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Parlamentarisches. AuS den Kommissionen des DreiklassenhauseS. In der Zuwachssteuerkommission wurde ein Antrag abgelehnt, nach dem sich die Steuerfreiheit der Landesfürsten und der Landesfürstinnen nicht auch auf die Steueranteile der Gemeinde beziehen soll. Abgelehnt wurde auch ein sozialdemokratischer Antrag, nach dem den Gemeinden ein für allemal die Befugnis zur Erhebung Von Zuschlägen erteilt werden sollte. In der Kommission für die Gemeindeordnung der Rheinprovinz wurde ein Antrag auf Einführung der vollen Oeffentlichkeit für die Gemeinderatssitzungen abgelehnt, jedoch beschlost man, die vom Herrenhaus gestrichene beschränkte Oeffentlichkeit wieder herzustellen. In der Justizkommission wurde das Gesetz über die Bildung Von Losgesellschasten verhandelt. Durch dieses Gesetz soll angeblich der Prämienlosschwindel betroffen werden. Obgleich in der Kom- Mission sehr starke Bedenken erhoben wurden, ob diese Materie nicht der Reichsgesetzgebung unterliege, beschlost die Mehrheit doch, die landesgcsetzliche Regelung vorzunehmen. In der Pflichtfortbildungsschulkommission wurde be» schloffen, dast die abgelegte Gesellenprüfung nach dreijähriger Lehr- zeit vom Schulbesuch befreien soll. Das gleiche soll auch für die ousgelernten Handlungsgehilfen gelten. Die Geschäftsordnungskommission hat ihre .Reformarbeit* beendet. Es wurde beschlossen, dast auch Ver- einigungen von mindestens drei Mitgliedern auf ihren Antrag bei der Bildung der Kommissionen berücksichtigt werden sollen. Die Bestimmungen über die persönlichen Bemerkungen und über die Bemerkungen zur Geschäftsordnung wurden so geregelt, dast eS da- nach nicht mehr möglich sein soll, dast umS Wort gebrachte Mit- glieder in einer solchen Bemerkung erklären, was sie in ihrer Rede ausführen wollten. Es wurde auch für solche Bemerkungen die Wortentziehung, ohne vorherige Mahnung zur Sache, zu- gelassen. Endlich wurde ein fortschrittlicher Antrag abgelehnt, nach dem Schlustanträge nicht zugelaffen werden sollten, bevor nicht wenigstens ein Redner zur Sache gesprochen hat. Diese Möglichkeit, noch gar nicht begonnene Debatten zu schliesten, wird sich die Junker- mehrhei t unter Umständen gewist zunutze zu machen wissen. Hus der Partei. Hofprediger und Untersuchungsrichter. Eine Erinnerung aus der Zeit des SchanL, g e s e tz e s. In der kürzlich in� Verlage der Buchhandlung Vor- wärts erschienenen Schrift des Genossen Eugen Ernst- Berlin, betitelt:Polizeispitzeleien und Ausnahmegesetze 1878 bis 1910", ist eine solche Fülle von erdrückendem Material, über die Korruption der deutschen politischen Polizei im Kampfe gegen die Arbeiterbewegung zusammengetragen, dast diese wichtige Institution deschristlichen Ordnungsstaates" vor aller Welt an dem Pranger steht. Der gröstte Teil der bürgerlichen Presse freilich schweigt sich, getreu ihrer Totschweigetaktik, über das Buch des Genossen Ernst gründlich aus und macht sich dadurch indirekt zum Mit- schuldigen an dem abscheulichen Spitzelsystem mit all seiner Per- worfenheit, Tücke und Verlogenheit, das ja auch heute noch eine beliebte Waffe der Polizei im Kampfe gegen die Arbeiterbewegung «st. Einen grohen Wert hat das Buch<ü>er für die Sozialdemo- ikratie, denn der in ihm gelieferte Agitationsstoff ist ungeheuer wirksam. Kein Wunder daher, dast das Buch nicht allein in Deutschland , sondern auch in anderen Ländern Beachtung gefunden hat. Auch über den Ozean, nach Amerika , ist es gegangen. Dort iam es auch in die Hände eines Mannes, der im Buch mit als ein Opfer der deutschen Spitzelschande genannt wurde. Dieser sandte