GcwerkfcbaftUchca. Die Lohnbewegung der Bäcker. Die Situation hat sich so zugespitzt, daß die Bäckerei- arbeiter Grotz-Berlins jetzt vor der Frage stehen: Sollen wir in den Kampf eintreten, um die Anerkennung unserer be- rechtigten Forderungen zu erzwingen?— Die Forderungen, Weiche die Vertrauensmännerversammlung des Bäcker- Verbandes am Montag aufstellte, sind den einzelnen Meistern zugesandt mit dem Ersuchen, der Lohnkommission bis morgen, Freitag, mittags 12 Uhr, mitzuteilen, ob die Forderungen anerkannt werden. Von denjenigen Meistern, welche der Lohnkommission eine solche Mitteilung bis zum genannten Zeitpunkt nicht zugehen lassen, wird angenommen, daß sie die Forderungen ablehnen. Zu morgen(Freitag), nachmittags und abends, hat die Lohnkommission vier Versammlungen der Bäcker und Kon- ditoreu einberufen. Dieselben haben zu beschließen, ob ge- streikt werden soll oder nicht. Wer die Stimmung in den Kreisen der Bäckereiarbeiter kennt, kann mit Sicherheit an- nehmen, daß der Streik beschlossen wird. Selbstverständlich trifft der Streik nur diejenigen Meister, welche die Forderungen nicht bewilligt haben. Diesen gegenüber wird der Kampf aber mit dem größten Nachdruck geführt werden. Der Kampf, den die organisierten Bäckereiarbeiter im Interesse des Gewerbes und im Interesse des konsumierenden Publikums gern vermieden hätten, ist heraufbeschworen worden durch die Mehrheit der Innungen, welche den Schieds- spruch des Eiriigungsamtes, die Grundlage eines ehrlichen Friedens, ablehnten. Wenn die im Westen Berlins und ln den westlichen Vororten sitzenden Jnnungsscharfmacher glauben, sie könnten jede Forderung auf Verbesserung der Lage der Bäckereiarbeiter ohne Widerstand zurückweisen, so haben sie sich geirrt. Selbst in ihren eigenen Reihen finden jene Herren nicht die unbedingte Gefolgschaft, die zum Nieder- zwingen der Arbeiter erforderlich wäre. Eine erhebliche Zahl von Meistern, auch solche im Westen, haben die neuen Forde- rungen der Arbeiter durch Vertrag anerkannt. Das wird den Kampf der Arbeiter wesentlich erleichtern, weil ja infolge der zahlreichen Bewilligungen die Front des Gegners von vorn- herein eine kleinere geworden ist. Wenn die Bäckereiarbeiter morgen den Streik beschließen — was mit Sicherheit angenommen werden kann—, dann können sie auf die Sympathie der gesamten Arbeiterschaft und auf deren Unterstübung im Kampfe rechnen. Die kampflustigen Bäckermeister werden es sich zu überlegen haben. ob es nicht für sie das beste ist, von vornherein zu bewilligen, was ihnen sonst mit aller Energie abgerungen werden müßte. Alle in Bäckereien Beschäftigte werden ersucht, das Inserat in der heutigen Nummer des„Vorwärts" auf- merksam zu lesen und die ihnen darin erteilten Weisungen zu befolgen._ ßerUn und Umgegend. Der Streik in den Eisenkonftruktionsbetrieben. Die Unternehmer machen die größten Anstrengungen, Ar- beitswillige heranzuziehen oder ihre Arbeiten auf Umwegen fertig- stellen zu lassen. Interessant war in letzterer Beziehung eine Unterhandlung zwischen dem Eisenbahnbauamt in Spandau und der Streikleitung. Der Eisenbahnbaurat K i e s e l e r trat mit dem Streikleiter Maus in Verbindung und machte das Anerbieten, 100 Mann für die