Nr. 135. 28. IahrgW.2. Kilm des J5ic«sii)5, 13. lun! 1911.Zur Stadtverordneten'£r!atzwa|)lin Berlin.Der 37. Kommunalwahlbezirk, der am 14. I u n i(Mittwoch) für seinen bisherigen Vertreter, den der-storbenen Genossen Borgmann einen Ersatz zu wählen hat,nahm zum letzten Male im Herbst 1909 an den allgemeinenWahlen zur Stadtverordnetenversammlung teil. Damalsstanden in der Wählerliste des 37. Wahlbezirks 5784 Wahl-berechtigte, es erschienen aber nur 2188 Wähler, um ihreStimme abzugeben. Für die jetzt vom 37. Bezirk zu voll-ziehende Ersatzwahl wird, weil nur alljährlich einmal, imJuli, neue Wählerlisten aufgestellt werden, noch die Listevon 1910 benutzt. In diesem zwischen Rosenthaler Torund Gartenplatz sich erstreckenden Wahlbezirk, der von derEntvölkerung aller älteren Stadtteile Berlins gleichfalls längstin Mitleidenschast gezogen worden ist, hat schon seit einerReihe von Jahren die Zahl der Wahlberechtigtensich andauernd verringert. Auch in der Zeit vomJuli vorletzten Jahres bis Juli letzten Jahres ist hier eineweitere Verminderung eingetreten, so daß für den 37. Bezirkdie Liste von 1910 nur noch 5679 Wahlberechtigteenthielt. Seit der Aufstellung dieser Liste ist jetzt fast wieder einJahr vergangen, und zwischen ihr und der jetzigen Ersatzwahlliegen die beiden großen Umzüge vom Oktober vorigen Jahresund vom April dieses Jahres. Zahlreiche Wahlberechtigte,die im Sommer 1910 im 37. Kommunalwahlbezirk wohntenund in seine Wählerliste aufgenommen wurden, werden in-zwischen aus ihm weggezogen sein. Die in derselbenZeit neu zugezogenen Wahlberechtigten, deren Zahl sicherlichwieder geringer als die der weggezogenen Wahlberechtigtensein wird, kommen für die jetzige Ersatzwahl noch gar nicht inBetracht, weil sie ja noch nicht in der Liste für 1910 standen.Umsomehr müssen alle unsere Genossen, die im 37. Kommunal-Wahlbezirk zur Teilnahme an der Ersatzwahl berechtigt sind, esals ihre P fli ch t ansehen, Gebrauch von ihrem Wahl-recht zu machen und am 14. Juni ihre Stimme ab-zugeben für den Stadtverordnetenkandidaten der Sozial-demokratie, den Schriftsteller Max Grunwald. Das8ilt nicht nur für diejenigen, die im 37. Wahlbezirk wohnen.lach wer aus ihm weggezogen ist, nimmt noch an der Ersatz-wähl teil, sofern er im Sommer 1916 in der Wählerliste diesesBezirks stand. Keiner der weggezogenen Wahlberechtigtendieses Bezirks sollte eS für eine z« große Mühe halten, sich«och einmal nach seinem früheren Wahlbezirkzu begeben«nd dort fei» Wahlrecht auszuüben. Für dieStimmabgabe ist die Zeit von morgens 10 Uhr bis8 Uhr abends festgesetzt, es wird also den meisten Wählernmöglich sein, selbst aus größerer Entfernung noch rechtzeitigzum Wahllokal zu gelangen. Welche Straßen und Grund-stücke zum 37. Kommunalwahlbezirk gehören uuo in welchemder drei Wahllokale jeder Wähler seine Stimme abzugebenhat, das ist aus der im„Vorwärts"(Nr. 134 vom letztenSonntag) veröffentlichten Zusammenstellung ersichtlich. Jeder,der Kollegen oder Bekannte hat, die im Sommer 1910als wahlberechtigte Einwohner des 37. Wahl-bezirkes in die Wählerliste aufgenommensein müssen, der sollte sie unter Hinweis auf jene Zusammen-stellung an ihre Wahlpflicht erinnern. Keine Stimme darfdem Stadtverordnetenkandidaten der Sozialdemokratie,SchriWeller Max Grunwald. verloren gehen!partei-Ungelegenkeiten.Dritter Wahlkreis. Für die Bezirke 246—249 findet am Mit.woch ein gemeinsamer Zahlabend mit einem Vortrag des Landtags-abgeordneter Paul Hirsch bei Gliesing, Wafiertorstr. 63, statt.V. KreiS, II. Abteilung. Gemeinschaftlicher Zahlabend der Wahlbezirke 420—427 in den.KönigSsälen", Neue Konigstr. 