Nr. 192.
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Vorwärts
10. Jahrg.
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Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.
Die Vernachlässigung der Gewerkschafts- Bewegung.
Ein Abgeordneter, den wir als einen trefflichen Prattiker der Gewerkschaftsbewegung schäßen, schreibt uns:
Donnerstag, den 17. August 1893. Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.
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manche berechtigte Wünsche nicht erfüllt werden können. Geld. Dann könnte mancher Genosse ohne Schaden an Die gewerkschaftliche Bewegung fordert ferner große per seinem Geldbeutel zu leiden, ganz der Gewerkschaftssönliche Opfer neben den Geldopfern. Die Gewerkschaft organisation angehören, was ihm heute bei den vielen verlangt von den Mitgliedern, daß sie vermöge ihres Vereinen und Vereinchen fast unmöglich ist. Und Solidaritätsgefühls ihre ganze Persönlichkeit bei allen Lohn was das Schlimmere, er denkt an die Gewerkschaft oft tämpfen u. f. w. einsetzen, während die politische Bewegung zuletzt oder berücksichtigt sie garnicht. Eine einheitliche ge= Der Vorwärts" hat schon vor kurzem( Nr. 172) gegen mit der Abgabe des Stimmzettels und dem Darreichen schlossene Organisation ist sowohl in politischer, wie in geden Vorwurf, als ob die Partei die Gewerkschafts- Organi- eines Obulus für den Parteifonds wenn auch nicht zu- werkschaftlicher Hinsicht von Nutzen und trägt zur Stärkung sation vernachlässige, sich entschieden verwahrt. Wir haben frieden ist, aber sich sehr oft genügen lassen muß. Die der Partei bei. Man möge aber auch nicht die vielen Versammlungen auseinandergesetzt, daß von einer solchen Absicht gar keine politische Partei zeigt vor allem nach außen ihre Stärke, Rede sein könne. Die Partei hat auf allen ihren Kongressen, die weniger in der strengen Organisation, als in der Zahl allzu sehr überschäzen. Die Versammlungen sind für die Agitation unentbehrlich. Manche Genossen glauben aber, so in Halle, in Berlin , eingehend ihren Standpunkt klar- derer liegt, die ihren Grundsähen huldigen. gelegt. Sie hat der Gewerkschafts- Bewegung die gleiche Auch ein Vergleich der politischen Organisationen mit wenn sie alle Tage eine Versammlung einberufen, der Stellung eingeräumt, wie der politischen. Und so beruhen den gewerkschaftlichen fällt immer zu gunsten der letzteren Partei einen großen Dienst zu leisten. Auch hier muß man denn auch alle Vorwürfe nicht auf Thatsachen, sondern sie aus, besonders gilt dies von Berlin , wo die Wahl- Maß und Ziel halten. Allzuviel Versammlungen ermüden sind der Ausfluß einer sehr begreiflichen Unzufriedenheit vereine verhältnißmäßig eine sehr schwache Mitgliederzahl und verlieren gerade ihre agitatorische Kraft, weil die Arbeiter nicht jeden Abend zur Versammlung gehen können. über die heutige Stellung der Gewerkschaften, die Partei aufweisen. aber soll als Prügelknabe herhalten. Hier träfe auch mit ebenso viel Recht die Be- Wir wiederholen: daß die Gewerkschaften manche Wenn heute behauptet wird, die politische Partei ver- hauptung zu, daß die Genossen, die sich an der Ge- Schwächen zeigen, liegt nicht daran, daß die Partei sie nachlässige die gewerkschaftliche Bewegung, so zeugt dies nur wertschafts- Bewegung betheiligen, nicht alle den Wahl- vernachlässigt, sondern ist in den Verhältnissen begründet. von der Unkenntniß, die in bestimmten Kreisen herrscht über vereinen angehören. Wir wollen dies aber niemand Nicht zum mindesten verschulden es die Genossen selbst die Ursachen der Schwächen dieser Bewegung. zum Vorwurf machen. Wer seine ganze Kraft der Gewerk- durch ihren Organisationsstreit. Für die Partei wäre es Es ist klar, daß die Gewerkschaften nur bei einer schaftsbewegung widmet, findet nicht die Zeit, mit gleichem aber geradezu Selbstmord, sähe sie scheel auf die Gewerks äußerst guten Organisation in Zeiten wirthschaftlichen Nieder- Eifer sich der Politik hinzugeben. Wir wissen aber, daß, schaftsbewegung; denn diese erfüllt vor allem die Aufgabe, ganges etwas erreichen können. Da wir aber, was niemand sobald die Partei alle Kräfte gebraucht, wie das die Wahlen die Schaar unserer Kämpfer schlagfertig zu halten. Eine Arbeiterklasse, deren wirthschaftliche Daseinsbedingungen bestreiten wird, nur sehr