Arbeiten von Drucken- müller, die der Baurat als Ganzes gekauft und in eigene Regie genommen habe, anzustellen, und zwar zu den Bedingungen, die die Streikenden aufgestellt haben. Ferner der- langte er, die unfertigen Arbeiten, die noch in den Werkstätten liegen, sollten in anderen Betrieben, wo nicht gestreikt werde, fertiggestellt werden. Er versprach noch, daß die jetzt anzustellenden hundert Mann bei Druckenmüller auch fernerhin beschäftigt werden sollten. Das schien ein recht günstiges Anerbieten zu sein, und der Baurat Kieseler wünschte sofort Bescheid, denn er hatte es eilig, die bestimmte Bahnstrecke soll durchaus bis zum 1. Juni fertig sein. Maus konnte selbständig die Angelegenheit nicht ent- scheiden, aber er rief sofort die Arbeiter von Druckenmüller zu- sammen. Diese zollten den Bemühungen des Eisenbahnrats alle Anerkennung, aber sie sahen sofort ein, daß sie die gesamte Be- wegung schädigen würden, wenn sie einseitig ihren Vorteil wahr- nehmen, und sie bedauerten, den Wünschen des Herrn nicht nach- kommen zu können. Zugleich aber erörterten sie sehr lebhaft die Möglichkeit, daß durch den Einfluß des Eisenbahnbaurats auf die Unternehmer vielleicht ein Entgegenkommen von feiten der be- streikten Firmen herbeigeführt werden könnte. Nicht nur bei Druckenmüller, sondern auch bei anderen Firmen drängt die Arbeit sehr, und alle Mühe, Arbeitskräfte heranzuziehen, nützt nicht viel, denn es fehlt an geeigneten Leuten. Hein, Lehmann u. Co. haben versucht, Leute an- zuwerben durch andere Firmen, die nicht bestreikt werden; aber die Arbeiter sind wachsam. Sie lassen sich auch nicht durch Massentransporte von Arbeitswilligen Schrecken einjagen. Bei Thyssen ist ein Transport von 72 Mann angekommen; aber die Streikenden fürchten diese Konkurrenz nicht, sie sind überzeugt, daß es sich um unfähige Leute handelt. Bei Druckenmüller sollten die Techniker die Arbeits- willigen im Betriebe anlernen. Das lehnten die Techniker ab und protestierten gegen diese Zumutung. Der Gewerkschaftssekretär der Gelben, Paul Stein aus Frohnau in Mecklenburg , stand am Montagmorgen vor dem Ein- gang der Firma Hein, Lehmann u. Co., bewaffnet mit Messer und Beil, und versuchte, die Streikenden zu provozieren. Diese aber nahmen ihm die Mordwaffen ab und brachten ihn zur Polizeiwache. In den Kreisen der Unternehmer nimmt man an. daß Mißhelligkeiten zwischen den Arbeitern der Eisenkonstruktion und den Bauarbeitern ausbrechen werden, wenn die Bauarbeiter in- folge des Streiks zur Untätigkeit auf manchen großen Bauten ge- zwungen sind. Diese Annahme ist durchaus unbegründet. Die Bauarbeiter denken nicht daran, deswegen den Eisenbauarbeitern zu grollen. Sie beobachten den Verlauf des Kampfes mit dem- selben gespannten Interesse, als wenn es sich um ihre eigene Sache handelt.