ersucht habe, stets mit zwei Brownings in der Tasche und mit einem Degenstock be- waffnet, ausgehen zu dürfen. Er begründete das Gesuch mit den gemeingefährlichen Tendenzen gewisser höherer Beamten in Metz und Straßburg -Land... Man sieht; wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Hungersnot und Annektionsgelüstc. Jm Oltambo-Lande ist wieder einmal der Regen ausgeblieben, sodaß eine schwere Hungersnot droht. Das Kolonialblatt„Südwest" rät zu einer energischen Hilfs- aktion. Durch kräftige Unterstützung könne die Regierung das Vertrauen der Ovambostämme gewinnen. Außerdem sei die Hilfsaktion auch schon im eigensten Interesse der südwest- afrikanischen Farmer notwendig, gelte es doch die Erhaltung der unentbehrlichen Arbeiter. Dann aber rät das Blatt, die HungerLnotunterstützung gleichzeitig mit einer Annektion des Landes zu verbinden: „Zu überlegen ist aber hierbei etwas anderes! Wäre dies nicht der geeignete Augenblick, im Ovambolande festen Fuß zu fassen? Wir kommen als die Reiter in der Not, wir kommen, um Hungernde zu speisen und sind sicherlich willkommen, werden mit offenen Armen aufgenommen. Eine Ge- legenheit, wie fie so bald nicht wiederkehren wird! Wird man dies- mal die Bedenken zu üperwiuden vermögen? Es gilt, die ver» paßten Gelegenheiten nicht»och um eine weitere zu vermehren." Wie denkt sich eigentlich das Kolonialblatt diese Annektion? Soll man den Eingeborenen nur Lebensmittel liefern, wenn sie dafür ihr Land und ihre Gewehre hergeben? Daß es unsere Farmer nach dem Land, dem Vieh und der— natürlich möglichst billig zu erlangenden— Arbeits- kraft der Ovambo gelüstet, ist ja bekannt. Selbst ein neuer langwieriger Krieg hätte für diese Kreise keinen Schrecken, böte sich dann doch wieder herrliche Gelegenheit zum Geld- verdienen auf Kosten der deutschen Steuerzahler! Verurteilung eines geistesschtvache« Soldaten. Ein Füsilier vom Grenadierregiment Nr. 3 hatte sich vor dem Königsberger Kriegsgericht wegen Fahnenflucht und einiger damit zusammenhängender Vergehen zu verantworten. Bei dem Angeklagten machten sich Anzeichen hochgradiger geistiger Minderwertigkeit be- merkbar, deshalb wurde das Gutachten eines medizinischen Sach- verständigen eingefordert. Dieser bekundete, der Angeklagte leide an angeborenem Schwachsinn und st ehe in- tellektuell auf der Stufe eines etwa 14 Jahre alten Dorfjungen. Trotzdem erklärte der Herr Sachverständige. die geistige Vorfaslung bedinge nicht eine Straflosigkeit des An- geklagten auf Grund des§ 51 des Reichsstrafgesetzbuches, wohl aber sei„Milde" am Platze. Das Kriegsgericht ließ denn auch die bekannte„Milde" walten und erkannte auf a'ch t Monate GefängniSI franferctcb. Für Arbeiterpcnsionen. Paris , 6. Mai. Behufs Erleichterung der Dlirchfiihnmg des Arbeiterpensionsgesetzes hat der Generalrat des Departements Haute-Vienne beichlosien. den Arbeitern des De- partements die von ihnen für das Jahr 1011 gezahlten Beiträge zurückzuerstatten und die von ihnen zu zahlenden Beiträge in das Budget des Departements für ISIS einzustellen. Lelgien. Anders als in Preußen. Brüssel , 6. Mai. (Privattelegramm des„Vorwärts.) Die russische Regierung, die bei der belgischen um die Auslieferung des ehemaligen Studenten SzimanLky. den sie eines angeblich gemeinen Verbrechens beschuldigte, ansuchte, hat sich wieder einen Korb geholt. Nachdem sich das AppellationZ- gericht bereits vorige Woche gegen die Auslieferung ausgesprochen, hat nunmehr der Justizminister das Gutachten des Gerichts bestätigt und die Freilassung des inhaftierten russischen Revolutionärs verfügt. Gestern hat Szimansky das Gefängnis von St. Gilles (Brüssel ) verlassen. Belgien hat mit diesem Rechtsspruch eine Ehrenpflicht erfüllt, indem es das Asylrecht lvahrte und es wieder einmal ablehnte, der russischen Regierung, die im Handumdrehen aus revolutionären Kämpfern„gemeine Verbrecher" zu machen beliebt, Schergendienste zu leisten. Spanien . Sozialistische Kundgebungen. Madrid , 6. Mai. Morgen werden hier und in den meisten größeren Städten von den Soziali st en und Republikanern organisierte Kundgebungen statt- finden zugunsten der Einführung der allgemeinen Wehr- Pflicht, Abschaffung des Gesetzes über Ausnahme- g e r i ch t e sowie Aufgabe jedes afrikanischen Abenteuers. Portugal . Die Berfassongsfrage. Lissabon , S. Mai. Wie„Diario Populär' meldet, wird die Sonderkommission zur Beratung des von dem Präsidenten der vor- läufigen Regierung B r a g a vorbereiteten VerfassungS» ent wurfs diesen wegen der bestehenden Meinungs« Verschiedenheiten noch einmal durchbcraten. Einige Minister wünschten die parlamentarische Republik wie in