Nr. 123. 28. Ichrgsug.t WM Ks Jutmiitts" Wim lolMIttt.SoWag, 28. Mai 1911.l�eickstag.185. Sitzung: Sonnabend, den 27. Mai bsrmittags11 Uhr.Am Bundesratstisch: Dr. Delbrück,Die dritte Beratung derReichSversicherungsordmingMrL fortgesetzt.Abg. Fischer(Soz.s:Als gestern Herr Trimborn als erster Stabstrvm-Peter der bürgerlichen Sozialreform hier auftrat, da klang seineFanfare bescheiden, beinah melancholisch. Er versprach, sich jederPolemik zu enthalten. Dies Versprechen kann ich Ihnennicht abgeben.(Heiterkeit. Zuruf aus der Mitte: Das glaubenwirl) Ja, das werden Sie schon erfahren. Wenn Herr Trim-born, der sonst so Streitlustige, auf alle Polemik verzichtete, sodeshalb, weil für seine Partei dabei keine Lorbeeren zu holen sind.(Sehr richtigl bei den Sozialdemokraten.) Der Kredit der FirmaSozialreform und Arbeiterfreundlichkeit ist eben arg erschüttert.Man spricht schon von einer Liquidation, und die erfahrenstenund angesehensten Prokuristen dieser Firma, die Herren Hitze undTrimborn, waren bei der ganzen Beratung dieses Gesetzent-Wurfes ausgeschieden. Daß gerade der.junge Mann", HerrBecker, dazu ausersehen war(Große Heiterkeit), den alten Glanzwiederherzustellen, das spricht Bände.. Herr Trimborn hat gesternversucht, uns ein glänzendes Bild von der Reichsversicherungsord-nung zu geben. Vielleicht werden wir diese Rede demnächst alsF l u g b l a t't der Zentrumspartei vor Augen bekommen. Ichbedauere schon jetzt die Arbeiter,die dieses Opium einsaugen werden.Ihr Erwachen aus diesem Rausch wird von einem furchtbarenKatzenjammer begleitet sein.(Sehr richtigl bei den Sozialdemo-kratcn.) Nicht allzu hoch, so begann gestern Herr Trimborn, seiendie Vorteile, die den Arbeitern aus der Aenderung der Versicherungsordnung erwachsen. Sogar sehr gering, klagte er, seiendie Renten aus der Hinterbliebenenversicherung. Aber eine halbeStunde später hatte er sich bereits so in Begeisterung hineingesprochen, daß er von vielen und sehr nachhaltigen Vorteilen sprachund verzückt für die Bewilligung der Vorlage eintrat. Mit Millio-nen spielte Herr Trimborn. Gewiß, Millionen von Landarbeiternwerden endlich der Krankenversicherung unterworfen, aber beimZentrum brauchen sie sich nicht dafür zu bedanken. Denndas Zentrum trägt die Schuld daran,daß seit mehr als 25 Jahren die Landarbeiter von der Versicherungausgeschlossen sind.(Sehr richtigl bei den Sozialdemukraten.) Hunderte von Millionen als Leistung hat uns HerrTrimborn gestern vorgeführt. Die Höhe der Gesamtsumme kommtaber nicht in Betracht, sondern der Umstand, ob für die Millionender Versicherten die Leistungen genügend sind. HerrTrimborn hat, wie das bei den bürgerlichen Parteien die Regelist, bei diesem Zahlenmaterial zudem immer verschwiegen, daß dieArbeiter zwei Drittel davon bei der Krankenversicherung tragen.Wenn er von 180 Millionen Mark Krankenversicherung s-leistungen spricht, so vergißt er, daß die Arbeiter davon 120 Mil-lionen Mark bezahlen. Wenn er von 130 Millionen Mark Jnva-lidenversicherung spricht, übersieht er, daß 90 MillionenMark der Beiträge aus der Tasche der Arbeiter selber stammen,und wenn er vom Reichszuschuß spricht, so vergißt er, daß erfast ausschließlichaus der Tasche tier Arbeiter»kommt, weil er ja beinahe ausschließlich auS indirektenSteuern stammt, für die das Zentrum gestimmt hat.Kein Geschenk der besitzenden Klaffe an die Arbeiter ist dieVersichcrungsgesetzgebung, sie ist einfach die Rückgabe der denArbeitern vorher abgenommenen Beitr ä g e undSteuern.