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Mr. 193.

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10. Jahrg.

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Berliner   Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Itlframontane

Sozialpolitik.

Freitag, den 18. August 1893.

Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

tinische Konzil, der französischen   Republik   durch Aufgabe freundlichen Gesinnung des Papstes, verweist auf die mehr der Prätendenten Zugeständnisse gemacht. Trotz der reichen als zahme Encyclica Rerum novarum und auf einen Brief, Begabung des jezigen Papstes steht er aber nun der sozialen den er unlängst an den katholisch- sozialen schweizerischen Frage gegenüber vor einer schwereren Aufgabe als irgend Nationalrath De curtius geschrieben hat. Wir wollen Die unaufhaltsam aufsteigende Klassenbewegung des einer seiner Vorgänger. Die aufsteigende Klassenbewegung diesen Brief, den sämmtliche ultramontane Organe als be­Proletariats beeinflußt sämmtliche bürgerlichen Parteien, des Proletariats ist nicht firchenfreundlich, sie ist eine voll- sondere sozialpolitische Offenbarung anpreisen, von dem und hier in erster Reihe die klerikale Partei. Diese Partei ständig unkirchliche Bewegung, entsprechend dem Grund- Phrasenwerke entkleiden.

ist international, durch ihre Agenten mit Tonsur und Kutte faze, daß Religion Privatsache sei, andererseits sind die Thun   wir dies, so finden wir blos eine Forderung hat sie noch starken, aber von Jahr zu Jahr schwindenden Stützen der Kirche vornehmlich in den Kreisen zu suchen, die im Interesse der Arbeiter, nämlich die nach einer inter­Einfluß in der Arbeiterbevölkerung. Ihr gehören Adelige an der Erhaltung der heutigen Wirthschaftsordnung persönlich nationalen Gesetzgebung zum Schutze der Frauen und und Bürgerliche, Geistliche und Laien, Fabrikanten und interessirt sind, endlich ist die einflußreiche Hierarchie, die Kinder und nur dieser. Daß hierauf die katholische Großgrundbesizer, industrielle und ländliche Arbeiter an, Kardinäle, Bischöfe, Aebte  , zum weitaus größten Theile dem Kirche irgend einen Anlaß hat, stolz zu sein, läßt sich füg­sie kann daher nicht so offenkundig kapitalistische Politik Adel und der Bourgeoisie entsprossen. All' dies wirkt zu- lich nicht behaupten, ist doch diese Forderung schon fast ein machen, wie der Nationalliberalismus und der Freisinn, sammen, um dem Papste, selbst wenn er es wünschen sollte, halbes Jahrhundert alt, und sind doch die Hauptvertreter sie ist aber als vorwiegend bürgerliche Partei trotzdem eine klare und entschiedene Parteinahme für die Arbeiter derselben der schweizerische Bundesrath und die Sozial­unfähig ernsthafte Sozialpolitik zu treiben. So wie sie forderungen unmöglich zu machen. demokratie gewesen. Lange nach den Sozialdemokraten, die politisch Mitglieder verschiedener Richtungen zählt, so auch Aus all' diesen Umständen erklärt sich der sozial- eine viel weitergehende internationale Regelung des Arbeiter­sozial Angehörige verschiedener Klassen. Besäße sie nicht politische Eiertanz des Zentrums, einerseits die Forderungen schutzes forderten, nahmen die Ultramontanen diese Forde­eine mächtige Ueberlieferung, hätte sie nicht die großartig des Normalarbeitstages und das mehr als feige Verlassen rung auf. Dies kann auch den Arbeitern, welche sich noch organisirte katholische Hierarchie als Rückhalt, würde das des Standpunktes bei der Berathung der deutschen   Arbeiter im Schlepptau der Zentrumspartei   befinden, nicht verborgen religiöse Band und die übermächtige päpstliche Autorität schutzvorlage, ihr Eintreten für die Bettelsuppen des" Pro- bleiben und deshalb wird der dürftige sozialpolitische In­fehlen, diese Partei, die in unserem Zeitalter der politischen fessors" Hitze u. f. w., andererseits ihr Eintreten für