wenige gute Organisationen haben, jedesmal zeigen, dann alle Mann zur Stelle sind. und die letzten Jahre eine faft ununterbrochene Periode des Ferner tritt dazu als ein nicht zu unterschätzender Grund sehr niedrig sind, kann nicht die zähe, widerstandsfähige wirthschaftlichen Rückgangs sind, so weist natürlich die Ge- für unsere Schwäche das Organisationsfieber der Genossen. Kämpferin für ihre Rechte sein. Deshalb erfüllt die schichte dieser Zeit eine Reihe von Miserfolgen der Gewerk- Der nie endende Streit über Organisationsformen, der nicht Gewerkschaftsbewegung eine nicht zu unterschäßende Aufschafts- Bewegung auf. So fommt es, daß gar mancher den selten gehäffig geführte Kampf, die kleinliche Rechthaberei, gabe; würde dies verkannt, so trüge die gesammte ArbeiterOrganisationen den Rücken kehrt. Die Häufigkeit der Nieder- Eigenschaften, die eine Organisation verderben oder sie doch bewegung den Schaden. lagen entmuthigten viele frühere Mitglieder und ließen sie schwächen, kommen in Betracht. Wenn die Genossen, anstatt an dem Werth der Organisation zweifeln. Die Arbeiter sind über" Vorwärts" und Parteileitung zu schelten, sich einigten nicht alle Leute, die mit den Verhältnissen hinreichend ver- und geschlossen, ohne sich zu zersplittern, wie dies gerade traut wären, um dennoch fest zur Gewerkschaft zu halten. in Berlin der Fall ist, vorgingen, wäre mehr erreicht, als Ein geringer wirthschaftlicher Aufschwung, und unsere durch fruchtlose Streitigkeiten. Aber es scheint fast im gewerkschaftlichen Organisationen find wieder neu gestärkt. Hinblick auf die Gewerkschaftsbewegung in Berlin , daß Dank der langen Arbeitslosigkeit sind viele nicht im stande, einige Genossen glauben, sie könnten der Sache keinen ihre Beiträge zu zahlen. Sie mögen sich zu einer neuen Aufnahme nicht bequemen. Mancher schämt sich auch, fich aufs neue aufnehmen zu lassen und tritt still zurück. Dann sind aber auch die Opfer, die heute die Arbeiterbewegung fordert, sehr groß geworden. Machen wir uns dies einmal klar!
größeren Dienst erweisen, als wenn sie fortwährend über zentrale oder lokale Organisation sich unterhalten.
Nicht minder ist ein ernftes Wort in Sachen der politischen Vereinsbildung zu sprechen, die gleichfalls nur unsere Kräfte zersplittert. Auch diesem Organisationscifer sollten die Zügel angelegt werden.
Der deutsche Michel kann getrost sein, er muß nicht blos für das Landheer bluten. Auch die Marine tritt mit neuen Forderungen an die Steuerzahler heran. In einer offiziösen Zeitungs- Korrespondenz liest man u. a., daß nach dem ursprünglichen Plan für 1894/95 eigentlich nur noch 4,7 Millionen" hätten aufgebracht werden sollen, Unser arg zersplittertes Vereinswesen stellt heute AuforWeshalb haben wir in Berlin die vielen Diskutirklubs daß dieser Betrag aber nicht ausreiche, vielmehr eine lange derungen, die beim besten Willen kein Arbeiter ganz erfüllen und Vereine für Landsmannschaften? Diese Zwecke können Reihe von Forderungen aus der dem Marinetann. Der durchgängig geringe Verdienst gestattet es ihm auch im Wahlverein verfolgt werden. Haben die Genossen etat für 1889/90 beigegebenen Denkschrift, die im Etat für in der Regel nicht, zwei oder gar mehreren Vereinen zu ein Bedürfniß, im engeren Kreise zu diskutiren und Vor- 1894/95 schwerlich abschließen werde, noch ausstehe. So gleich anzugehören. Was wird aber heute von ihm nicht lesungen zu halten, so mögen die Wahlvereine, die besser fügt sich in der Kette der Lasten Glied an Glied. verlangt? Er soll Mitglied des Wahlvereins, der Gewerk- jetzt einen anderen Namen annehmen könnten, Borlesungsschaft, des Diskutirklubs, der Landsmannschaften, des Sänger- und Diskutirabende veranstalten. Geht es ohne Landsbundes, der Arbeiterbildungsschule, der Freien Volts- mannschaften nicht, so möge man Sektionen in den Verbühne u. s. w. sein. Dazu kommen Beiträge für die einen bilden, so wird auch diesem Wunsche Rechnung Krankenkasse , für die Invalidenkasse, für den Streit getragen werden. Bildete sich das Vereinswesen auf diese fonds, für den Parteifonds. Hieraus erhellt schon, daß Art aus, so ersparte man viel Lauferei, viel Zeit, viel
Feuillefont.
Macbrua verboten.]
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Die Bekehrung André Savenay's.
Sozialistischer Roman von Georges Renard.