dem Genoffen Ernst ein Schreiben aus Brooklyn , in welchem er dem ihn betreffenden Vorfall eine etwas andere Lesart gibt, als sie Genoffe Ernst auf Grund seiner Informationen geben konnte. Es handelt sich um den Fall Metz low lSeite 24 und 25), der im Jahre 1880 wegenAufreizung von Soldaten zum Un- gehorsam" zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt wurde. In dem Verfahren gegen Metzkow sollte ein Gefängnisgeistlicher durch das ».Verlieren" eines vom Angeklagten an seine kranke Mutter ge- richteten Briefes dem Gericht Beweismaterial in die Hände ge- spielt haben. Metzkow selbst stellt den Vorgang im Gefängnis gu Berlin folgendermaßen dar: Meine Mutter war schon am Tage meiner Verhaftung bett- lägerig, und da geschah es, ungefähr 6 Wochen später, und als jedes Bitten meiner Geschwister und Verwandten, mich nur für eine kurze Zeit sprechen zu dürfen, vom Untersuchungsrichter Hollmann(der Briefschreiber erwähnt den Mann noch jetzt nach 30 Jahren nur mit Ausdrücken grenzenloser Erbitterung. D. Red.) ganz entschieden verweigert wurde, daß dem Domprediger Bauer, der von meiner Mutter auf dem Sterbebette darum er- sucht wurde, sofort eine Besprechung mit mir gestattet ward. Bauer hatte, ehe er zu mir geführt wurde, auf jeden Fall eine Besprechung" mit Hollmann, nach welcher der Hofprediger mich zu einerBekennung meiner Sünden" veranlassen sollte; der Kichter machte während dieser Zeit den Horcher an der Wand. Als Bauer in das Zimmer trat, in das ich aus meiner Isolierzelle geführt war. reichte er mir die Hand und sagte, meine Mutter hätte ihn gebeten, mich einmal zu besuchen, auf daß sie noch vor ihrem Tode erfahre, wie es mir gehe. Sie liege auf dem «Sterbebett und gräme sich sehr usw. usw. Das ergriff mich in.meiner damaligen Lage sehr, zumal ich meiner schon seit 10 Jahren vertvitweten Mutter in den letzten sieben Jahren als fast einziger Ernährer von meinen fünf Ge- schwiftern war nur eine Schwester älter als ich zur Seite stand zind ich begann zu weinen. Diese meine Rührung benutzte nun der Mann Gottes, um mich über meinenFall" auszufragen. In demselben Augenblick ihörten meine Tränen auf; ich sagte:Dast Sie mir. Herr Prediger, Nachricht von meiner sterbenden Mutter bringen, dafür bin ich Ihnen dankbar. Ucber alles andere aber habe ich nur mit meinem Untersuchungsrichter zu sprechen." Kaum hatte ich diese Worte gesagt, da öffnete sich schon die Tür des Zimmers und mein Untersuchungsrichter Hollmann trat ein und befahl dem ihm folgenden Gefängniswärter, mich wieder in meine Zelle zu bringen. Ich höre noch deutlich, wie er mit grober Stimme hinter mir herrief:Metzkow, Sie werden Ihre Verstocktheit zu büßen haben." Soweit die Darstellung.des Falles Metzkow durch den Haupt- beteiligten. Die Verurteilung zu zwei Jahren Gefängnis erfolgte dann auf Grund anderer Beweismittel. Die Rolle, die hier ein hervorragenderDiener der christ- tichen Nächstenliebe" und ein Mann der Justiz gespielt haben, ist säst noch trauriger als die in Genoffen Ernst's Buch dem Ge- sängnisgeistlichen zugeschriebene. Sie beweist, wie korrumpierend die in dem Buche gebrandmarkte Praxis der Ausnahmegesetze gegen die Sozialdemokratie auch auf Vertreter der bürgerlichen Intelligenz gewirkt hat und noch wirkt._ Die Organisation deS Bilbungswescns in Rheinland und Westfalen . Am Sonntag, den 7. Mai, tagte in Düffeldorf eine Konferenz deS niederrheinischen Agitationsbezirkes, die sich mit der Frage der Organisation des Bildungswesens beschäftigte. Die Konferenz war beschickt von den Parteiorganisationen, Gewerkschaftskartellen und örtlichen BildungSausschüssen. Zur Verhandlung stand