(Sehr richtigl bei den Sozialdemokraten.) Mit einergewissen Eleganz ist Herr Trimborn über die Frage derVernichtung der Selbstverwaltungder Arbeiter hinweggegangen. Ich kann ihm diese Reserve schonnachfühlen. Andererseits aber hat er mit keinem Wort die V e r-leumdungen gegen meine Partei wiederholt, ganz imGegensatz zu seinen Fraktionskollegen, dem ArbeitervertreterB e ck e r, in der zweiten Lesung. Herr Trimborn ist eben unendlichviel klüger als Herr Becker, der über die angeblichen Mißbräuchekleines feuilleton.Der Feuersee auf Sawaii. Den einzigen Labasee intf d'ct Weltaußer dem fast erloschenen Kilauea in Hawaii, schildert Dr. KurtWegener in der„Umschau", indem er auf Grund eigener Anschau-ung den Vulkan M a t a w a n u, der im August 1005 am Nordost-abhang der Samoainsel Sawaii neu entstanden ist, ausführlich be-schreibt. Die ganze Insel stellt einen Einzigen großen Vulkan dar,auf dessen mächtigen Lavaschild sich' allenthalben kleine Krater-kuppen, die Durchbruchsstellen der Lava, von 50— 100, höchstens300— 400 Meter Höhe und 500— 1000 Meter Durchmesser aufsetzen.Bei der Bildung de» neuen Vulkans, bei der einer der schönstenDistrikte der Insel betroffen wurde, wurden auS der neuen Aus.bruchsstelle anfangs Steine und Lavabrocken in die Höhe ge>schleudert; dann floß zähe Lava in größeren Mengen aus, wobeisich Dämpfe entwickelten. 1906 kam ein schmaler Strom bis geradean die Küste, 1907 und 1908 erfolgte dann eine große Lavaauf-schichtung, die etwa 30 Quadratkilometer Land unter einer 5— 10dicken Steinkruste begrub. Jetzt fließt die Lava in einem dünnenBach, aber mit einer Geschwindigkeit von etwa 4 Metern in derSekunde, in die See. Das war erst möglich, nachdem sich aus demKrater ein Lavasee gebildet hatte, in dem die gashaltenden flüssigenGesteine beim Aufsteigen und bei der Abkühlung sich stärker aus-dehnen als die gasarmen und daher in die Höhe schnellen. � Sospringen aus dem feurigen See überall und fortwährend Fontänenvon Lava, in denen die Gase der Lava ausgeschieden werden. DasBild des rotleuchtenden Sees, der etwa 100 Meter unter demoberen Rande liegt und 50 Meter breit und 20 Meter lang ist,macht einen überwältigenden Eindruck, besonders zur Nachtzeit.Die rot- und weißglühenden Massen schwimmen hin und her undklatschen aufspritzend gegen die Wände des Kraters, während manzahlreiche, 5— 10 Meter hohe Fontänen aus dem See aufspringensieht. Nach dem Verlassen des Sees flieht die Lava als unter-irdischer Bach den Berg hinab, wobei ihr Weg durch einzelneDampsstellen bezeichnet wird, und ergießt sich dann an der Steil-küste unter mächtiger Dampfentwickelung in die See. Wenn sichder enge Kanal verstopft hat, sucht sich der Bach rasch ein neuesBett in den zahlreichen Spalten und Hohlräumen de? Lavafeldes.Der Ausfluß der Lava in die See erfolgt an wechselnden Stellen;nur zwei Hauptsträhne haben sich dabei als ziemlich beständigerwiesen und bei dem einen tritt die Lava unter mächtigen Explosionserscheinungen unterseeisch auf.Vom Rätsel der Elektrizität. Die Anschauungen über dasWesen der Elektrizität haben sich im Anschluß an die Entdeckungender unsichtbaren Strahlen sehr verändert. Man kann zwar nichtsagen, daß das große Rätsel. daS diese Form der Naturkraft umgibt.bereits gelöst sei. aber die gewonnenen Vorstellungen sind doch etwaslebhafter und befriedigender geworden. Es ist noch die Frage, obder große Physiker Lord Aetvio guS beW WÄ eillkv SIeltoin den sozialdemokratischen Kassen so gut unterrichtet war unögeradezu taubstumm wurde. Wenn man von wirklichen Miß«bräuchen in den Krankenkassen sprach, die sich in den Händen seinerPartei befinden. Da ist z. B. die Krankenkasse in Essen. HerrBecker hat zugegeben, daß der Essener Rendant 6000bis9000M.Gehalt empfange(Hört! hört! b. d. Soz.) und hat dieses Gehaltfür zu hoch erklärt.(Sehr richtig! im Zentr.) Tatsächlich beziehtHerr Meyer, diese Zentrumsleuchte in Essen, aber viel mehr.