Donau hinunter nach Wien usw. geschickt wurden. Da wurdein den 90et Jahren gegenüber Oesterreich ein Zoll auf Stein-metz arbeiten bei uns durchgesetzt. Oesterreich hat dann seiner-seits ebenfalls einen solchen Zoll eingeführt, und die Folge ist ge-Wesen, daß heute die ganze dortige Industrie ruiniert ist.(Hört!hört! bei den Sozialdemokraten.) Nach Wien sind damals 200 Zentnerzu 2ö M. gefahren, heute kosten fie nach Leipzig 90 M. undnach Berlin 100 M. Unsere bayerischen Landsleutehaben die Sache aufgeben muffen und find dort, wo dieIndustrie neu entstanden ist, größtenteils als Lehr-meister hingegangen, denn wir hatten dort eine prächfigeSchule für Steinmetzen, deren Schüler überall gesucht waren.(Hört!hört! bei den Sozialdemokraten.) Herr Speck verwies auf eineZuschrift, die ihm geworden ist. Nun, wir haben wohl alle Zu-schristen von Steinbruchbcfitzern bekommen, aber wer fie sich ansieht.wird sich darüber klar sein, daß man ihnen nicht ohne weiteresglauben kann.(Sehr richtig! iinks.) Wer die Dinge kennt,wird wissen, daß, wenn eine Konkurrenz für unseren Handel aufdiesem Gebiete schädlich ist, es vielmehrdie schmutzige Jnnenkonkurrenzist. Der Zorn, die Aufschneiderei, die Phantasie der Steinwerks-bcsitzer treibt die sonderbarsten Blüten. In dem Orte Mayengibt es eine sehr blühende Steinindustrie, fie liefert nach allen Seitenihre Hartsteine. Aber sobald nun irgend ein anderer SteinbezirkDeutschlands nach Mayen Steine liefert, fangen diese Herren einfurchtbares Geschrei an. Es sollte dort eine neue katholische Kirchegebaut werden, deren Pfeiler aus Sandstein hergestellt werden sollten.Da erschien nun ein Flugblatt, in dem es heißt:„Die Volksseelewird aufgeregt, wenn irgend eine Nichtberückfichtigung sichzeigt... mögen darum diejenigen, die dazu berufen sind, doch auchhier mit dem Menschenherzen rechnen, vorbeugen der Unzufrieden-heit, dem Unwillen gerade am heiligen Orte, damit nicht stattGebete— der Gedankenstrich soll wohl bedeuten Flüche oder soetwas ähnliches,„emporsteigen."(Hört! hört! bei den Sozial-demokraten.) Alles das bloß, weil die Leute ihre H a r t st e i n enicht verkaufen. Und nun kommt das beste:„Und im stille»Golteshause, stimmt da nicht der dunkle Ton des Steinesgleichsam mit zur Andacht? Die ewige Haltbarkeitunserer Steine, ist fie nicht ein Bild der ewigen Wahr-heiten?(Große Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.) Sandsteinund Lava— Modernismus und alte Wahrheit, fo möchten wirrufen: Was wollt Ihr?"(Erneute große Heiterkeit links.)Der Mann ist zweifeUos Geschäftskatholik, der Zentrumschrist,der das geschrieben hat.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.Unruh« im Zentrum.) Leuten, die im Geschäft so viel Phantasieausbringen, sollte man doch nicht ohne weiteres glauben.Was die Arbeiter der Steinindustrie betrifft, so denken fieganz wesentlich anders als die Unternehmer. Gewiß mages noch Arbeiter geben, namentlich solche, die nichts von einerOrganisation wissen, die ein lokale s_St äseblatt lesen, die dameinen, die Einfuhr der schwedischen Steine verschulde ihre Lage.Wenn einem solchen Arbeiter, dessen Horizont noch eng ist, der Arbeit-geber sagt, hier find Petitionen, die gegen die freie Einfuhr derschwedischen Pflastersteine gerichtet sind; wenn diese Petition nichtErfolg hat. muß ich noch weniger Lohn zahlen als ftüher— dannist es erklärlich, daß der Arbeiter, der nicht viel davon versteht, d i ePetition unterschreiben wird.