Ju- halt des päpstlichen Briefes nicht die beabsichtigte Wirkung und sozialen Parteien eigenartig dasteht, wäre längst zer- nungen, Befähigungsnachweis, korporative Gliederung ausüben. Dann wird selbst so mancher katholische Arbeiter fallen. Aber trotz aller für das Zentrum so günstigen Um- der Gesellschaft. Damit sind aber die Widersprüche darüber lächeln, daß der Papst sich die unlösliche Aufgabe stände, fann es auf Erhaltung seiner ausschlaggebenden im sozialpolitischen Verhalten des Zentrums noch gestellt hat, den alten Streit zwischen Dienstherrn und Stärke nicht mehr rechnen, weil die Arbeitermassen sich voll- lange nicht erschöpft, tritt doch die Partei, die das Interesse Arbeiter zu schlichten", man muß auch lächeln, wenn man ständig vom Zentrum abwenden. Eine Reihe von Wahl- der Arbeiter wahrzunehmen vorgiebt, für Einschränkung bemerkt, wie selbst die päpstliche Geheimkanzlei sich dem freisen würde verloren gehen, die Partei eine andere Gestalt und Verschlechterung des Volksschulunterrichts, für Getreide- Einflusse der sozialdemokratischen Agitation nicht entziehen annehmen. Dies fucht die Zentrumspartei   zwar nicht durch zölle und dergleichen ein. tanu, denn sie läßt den Papst von der Ausbeutung Thaten, wohl aber durch eine schlaue Taktik zu verhindern. Gerade jetzt, nach dem auch für das Zentrum keines des arbeitenden Volkes durch eine gewinnsüchtige Lange wird ihr dies freilich nicht gelingen, denn immer wegs erfreulichen Ergebnisse der Reichstagswahlen, sieht Klasse sprechen. Daß der Papst auf die Wirkungen mehr werden die katholischen   Arbeitermassen von diese Partei sich gezwungen, die sozialpolitischen Punkte der christlichen Sittenlehre zur Hebung der sozialen sozialdemokratischen Elementen durchsetzt, die Agitation ihres Programms entschiedener zu betonen. Die Siege der Schwierigkeiten rechnet, gehört zu seinem Geschäfte und ist unserer Partei macht nicht halt vor den vom Zentrum Sozialdemokraten und ihre steigenden Stimmenzahlen in ihm nicht weiter zu verdenken. Aber es wird ihm dies aufgerichteten Schranken. Dringt Wissen, soziale Erkenntniß, allen katholischen   Wahlkreisen vor allem in Rheinland- West- alles nicht viel bei den ultramontanen Arbeitern nützen, klare Einsicht in die Verhältnisse und in die Personen in falen und in Schlesien   erscheinen sicherlich der Zentrums- die bald einsehen werden, wer ihre Interessen am besten die Arbeiterschaft der katholischen   Wahlkreise, dann ist es partei viel gefahrdrohender, als das Schmollen der Huene, fördern wird, ob der Papst in Rom oder ihre klassen­aus mit der Zentrumsherrlichkeit. Darum ist die ultra- Ballestrem, Borsch und Schorlemer- Alst. Es wird für das bewußten Arbeitsbrüder. montane Partei gezwungen der Sozialdemokratie Konkurrenz Bentrum immer mehr zu einer Lebensfrage, seine Wahlkreise Die ultramontane Sozialpolitik ist unfähig, die Ar­zu machen. Da es ihr aber an ernstem Willen fehlt, für mit starker Jndustrie und Bergbau sich zu erhalten. Das Gefasel beitermassen zusammen zu halten, sie kann wegen der ent­Die Interessen der Arbeiter einzutreten, da sie stets den von der Religionslosigkeit der Sozialdemokratie schreckt nicht gegenstehenden Interessen der Grundbesitzer, Fabrikanten Widerstand des großen und kleinen Unternehmerthums mehr die katholischen   Bauern und Arbeiter, der Einfluß der und Handwerksmeister den Arbeitern blos leere Ver­fürchten muß, wird sie immer in diesem Konkurrenzkampfe den Pfarrer und Kapläne ist im Abnehmen begriffen, und die sprechungen machen und bestenfalls Kleinigkeiten bieten. türzeren ziehen müssen. steigende Noth, die häufige Arbeitslosigkeit lehren die Ar- Entscheidende Thaten für die Arbeiterklasse lassen sich allein beiter nicht mehr beten, sondern denken. von dem in der sozialdemokratischen Partei organisirten Proletariat erwarten.