das Thema: Ist die Zentral- kommission der Bildungsauschüsse für Rheinland- Westfalen für Partei und Gewerkschaften notwendig? Für das Gebiet des ober- und niederrheinischen Agitations- bezirks und das westliche Westfalen wurde im Juli 1010 eine Zen- tralkommifsion der Bildungsausschüsse aus 8 Personen mit einem Obmann an der Spitze gebildet. Als Sitz dieser Kommission, die «och durch Hinzuziehung von drei sachverständigen Genossen aus genqnnten vMtÄt Byy&i LW.de ZMMrj be­stimmt. Diese Zenlrale sollte mit Letk örtlichen Wldunasaüs- schüffen in steter Fühlung bleiben und ihnen mit Anregungen und Vermiltelung von Kunftkräften zur Hand gehen. Die Kosten für die Zentralstelle sollten durch Beiträge des Agitationskomitees, der Gewerkschaftskartelle und des Bergarbeiterverbandes prozentual der Mitgliederzahlcn der einzelnen Korporationen aufgebracht werden, pro Jahr und Mitglied% Pf.* was auch im großen und ganzen geschehen ist. Schon auf der damaligen Konferenz erklärte sich eine ziemliche Minderheit gegen eine Zentralstelle für ein so großes Gebiet. Es wurden Vorschläge gemacht auf Bildung von kleineren Bezirken mit den Städten Köln , Düsseldorf , Elber- feld und Dortmund als Vororte. Diese Vorschläge wurden damals abgelehnt. Nun hat sich der niederrheinische Parteitag in Neust im vorigen Jahre mit der Frage beschäftigt und sich für die Beibehal- tung des jetzigen Systems bis 1. Juli d. I. als Provisorium er- klärt; er hat weiter das Agitationskomitee beauftragt, in einer be- sonderen Konferenz die Frage erneut zu beraten und eventuelle Abänderungsvorschläge zu machen. Es handelt sich für die jetzige Konferenz also darum, Klarheit zu schaffen über die Fragen: Hat sich die Zentrale in ihrer jetzigen Gestalt bewährt? und: Stehen die Leistungen der Zentrale und die dafür gebrachten Opfer in einem entsprechenden Verhältnis? Nach einem ausführlichen Referat des Genossen Haberland und nach einer sehr lebhaften Diskussion, konnte folgendes Ergebnis der Aussprache konstatiert werden: Die Zentralstelle in der gegenwärtigen Form soll aufgehoben werden. Der Agitationsbezirk ist in Bezirke einzuteilen mit je einer grasten Stadt als Vorort. Auf dieser Grundlage ist eine Zentralisation im Agitationsbezirk aufzubauen zur periodischen Abhaltung von Konferenzen der Bildungsausschüsse zwecks Vera- tung allgemeiner Winterprogramme und Vermittelung von Kunst- krästen. Die Konferenz beschlost demgemäß einstimmig. Zur Ausarbeitung eines Regulativs auf dieser Grundlage wurden die Genoffen Haberland, Schotte und Saupe gewählt. Es folgte noch eine kurze Aussprache über die Frage, ob die parteiwissenschaftlichen Kurse t Rühle, Dunker usw.) von den Partei- organisationen oder den Bildungsausschüssen veranstaltet werden sollen. Das Ergebnis der Aussprache ging dahin, diese Regelung den einzelnen Wahlkreisen derart zu überlassen, dast sich die in Betracht kommenden Korporationen Parteiorganisation. Ge­werkschaftskartell und Bildungsausschust in den Kreisen darüber zu verständigen haben._ Die Maifeier in der Türkei . Genosse Parvus schreibt uns aus Konftantinopel: Noch vor drei Jahren wäre der Plan, in der Türkei eine mo- derne Maifeier abzuhalten, eine hirnverbrannte Idee: die Sache ist jetzt anders geworden. Allerdings noch voriges Jahr haben an der Maifeier in Kon­ stantinopel nur genau gezählte 15 Arbeiter teilgenommen: außerdem gab es bloß eine Zusammenkunft armenischer Studenten. Aber im Laufe eines Jahres, in aller Stille, machte der sozialistische Einigungsgedanke einen hübschen Schritt nach vorwärts. Wir besitzen setzt in Konstantinopel eine Gewerkschaft der Damenjakettschneider, die, nach