— Verschiedene Firmen erwarten Kahn- und Wagen- ladungen mit Eisenbaumaterial, woraus zu schließen ist,� daß Arbeit genügend vorliegt. Um so mehr ist die Hoffnung begründet, daß der Kampf zu einem guten Ende geführt werden kann. Erfolgreicher Abschluß des Streiks der Gasmesser- klempner. Zwecks Beilegung des Streiks der Gasmesserklempner haben in den letzten Tagen Verhandlungen stattgefunden und es sind dabei Vereinbarungen zustande gekommen. Die tägliche Arbeits- zeit beträgt nach diesen 9 Stunden, Sonnabends 8 Stunden ohne Vesperpause. Der Stundenlohn beträgt für die in Gasmesser - betrieben beschäftigten Klempner 65 Pf. Klempner, die noch nicht auf Gasmesser gearbeitet haben, erhalten die ersten 4 Wochen 60 Pf., für die folgenden 8 Wochen 62)4 Pf. und danach 65 Pf. Stundenlohn. Klempner, die 13 Wochen lang im Akkord mindestens 70 Pf. verdient baben, erhalten, wenn sie in Zeitlohn beschäftigt werden, 70 Pf. Stundenlohn. Neue Akkorde werden auf Grund des Stundenlohnes von 65 Pf. kalkuliert. Die alten Akkorde wer- den revidiert. Streitigkeiten aus den Vereinbarungen werden zwischen dem Arbeitgeber und einer aus Arbeitern des Betriebes gewählten Kommission geregelt. Der Verbandsvertreter Dietrich verantw. Redakteurl Albert Wachs, Berlin . In jeratenteil vergntw.l berichkele in einer Persajnmiung 5er Sireiiekiüen übet 5en Verlauf der Verhandlungen und ihr Ergebnis und verlas die zwischen den Vertretern beider Parteien getroffenen Vereinbarungen. Die Ar- beitgeber hatten die Vereinigung der Metallwarenfabrikanten mit der Führung der Verhandlungen betraut, an denen im übrigen auch ein Vertreter der Firma P i n t s ch sowie die Herren Bessin und Jahn teilnahmen. Für den Abschluß eines formgerechten Tarifvertrages waren die Unternehmer nicht zu haben, weil es den Grundsätzen ihrer Vereinigung widerspricht, wie sie erklärten. Es handelt sich um Abmachungen, die mit den einzelnen Firmen unterschriftlich festgelegt werden, und zwar auf unbestimmte Zeit. Nach den gemeinsamen Verhandlungen hat noch eine besondere Aus- spräche mit der Firma Elster stattgefunden, bei der es sich um die vor zwei Jahren gemachten Abzüge an den Akkordpreisen han- delte. Herr E l st e r erklärte sich bereit, die Abzüge größtenteils zurückzunehmen sowie einige andere Zugeständnisse zu machen, so daß wohl auch bei dieser Firma die Beilegung des Kampfes möglich fein wird.— Der Referent empfahl im Namen der Kom- Mission oer Versammlung, den Vereinbarungen zuzustimmen, die zwar nicht alles bieten, was gefordert wurde, aber immerhin an- nehmbare Zugeständnisse enthalten. Die Versammlung erklärte sich dann auch nach längerer Diskussion mit den Vereinbarungen einverstanden und zwar mit allen gegen drei Stimmen. Eine Lohnbewegung der Schmiede. Die JnnungSmeister sind seit einiger Zeit sehr besorgk, daß die Gesellen in einen Streik treten werden. In einem Rund- schreiben an die Mitglieder der Innung teilte der Obermeister Warncke das Folgende mit: „Wie wir erfahren haben, plant die Gesellenschaft, ohne vorher mit dem Vorstand der Meisterschaft in Verhandlung zu treten, unverhofft die Arbeit niederzulegen; wir er- suchen die Kollegen dringend, sich auf nichts einzulassen und ge- fälligst auf die Anweisung des Vorstandes zu warten.