Die Stellung der Ultramontanen zur Sozialpolitik ist in fast allen Staaten die gleiche, deshalb konnte auch das Deshalb ist es nun für das Zentrum überaus wichtig, Oberhaupt der katholischen Kirche  , der Papst in Rom, den Arbeitern den Beweis zu liefern, daß es ein warmes Diese Erkenntniß bricht sich immer mehr Bahn, hat sie Stellung zur sozialen Frage nehmen, weil der von ihm ge- Herz für die Arbeiter habe. Man frebst mit allen je ge- fich in der ganzen Arbeiterklasse durchgerungen, dann giebt gebenen Richtschnur für seine Anhänger von den ultramon- stellten Arbeiterschutz  - Anträgen im Reichstag und verschweigt, es feine Macht der Erde, welche die Verwirklichung der tanen Parteien fast aller Länder gefolgt werden kann. Das daß man sie stets zu Zeiten gestellt hat, wo an ihre sozialdemokratischen Forderungen verhindern kann. Papstthum hat in seinem langen Bestande die größte An- Annahme nicht zu denken war, während man gelegentlich passungsfähigkeit an die übermächtigen Strömungen im der Arbeiterschutz- Debatten den Herrn Hize mit den Volksleben gezeigt, es hat dem Heidenthum durch die Ein- Gutfleisch, Stumm 2c. Verböserungsanträge ausarbeiten sehung von Heiligen, der Reformation durch das triden- ließ. Man erzählt langes und breites von der arbeiter­

Feuilleton.

Nachdrud verboten.]

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Die Bekehrung André Savenay's.

Sozialistischer Roman von Georges Renard.

Autorisirte Uebersehung von Marie Kunert  .

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De Serenoize 155, Philippeaux 35 Jacques Denis 210.

Ein wahres Sozialistennest also, noch dazu voll heim­

Jm Dorfe sind der Kutscher und der Hausdiener den ganzen Tag über auf dem Posten, der eine am Eingang, der andere am Ausgang der Mairie. Der mußte schon sehr geschickt sein, der sich ihrer Kontrolle entziehen wollte. Jeder mußte, er mochte wollen oder nicht, einen Stimmlicher Sozialisten, die ihren Streich ganz im Stillen vor­zettel für Herrn von Serenoize nehmen. Wie sollten sie es bereitet haben! Dreisch kann sich nicht genug darüber wun­dann anstellen, um ihn fort zu werfen oder durch einen dern. Wenn man die Schuldigen wenigstens noch heraus­anderen zu ersetzen? Das nennt man geheime Wahl! In finden könnte! Ihr müßt sie doch kennen, Ihr!" ruft allen Dörfern der Umgegend findet eine ähnliche Ueber b.r Patron voll Wuth. wachung statt. So find denn alle strategischen Maßnahmen Und Dreisch sieht sich gezwungen, kleinlaut zu ant­getroffen, und Maheu wird sein Geld nicht ganz gestohlen worten. Ach nein, Herr, an mir liegt es nicht. Sollten haben. Sie es für möglich halten, daß diese vermaledeiten Arbeiter die Namen ihrer Stimmzettel auch mit Tinte nachgezogen hatten!"