(Sehr richtig l bei denSozialdemokraten.)Aber die Organisation der Steinarbeiter, die große ausgebreiteteOrganisation, welche die Arbeiter der größten und besten Werke insich schließt, stellt sich auf einen absolut anderen Stand-punkt, der fich vollkommen mit dem unsrigen deckt. Diese Arbeiterverlangen in allererster Linie, daß niedrige Eisenbahn-frachten eingeführt, daß keine Schiffahrtsabgabengeschaffen werden.(Hört! hört!) Sodann verlangen fie. daß einbefferer rationeller Betrieb eingeführt wird. Endlich fordern fieeinen Tarifvertrag. Gegenwärtig find die Löhne der Ardeiterin der Steinindustrie so gedrückt, wie kaum irgend wo anders. Dasfind die wirklichen Forderungen der Steinarbeiter.Der uns vorgelegte Bertraa ist schlecht. Lb« ei» Zollkriegwäre auf alle Fälle noch viel schlechter.Wir wollen den Zollkrieg nicht«nd suchen ihn auf jede Weise zu vermeiden feiner wirtschaftlichenund politischen Folgen für beide Teile wegen. Die Fortsetzungdes fteundlichen Verhältnisses zu dem schwedischen Brudervolkwolle» wir miter keinen Umständen stören laffen. Deswegenkann ich schon jetzt ganz unabhängig von den Kommissions-Verhandlungen sagen, daß wir trotzdem und alledem demBertrage unsere Zustimmung geben werden. Wir fordern aber,daß wir aus ähnlichen unerhörten Lagen, wie der beim Abschlußdes schwedischen Vertrages, endlich herauskommen. Wirwollen in eine solch« schädliche und unwürdige Zwangslage nichtmehr kommen. Nordamerika hat bereits den ersten Schrittgetan zum Abbau deS Hochschutzzollsystems.(Sehrwahr! links.) Das kann auch auf uns nicht ohne Einfluß bleiben.ES ist die höchste Zeit, daß auch Deutschland fich von dem Wegede» sich gegenseitigen Absperren» der Nationen abkehrt und dahinwirk», daß Europa wieder zu einem vernünftigen Systen,des Güteraustausches gelangt.(Lebhafter Beifall beiden Sozialdemokraten.)Die Beratung des schwedischen Handelsvertrages wird hieraufzunächst unterbrochen und die letzte noch ausstehende namentlicheAbstimmung zurReichSversicherungsordnung vorgenommen.§ 1341 wird in der KommisfionSfaffung entgegen dem sozialdemokratischen Antrag auf Wiederherstellung der Regierungsvorlagemit 134 gegen Sä Stimmen bei einer Stimmenthaltung an-genommen.Damit ist das Einspruchsrecht derAuffichtSbehörde gegen-über den Aufwendungen der Landesversicherungsanstalten für dasHeilverfahren beträchtlich ausgedehnt.Präsident Graf Schwerin-Löwitz: Wir alle haben von demfiirchtbaren Unglück, das die französische Regierung betroffen bat.gebört(die Abgeordneten erheben sich von den Plätzen). Durch denAbsturz eines Aeroplans ist der französische Herr Kriegs-minister getötet find der ftanzösische Herr Minister-Präsident schwer verwundet worden. Ich bin über-zeugt, in Ihrer aller Sinne zu handeln, wenn ich unsere innigsteTeilnahme und zugleich unsere herzlichsten Wünsche auf Wieder-Herstellung des Ministerpräsidenten zum Ausdruck bringe.