— Wir lassen uns nicht überrumpeln, wir wollen auch fernerhin zeigen, daß wir Herren im Hause sind." Das Schreiben ist datiert vom 12. Mai. Die„Deutsche Arbeit- geberzeitung" glaubte sogar, den Ausbruch des Streiks für Montag, den 14. Mai, ankündigen zu können. In den Gruppenversammlungen, die die Meister in der vorigen Woche abhielten, waren viele Jnnungsmeister sehr verstimmt über die Aussicht auf einen Streik, und sie erklärten, daß sie von den 6)4 Wochen des Kampfes im letzten Jahre noch genug hätten und in der gleichen Weise nicht wieder mittun würden. Man verlangte auch, daß die Gesellen der Innung ihre Wünsche vortragen sollten; freilich möchte man nicht mit dem Verbände verhandeln. An allen Streiknachrichten, die in den Kreisen der Meister um- liefen, war nur soviel wahr, daß die Gesellen mit den bestehenden Verhältnissen in den Jnnungsbctrieben sehr unzufrieden sind; sie haben ihre Forderungen von der letzten Lohnbewegung her noch nicht vergessen, aber für eine neue Lohnbewegung oder gar für einen plötzlichen Streik hatte man noch keinerlei Vorbereitungen getroffen, als die Meister schon allerlei Gespenster sahen. Die ersten Vorbereitungen zu einer Lohnbewegung traf man erst am Dienstag abend in einer Versammlung der Jnnungsgesellen, die der Zentralverband der Schmiede nach Boekers Lokal in der Weber- straße einberufen hatte. Nach einer ausgiebigen Diskussion wurde die Verwaltung beauftragt, geeignete Schritte zur Einleitung der Lohnbewegung zu unternehmen. In der Versammlung wurde noch die Frage des Arbeitsnachweises besprochen, die in bczug auf Vermittelung von Arbeit an den Sonntagen besteht. In keinem anderen Gewerbe besteht diese Gepflogenheit, und die Gesellen wünschen, daß hier eine Aenderung eintrete. Achtung� GastwirtSgehilfen! Das Lokal von Mtzinicke, Ecke Warschauer- und Romintener Straße,— Warschauer Bierhallcn— ist für organisierte Gastwirtsgehilfen gesperrt. Verband deutscher Gastwirtsgehilfen. Sattler , Schuhmacher, Stepperinnen! In der Gamaschenfabrik von Jgnaz Schübe!, Kochstr. 3, haben die Arbeiter infolge Diffe- renzen die Arbeit eingestellt. Wir ersuchen, jeden Zuzug nach dieser Werkstelle fernzuhalten. Verband der Sattler und Portefeuiller, OrtSverivaltung Berlin . Deutfestes Reich. Lohnbewegung des Bauarbeiierverbandes. In Spandau sind die Bauhilfsarbeiter in den Streik ge- treten. Die Arbeitseinstellung erfolgte fast einmütig. Die Zahl der Streikenden beträgt 200 und schon am ersten Tage waren zirka 100 Maurer in Mitleidenschaft gezogen. Die Bauhilfsarbeiter waren bisher von dem für Maurer und Zimmerer bestehenden Vertragsverhältnis ausgeschlossen, weil der Arbeitgeberverhand mit der Organisation ein Vartragsverhältnis nicht eingehen wollte. Der Lohn ist besonders niedrig und beträgt 45 Pf. Der Unter- schied zwischen diesen und dem Maurerlohn beträgt 31 Pf. die Stunde, das ist die größte Differenz, die im Reiche vorhanden sein wird. In Berlin beträgt sie 25 Pf. und im Reiche beträgt sie im Durchschnitt nur 10 Pf. Die Bauhilfsarbeiter fordern eine Lohnerhöhung von 10 Pf. und Abschluß eines Vertrages. � Der Arbeitgeberverband lehnte aber jede Verhandlung ab. Drei Ar- beitgeber haben bereits bewilligt. Wegen VerMechterung der bisherigen Arbeitsbedingungen legten die Maurer und Bauhilfsarbeiter in Fürstenwalde a. Spree bei den Arbeitgebern Utikal, Badey und Kirschner die Arbeit nieder. Die bisher übliche Vergünstigung an den Sonnabenden wurde den Arbeitern entzogen. Diesen Eingriff in alterworbene Rechte wollen sich die Arbeiter nicht gefallen lassen und sind