(Hört! hört! b. d. Soz.) Sein festes Gehalt beträgt 9000 M., da-neben bezieht er noch 2000 M. Gratifikation«», und seine Dienst-Wohnung ist ebensoviel wert. Es handelt sich also umein Gehalt von 13 000 Mark.Herr Becker wäre ja geplatzt, wenn er nur einen einzigen solchenFall von sozialdemokratischem Mißbrauch einer Kasse und'sozial-demokratischer Bezahlung in solcher Höhe gehabt hätte.(Sehr wahr!b. d. Soz.) Herr Trimborn hat vor einigen Wochen gesagt, daßVerträge, die in der Absicht abgeschlossen sind, sich im Hinblick aufdie kommende Reichsverfickserungsordnung Vorteile zu sichern, diebei der Neuordnung der Verhältnisse nicht möglich wären, unmög-lich als im guten Glauben abgeschlossen anerkannt werden könnten.Nun hat dieser Meyer mit dem hohen Gehalt zu der Kom-Mission gehört, die die Regierung aus den bürgerlichenKassenbeamten gebildet hat, um sich mit ihnen über die Lage derDinge auszusprechen. Dort hat er nun erfahren, was geplant ist,und nun hat seine Kasse für die Beamten, die eventl. durch dasneue Gesetz in ihren hohen Gehaltsbezügen verschlechtert würden,die Summe von 52 000 M. bei der dortigen Sparkaffe als Garantiefür den Weiterbezug hinterlegt.(Lebh. Hört! hört! b. d. Soz.) Wassind dagegen ihre alten Ladenhüter, Herr Becker?Herr Trimborn hat uns indirekt unsere Redelust borge-warfen. Was wollen Sie denn? Das fehlte gerade noch, daß dieMajorität die Minorität zum absoluten Schweigen in einer solchenFrage verurteilen wollte. Acht Jahre haben Sie gebraucht, um zudieser Reform zu gelangen, und nun verlangen Sie, daß 1754 Pava-graphcn imSchnellzugstempoerledigt werden, um möglichst bald nach Hause zu kommen. Da-neben treibt Sie zu dieser Taktik freilich auch die A na st vorden neuen Wahlen.(Lebh. Sehr richtigl b. d. Soz.) Weil Siewissen, daß der künftige ReickMag ein solches Gesetz nie bewilligenwürde, haben Sie jetzt alle Kräfte angestrengt, um dos Gesetzmöglichst bald unter Dach und Fach zu bringen.(Sehr nichtig! b. d.Soz.) Das ist«ineUeberrumpelung der Wähler,ein Mißbrauch des Ihnen anvertrauten Mandates.(Lebh. Zust. b.d. Soz.) Das Wort Beratung schon ist eine Unwahrheit, wenn manes auf diese Verhandlung bezöge. Die Majoritätsparteien habenihre Mitglieder geradezu zu Rädern einer Abstimmungsmaschineherabgedrückt(Lebh. Zust. b. d. Soz.), sie wußten gar nicht, warumsie aufstehen und warum sie sitzen bleiben. Sie stimmen eben, jenachdem die Weisung von den vorderen Bänkenkam.(Sehr wahr! b. d. Soz.) Wir haben den skandalösen Fallgehabt, daß Mitglieder der Kommission selbst erklärt haben, es seiunmöglich gewesen, die Berichte auch nur durchzulesen, ge-schweige denn, sie durchzustudieren. Selbst in den wüsten Tagender � Zolltarifverhandlung hat man Rede und Antwort gestanden.Hier aber, wo es sich um die Arbeitermassen handelt, sah die Mehr-heit ihre Pflicht darin, abzustimmen und hpn Schluß der Debatteherbeizuführen. Redselig wurde sie nur, wenn sie versuchte, diebrutale Entrechtung der Arbeitermit dem fadenscheinigen Vorwurf des sozialdemokratischen Mißbrauchs zu rechtfertigen. Daß das Zentrum gerade Herrn Becker,einen Arbeitervertreter, als Vorkämpfer für die Arbeiterentrechtunghier in die Arena geschickt hat. ist schon mehr als eine starke Zu-mutung. Eugen Richter nannte die Nationalliberalen wegen ihrerAbhängigkeit vom Bunde der Landwirte die KriegSge-fangenen.die.Heloten der Bllndler.Daran wurde ich immer erinnert, wenn ich sah, wie Herr Beckervom Grafen Westarp seine Weisungen empfing.