(Lebhafteallseitige Zustimmung.)Die Beratung des schwedischenHandelsvertragsWird fortgesetzt.Abg. Dr. Rösicke(k.): Wir fragen uns: was kostet unsder Vertrag? und richten danach unsere Stellungnahme ein.Die Bestimmung, daß unsere HandlungSreisenden in Schweden mitgewissen Abgaben belastet werden, ist eine indirekte Zoll-e r b ö b u n g. Ich würde empfehlen, daß wir gleiche Abgaben auchden scbwedischen Handluiigsreiieuden in Deutschland auferlegen. DieSchädigung unserer Pflasiersteinindustrie durch die Zollfreideit derschwedischen Steine sollte ausgeglichen werde» durch eine Erhöhungd e r E i n b a h n f r a ch t e u f ü r s ch w e d i s ch e Steine. Ichmeine, es hätte bei den Vertragsverhandlungen doch mehr für unserreicht werden können. Der erste Fehler war. daß unsereRegierung wartete, bis Schweden seine Waffen in zollpolitischerHinficht geschliffen hatte. Die deutschen Unterhändler trugen vonvornherein dem neuen schwedischen Zolltarif Rechnung, anstatt zuverlangen, daß Schweden aus unseren Zolltarif Rückficht nehme.Es ist nicht zu billigen, wenn in solchen Dingen von vornherein derStaudpunkt des Gegners als richtig anerkannt wird. Die AbsichtSchwedens ist ja, seine Industrie zu fördern. Wir halten es aberfür die wichtigste Aufgabe der Gesetzgebung, unserer Industrie auchden Markt im Jnlande zu erhalten. Meine Freunde halten es fürwünschenswert, über verschiedene Punkte noch Aufklärung inder Kommission zu erlangen. Wir werden dem Antrag aufEinsetzung«wer Kommission zustimmen.(Beifall rechts.)Mg. Dr. Stresemann(natl.): Meifie Frsunde stimmen derEinsetzung einer Kommission zu. Dürt Werder: wir auf Einzel-heiten näher eingehen. Mit großer Biefriedsgung können wirkonstatieren, daß bei der Vorbsreitinig dieses HiandelSbertrages dieRegierung eine inlenstve Fühlung mit allen beteiligten Kreisen ge-nommen hat, wie sie früher nicht zu verzeichnen war. Die scharfe,aber berechtigte Krink an der Vorbereitung des portugiesische» Handelsvertrages hat hier wohl bessernd gewirkt. Es wäre Wünschens-wert, wenn wir näheres Über die Verhandlungenerfahren könnten. Wir im Reichstag sind ja eigentlich vielweniger ausschlaggebend für die AuSgesnaltung eines Handels-Vertrages als der Wirtschaftliche Ausschuß.(Sehr richtig!) Esgehl eine Schutzzollwelle durch die ganze Welt.Wir sehen im Ausland, daß, je kleiner ein Land und je geringerseine Produktion ist, eS um fo mehr mit dem Schutzzoll-gedanken experimentiert und mit so exorbitanten Schutz-zollen kommt, wie es Schweden uns gegenüber mitseinem Zolltarif getan hat. Wenn mau sieht, daßein solches Schutzzollsystem aufgebaut wirdzu dem ganz bestimmten Zweck, dem Auslandgegenüber etwas zu erreichen, dann sollte man sich da-durch nicht bluffen lassen, dann sollte man sich auch den vom Ab-geordneten v. Volkmar mit Recht hervorgehobenen Gesichtspunktvor Augen halten, daß wir nicht nur Produktionsland, sondernKonsumtionsland find. Ich halte es ftir ausgeschlossen, daßSchweden die Drohung mit dem Aussuhrzoll für seine Eisenerze jemalsverwirklicht hätte, denn es ist auf deren Ausfuhr angewiesen. Der großeBedarf unserer Industrie an Eisenerzen sollte den Staatssekretäraber veranlassen, darauf Bedacht zu nehmen, daß die Interessenunserer Industrie an den Eisenerzen Marokkos gewahrt werden.Als Ausgleich für die Schädigung unserer Pflasiersteinindustrie sollteihr ein billigerer E i s e n b a h n ta r i s gewährt werden. EinTeil meiner Freunde macht davon die Zustimmung zumVertrage abhängig. Wir werden erst in der zweiten Lesungunsere Entscheidung treffen.(Beifall bei den Nationalliberaleu.)Abg. Leser(Vp.): Der Vertrag wird eingeleitet durch die Be-merkung. er solle die Beziehungen zwischen Schweden und Deutsch-land erleichtern und vermehren. Es ist eine melancholische undfreudlose Beschäftigung, nach diesem Leitmotiv den Vertrag zustudieren, demr er hat nur die Wirkung, die Beziehungenzu erschweren und zu vermindern.