©StScTt emst in Ltt Gesck>ichte der deutschen Unibersitäleii auf d'iiti unrühmlichsten Blättern stehen, denn sie sind ein glattes Eingeständnis der Mißslände an den Universitäten» die bisher immer in Abrede gestellt worden sind. Die Universitäts- behörde fragt vorher bei der Polizei an. ob der Ausländer immatri- kuliert werden kann, und sie richtet sich nach dem Bescheid der Polizei, den sie nicht nachprüfen kann. Daß da» in der Tat ein unerhörter Skandal ist, bedarf wohl keiner weiteren Erörterung. Daß ein Geheimerlaß in dieser Sache nicht existieren soll, ist für uns noch keine Beruhigung. Ich möchte den Minister um Auskunft darüber bitten, ob nicht gleichlautende Anweisungen von ver- schiedenett Einzelministern oder von untergeordneten Behörden an die Universitäten ergangen sind. Gegenüber den unerhörten Be- schimpfungen, die sich die reaktionäre Presse,„Deutsche Tages- zeitung" usw. aus diesem Anlaß gegen den„Vorwärts" ge- leistet haben, möchte ich darauf hinweisen, daß es Tradition in der Sozialdemokratie und beim„Vorwärts" ist, die unerhörten Miß- stände an der Universität zu bekämpfen. Das geschieht nicht aus kleinlichem Varteiinteress«, sondern von dem Standpunkt des Zu- Vertrauens heraus, daß die Wissenschaft selbst in der Zwangsjacke unserer Universitäten ihre hohe Bedeutung hat und nicht durch rückständige barbarische Polizeimaßnahmen gehemmt werden darf, wie sie sich beispielsweise in der Lex Arons zeigen. Leider haben wir von den Vertretern der bürgerlichen Parteien und auch von der f r e i s i n n i g e n Presse keinen Protest dagegen gehört, daß man überhaupt die ausländischen Studenten auf ihre politische Zuverlässigkeit hin prüft. Die Herren haben nur eine sorgfältig»re Prüfung verlangt. Das ist ein Standpunkt, den wir auf das Schroffste zurückweisen. Die frei- sinnige Interpellation nimmt es gewissermaßen als gottgewollte Tatsache hin, daß die Universitäten die politische Zuverlässigkeit der aus- ländischen Studenten nachprüfen. Wir sind Gegner dieser heim- lichen Feme , dieser diskretionären Gewalt, die man der Polizei gibt. Alle die Bedingungen, die für die Zulassung der Ausländer an unsere Universitäten gestellt werden, sind im höchsten Grade blamabel, und die ganze Art des Verhältnisses von Universität zur Polizei ist durchaus unwürdig. Die Universität ordnet sich der Polizei unter. (Zurufe bei den Sozialdemokraten: Echt preußisch I) Der Polizei- gewaltige kommandiert oder er pfeift und die Universität mutz tanzen. Es ist noch immer unklar, ob die Universitäts- bchörden verpflichtet find, Auskünfte von der Polizei einzuziehend WaS soll man dazu sagen, daß sich die preußische Universität nur noch alS Dependance der Polizei fühlt auf diesem Gebiete. Wir wissen doch, welcher Elemente sich die Polizei be- dient. Wir wissen, daß auch die russische Polizei hier Geheim- agenten in Berlin unterhält. Der eine, W e i ß m a n t e l. ist ja jetzt in Rußland wegen schwerer Verbrechen zu Gefängnis verurteilt worden. Wir haben auch jetzt einen solchen Herrn in Berlin . Der Herr, der jetzt die amtliche Befugnis hat, sich hier für die hiesigen Russen zu interessieren, ist der Attache an der russischen Botschaft, SakzewSki. ch nenne diesen Namen hier in aller Oeffentlichkeit, damit die in erlin lebenden Russen vor dem Herrn gewarnt sind. Das