(Sehr gut! undHeiterkeit b. d. Soz.) Ich gebäre gewiß zu denen, die für Partei-disziplin sind und Verständnis dafür haben. Wenn die Zentrums-Partei ihren Arbeitervertretern in dieser Frage Schweigen auferlegthätte, so könnte man eS, wenn nicht billigen, so doch begreifen. Aberdie Arbeitervertreter des Zentrum? hier vor aller Welt zu Ver-tretern dieses Entrechtungsgesetzes gegen die Arbeiter zu machen,das war eine Grausamkeit, das war. eine Ohrfeige für die christliche Arbeiterbewegung.(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Von den Frei-konservatwen, dieser speziellen Partei des Reichsverbandes, braucheich nicht zu reden.(Zuruf rechts: Lauter!) Ach, Herr Behrens,selbst wenn ich brüllen würde, Ihr Gewissen könnte ich doch nichtwecken, denn Sie haben keines.(Große Heiterkeit und lebhafte Zu-stimmung bei den Sozialdemokraten.) Auch von den Konservativenwar nichts anderes zu erwarten. Vielleicht eher etwas von denNationalliberalen, denen die Rücksicht auf die kommenden Wahlenhätte den Blick schärfen müssen. Aber dieser Optimismus hat auchgetäuscht. Die Nationalliberalen, die ihren Parteiführernseit Jahren keinen sicheren Wahlkreis schaffen können,die im Laude auf und ab hausieren müssenund überall Körbe bekommen, die im Norden und Osten des Reichesgegen die Konservativen donnern und dabei auf sozialdemokratischeHilfe rechnen, die unter den gleichen Gesichtspunkten gegen dasZentrum losgehen, diese Nationalliberalen sind eine ganz anderePartei, wenn sie nach dem Westen Deutschlands kommen. Daschreien sie schon nach der Hilfe der Zentrumspartei.(Heiterkeit.)Essen und Köln geben sie als Draufgeld, wenn das Zentrumihnen nur Bochum und M ü h l h e i m garantiert,, und ich zweifleaar nicht daran, daß das Geschäft zustande kommt. Die rheinsichenIndustriellen haben nicht ohne Erfolg mit derEntziehung der Subsidiengelderfür die Nationalliberalen bei den Wahlen gedroht. Nicht umsonsthat der Scharfmacherverband gefordert, daß endlich mit der Redens-art von der Fortführung der Sozialreform unter Führung vonBassermann ein Ende gemacht werde. Ihre Versprechungen bei denWahlen und in Ihren Programmreden bei Eröffnung dieses Reichs-tages haben Sie nicht gehalten. Es scheint, als sei das Wort desGrafen Posadowsky, man sei zwar für Fortführung der Sozial-Politik, aber bekämpfe jeden einzelnen Schritt, der auf diesem Wegevorwärts gemacht werde, gerade für die jetzige Vorlage gemünztworden. Jeder unserer Anträge, der auf eine Erweiterung derVersicherungspflicht hinzielte, jeder Antrag auf Erhöhung derRenten, auf irgend eine Verbesserung im Gesetze wurde von Ihnenniedergestimmt. Zieht man das Fazit der monatelangen VerHand-lungen, so kann man mit ruhigem Gewissen sagen: Tatsächlich istdie ursprüngliche Regierungsvorlage in der Kommission und imHause noch verschlechtert worden.(Sehr richtig! bei den Sozial-demokraten.) Gewiß sind auch einzelne Verbesserungen erzielt;aber wenn diese Vorzüge im Gesetz sind, dann haben Sie keineSchuld daran, denn so stark ist heute keine Partei und keine Regie-rung mehr, daß sie auf sozialpolitischem Gebiet eine Vorlage machenkönnte, die nur Verschlechterungen für die Arbeiterklasse mit sichbrächte.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.)Aber die finanziellen Vorteile, die das Gesetz in einzelnenFällen und oft auch nur für einzelne Kategorien der Versichertenbringt, werden allein aufgehoben durch die Entrechtungweiter Schichten auf dem Gebiet der Selb st ver-waltung, durch die Rechtlosmachung der Land-a r b e i t e r und des Gesindes und durch die Nichtberück-sichtigung der elementar st en Forderungen, die dieArbeiterklasse seit Jahren erhoben hat und deren Durchführung nuran Ihrem guten Willen gescheitert ist.