26. Vortragder Genossin Ida Sltmann:»Partei, Kirche und Kirchen-austritt".Bohnsdorf. Am Mittwoch(Zahlabend) beim Genoffen Schäferin Fallenberg: Mitgliederversammlung des Wahlvereins. Tages»ardnung: BereinSangelegenheiten und Verschiedenes.Der Vorstand.Trebbin. Am Sonnabend, den 17. Juni, abends S'/z Uhr, imSchützenhaus: Wahlvereinsversammlung. Tagesordnung: Kasse undAufnahme neuer Mitglieder. Parteiangelegenheiten. JahresberichtdeS Vorstandes. Neuwahl deS Vorstandes und sämtlicher Funktionäre.Pankow. Am Mittwoch finden wieder gemeinschaftliche Zahl-abende statt und zwar für die Abteilung Nord im Lokal vonRozicki, Kreuzstr. 3/4, für die Abteilung S ü d im Lokal von Rööler(Türmchen), Kaiser-Friedrich-Str. 13.• In diesen Zahlabenden sollendie Vorschläge zur Besetzung der Funktionäre in der Bezirksleitungerfolgen. Die Bezirksleitung.Spandau. Heute Dienstag, abmdS S'/, Uhr, bei Fritz Böhle,Havelstr. 26: Volksversammlung. Der Vorstand.berliner JVacbricbtcn.Der Kornblumentag in Preußensoll am 16. Juni in Szene gehen. Auch Groß-Berlin wirdan diesem Tage seinen offiziellen Kornblumentag haben, nach-dem bereits kleinere Orte einen früheren Termin genommenhaben. Bereits mehr als fünf Millionen Kornblumen undzwei Millionen Postkarten wurden versandt. Der Kaiserhat für die Garde-Regimenter den Ankauf von 30000 Post-karten befohlen. Die Margaretentage werden natürlich nachwie vor stattfinden. Aus bürgerlichen Kreisen melden sichimmer mehr Stimmen, denen es selber zuviel wird mit diesenBlumentagen.Kornblumentag in der Kleinstadt.Eine Berlinerin schreibt unS aus einer pommerschen Klein«stadt: Am Sonntag hatten wir hier den mit großem Trara undBumbum schon wochenlang vorher in den Amtsblättern angekündigtenpatriotischen Kornblumentag. Veranstalter war unter behördlicherProtektion natürlich der Militärverein am Orte; die Bettelgroschensollen in die Kasse des Deutschen Kriegerbundes für dessen Waisen-Häuser fließen. Die zahlreichen Armen der Stadt bekommen keinenDeut davon. Außer Kornblumen gelangten auch patriotische Post-karten zum Mindestpreise von je zehn Pfennig zum Verkauf.Wer das Kleinstadtleben und seinen Kastengeist kennt, kannstch lebhaft vorstellen, welche Ausregung den bis auf die Fuß-Uppen patriotisch durchtränkte» Teil der neuntausend Einwohnererfaßt hatte. Obwohl durch Gratisinserate sämtliche Stände zurBeteiligung aufgerufen waren, sind die Blumenjungfern, die sichzum Verkauf meldeten, siebenmal gesiebt worden. Wessen Familienicht als politisch völlig stubenrein gilt, durfte nicht mitmachen. Sobestanden die neunzig Kornblumenmädels durchweg aus Damen,deren Eltern oder Männer auf Hurraschreien gedrillt sind.Schon in aller Morgenstühe wurden wir Berliner Sommer-frischler angebettelt. Unbezahlbar waren die Blicke der mitpatriotischen Schleifen geschmückten jungen und alten Anreiße-rinnen, als wir ohne Heuchelei erklärten, für solchen Rummelauch nicht einen Pfennig übrig zu haben. Unsere Meinung mutztesich wohl herumgesprochen haben, denn bald beglückte uns ein Stadt-sergeant, der sich an unsere Fersen heftete, mit seiner Aufmerksam-keit. Mehrmals traten uniformierte Kriegervereinler an uns heran undwiesen aufdringlich auf die Bedeutung des Tages hin. Während desHauptgottesdienstes sollte der Straßenbettel unterbleiben. Umsomehrwurden die Frommen und die Frömmelnden abgefangen, als sie aus derKirche traten. Der Klingelbeutel ging also diesmal außerhalb derKirchenmauern herum. Am breitesten machten sich die Blumen-und Kartenverkäuferinnen auf dem Bahnhofe, den die Eisenbahn-direttion zum Verkauf freigegeben hatte. Viele Reisende schimpftenin allen Tonarten, daß sie auf keinem Provinzbahnhofe mehrvor dieser Patriotensteuer sicher seien und sich oft gerade-zu loskaufen müßten, um nicht fortgesetzt belästigt zuwerden. Die Geschäftsleute der Stadt waren schon vorher kräftiggeschröpft worden. Manche hatten, da sie von einer bestimmtenKundschaft abhängig sind, Kornblumen bis zum Bettage vonhundert Mark zum Schmuck der Schaufenster sich aufhalsen lassenmüssen. Am Sonnabend kündigte ein Amtsblatt das Erscheinendes Oberpräsidenten zum