einem erfolgreichen Streik den Unternehmern die Bedingung abgetrotzt hatte: Frei- gäbe des 1. Mai! Diese Gewerkschaft, die gegenwärtig 120 Personen umfaßt, bildete die Kerntruppe der Feiernden. Ihnen schloffen sich aus Einladung der allgemeinen sozialistischen Organi- fation.Ergatis", der armenischen sozialistischen ParteiDoschnak- züiun", der anderen armenischen sozialistischen FraktionHindschak" eine bedeutende Anzahl Arbeiter verschiedener Berufe und einige Dutzend Studenten an. Die Gesamtzahl der Arbeiter, die in Kon- stantinopel am 1. Mai die Arbeit niedergelegt haben, beträgt rund 500, die Zahl der Teilnehmer an der Feier v o r m i t- tags etwa 800. Wie schon aus dem obigen sich ergibt, haben die verschiedenen Organisationen sich geeinigt, um die Maifeier ge- m e l n s a in zu begehen. Der Erfolg war glänzend und wird sicher zur weiteren Einigung der jungen Bewegung beitragen. Es herrscht eine gehobene Stimmung angesichts der für hiesige Ver- Hältnisse ungewohnt grohen Zahl der Feiernden. Erfreulich war die recht rege Beteiligung der Arbeiter der Tabakregie. Diese Arbeiter haben soeben einen schweren Streik gegen die mächtige Monopolgesellschost auSgefochten. Sie haben zwar ihre Forderungen nicht durchsetzen können, aber sie sind mit Ehren aus dem Kampf getreten. Abends fanden drei Versammlungen statt, die sämtlich stark besucht waren. Noch viel erhabener war die Maifeier in SalonikißHem großen Arbeiterzentrum. Dort nahmen über 3000 Personen an dem Demonstrationszug teil. Die Demonstration wurde polizeilich genehmigt, da Saloniki nicht unter dem Ausnahmegesetz steht. Der 1. R!ai wurde außerdem in U e s k u e b und an anderen Orten gefeiert._ Das Muttermal des Herrn Benefiziate«. Gegen den verantwortlichen Redakteur desWahren Ja- c o b", Genossen H e y m a n n, schwebt außer einem vor dem Stutt- garter Schtvurgericht anhängigen Prozeß wegen der Verbreitung angeblich unzüchtiger Bilder in der sogenannten Katholikentags- nummer, der jüngst wegen der Immunität des Angeklagten als Mitglied des württembergischen Landtags vertagt werden mußte, noch ein zweiter Prozeß wegen Beleidigung des Benefi- ziaten Gretzmann in Ganacker . Die Verhandlung in diesem Prozeß ist nunmehr auf den 24. Mai anberaumt worden und findet vor dem Schöffengericht in Landau a. Isar statt. Da es sich um eine außerhalb Württembergs anhängig gemachte Privatklage handelt, ist die auf der württembergischen Verfassung beruhende Immunität des Angeklagten hier unwirksam. Das Vergehen des Angeklagten besteht in der Veröffentlichung eines GedichtesDas Muttermal", in dem jener Schönheitsfehler des. Herrn Benesi- ziaten, der sich an einem intimen Körperteil befindet, und dessen Vorhandensein sogar schon gerichtlich festgestellt worden ist, eine poetische Würdigung gefunden hat. Mitangeklagt sind zwei Re- d a k t e u r e derM ü n ch e n e r Post", die Genossen G r u b e r und Krätzsch, sowie Fräulein Lina Grubauer, die frühere Haushälterin des Benefiziaten, durch deren Indiskretion die schnöde Welt Kunde von seiner heimlichen Eigenschaft erhalten hat. Die Verhandlung wird zweifellos sehr interessant werden. Hus Industrie und Randel* Steigende Roggeupreise. Auf einmal sollen die in Deutschland vorhandenen Roggen- Vorräte nicht mehr bis zur neuen Ernte ausreichen. Nach einer Version ist die Knappheit an Ware auf merkwürdige Weise zustande gekommen. Von den recht reichlichen Andienungen am Berliner Markt haben die Eigner einen Teil zurückgenommen, weil sie sich vorteilhaftere Verwertung in der Provinz versprachen. Daraufhin schritten die Leerverläuser zu plötzlichen Deckungen und