unwürdige Verhältnis zwischen Polizei und Universität wird leider jetzt von den Professoren und Studenten ruhig hingenommen. Es wird damit motiviert, daß>oir in Preußen kein Universitätsgesetz haben. Ich muß diesen Standpunkt auf das entschiedenste be- kämpfen. Das ist so ein preuhisch-subalterner Zustand, der hier zum Ausdruck kommt. Haben denn die Göttinger Sieben etwa ein besseres Gesetz gehabt, als sie einst mannhaft auftraten und eine Verbesserung der Zustände herbeiführten. Selbst aus den Ausführungen des von mir so ungemein hochgeschätzten Professor? v. Liszt klang dieser Geist der Duldung und Abhängigkeit heraus, den ich auf da? allertiefste beklage. Die preußischen Uni- versitäten werden genau so behandelt, wie sie«» verdienen, solange sie sich ihrer Haut nicht wehren. Ich möchte bei dieser Gelegenheit den Minister fragen, ob ihm von einer Abmachung bekannt ist, die bei Gelegenheit der letzten Studentenunruhe in Rußland getroffen wurde, wonach keiner der daran beteiligten Studenten an d e u t- scheu Hochschulen mehr zugelassen werden soll? Dieser Vorfall fällt gerade in den richtigen Moment, denn 100 Sahre ist es jetzt her, daß jener Fichte Retwr der Berliner niversität war, der seine Reden an die deutsche Nation hielt, in der er Deutschland aufforderte, sich von der Fremdherrschaft der französischen Nation zu befreien, die immerhin die deutsche Kultur vorangetrieben hat. Sollte es nicht auch in diesen Tagen irgend- «inen Fichte geben an der Berliner Universität, der auch Reden i hält an die deutsche Nation, um Deutschland von der Fremdherrschast der russischen Polizei, von der Zarendienerei und der Speichelleckerei Rußland gegenüber zu befreien. Diese Reden sollten gleichzeitig gerichtet werden an die studierende Jugend und an die deutschen UntversitätSdozenten. Vielleicht wird Herr V. Ligzt sie halten. Uns bleibt die geststellung, daß es wiederum die Sozialdemokratie Sewesen ist, die eS gewagt hat. hier und in der Presse aus dem >all DubrowSky die Konsequenzen zu ziehen im Interesse der deutsch -n Kultur, der deutschen Universitäten, im Interesse de» An- sehenS de» deutschen Namen« im Inland und Ausland.(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) Die Besprechung schließt. Abg. v. Dewitz iff.): Dr. Liebknecht hat meine Zumutung, ich würde gegen den Schluß stimmen, wenn er kurz spricht, als S k a n- d a l bezeichnet. Möge er sich nie eines größeren Skandals schuldig machen. �„ Abg. Dr. Liebknecht(Soz.): Ein derartiges Ansinnen ist und bleibt ein politischer Skandal. Die Abgg. v. Heydebrand(k.), Dr. Friebberg(Natl.), Dr. Dietrich(Z.). v. Kardorsf(fk.) und Gvßling(Vp.) erklären, daß ihnen von Verhandlungen, die Besprechung dieser Angelegenheit zu verhindern, nicht daS geringste bekannt ist. Abg. Dr. Liebknecht(Soz.): Dann nehme ich meine Behauptung zurück..