(Sehr gut! bei den Sozial-demokraten.) Natürlich trägt die Regierung auch ein großes StückVerantwortung. Kann man überhaupt noch von einem Regierungs-einfluß bei der Behandlung dieser Vorlage sprechen? Erscheint dieRegierung hier nicht einfach alsExekutivausschuß des Scharfmachertums?(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Herr Delbrück haksich darüber beklagt, daß man der Regierung immer diese Abhängig-keit vorwerfe. Wenn wir von einer Abhängigkeit der Regierungvom Zentralverband der Industriellen sprechen, so ist damit selbst«verständlich keine persönliche, keine unsaubere Abhängigkeit desStaatssekretärs von dem Verhande gemeint trotz der 12 000 Mark-affäre. Wenn wir von einer Abhängigkeit reden, so tun wir daSgegenüber den emphatischen Versicherungen des Herrn v. Beth-mann Hollweg, daß er eine unparteiische, eine über den Par-teien stehende, unabhängige Regierung führen wolle. DieAnmaßung der Jndustriefeudalenist eine alte Erscheinung. Wie schrieb doch Herr Bueck, als HerrBrefeld Minister wurde:„Daß wir doch endlich Herrn v. Ber-lepsch klein bekommen haben, hat mich mit ganz be-sonderer Befriedigung erfüllt."(Hört! hört! bei denSozialdemokraten.) Und wie sino die Bergherren gegen dentechniker, der, ohne den berühmten Gelehrten zu kennen, sehr auf-dringlich mit seinen Kenntnissen renommiert hatte, mit der Frage:„Was ist denn eigentlich Elektrizität?" einfach mundtot machenkönnte. Als die Elektrizität entdeckt war und unter wissenschaftlicheBeobachtung genommen wurde, erschien es selbstverständlich, daßman ihr einen ähnlichen Ursprung zuwies wie dem Licht und derWärme. Nachdem man einmal zu der Annahme gelangt war, daßaußer den sichtbaren Massen noch ein unsichtbarer, unendlich feinerAether vorhanden sei und den ganzen Weltraum erfülle, mußteman wohl daran denken, daß die Elektrizität ebenso wie die beidenandercn Kräfte durch Wellen dieses Aethers fortgepflanzt würde.Jetzt ist die sogenannte Elektronentheorie hinzugekommen, die imwesentlichen darauf fußt, daß jedes winzigste Stoffteilchen auszwei Kraftteilchen, nämlich einem positiven und einem negativenElektron, besteht. Professor Whittaker hat jetzt in einem großenWerk die Geschichte der Anschauungen über das Wesen der Elek-trizität und des Aethers von dem Zeitalter von Cartesius an biszum Ende des 19. Jahrhunderts betrachtet und als Ergebnis dieForderung ausgesprochen, daß diese Elektronentheorie mit der Lehrevom Weltäther in Uebereinstimmung gebracht werden müsse. DieAnnahme deS Aethers ist, nach seiner Ueberzcugung unausweichlich.Früher war daS Licht die einzige Form der Naturkraft, derenUebertragung von einem Himmelskörper zum anderen durch denWeltraum als Tatsache hingenommen werden nnißte. Newtonbrachte dann die Schwerkraft hinzu, und jetzt ist die gleiche An-schauung für elektrische und ftnagnctische Vorgänge notwendig ge-worden. Man kann heute gar nicht mehr glauben, daß die Himmels-kövper in einem leeren Raum jeder für sich bestehen, sondern umsie und zwischen ihnen findet ein unablässiges Gehen und Kommenund eine dauernde»llmwälzung von Energie statt. Der mutmaßlicheWeltäther ist nach der Meinung von Professor Whittaker für denMenschen ebenso wichtig wie d«e Luft, die wir atmen, und wirwürden sterben, wenn der Aether verschwände. Diese Folge-erscheinung ist freilich nur logisch, da der Aether uns die Sonnen-strahlen vermittelt, die Erde aber mit all ihren Bewohnern vonder Gnade der Sonne abhängig ist. Es sind ungeheuere Kräfte,die uns auf diesem Wege durch die„Straßen des Aethers", wieder Gelehrte sich ausdrückt, zukommen, denn die Kraft der Sonnen-strahlen ist an einem hellen Tage so gewaltig, daß sie auf jedemHektar dev Erdoberfläche ungefähr 15 000 Pferdestärken gleich-kommt. Diese Summe von Strahlen zerlegt sich aber wieder nochin einzelne