trieben die Preise für Mai ganz erheblich in die Höhe. Wenn dieser Vorgang richtig wiedergegeben ist, dann ist die ganze Hausse am Roggen- markt ein recht artiges Spekulationsmanöver, aber in dem wirklichen Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage nicht begründet. Der Getreidehandel folgt der jetzigen haussierenden Strömung leider nur zu schnell und leicht. Wie die R o g g e n p r e i s e sich in aller- jüngster Zeit entwickelt haben, das zeigen folgende Berliner Notie- rungen für Mailieferung: 1. Mai 2. Mai 3. Mai 4. Mai 5. Mai S. Mai 8. Mai 162,50 165.75 168,75 170.00 172,00 172,50 169,00 Vom 1. bis 6. Mai ist die Notierung für die Tonne um 10 M. gestiegen; der 8. Mai hat eine Abschwächung gebracht, die aber an- gesichts der gegenwärtigen Stimmungsberichte kaum anhalten dürste._ Eine Anleihetragödie. Bor einiger Zeit hatte eine englische GMschost- dv AMwwlJtitftfäMllt TM. in EnglWd Wd auch ig Deutschland eine bulgarische Anleihe im Gesamtbetrage von einigen Millionen Mark zur Zeichnung aufgelegt. Die Anleihe hatte zwar einige Verwunderung hervorgerufen, doch wurde die Allgemeinheit eigentlich erst auf sie aufmerksam, als bekannt wurde, daß die bulgarische Regierung den Gegenwert der Anleihe nicht erhalten habe. Der National Investment Trust weigerte sich, die Summe abzuführen. Hinter diesem stak ein Herr Hugo Löwy, ein auch in Deutschland unrühmlich bekannter Finanzier. Es zeugt für seine finanzielle Geschicklichkeit, daß er auch die bulgarische Regierung hineinzulegen verstanden hat. Die bulgarische Negierung hat immer einige Schwierigkeiten mit der Deckung ihres Geldbedarfes gehabt. Sie hat zwar vor zwei Jahren eine größere Anleihe aus- genommen, der jedoch die Notierung in Berlin und den anderen deutschen Plätzen versagt wurde, iveil sie keine besondere Spezial« sicherheit besaß. Bulgarien war als neues Zartum zu stolz, sich eine Verpfändung für seine Anleihen gefallen zu lassen und versuchte es einmal auf eine andere Weise. Dabei geriet es Herrn Löwy in die Hände. Nun hat die bulgarische Negierung offiziell erklären lassen, daß sie die Anleihe annullieren werde; gewiß ein einfacher Weg, mit dem sie aber ihren Emissionskredit untergraben würde. Gewinne im Bergbau. Eifrig haben die Führer deSGewerkvereinS christlicher Berg- leute", um ihre Nichtbeteiligung an der Lohnbewegung zu beschönigen, alle Nachrichten gesammelt und publiziert, die auf eine ungünstige Konjunktur schließen lassen können. Die Zechenbesitzer haben dann mit diesemchristlichen" Material die Lohnforderung der Bergleute bekämpft, ja, es den vorstellig werdenden Arbeiterausschüssen sogar direkt vorgelegt.Was wollt Ihr denn?" Die Gewerkvereins- leilung selber versichert doch, wir könnten die Löhne nicht entsprechend den allerdings sehr gestiegenen Lebensmittelpreisen auf- bessern." So sprachen verschiedene Betriebsleiter zu den Arbeiter- ausschüssen. Damit waren diese abgewiesen! Wie unverantwortlich die zentrumschristliche GewerkvereinSleiwng die Arbeiterinterefjen mit Füßen getreten hat, ergibt sich nun selbst für einen Blinden aus den neuesten Quartalsabrechnungen der Ruhr- zechen. Nach einer Aufstellung der»Bergwerkszeitung hatten lieber- schüsse im ersten Quartal: Die meisten Zechen konnten also ihre Ueberschiisse bedeutend er- höhen, und wo es nicht geschah, da waren lokale Hindernisse. z. B. Betriebsstörungen und umfangreichere Neubauten, die Ursache. Kaltblütig dursten die Zechenbesitzer die Lohnforderung der Berg- leute ablehnen, stand doch die zentrumschristliche GewerkvereinS- führerschaft bereit,im Notsalle" den Unternehmern mit Streikbruch- Proklamationen zu Hilfe zu eilen. Wie lange wollen sich die Berg- arbeiter dieses frivole Spiel mit ihren Lebensinteressen Noch ruhig gefallen lassen?