deshalb in die Abwehrbewegung eingetreten. In Zäckerick im Oderbruch sind die Maurer in Streik ge- treten; sie fordern eine Lohnerhöhung von 5 Pf. die Stunde. Da die Arbeitgeber im Wege der Verhandlung nicht bewegt werden konnten, den Lohn zu erhöhen, so erfolgte die Arbeitseinstellung. Zum Kampfe im Hamburger Holzgewerbe. In der vorigen Woche wimmelte die ganze Hamburger bürger- liche Presse von Terrorismusgeschichten der streikenden Holzarbeiter. Der„Arbeitgeberschutzverband" tischte den Lesern gar schaurige Erzählungen von Mißhandlungen Arbeitswilliger im Bureau des Holzarbeiterverbandes, halb abgerissenen Ohren, blutigen Köpfen usw. auf. Der Holzarbeiterverband konnte nun in jedem Falle sofort nachweisen, daß diese Berichte erlogen waren, trotzdem die„Ham- burger Nachrichten" behaupteten, daß die Kriminalpolizei die«in- zelnen Fälle nachgeprüft habe. Da die Parteipresse der schmutzigen Gesellschaft kräftig auf die Finger klopfte, war es einige Tage merkwürdig still in der bürgerlichen Presse, bis jetzt in fast allen Hamburger Blättern folgendes Inserat erscheint: „Zum Schutze der Arbeitswilligen des Holz- gewerbes. Infolge der wiederholt vorgekommenen Mißhand- lungen von Arbeitswilligen durch Streikposten oder andere Ar- beiter ersuchen wir das gesamte Publikum, uns derartige Fälle mitzuteilen. Jeder, der hinreichendes Material bringt, so daß die gerichtliche Bestrafung des Schuldigen erfolgen kann, erhält eine Belohnung von fünfzig Mark. Arbeitgeberschutzvcrband der Holzindustrie von Hamburg und Nachbarftädten(E. V.), Bohnenstr. 12— 14." Der Schutzverband braucht„Material", und weil er anders zu solchem nicht kommen kann, wird dieser Weg gewählt, um an- ständige, ehrliche Familienväter ins Unglück zu stürzen. ES brauchen sich nur Lumpen zu finden, die für 50 M. das Blaue vom Himmel herunterschwören. Die Verhandlungen vor dem Einigungsamt sind bisher er- gcbnislos verlaufen. Der Vorschlag, welchen dasselbe den Parteien unterbreitete, liegt nunmehr im Wortlaut vor und lautet: „Die Parteien einigen sich dahin, daß beiderseits ein pari- tätischer Arbeitsnachweis anerkannt wird. Auch ein Obligatorium Ach. Glocke, Berlin . Druck».Verlag: Vorwärts Buchdr. u Verlagsanstalt soll ttt eingeschränkter Form stattfinden, insofern, daß die Arbeit- geber auch berechtigt sind, selbständig Arbeiter anzunehmen, doch sind die auf diese Weise angenommenen Arbeiter vor Antritt der Arbeit am paritätischen Arbeitsnachweis anzumelden. Die Annahme dieses Vorschlages gilt als Vorbedingung der Einsetzung einer sechsgliedrigen Kommission für den Abschluß der weiteren Einigungsverhandlungen. Das Einigungsamt wird so lange vertagt, bis die Kommission ihre Beratung beendet und die nachbleibenden Differenzen vor- legen kann." Die Kommission der Arbeiter war nicht in der Lage, diesen Vorschlag zu akzeptieren, weil dadurch das Obligatorium in der Praxis vollständig aufgehoben wäre. Man erklärte sich aber bereit, in einer gemeinsamen Kommission die Fälle, in welchen die Ein- stellung ohne Arbeitsnachweis statthaft sein sollte, festzulegen, und auch die Arbeitgeberbeisitzer im Einigungsamt erklärten, daß nur dann, wenn Arbeiter wegen Arbeitsmangel aussetzen oder wegen