„ Vizepräsident Dr. Porsch ruft den Abg. Dr. Liebknecht zur Ordnun», weil er dem Mitglied der russischen Botschaft v. Sak- zewbki unwürdiges Verhalten und Korruption vorgeworfen hat. Der Entwurf eines Gesetzes zur Abänderung der V o r s ch r i f. tcn über die Abnahme und Prüfung der Rech- nungen geht an die verstärkte Rechnungskom- Mission. Nächste Sitzung Freitag 12 Uhr. Ausführungsgesctz zur Reichs- ipertzuwachssteuer. Schluß 4/, Uhr._ Gerichte-Zeitung. Einen Schuhmann zum„Erzieher des Publikum»" zu erziehen hat ein Drechsler Pleß versuchen zu sollen geglaubt. In der Nacht vom 8. April zum S. April gegen Vj2 Uhr wurde Pleß. mit Kol- legen von der Arbeit heimkehrend, auf dem Schlesischcn Bahnhof zufällig Zeuge eine« Streites Mischen zwei Männern. Der eine der Streitenden, ein Fahrradhändler Klopsch. der ein künstliches Bein hat. wollte die Persönlichkeit des andern feststellen lassen und begab sich zu diesem Zweck nach der Polizeiwache am Schlesi. schen Bahnhof. Ein Schutzmann Winter, der herauSgeMngelt wurde, benahm sich auf der Straße gegenüber dem Krüppel in einer Weise, die Pleß für durchaus ungehörig hielt. Als Pl. dem Schutz- mann deshalb Vorhaltungen machte, wurde er aufgefordert, selber Vit zur Wachs! zu üamo. Acht Tage Wtt KÄts tano N' M Strafmandat weg, das ihm eine Geldstrafe von 8 M. auferlegte. Warum? Er wurde beschuldigt, vor der Wache gestanden zu haben und der Aufforderung des Schutzmann» zum Trotz nicht weiter- gegangen zu sein, sondern laut flandaliert zu haben, so daß man eS straßenweit habe hören können. Da Pleß gegen dieses Strafmandat der Polizei die Sntschei- dung eines Gerichts beantragte, so kam die Sache vor das Amts- gericht Berlin-Mitte , dessen Abteilung 144 unter dem Vorsitz des Amtsgerichtsrats Wagler gestern darüber zu entscheiden hatte. Der Angeklagte erklärte, der herausgeklingelte Schutzmann Winter sei sogleich sehr erregt auf Klopsch zugegangen und habe diesen an- geschrien und gepufft. Obwohl Kl. darauf aufmerksam gemacht habe, daß er Krüppel sei, habe Winter ihm schließlich noch einen Stoß gegeben, so daß er hinflog. Das Publikum sei in große Er- regung geraten, und man habe den Ruf gehört:„An einem Krüppel kann er sich vergreifen!" Nunmehr habe Pl. dem Schutzmann in Ruhe darauf hingewiesen, daß er einen Fehler gemacht und seine Amtsbesugnisse überschritten habe.„Sie sollen doch erzieherisch auf das Publikum einwirken!" habe er, Pleß, hinzugefügt. Danach sei er selber sistiert worden. Der Vorsitzende brachte zur Sprache, daß Klopsch inzwischen Strafantrag gegen den Schutzmann Winter gestellt hat. Winter, der als Zeuge gegen Pleß auftrat, erklärte, daß er hiervon noch nichts wisse. Der Strafantrag ist, wie vor Gericht festgestellt wurde, am 12. Mai eingereicht worden. Daß Kl. erst so spät sich zu einem Strafantrag entschlossen habe, fand der Vorsitzende„auffällig". Schutzmann Winter bekundete, vor der Tür der Polizeiwache habe„ein Herr mit einem steifen Fuß" ihm ge- klagt, daß ihm ein Rad gestohlen sei. Der habe, als Winter ihm zu einer Anzeige bei der Kriminalpolizei riet, darüber geschimpft, daß die Polizei ihm nicht daS Rad sofort herbeischaffen konnte. Auch Pleß habe laut räsonnierend es als unerhört bezeichnet, daß dem Mann nicht zu seinem Recht verholfen werde. Nun habe Winter den Klopsch„weitergeführt", um abseits mit ihm zu verhandeln. Da Pl. noch immer nicht weggegangen sei, habe er ihn sistiert. Ob er Kl. gestoßen habe, so daß er Hinsiel, wurde Winter vor Gericht nicht gefragt. Unterstützt wurde diese Behauptung des Angeklagten von dem Zeugen Poenicke, der in jener Nacht mit Pl. zusammen gewesen war. Winter habe sogleich Kl. angeschrien:„Scheren Sie sich weg!" und habe ihn dann hingeswßen, so daß da» Publikum sich darüber entrüstete. Pl. habe ihm das ruhig vorgehalten