_ Hus der frauenbewegung« Unverantwortliche Mütter? Als unser Genosse David am Montag im Reichstage für au?« reichenden Mutterschutz eintrat, tönte aus dem schwarzen Chor der Ruf:Die Mütter wollen nicht stillen!" Das war wieder mal ein echt zentrümliches Heldenstückchen. Der Ausruf verrät die Gemütsroheit der Patentchristen. Gerade sie wissen ganz genau, daß die gierige, von keinem Menschlichkeitsgefühl an- gekränkelte Profitsucht, die wilde, zügellose Gewinnhascherei in Tausenden und Abertausenden von Fällen den proletarischen Müttern die Erfüllung der heiligsten Mutterpflichten verwehrt. Der frech- zynische AuSruf zielte nämlich auf proletarische Mütter. Genosse David sprach nicht für die Damen von Berlin IV., die im Winter nach Italien und im Sommer nach dem Norden reisen, um sich zu amüsieren. Die brauchen keine Stillprämien und Wöchnerinnenunter« stützung. Das wissen die schwarzen Edelinenschen ganz genau. Ihr Hohn galt daher zweifellos den arbeitenden Müttern. Und wer in Deutsch - land Umschau hält, wird finden, daß gerade in Zentrumsdomänen die proletarischen Mütter durch das verwüstende Kapital von dem Stillen ihrer Kinder abgehalten werden. In der rheinisch-westfäli- scheu Textilindustrie müssen sehr viel Mütter von morgens früh bis in den Abend hinein in der Fabrik schanzen. Sie sind gezwungen, ihre Kleinen als Ziehkinder den fremden Leuten zu geben. Katholi- schen so wenig als heidnischen Unternehmern fällt eS ein. Still- stubcn zu unterhalten, oder gar die Männer so zu entlohnen, daß die Frau und Mutter zu Hause bleiben kann. Und wie sieht es im katholischen Schlesien aus. wo Zentrumsgrafen das Szepter führen? Die elende Entlohnung der Münncr zwingt die Frauen im Bergbau und Hüttenbetrieb ein paar Groschen zu verdienen. Bei der ruinösen Arbeit versiegt die lebenspendende Kraft gar bald, und wo die physische Fähigkeit zum Stillen noch vorhanden ist, da fehlt eS an Zeit und Gelegenheit, den Säuglingen die Mutterbrust zu reichen. Da be- kommt das Kind den mordenden Leinenlutschpropfen, oft sogar mit Schnaps getränkt, damit die abgerackerte, unwissende Mutter mit der verdorrten Brust etwas schlafen kann, denn am frühen Morgen treibt das Kapital sie wieder in die Tretmühle der Arbeit. Solche Zu« stände passieren in Zentrumsdomäncn, und da wagen die von Frömmigkeit träufelnden Plünderdiener über die armen Mütter zu höhnen und zu spotten. Wann endlich erwacht das Voll und jagt die Pharisäergesellschaft zum Tempel hinaus I Die FrauenstiuimrechtSvorlage im englischen Parlament, die jeder Inhaberin eines selbständigen Haushalts, un» gefähr einer Million Personen daS Wahlrecht verleiht, ist, unterstützt von Angehörigen aller Parteien, im Hause der Gemeinen in zweiter Lesung mit 255 gegen 83 Stimmen, also fast Dreiviertelmehrheit angenommen worden. Bon der Arbeiterpartei wurde sie warm befürwortet von Lansbury, der die barbarischen Wir- klingen des jetzigen ZustandeS zum Beispiel in der Ehcgesetzgebung betonte und den Unsinn darlegte, daß zum Beispiel die weitaus bc> deutendsten Mitglieder der Armengesetzkommission(Frau Bosanquet und Beatrice Webb ) über ihre Vorschläge nicht mitstimmen können. Einen kritischeren Standpunkt vertrat Henderson. Er betonte, daß nur ein kleiner Teil der Frauen das Recht erhalten solle und durch die Möglichkeit der Grundbesitzübertragung auf Familienmitglieder doch eine Bevorzugung der Besitzenden möglich sei. Leseabende. Mariendorf . DtzWiMg. h£0 Ui Mffi. 8 Uhr, hji LMS , ÄSffig, ittsb? 14,>