(Sehr richtig!links.) Dieses beklagenswerte Ergebnis ist nicht verwunder-lich. Es ist die logische und notwendige Konsequenz desZolltarifs von 1902.(Lebhafte Zustimmung links.) Die Wer-antworlung für den Mißerfolg tragen also die Parteien, diediesem Zolltarif zugestimmt haben.(Sehr richtig!links.) Bei Handelsverträgen wird jetzt so verfahren, daß keiner derUnterhändler Konzessionen machen will. Wer eine großzügigeHandelspolitik macheu wollte, würde fürchten, daß er nachhermit ungenießbaren Viltnalien oder schwedischen Vflaster-steinen beworfen würde.(Heiterkeit.) Der vorliegende Pertragzeigt die ungünstigen Wirkungen dieser Art des Verhondelns.Charakteristisch ist, daß man das Zugeständnis in bezug auf diePreißelbeeren so besonders im Interesse der minderbemittelten Be-völkerung preist. Wenn eS sich um die Erschwerung derEinfuhr von Fleisch handelt, kümmert man sich nichtum die Jntereffeu der Konsumenten, da ist eS doch er-freulich, daß die Regierung wenigstens für die g e-füllte Kompottschüssel der Konsui.uenten sorgt.(Heiterkeit.)Zum mindesten sollte bei der ZollauSlegung die Regierung unsereInteressen wahren. Seine Freude hat nieinamd an dem Vertrag;das ist die logische Folge der Ueberspannung des Zoll-s ch u tz e S. Die Ablehnung des Vertrags wärce ja das einfachste,aber die Verantwortung für einen Zollkrieg wollen wir nicht über-nehmen. Wir werden für den Vertrag, stimmen, weil erimmerhin besser ist als der autonome Tarif. Und unter der Herr-schaft unseres Zolltarifs von 1902 wird nach unserer Ueberzeugungein besserer Vertrag auch nachher nicht abgeschlossen werden können.Wir hoffen, daß das deutsche Volk mit diesem Zolltarif von 1902auch einmal aufräumen wird.(Bravo! links.)Abg. Frhr. v. Gamp(Rp.): Gegen die grobe VerdächtigungdeS Abg. v. Bollmar gegenüber unfern Unterhändlern in Stockholm,daß einer derselben nur die Interessen der Großeisenindustrie wahr-genommen habe, muß ich protestieren.(Präsident Gras Schwerin-Lölvitz: Eine grobe Verdächtigung der deutschen Unterhändler hätteich gerügt.) Es ist überhaupt kein Vertret« der Großeisenindustriebei den Unterhandlungen zugegen gewesen. Auch bei unS hat derBertrag keine Begeisterung erregt, tß ist aber anzuerkennen,daß die Verhandlungen in loyaler und fveundnachbarlicher Weisegeführt worden find. Auch der Zolltarif von 1902 trägt nicht dieSchuld an dem ungünstigen Ergebnis, sondorn einfach der WunschSchwedens, seine junge Industrie zu fördern. Wir werden in derKommission prüfen müssen, ob wir in der Lage sind, der Zollfreiheitschwedischer Pflastersteine zuzustimmen.(Beilall! rechts.)Abg. Dr. Werner(w irisch. Bg.): Den schwedischen Diplomatenist e» bei den Vertragsverhandlungen gelungen, für ihre Industriegroße Vorteile herauSzuichlaaen. Die deutsch«! Unterhändler habensolche Erfolge nicht erreicht. Redner verliest uirter wachsender Unruhedes Hauses mit eintöniger Stimme eine längere Rede.Präsident Gras Schwerin-Löwitz: Herr Abgeordneter, das Verlesen von Reden ist nur Abgeordnete« gestattet, die derdeutschen Sprache nicht mächtig sind.