und ihn an die Pflicht der Schutzleute,„aus das Publikum erzieherisch ein- zuwirken", erinnert. Hiernach beantragte der Bmtsnnwalt selber die Freisprechung. Beide Zeugen seien glaubwürdig, doch könne man nicht entscheiden, wer mehr Glauben verdiene. DaS Gericht fällte das Urteil, daß Pl. freizusprechen sei, weil der Sachverhalt sich nicht habe aufklären lassen. Ob auch nach Meinung des Gerichts der Schutzmann ein„Er- zieher des Publikums" sein soll und ob ein Zivilist ihn dazu erziehen kann, darüber schwieg die Urteilsbegründung. Ein umfangreicher Beleidigungsprozeß, den die Aerzte der Charlottenburger Krankenhäuser Westend und Kirchstraße angestrengt hatten, begann gestern mittag vor der Strafkammer de« Landgerichts III unter Vorsitz des Landgerichts- rats Bogel . Angeklagt sind die Schriftstellerin Elisabeth Bonneß (Ruth Brö) und die Schriftstellerin Dr. phil . Helene Stöcker , welche von Rechtsanwalt Hollander und Dr. Kurt Rosenfeld verteidigt werden.— Der Anklage liegt im einzelnen folgendes zugrunde: Fräulein Stöcker ist verantwortliche Herausgeberin der Zeitschrift „Die neue Generation", des PublikationsorganS des„Bundes für Mutterschutz ". Am 14. Januar 1009 erschien in dieser Zeitschrift ein Artikel, welcher von der Angeklagten Bonneß ver- faßt worden war und schwere Vorwürfe gegen die Leitung der Krankenhäuser Westend und Kirchstraße enthielt. Die Verfasserin führt darin aus, daß,„so traurig die Lage deS im Stall geborenen Christkindes gewesen sei, es doch noch zu beneiden sei gegenüber der Lage eines anderen jüngst geborenen KindeS. Kurz bor dem Weihnachtsabend sei, so hieß eS in dem Artikel, ein Mädchen, bei dem sich schon die ersten Anzeichen der beginnenden Geburt bemerk- bar machten, in daS Bureau des Bundes für Mutterschutz ge- kommen sind habe erzählt, daß sie ihre Dienstherrschaft, eine Arzt- familie in Lankwitz , erst jetzt habe gehen lassen, trotzdem sie gebeten habe, früher entlassen zu werden. Die Leiterin des Mutterhauses Sabe das Mädchen schleunigst in einer Automobildroschke nach dem wanken�ause Kirchstraße schaffen lassen. Dort habe man jedoch ohne weiteres die Aufnahme abgelehnt. Das sich vor Schmerzen windende Mädchen sei dann nach dem Krankenhaus Westend ge- fahren worden, wo es schon auf einer Tragbahre in das HauS ge- tragen werden muhte. Als das Mädchen schon auf dem Operations- tisch lag, sei best Oberarzt gekommen und habe geäußert:„Wir haben hier keine Entbindungsanstalt!" Auf seinen Befehl sei daS Mädchen, ein Dienstmädchen Stenzel, abermals in daS Auto zurück- getragen worden. DaS Krankenhaus Kirchstraße habe auch wiederum die St. abgewiesen, die dann schließlich nach einer Unfallstation geschafft wurde, wo sie einige Minuten nach ihrer Einlieferung entbunden wurde. Der Ehauffeur, ein alter graubärtiger Mann, habe auf der ganzen Fahrt fortwährend gejammert:„Das arme, arme Mädchen."— Der Artikel schließt mit den Worten:„Schlagt an Euer Herz, Ihr Christen, wenn Ihr hört, daß so etwas in einem christlichen Staate möglich ist! Stellt Euren Staat zur Rede, daß er so etwas duldet!"