Kräfte wie Licht, Wärme, Elektrizität, Magnetismus.Kathodcnstrahlen usw., und es bleibt der Wissenschaft vorbehalten,eine Klärung dafür zu suchen, wie all dieie Energieformen imWeltäther neben und durcheinander Platz finden oder ob nichtvielleicht nur eine einzige Form der Kraft besteht, die möglicher-weise mit der Vorstellung des Aethers vereinigt werden muß.Theater.Schillerthesker O. Des dänischen Dichters SophusMichaelis früher in Berlin bereits aufgeführtes Drama„Revolutionshochzeit" ist nunmehr dem Spielplan derfeeMji AMexWgev einverleibt ffifitfeea, LHye die verdAMeindeWirkung dieser Liebesepisode zu leugnen, darf gesagt werden, daßsie, obwohl mit psychologischem Rassinement hineinkomponiert, dochmit der Revolution von 1793 herzlich wenig zu tun hat. Zum min-desten ist es ein fadenscheiniges Heldentum, sich um einer erotischenAugenblicksleidenschaft willen mit Vorsatz standrechtlich füsilierenzu lassen— wie dieser Republikaneroffizier Marc-Arron es tut.Immerhin gibt die Rolle eine dankbare schauspielerische Aufgabe;und das gerade in ihrer Vermischung mit je einer Portion MarcAnton(Shakespeares„Cäsar") und Napoleon l. Georg Paeschkeverstand es denn auch ausgezeichnet, wie man erwarten konnte,alles Interesse auf seinen Helden zu konzentrieren. Neben ihm be-hauptete sich noch Else W a s a, während Conrad W i e n e seinenMarquis allzu schablonenhaft auf einen modernen Neurasthenikerhinausmimte und Steffi K r i ß als Zöschen Löontine mehr alsnötig eine wienerische Soubrettenhaftigkeit leuchten ließ. DasPublikum folgte mit Spannung den Vorgängen und quittierte mitstarkem Applaus.«. k,Humor uud Satire.Nobel muß die Welt zugrunde gehen! Die oft-preußische landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft zahlte einer18jäl)rigen Arbeiterin, der infolge eines Unglücks bei der Bedienungder Dreschmaschine beide Beine hatten abgenommen werden müssen,bisher eine monatliche Rente von 14,50 M. Neuerdings setzte dieBerufsgenossenschaft die Rente auf 10,90 M. herab mit der Be-gründung. das Mädchen habe jetzt ein zweites Paar künstlicherBeine erhalten und größere Uebung im Fortbewegen erworben,könne also die ihr verbliebene Erwerbsfähigkeit besser ausnützen.—Auf die Reklamation, die Rente doch wieder zu erhöhen, erhielt daSMädchen, wie wir hören, folgende Antwort von der Berufsgenossen-schaft:„Wir haben Ihren Fall nochmals eingehend geprüft und sindzu folgendem Resultat gekommen: Sie ersparen durch den VerlustIhrer Beine eine Menge Geld. Weder brauchen Sie sich neueStrümpfe anzuschaffen, noch bedürfen Sie irgendwelchen Schuh-Werkes. Unter diesen Umständen halten wir es für angebracht,Ihre Rente dahin abzuändern, daß Sie fortan uns monatlich4,75 M. zahlen. Wir haben dabei die Kosten des Spiritus, in demIhre abgenommenen Beine aufbewahrt werden, nicht berechnet.weil unser oberster Grundsatz die Noblesse ist."KunstundLeben. In Kiew will die„Militärisch-histo-rische Gesellschaft" zwischen dem Michaelkloster und der Sophie.kathedrale, das ist auf einer Strecke von etwa 500 Schritt, neunStatuen von alten Fürsten Kiews aufstellen. Das ist natürlich nurder Anfang; man wird es bei der kümmerlichen Zahl von neunnicht belassen. Aber die Regeln den Kunst machen gewisse Be-schränftingen nötig. Deshalb will man die Denkmäler nur allefünf Schritt, also auf jeder Seite des Weges hundert errichten.Um die Kosten der 200 Standbilder zu verringern, sollen in ihnenAutomaten angebracht werden, die auf dem verlängerten Rückendes Fürsten gegen einen Einwurf von 5 Kopeken Schokolade, Zi-aaretten, Tee und Branntwein verabfolgen. So bringt man dieForderungen der Kunst mit denen dxH prgktischcn Lebens in eineerfveKli.che l.Jüg-lld".)