(Heiterkeit und Sehrrichtig! links.)Abg. Dr. Werner: Ich habe durchaus ntzcht abgelesen.Präs. Graf Schwerin-Löwitz: Ich verbitte mir eine derartigeKritik meiner Geschäftsführung.Abg. Dr. Werner polemisierr gegen die Freisinnigen und Sozial-demokraten, die inkonsequent handelten, wenn sie für den Bertragstimmten. Seine Freunde würden den Vertrag ablehnen.(IronischesBravo! links.)Hierauf wird ein S ch l u ß a n t r a g angenommen.Abg. Molkcubshr(Soz.): Der Verfasser der Rede, dieHerr Dr. Werner vorgelesen hat(Sehr gut I und großeHeiterkeit links.), hat behauptet, ich hätte einen Brief von Siein.arbeiten, erhalten mit der Aufforderung, wir sollten gegen denVertrag stimmen.— Ich habe einen Brief solchen Inhaltsnicht erhalten.Abg. Dr. Werner: Dann gehörte der Brief zu denen,„dieSie nicht erreichten".(Heiterkeit.)Der Vertrag wird an eins Kommission überwiesen.Nächste Sitzung: Dienstag 12 Uhr.(Zweite Lesung derelsaß-lotbriirgischen Versa sfungsvorlage.).Schluß 7% Uhr._Hbgeordmtenbaud*82. Sitzung. Montag, den 22. Mai«vormittags 11 Uhr.Am Ministertisch: S y d o w.Die Beratung des Antrags der Budgetkommission betreffenddie Lage der staatlichen Bergwerkewird fortgesetzt.Abg. Dr. Röchling(natl.): Der Rückgang in den Erträgnissender staatlichen Bergwerie im Saarrevier ist vor allem auf o r-ganisatorische Mängel zurückzuführen. Die mittleren Be-amten, die Steiger vor allem, sollten nicht mehr als Beamte, wosie dann auch bei mangelhaften Leistungen unkündbar sind, sondernim Vertragsverhältnis angestellt werden. Wenn eine all-g e m e i n e L o h n e r h ö h u n g für die Arbeiter nicht möglich ist,sollten wenigstens die tüchtigen Arbeiter Zulagen erhalten; daswird wesentlich zur Zufriedenheit der Bergleute bei-tragen. Heute wird in dieser Beziehung vielfach ungerechtund willkürlich verfahren. Wenn die Erträgnisse derBergwerksverwaltung sich bessern sollen, muß der kaufmännischeGeist in die Verwaltung einziehen, von dem der Ministerpräsidentin Heidelberg sprach..(Bravo!).Wg. Gyßllng'(Vp.)': Wir dürfen die Schuld an den mangek-haften Erträgnissen der fiskalischen Bergwerke nicht der Regierungallein zuschieben: das Parlament trägt mit Schuld daran,denn cs hat die Maßnähmet«, die dazu geführt haben, g eb i ll i g tund hätte selbst frühzeitiger die Initiative zur Abhilfe ergreifenmüssen. Die Sozialpolitik der Negierung, die mit Schuld an denMindererträgnissen hat, billigen wir durchaus. Nur wäre vielleichteine Erhöhung der Löhne im allgemeinen angebracht; eine ge«wisse Rücksicht auf die Privatindustrie ist aller-dings nötig. In der Sorge für die nötigen Sicherheitsmaßnahmensollte die Verwaltung nach wie bor bahnbrechend vorangehen. Auf-fallend ist die veränderte Haltung der Konservativen dem Kohlen-shndikat gegenüber, das früher Graf Könitz nicht scharf genugangreifen konnte. Die Regierung scheint dem Kohlensyndikat gegen-über die Rolle der spröden Schönen spielen zu wollen. Ob dasangebracht ist, lasse ich dahingestellt. Jedenfalls warne ich die Re-gierung vor der Rolle des stürmischen Liebhabers(Heiterkeit); Vor-ficht ist dem Kohlensyndikat gegenüber sehr am Platze.(Bravo Ilinks.)_,.,'Abg. Korfanty(Pole): Es ist klar, daß der Staat sozio.»politisch eine ganz andere Stellung einnehmen mutz wie die Privat-industrie; er muß insbesondere in bezug auf die Höhe derLöhne vorangehen und seinen Arbeitern eine stetige Be-schäftigung sichern. Das Tantiemensystem für dieHeizer usw. trägt nur zur Vermehrung der Unfallzifser bei.Abg. Leinert(Soz.):Die Prüfung der Lage der Bergwerke durch die Kommissionhat auf mich den Eindruck gemacht, als ob Scharfmacher zu-samme/tgewesen wären, um gegen die Arbeiter Stellung zu nehmen.Die Tendenz hat dabei offenbar auch mitgespielt, die staatliche»Bergwerke lieber der Privatindustrie zur Ausbeutung zu überlassenober sie so zu gestalten, daß die Privatindustrie ihre Freude daranihaben kann.