— Der Vorfall selbst wurde in dem Artikel als„eine zum Himmel schreiende Episode" bezeichnet. Dieser Artikel, der auch in die TagcSpresse übergegangen war, ver» anlaßte den Magistrat der Stadt Charlottenburg , sofort Er- Hebungen anzustellen, die zu einer amtlichen Erklärung in der Presse führten. Von dem Magistrat wurde behauptet, daß die Angaben des Artikels völlig unzutreffend seien. Die Stenzel sei vielmehr ohne weiteres in dem Krankcnhause Kirchstraße gegen 8 Uhr abends aufgenommen und erst am nächsten Tage gegen 10 Uhr vormittags entbunden worden. Nachdem diese Erklärung deS Magistrats bekannt geworden war, erschien am 14. Februar in der„Neuen Generation" ein zweiter Artikel, in welchem die Angeklagte Bonneß mitteilte, daß sie bei ihren Angaben bestehen bleibe und ferner, daß für den nächsten Tag in der„Viktoria- Brauerei" eine Volksversammlung einberufen worden sei, welche sich mit den Mißständen in den Charlottenburger Krankenhäusern befassen würde. Diese Versammlung fand dann auch statt und zwar wiederholte die Angeklagte Bonneß in dieser die Vorwürfe gegen die KrankenhauSleitung.— Die Folge war die jetzige An- klage wegen Beleidigung. In der gestrigen Vernehmung erklärte die Angeklagte Bonneß, daß ihr die zu dem Artikel verwendeten Tatsachen von der Leiterin des Mutterhauses, welche die Stenzel auf jener Automobilfahrt begleitet hatte, mitgeteilt worden seien. Die Angeklagte Dr. phil . Helene Stöcker , welche lediglich als ver- antwortlich zeichnende Redakteurin angeklagt ist, erklärte, daß es Pflicht des Bundes für Mutterschutz gewesen sei, ein derartiges Vorkommnis mit allen zu Gebote stehenden Mitteln aufzuklären und der öffentlichen Kritik zu unterziehen. Irgendwelche Persön- lichkeitcn sollten mit dem Artikel nicht getroffen werden, sondern lediglich die vorhandenen Mißstände.— Zu der Verhandlung sind außer dem als Sachverständigen geladenen Gerichtsarzt Dr. Marx zirka 30 Zeugen geladen, da die Angeklagten den Wahrheitsbeweis für die Angaben des Artikels antreten wollen. Nach der verantwortlichen Vernehmung der Angeklagten be- gann die Beweisaufnahme. Als erste Zeugin wird da! junge Mädchen vernommen, da» damals in den beiden Krankenhäusern keine Aufnahme fand. Da ihre Angaben sehr unsicher sind und sich die Zeugin auf Einzelheiten überhaupt nicht besinnen kann, beschließt de» Gericht, die Sache zu vertagen und das nicht er- schienene Fräulein Schulz, das die Zeugin Stenzel auf ihren Fahr- ten nach den beiden Krankenhäusern begleitete, als Zeugin zu -* Müssen Eltekkk ihre Kinder an sonntäglichen Schnlseietck teilnehmen lassen? Am Sonntag, den 26. März, wurde in Mühlcnbeck eine Schuld feicr anberaumt, an welcher die Eltern ihre Kinder teilnehmen lassen sollten. Der Gastwirt Bärsch hielt seinen von der Feier zurück, er wurde deshalb auf Grund einer Regierungsverordnung vom Jahre 1899 in eine Geldstrafe wegen Schulversäumnis ge- nommen. Hiergegen beantragte B. richterliche Entscheidung. Vor einigen Tagen hatte sich B. vor dem Pankower Schöffengericht zu verantworten. Der Vertreter der Anklage beantragte Aufrecht- crhaltung der Strafe, da Schulfeiern ebenfalls zum Schulunter- richt gehören. B. dagegen berief sich auf Grund einer Kammer- gerichtsentscheidung auf den Z 45 II 12 des Allgemeinen Land- rechts, wonach an Sonntagen nur in Notfällen Unterricht abge- halten werden soll. Von einem Notfall könne hier nicht die Rede sein. Hierauf wurde B. freigesprochen. Wegen öffentlicher Aufforderung vor einer Menschenmenge zur Begehung einer strafbaren Handlung hatte sich