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Ueber das Begräbniß des Soldaten Schröder, über dessen Schicksal unser gestriger Leitartikel berichtete, wird uns geschrieben:
,, Als die Zeit der Beerdigung herannahte, rückten 8 Mann, geführt von einem Unteroffizier, an, hoben die Leiche auf eine
System im Verscheiden ist. Ich bin ferner der Meinung, wird die Thätigkeit fieberhaft. Es ist ein beständiges Ausdaß wenn man, anstatt über Männer abzustimmen, auch und Eingehen. Da kommen Wähler, Maheu und Komüber Dinge abstimmte was zweifellos stattfinden wird, pagnie, Zeitungsausträger, Platatankleber, Stimmzettelsobald das Volt politisch geschult ist, daß dann das Vertheiler, alles drängt und stößt sich. Und überall im Votum der Wähler deutlicher und wesentlich verschieden ganzen Arrondissement, an Mauern, Thüren, Bäumen, sein wird von dem, was es gegenwärtig ist. Felsen sieht man grüne, gelbe, blaue und rothe Zettel, auf denen man in ungeheuren Lettern lieft:
De Serenoize, Kandidat der honneten ( achtbaren) Leute."
" Philippeaux, Kandidat der wahren
Republik."
Am 13. September. Ein schwerer Kampf findet gegenwärtig in dem Herzen des Herrn von Serenoize statt, ein Kampf zwischen seinem Geld- und seinem Ehrgeiz. Die Rechnungen häufen sich immer mehr. Maheu hat feierlich erklärt, daß er sich, wenn ihm nicht ein neuer Kredit von Autorisirte Uebersehung von Marie Kunert . 25 000 Frants bewilligt würde, nicht mehr damit be Was würdet Ihr sagen, Vater Jean, wenn man fassen könne, den Sieg zu organisireu". Als Grund von Euch den Vorschlag machte: Ihr sollt fortan nur fünf hierfür hat er angegeben, daß Philippeaux sich wie ein Frants Steuern bezahlen, aber der Besitzer dieses Parkes, moderner Jupiter in einen Goldregen verwandle. Herr der 200 000 Livres Rente besitzt, müßte anstatt 1000 Frants von Serenoize hat darob gefeufzt, eine Grimasse geschnitten zehntausend bezahlen. Dann könnte er immer noch und einen neuen Aderlaß bewilligt. Ich habe schon 190 000 Frants im Jahre ausgeben. Das ist eine hübsche 80 000 Franks ausgegeben," sagte er zu mir. Aber PhiSumme, und er wird dabei nicht allzu sehr zu bedauern lippeaux soll die 100 000 schon überschritten haben." sein! Findet Ihr nicht auch, daß es gerade kein Unglück D, Ihr mittellosen Kandidaten, versucht es doch, gegen wäre, wenn die Armen weniger arm und die Reichen weniger Konkurrenten zu kämpfen, die soviel Verdienst in ihren reich wären?" Geldkassen haben!
„ Ach, Herr, das wäre zu schön! Aber warum machen Sie mir erst den Mund wässerig?"
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Am 15. September. Noch acht Tage! Wir sind alle gerüstet! Meine Feder und meine Beine jagen unauf " Um nichts, Vater Jean, ich wollte nur wissen, wie hörlich. Ich habe keine Zeit mehr, um dem Tagebuch zu Ihr darüber denkt." beichten, nicht einmal Zeit zum Nachdenken. Vielleicht ist Ich mußte lachen und verließ den braven Mann, den es auch am besten so...... Hier immer dieselben ekelmeine Fragen zu beunruhigen schienen. Dennoch ahnte er erregenden Dinge, in Paris immer dieselben Sorgen! Gernicht, daß er soeben zwei Artikel desselben sozialistischen maine soll immer schwächer werden, wie mir geschrieben Programms, das er verabscheute, gebilligt hatte: Alters- wird. Wann werde ich endlich dort sein können, wo mein rentenkassen und die progressive Steuer. Herz ist? Am 19. September. Die letzten Anordnungen Ich bin der Meinung, daß an dem Tage, wo die Bauern und die Arbeiter sich verstehen, das bürgerliche für die eigentliche Schlacht werden getroffen. Im Schlosse
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Und ganz, ganz unten auf einem rothen Zettel, der einem gegnerischen Plakat halb bedeckt ist:
" Jaques Denis, Kandidat der Gozialisten."
Jacques Denis kommt entschieden garnicht in bes tracht. Der Kampf konzentrirt sich zwischen den beiden Millionären.
Am 21. September. Herr von Serenoize and der Präsident seines Komitees haben mysteriöse Zusammenfünfte mit Maheu und seinen Sektionshäuptlingen Danach kommt regelmäßig einer nach dem andsen von dieser Leuten zu mir mit Bous , die vom Präsidenten unterzeichnet sind. Auf jedem steht: Bon auf zu meinen Gunsten geleistete Arbeit. Die Summen sind verschieden: 115 Frants, 85 Frants, 350 Frants, 220 Franks, immer aber find sie ein Vielfaches von fünf. Ich weiß nicht, was das heißen soll und frage mich, vas für Dienste sie wohl dem Herrn Präsidenten geleistet Inben können. Einer dieser ehrenwerthen Makler, dem ich 120 Franks auszahle, be schwert sich:„ Das ist ein Frithum," sagt er,, 130 Frants muß ich bekommen." Und dabei zieht er ein großes Packet Wählerlisten heraus, die er durchblättert und zählt, wobei