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Man sprichtimmer davon, daß die Staatsbetriebe Musterbetriebe sein sollen.Aber nach Ansicht des Ministers gehört dabei nicht, daß dieArbeiter höhere Löhne bekommen als in den privaten Berg-werken. Wir halten es, trotzdem also die Staatsbergwerke nochweit davon entfernt sind, Musterbetriebe zu sein, doch nicht fürangebracht, die Verwaltung durch ien Staat aufzugeben. Es istnotwendig, einmal den Wert der staatlichen Bergwerkefestzustellen, damit die Bevölkerung weiß, welch großer nationalerReichtum in diesen Werken liegt. Bezeichnend war die Aeußerungdes Herrn v. Papppenhcim, der Staat dürfe sich nicht vonHumanitären Sonderbestrebungen leiten lassen.Davon ist auch gar keine Rede. Was der Staat an Sozialpolitikgeleistet hat, ist geschehen, um sich die nötigen Arbeiter zu erhalten.Die freiwilligen Leistungen zugunsten der Arbeiter betragen 1909nur 6,2 Proz. der gesetzlichen Leistungen. Davon ist also wirklichkein Rühmens zu machen.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.)Im Saargebiet hat die Erhöhung der Löhne nicht Schritt ge-halten mit der Belastung der Bergarbeiter bei denKnappschaftskassen. Man vermißt die sozialpolitische Einsicht desStaates auf die frühere Einführung von Arbeiterausschüssen undSicherheitsmännern im Saarrevier. Demgegenüber erinnere ichan die bekannten Ausführungen des Herrn H i lg er auf derKonferenz im Palasthotel, der selbst diese Sicherheitsmänner als„weiße Salbe" bezeichnete.(Hört! hört! bei den Sozialdemo-kraten.) Auf die Rentabilität der Staatsbergwerke haben diese Ein-richtungen keinerlei Einfluß gehabt.(Sehr wahr! bei den Sozial-demokraten.) Die Lage dieser staatlichen Bergarbeiter wird mir inZuschriften aus dem Saargebiete als sehr traurig geschildert. Eszeigen sich bereitsSpuren von Degenerationin dieser Arbeiterbevölkeruna. Die Wohlfahrtseinrichtungen, dieGewährung von Land und Wohnung werben für die Arbeiter zurWohl sah rtsplage, sie dienen lediglich dazu, den Arbeiternihre Selbständigkeit zu nehmen. Wer von einer staatlichen Grubeentlassen ist, findet in der ganzen Gegend keine Arbeit. Ich frageden Minister, ob in der Tat noch immer ein dahingehendes Ab-kommen der staatlichen Verwaltung mit der Privatindustrie besteht;das wäre ein mit modernen Grundsätzen ganz unvereinbarerbarbarischer Zustand.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.)Auch die Behandlung der staatlichen Bergarbeiterläßt viel zu wünschen übrig, sie werden bielfach wie Rekruten be-handelt. Ein Arbeiter, der einen Vorgesetzten nicht gegrüßt hatte,durfte eine ganze Woche nicht arbeiten. Die Löhne sind im Saar-revier in den staatlichen Bergwerken seit Jahrzehnten die ge-ringsten. Auch von einer Stetigkeit der Löhne ist keine Rede.1891 waren die Löhne eine Mark hoher als 1999. Hört! hört! beiden Sozialdemokraten.) Ganz unerhört ist auch, loenn man diemittleren Beamten für die mangelnde Rentabilität der staatlichenverantwortlich macht. Hier behauptet man, sie leisten weniger in-folge des niedrigen Gehalts. Warum zieht man dann nicht bei denArbeitern die Konsequenz, sie durch höheren Lohn zur Steigerungder Leistung anzureizen. Nein, diese Konsequenz zieht man nurbei den Vorgesetzten der Arbeiter, die man durch Prämien-gewährung dazu veranlassen will, die Arbeiter noch immer mehranzutreiben und zu schikanieren. Das führt dann zu solchenKatastrophen Ivie dem Radbodunglück.