vor döm Schöffengericht Berlin-Mitte der Genosse Maus, Mitglied der OrtS- verwaltung deS Metallarbeiter-Verbandes, zu verantworten. Ende Januar d. I. fand in der Jranklinstraße ein Streik statt. Maus sollte dabei einen vom Schutzmann fortgewiesenen Streikposten er- klärt haben,„Sie stehen weiter Streikposten. Ich will sehen, wer uns daran hindern kann." Maus bestritt, eine solche Äeußerung getan zu haben, erklärte vielmehr, lediglich gesagt zu haben, als ein Schutzmann den Streikposten stieß und sich tätlich an ihm ver- griff, daß er ein solches Verhalten nicht für zulässig halten könne. Der betreffende Streikposten sei Mitglied des Metallarbeiterver- bandes, er wünsche den Namen des Beamten zu wissen, um Be- schwerde zu führen. In der Verhandlung vor dem Schöffengericht blieb der Schutzmann dabei, daß Maus den Streikposten auf- gefordert habe, seinen Platz nicht zu verlassen. Auf der anderen Seite mußte aber der Schutzmann zugeben, daß Maus zu dem Streikposten, der zur Wacke genommen wurde, auch gesagt habe, er solle ruhig mitgehen. Der Schutzmann sagte ferner aus, daß er daß Streikpostenstehen untersagt habe, weil auf eine Anzeige der bestreikten Firma der Reviervorstand das Streikpostenstehen verboten habe. Maus habe leise gesprochen, es hätten etwa 6 Per- sonen um Maus herum gestanden, als dieser die inkriminierten Worte sprach DaS Verfahren wegen Mißhandlung des Streikpostens durch den Schutzmann scbwebt noch. Ein vernommener Entlastungszeuge bekundete, daß Maus sich lediglich dagegen ge- wendet habe, daß der Schutzmann den Streikpasten zweimal stieß; eine Aufforderung zum Ungehorsam habe Maus nicht erlassen. Der Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt Dr. Heine- Mann, wies darauf hin, daß die Aufforderung des Schutzmanns keine berechtigte gewesen sei, denn eine so ungünstige Rechts- auffassung auch dos Kammergericht vertrete, daran habe es doch immer festgehalten, daß der Schutzmann selbst prüfen müsss, ob die Ordnung gefährdet sei. Eine generelle Aniveisung des Re- Viervorstandes, das Streikpostenstehen sei nicht zu dulden, habe auch das Kammergericht stets für unzulässig erachtet. Vor allem aber fehle eS, wie der Verteidiger eingehend nachwies, an der rechtlichen Voraussetzung, daß Maus öffentlich vor einer Menschen- menge die angebliche Aufforderung erlassen habe. ES seien nur einige wenige übersehbare Personen da gewesen. Letzteren Aus- führungen schloß sich das Gericht an und sprachMauSfrei. Urteil im Bandendiebstahlsprozeß. DaS Urteil wurde erst in vorgerückter Abendstunde gesprochen. Das Gericht verurteilte: Stehling wegen schweren Diebstahl» in 31 Fällen zu 5 Jahren Zuchthaus, 5 Jahren Ehrverluft und Poli« zeiaufficht, Damerow zu 2 Jahren 1 Monat Zuchthaus unter An- rechnung von 6 Monaten der Untersuchungshaft, Kub« zu 3 Jahren Zuchthaus und 5 Jahren Ehrverlust, Lorenz zu 2)4 Jahren Ge- fängniS, Sicgmund zu 2)4 Jahren Zuchthaus, Riefe, istahl wegen Hehlerei zu 9 Monaten Gefängnis und 3 Jahren Ehrverlust. — Die Angeklagten Dettler, Frau Riefenstahl und Szhlinski wurden freigesprochen.