Krankheit die Arbeit unterbrechen müßten, diese wieder ohne Nach- weis angenommen werden dürften. Für alle anderen Arbeiter sollte der Arbeitsnachweis obligatorisch sein. Die Arbeitervertreter erklärten darauf, daß man diese Ausnahmen zulassen würde, wäh- rend die Arbeitgebervertreter nunmehr erklärten, daß mit dieser Auslegung für sie der Vorschlag unannehmbar sei. Der Vorsitzende des Einigungsamts, Herr Amtsrichter Dr. Bohsen, erklärte darauf» hin die Verhandlungen als gescheitert und verkündete, daß das Einigungsamt am 23. Mai zusammentreten würde, um«inen Schiedsspruch zu fällen. Der Schiedsspruch liegt nun vor. Er ent- spricht ganz dem, was die Arbeiter befürchtet haben. Juristisch dehnbar und unklar, kommt er den berechtigten Wünschen der Ar- beiter nicht im geringsten entgegen, sondern trägt nur den Wün- schen der Unternehmer Rechnung. Während bisher das Obligato- rium für den Arbeitsnachweis bestand, ist es jetzt durch den Schieds- spruch praktisch vollständig beseitigt. Die Holzarbeiter werden in den nächsten Tagen zu dem Schiedsspruch Stellung nehmen; das Resultat der Abstimmung ist kaum zweifelhaft. An die Holzarbeiter ergeht daher nach wie vor die dringende Bitte, den Zuzug nach Hamburg fernzuhalten._ Soziales* Ein geradezu trostloses Resultat ergab eine amtliche Wohnung?» zählung in Würzburg . Von 19 195 Wohnungen stehen nur 120 leer (0,63 Proz.). Noch schlimmer wird das Verhältnis, wenn die Klein- Wohnungen ausgeschieden werden. So stehen von Zweizimmer» Wohnungen nur 0,39, von Dreizimmerwohnungen 0,46 Proz. leer. Aehuliche Mißstände bestehen noch in verschiedenen anderen nord- bayerischen Städten, wo sich in den letzten Jahren die Industrie kräftig entwickelt hat. Die Stadtverwaltungen stehen dem Ejend meist gleichgültig gegenüber und wollen sich nicht zu wirksamen wohnungspolitischen Maßnahmen verstehen. Ganz ungeheuerlich sind die Zustände in Schweinfurt . Kinderreichen Familien ist es oft nicht möglich, eine Wohnung zu finden. Sie müssen in Not- quartieren Unterkunft suchen. So kann man häufig ihre Möbel in Scheunen usw. aufbewahrt sehen, während die Familien selbst in Wirtschastsräumcn, Kegelbahnen und ähnlichen Schlupfwinkeln kampieren. Tabakarbeiterelend. „Der Tabakarbeiter" veröffentlicht in seiner Nummer vom 21. Mai 2 Briefe, die in einfach entsetzlicher Weise das Elend illustrieren, das die Raubpolitik der Schwarz-Blauen über die Tabakarbeiter gebracht hat. Ein Tabakarbeiter wendet sich in einer Eingabe an das Reichsschatzamt und teilt mit, daß er zunächst im Jahre 1910 infolge des neuen Tabakzolles arbeitslos geworden sei. Seine zweite Arbeitslosigkeit datiere nun schon seit dem 24. Scp- tember 1910, sie sei auch, wie der Entlassungsschein beweise, auf die neue Tabaksteuer zurückzuführen. 