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am besten zu thun, wenn er den

Ich bemerkte Maheu in Person. Er hat eine Art Die ersten Resultate treffen ein. Sie sind ausgezeichnet. Bureau oder Komptoir in einem kleinen Café. Viele der sehr ehrenwerthen Wähler kommen hierher, um sich ihre im Dorfe find 215 Stimmen für Herrn v. Serenoize, nur 3 für Philippeaux und 0 für den Sozialisten abgegeben Trotz dieses Mergers hat Herr von Serenoize um Mitters Karte abzuholen. Sie erhalten fünf Franks und einen worden. Man forscht jetzt nach, wer die drei Abtrünnigen nacht einen Vorsprung von 1000 Stimmen vor Philippeaux, Stimmzettel. Man geleitet sie bis zur Urne, um sich zu gewesen sein können. Der Kutscher und der Hausdiener dem einzigen Konkurrenten, den er wirklich fürchtete. Er vergewissern, daß sie unterwegs keinen anderen Bettel nehmen. Dann kommen sie mit ihrer durchlochten Karte, geben als solche übereinstimmend zwei Kaufleute und einen fängt bereits an, bescheiden zu triumphiren. Nichts desto­die bezeugt, daß sie gestimmt haben, zurück und erhalten Tagelöhner an, die mit vorher zurecht gemachten Stimm- eniger glaubt er nochmals fünf Frants. Meine geftrige Berechnung war zetteln zur Wahl gekommen waren. Eine verrätherische Champagner, den er für den Fall des Sieges versprochen Meine geftrige Berechnung war demnach falsch. Ein Wählergewissen kostet 10 Franks. Ich Borsicht, für die sie verdientermaßen bestraft werden sollen. hat, zu morgen aufhebt. Allen Leuten im Schlosse wird verboten, ferner noch irgend Am 23. September.  - Der Champagner wird hatte also den Werth meiner Mitbürger um die Hälfte etwas bei den beiden Kaufleuten zu kaufen, und der Tage- nicht aus dem Keller geholt werden. Philippeaux ist in unterschätzt, und bitte sie nun demüthigst um Verzeihung löhner fann lange warten, ehe Herr von Serenoize ihm dem Wettlaufen um das Mandat als erster am Ziel an­wieder Arbeit giebt. gelangt. Er hat 6310 Stimmen, Herr von Serenoize nur In der Fabrik führt Dreisch den Vorsit, wie ich es 4520. Jacques Denis hat es auf 735 Stimmen gebracht. Die benachbarten Dörfer haben auch gut gestimmt. Also nicht einmal Stichwahl! Das bedeutet eine volls vorhergesehen hatte. Alle, die ihm verdächtig scheinen, läßt er nicht aus den Augen, gerade wie früher in den Zeiten Nur scheint die Popularität des Herrn von Serenoize in ständige, nicht wieder gut zu machende Niederlage. Maheu der Kommune, wenn er sagte: Ergreift die Leute dort!" demselben Maße abzunehmen, als die Entfernung wächst. wälzt jede Verantwortung dafür energisch von sich ab. Alle Ar- Je weiter die Gemeinden von seinem Aktionszentrum ent- Wir sind die Opfer," fagt er Aber sein Geficht hellt sich allmälig auf. beiter sind zur Wahl gekommen und wenn er die Bettel fernt sind, desto weniger Stimmen erhält er in ihnen. Miene, eines in letter Stunde ausgeführten Manövers,

Deswegen.

Teicht durch die Finger gleiten läßt, bevor er sie in die Urne versenkt, glaubt er auf dem Papier das unmerkliche Kennzeichen zu entdecken, das seine kleine Arbeit verräth.

mit tragischer Die Resultate aus der Fabrik ließen etwas auf sich eines Verraths. Man hat uns unsere Leute ab­warten. Endlich erschien Dreisch sehr verlegen. Die Stimmen trännig gemacht. In zwanzig Ortschaften, da, wo setzen sich hier so zusammen: ich nicht war, hat man hinterlistiger Weise fünfzehn