Frank- reich, andere ein Regime wie in den Vereinigten Staaten . B r a g a sei für einen auf fünf Jahre von der Kammer ge« wählten und nicht wieder wählbaren Präsidenten. Cnglanä. DaS Franenwahlrecht. London » 8. Mai. Unterhaus. K e m p(liberal) und G o u l d i n g(konservativ) brachten den Antrag ein, das HauS wolle in die zweite Lesung der Bill betreffend die Aus- d e h n u n g des Wahlrechts auf alle Frauen, die einen selbständigen Haushalt führen, eintreten. Die Bill würde etwa einer Million Frauen das Wahlrecht geben. Die zweite Lesung wurde mit 255 gegen 88 Stimmen beschlossen, aber man glaubt allgemein, daß der Ent- Wurf keine Aussicht hat. Gesetzeskraft zu erlangen. Marokko. Spanische Befürchtungen. Paris , 6. Mai. Wie dem„Matin" aus Madrid ge- meldet wird, habe Spanien im Begriff gestanden, bei den Mächten gegen die französischen Truppenbewegungen in Marokko Einspruch zu erheben, habe aber darauf ver- zichtet, um Reibungen mit Frankreich zu vermeiden, dessen Freundschaft es sich erhalten wolle. Es bestätigt sich aber, daß Spanien in Paris freundschaftliche Vor- stellungen bezüglich des französischen Einschreitens in Marokko erhoben hat. Die Madrider Regierung befürchtet, daß die ftanzösische Kolonne gewisse strategische Punkte in Marokko endgültig besetzen werde, was Spanien zwingen würde, dasselbe zu tun. Wenn die ftanzösischen Truppen den Vormarsch fortsetzen würden, dürften die spanischen Truppen ebenfalls Befehl erhalten, vorzurücken und zwar nicht nur von Ceuta , sondern auch von Melilla und Larrasch aus._ Schwarzmalerciev. Paris , 6. Mai. Hier werden wieder ungünstige Nachrichten über die Situation in FeS verbreitet. Danach ist die Lage noch immer kritisch. Die Hartnäckigkeit, mit der die rebellischen Stämme mit ihren Angriffen auf die Stadt fortfahren, beweist, daß es sich keineswegs um einen Teilaufstand, sondern um eine allgemeine Erhebung handelt. Die Truppen der Kolonne Bremond sind sehr ermüdet und die übrigen Truppen nicht zuverlässig. Außerdem mangelt eS an Geld, Lebensmitteln und Munition. Die steigenden Lebensmittelpreise lasten einen Aufstand in der Stadt befürchten. Der Sultan hat den französischen Konsul aufgefordert, möglichst rasch für Truppenverstärkungen zu sorgen sowie für Entsatz der Hauptstadt. Im heutigen Ministerrat erklärte der Kriegsminister B e r- teaux daß die Hilfskolonne des Generals IM o in i er ihren Marsch unter den vorher angegebenen Verhältnissen fortsetzen werde. Mexiko . Rücktritt dcö Präsidenten. Mexiko , 6. Mai. Es erscheint wenig zweifelhaft, daß Präsident D i a z, mit Rücksicht auf den Ernst der Lage und dem Verlangen des Volkes entsprechend, sich zurück- ziehen wird, wenn die Ordnung wieder hergestellt ist. Das Verhalte« der Bereinigte« Staaten. Washington, 6. Mai. Das Kabinett hat eingehend die Lage in Mexiko beraten und beschlossen, daß die Ver- einigten Staaten � den Statusquo aufrecht erhalten sollen. Vorläufig sollen keine weiteren Truppen nach Texas und keine Kriegsschiffe nach den mexikanischen Gewässern gesandt werden, bis Präsident Taft sich davon überzeugt hat, daß keine Möglichkeit zur Wieder- Herstellung des Friedens in Mexiko vorhanden sei. Hirn der parte!« poKzeiUchte» GmcMiuhco uftv. Klassenjustiz in Bayern . Wegen der einem Prozeßberickit gegebenen Ueberschrift:»Der Prozeß eines Querulanten' wurde der verantwortliche Redakteur der .Münchener Post" unter Wbichneidung jeglichen Wahrheits- beweiies, obwohl dieser wenigsten« für das Strafmaß von Bedeutung gewesen wäre, zu einer Geld st rate von 100 M. verurteilt. Der nämliche Richter hat den Redakteur eines Zentrumsblattes. daS die„Münchener Post' als Lügen- und Hcuchlerorgan bezeichnet und ihr Schuitenpplitit vorgeworfen hat ohne auch nur den Schatten eines Beweises anzubieten, geschweige denn zu erbringen, wegen Beleidigung der gesamten Redaktion der„Münchener Post" zu eine« Geldstrafe von 5 0 M. verurteilt. Die von verschiedenen Seiten so gerühmte„süddeutsche Eigenart' wird durch folgende Bemerkung, die die„Münchener Post' an diese Meldung knüpft, in das rechte Licht gesetzt: „In unserem Archiv schlummert noch eine große Anzahl von lehrreichen Beispielen, die zeigen, mit welchen Maßen vor deutschen . insbesondere auch bäuerische«Gerichten Sozialdemo- kraten und Nichtsozialdemolraten gemessen werden. Beispiel«, die das Kammergericht Berlin ohne Zweifel veranlassen würden, das, was es unvergessenermaßen einmal über sächsische Gerichte festgestellt hat, auch auf die unsrigen auszudehnen. Wir behalten uuS vor, zu gelegener Zeit die Tatsachen«inander gegenüberzustellen.�
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