13 Wochen sei er schon in der Lungenheilstätte gewesen. Sieben Kinder sind vorhanden, so- daß die Frau auch in ihrem Berufe als Tabakarbeiterin nicht mehr tätig sein könne. Von der Oberzolldirektion erhielt der Mann folgenden Bescheid: „Auf Ihre erneute Eingabe um Gewährung einer Unter« stützung aus den nachträglich für unterstützungsbedürftige Ta» bakarbeiter gewährten Mitteln erwidere ich Ihnen, daß auch nach erneuter Prüfung ich mich außerstande sehe, Ihnen die be- antragte Unterstützung zu bewilligen. Die Mittel sind nach den vom Bundesrat aufgestellten Grundsätzen nur für solche Tabak» arbeiter bestimmt, die, wie Ihnen bereits durch meine Ver- fügung vom 4. April ds. IS. mitgeteilt ist, schon bisher unter» stützungsberechtigt waren und außerdem selbst durch Krankheit oder körperliche Gebrechen z. B. Taubstummheit, Altersschwäche, Verkrüppelung der Gliedmaßen usw. eine andere Arbeitsgelegen- heit sich nicht verschaffen konnten und sich in besonderer außer» gewöhnlicher Not befinden. Da diese Voraussetzungen auch nach den erneut angestellten Ermittlungen bei Ihnen nicht zutreffen, bin ich auck jetzt nicht m der Lage Ihrem Antrage entsprechen zu können." Brotwucher ist schlimm, aber noch entsetzlicher ist daS Wirken dieser Hungerpeitsche, die wir vorwiegend dem Zentrum verdanken. letzte ffochriehtcn« Die Reform des englischen Oberhauses. London , 24. Mai. (W. T. B.) Im Verlauf der Debatte über die Vetobill im Oberhause empfahl der Erzbischof von Canterbury in dringender Weise, einen Kompromiß zu schließen. Der Lord- kanzler erklärte, die Regierung werde in dem gegenwärtigen Stadium der konstitutionellen Krists die Vetobill nicht aufgeben. Er deutete jedoch an, daß es möglicherweise zu einem Abkommen über das Problem der Reform des Oberhauses kommen werde, aber ein solches Abkommen werde nur dann möglich sein, wenn die Not- wendigkeit einer wirklichen Gleichheit zwischen beiden Parteien im Oberhause anerkannt würde. Wenn eine wirkliche Gleichheit ge- zeben sei, so könnten vielleicht nachher neue Beziehungen zwischen ten beiden Häusern des Parlaments geschaffen werden. Der albanische Aufstand. Saloniki, 24. Mai. (W.T.B.) Die von Muhaddin Bey gs- führten Truppen griffen den Berg Schechtappe besetzthaltende Auf. tändische an und vertrieben sie nach siebenstllndigem Kampfe wobei die Aufständischen zwanzig Mann, die Truppen vier Mann und einige Verwundete verloren. Bei Mojkowatz wurde ein türkischer Grenzposten von Aufständischen angegriffen, hierbei wurden drei Soldaten erschossen. Die Rebellen flüchteten ohne Verlust. Neuer Fliegerabsturz. Karlsruhe , 24. Mai. Heute abend 5,45 Uhr ist hier ein neuer Unfall bei der Oberrheinischen Zuverlässigkeitsprüfung vorge- kommen. Leutnant Mackenthun, der mit seinem Begleiter Leutnant Bahrends auf einem Aviatikzweidecker den ersten Aufstieg unter- nehmen wollte, flog bis in die Nordecke des etwas kleinen Flug. geländes, das ringsum von Wald umsäumt wird. Plötzlich sah man, wie der Apparat sich neigte und auf die Kiefern stürzte. Der Apparat blieb in den Aesten hängen, die beiden Flieger erlitten keinerlei Verletzungen._ Eine Fliegerschule in China .. Peking , 24. Mai. (P.-C.) Der Flugsport, dem erst kürzlich der wanzösische Flieger Rene Ballon in China zum Opfer gefallen ist, beginnt jetzt auch im„Reich der Mitte" seinen siegreichen Ein- zug zu halten. Der ckinesische Flugtechniker Foug-you. der mehrere Jahre in den Vereinigten Staaten gelebt hat, wird auf Wunsch des Vizekönigs von Kuang tung in Kanton eine Flieger» chule einrichten.___ aulSingerZ!Co..BrrlivLVV. Hierzu 4 Btilage«
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