(Sehr loahr! bei den Sozia!-demokraten.) Die höheren Beamten sollten etwas länger gehaltenwerden heute gehen sie vielfach, tvenn sie einen Titel erlangt haben,in hie P r i v a t i n d u st r r e über.— Man spricht von der Locke-'enng der Disziplin und findet cs unerhört, daß ein gewöhnlicherArbeiter das Recht hat, sich beim Mimstcr zu beschtveren. Wirsind im Gegenteil der Meinung, daß dies Beschwerderecht demArbeiter belassen werden muß.(Sehr richtig! bei den Sozia?-demokraten.) Ihnen dies Recht nehmen, heißt der brutalen Be-Handlung der Arbeiter, ihrer Rechtlosmachung nach dem Wunscheder Ä i r d o r f und S t l n n e s das Wort reden. Darin war sich dieKommission einig. In der Verdächtigung und Be-schimpfung der Arbeiter als faule und unbotmäßigeElemente hat mau Großes geleistet, aber von der Notwendigkeit, denstaatlichen Bergleuten das K o a l i ti o n s r e ch t zu geben, ist inder Kommission leine Rede gewesen. Ich gebe zu, daß aus denAusführungen des Oberberghauptmanns ein gewisses soziales Ge-fühl sprach, aber dies Verständnis an der Zentralstelle reicht nichthinein in die untere Verwaltung.Wenn in der Kommission wieder behauptet worden ist, daß dieLeistungen der Bergarbeiter zurückgegangen seien, so habenschon dio Herren von der Regierung dargelegt, daß die Ursachendafür, daß pro Kopf der Belegschaft die Förderung steigt oderfällt, so mannigfach sind, daß dies Steigen oder Fallen absol u tunabhängig ist von dem Fleiß der Arbeiter.(Sehrwahr! bei den Sozialdemolraten.) Einer der wichtigsten Beschlüsseder Äomnilssion ist dann die Forderung, daß der Staat in dasKohlensyndckat eintreten solle. Die Erfolge desZlvangskalisyndikats scheinen das Kohlensyndikat neidisch gemacht zuhaben. Daß sich das Kohlensyndiiat augenblicklich in einer sehrunangenehmen Lage befindet, ist ja zweifellos. Wir sind nichtprinzipielle Gegner von Syndikaten, sie können unter Umständonsehr segensreich wirken. Es wäre gewiß auch möglich, daß durch denZusammenschluß der Großindustrie in Kartelle eine Erhöhung derArbeiterlöhne herbeigeführt würde, sowie der Abschluß von Tarif-Verträgen mit den beteiligten Gewerkschaften. Aber zu diesemZweck will man ja den Eintritt des Fiskus in das Kohlensyndikatnicht. Der Fiskus selbst steht bekanntlich auf dem Standpunkt, daßer mit den Arbeiterorganisationen nicht verhandelt und auch beidem Kohlensyndikat sind Autokratie und Despotie dieherrschenden Grundsätze. Wir würden einem Eintritt des Staatesin das Syndikat nur dann zustimmen können, wenn uns Garantiengegeben werden, daß das Syndikat dann für Tarifverträgeeintritt. Das Syndikat ist insofern eine interessante Erscheinung.als es beweist, daß die Kapitalisten in der kapitalistischen Gesell-schaft eigentlich ganz überflüssig sind. Es würde genau dasselbeerzeugt werden, ob nun der Ueberschuß, den das Syndikat erzielt.als Dividende an die Kapitalisten verteilt wird oder den Ar»Liters und Bea&feQ PiMd löBWt. 2n{of&a ig&& Syndikat