— DaS Verfahren gegen Böttcher» PieSke und Lichte wurde abgetrennt._ Totschlag wegen verschmähter Liebe. Ein Liebcsdrama hat vor dem Leipziger Schwurgericht seinen Abschluß gesunden. Unter der Anklage, ihren Geliebten, den Kauf- mann Habedank, erschossen zu haben, hatte sich die 31 Jahre alte Schneiderin Scharf zu verantworten. Die Angeklagte unterhielt mit Habedank längere Zeit ein Verhältnis, das nach ihrer Mei» nung zur Ehe führe» sollte. Als Habedank aber keine Anstalten zur Verlobung machte, schrieb sie an dessen Bater einen Brief und bat um seine Einwilligung zur Verlobung mit dem Sohne. Der alte Herr schrieb ihr aber zurück, daß aus einer Heirat nichts werden könne, er sei aber bereit, ihr eine Abfindungssumme zu zahlen. Bei einem Rechtsanwalt kam auch ein Vertrag zustande. wonach die Angeklagte gegen Zahlung von 4000 M. sich bereit erklärte, ihre Ansprüche auf den jungen Habedank aufzugeben. Kurz nach Unterzeichnung des Vertrages holte sie aber ein« Pistole aus ihrer Wohnung, lauerte ihrem Geliebten auf und schoß ihn nieder. Als Habedank blutend am Boden lag, nahm sie seinen Kopf in ihren Schoß und streichelte ihn; dann versuchte sie, sich selbst zu erschießen, was ihr aber infolge VersagenS der Pistole nicht gelang. Sie wurde von der Stelle weg verhaftet. Die Ver- Handlung gegen sie sollte bereits in voriger Woche stattfinden, mußte aber aufgeschoben werden, weil sie in der Zelle einen er» neuten Selbstmordversuch gemacht hatte. Die Geschworenen sahen die Tat der Angeklagten, der ihr Geliebter nach wenigen Stunden erlegen war, als Totschlag an; daS Urteil des Gerichtshofes lautete auf fünf Jahre Gefängnis. Bon der Anklage der Beleidigung der preußischen Regierung und der Polizei ist am 19. Dezember v. I. der Arbeitersekretär Albert Weber freigesprochen worden. In einer Rede über die Reichsversicherung sprach er von Polizeibeamten als von Lumpen, da die Polizei, wie der Polizeiminister gesagt habe, nicht bloß Gentlemen anstellen könne. Da! Gericht hielt es nicht für wider- legt, daß er nur Spitzel gemeint habe.— Auf die Revision deS Staatsanwalts hob gestern das Reichsgericht das Urteil auf, soweit die Regierung beleidigt sein soll. ES wurde auf Einstellung er- kannt, damit der Regierung noch die Möglichkeit offen bleibt, nach- träglich Strafantrag zu stellen. Im übrigen wurde die Revisio» des Staatsanwalts verworfen. Der Görlitzer Stadthallenprozeß. In der erneuten Verhandlung deS vom Reichsgericht auf, gehobenen und an die Görlitzer Strafkammer zurückverwiesenen Stadthallenprozesses wurde gestern der Lieferant der Dach, konstruktion, Ingenieur Paul Martiny aus Dresden , der am 1. März vorigen Jahres von. der Gorlitzer Strafkammer wegen Ver- stoßes gegen die allgemeinen Bauregeln in Verbindung mit fahr, lässiger Tötung zu drei Monaten Gefängnis verurteilt worden war, von der Anklage des Vergehens gegen§ 830 St.-G.-B. freigesprochen, Die Kosten wurden der Staatskasse auferlegt. Hus aller Melt. JSIeu-Byzanz. Die Art. wie man in Köln Wilhelm II. und seine Gemahlin empfangen hat, ist eine kecke Herausforderung der nicht byzantinisch versimpelten Bürgerschaft. Man hat auf städtische Kosten acht Kilometer Straßen mi't Pflanzen-, Flaggen- und figürlichen Schmuck und mit zahlreichen Triumph» bogen versehen. Man hat unerhörte Aufwendungen für Be- l« u ch t u n g S k ü n st e gemacht und ans dem Rhein ein Feuer- werk von nie gesehener Pracht und von mehr als«instüudiger Dauer veranstaltet. Dazu kam ein Festmahl auf den eigens
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