Kornblumentage an. Sofort stiegdas Patriotenthermometer beängstigend. Reichsdeutsche Fahnenflatterten, vorsintflutliche Zylinderhüte wurden in aller Eileaufgebügelt, Fracks und Uniformen aus dem Motten-schrank gezogen, Begrüßungsarien im stillen Kämmerlein ein-studiert. Aber zu Ehrenpforten langte die Zeit nicht mehr.Wer aber nicht kam, war der schon in Abwesenheit mit echt patrio-tischer Schwanzwedelei Gefeierte. So haben hier oben in.Pommer»die kleinsten Nester ihren Kornblumentag.Der Beginn des deutschen RuudstugeSam Sonntag früh hatte gewaltige Menschenmaffen nachJohannisthal hinausgezogen. Infolge der gewaltigen Reklameder Veranstalter machten sich schon kurz nach Mitternacht zahl-reiche Personen auf den Weg nach dem Startplatz. Es wirduns darüber berichtet:Noch lag ttefes Dunkel über dem Treptower Park, nochbrannten die Laternen auf der endlosen Treptower Chaussee, alses am Schlesischen Busch, am Anfang des Parkes lebendig zuwerden begann. Die Besucher der Stehplätze, die einenMorgenspaziergang durch den Wald der Eisenbahnfahrt vorzogen,Männlein und Weiblein zogen hinaus nach dem 18 Kilometer vonBerlin entfernten Felde. Gegen S1/� Uhr setzte dann derAutoverkehr ein. der bald so gewaltig wurde, daß es inJohannisthal infolge der mangelhaften polizeilichen Vor-kehrungen zu langwierigen Verkehrsstörungen kam. Wer inBerlin um diese Zeit eine Autodroschke verlangte, konnteselbst um den erhöhten Preis einen Kraftwagen nicht auf-treiben. Die Zahl der auf dem Flugplatz haltenden Auto-mobile dürfte etwa 1500 betragen haben. Die Hochbahnsowie die Straßenbahn vermochten auch nicht im entferntestendie an den Haltestellen harrenden Fahrgäste zu be-fördern, obwohl diese Verkchrsinstitute alles der-fügbare Wagenmaterial in den Verkehr gebracht hatten.Zu sehr erregten �Szenen kam es auf dem Görlitzer undden Stadtbahnhöfen. Das Publikum, das die Bahnsteigeüberflutete, stürmte die Züge erkletterte die Wagen-dächer, stieg in die Gepäckwagen und machte zumTeil auf den Trittbrettern stehend die Fahrt nach Johannis-thal mit. In den Coupees standen und saßen, lagen in denGepäcknetzen und unter den Bänken 30 bis 36 Personen.Zahlreiche Frauen und Mädchen wurden ohnmächttg undmußten auf den Zwischenstattonen aus den Zügen heraus-gebracht werden. Trotz dieser schwierigen Fahrt waren diemeisten Fahrgäste in vorzüglicher Laune und der echteBerliner Humor trieb wieder einmal seine schönstenBlüten. Viel Heiterkeit erregte die Beförderung einerMilitärkapelle auf der Eisenbahn. Das Musikkorpsmußte Punkt 5 Uhr seinen Dienst auf dem Flug'platz antreten, sah jedoch keine Möglichkeit mitzukommenDer„Pauker" rettete jedoch die Situatton. Im Augenblickschwang er sich auf das vordere Drehgestell der Maschine undnahm mit seinem umfangreichen Apparat vor dem Schornsteinzwischen den Puffern Platz. Sein Beispiel wirkte zündend.Im nächsten Augenblick hatte die gesamte Kapelle die Loko-mottve erklommen und konnte so rechtzeitig den Einzug inJohannistal halten. Es wurde jedoch allgemein darüberKlage geführt, daß auf der Stadtbahn und dem GörlitzerBahnhofe nur ein oder zwei Schalter geöffnet waren, dieselbstverständlich den Riesenaudrang nicht bewältigen konnten.Vom Bahnhof Niedcr-Schöneweide flutete unaufhaltsam zubeiden Seiten der Chaussee ein breiter Menschenstrom nachden Billettschaltern. Da naturgemäß die Abfertigung trotzder vorhandenen zahlreichen Verkaufsstellen nicht schnell genugerfolgen konnte, so durchbrach die Menge die Um-zäunungen an vielen Stellen und stürmte aufden Platz, ohne daß die Gendarmerie dem Unfug steuernkonnte. Gegen 5 Uhr morgens waren die Tribünen undStartplätze völlig ausverkauft.Kurz nach 5 Uhr morgens starteten die ersten Flieger.Von den 24 angekündigten Fliegern beteiligten sich amMorgen nur sieben und riefen bei vielen Zuschauern großeEnttäuschung hervor, die sich oft in nicht mißzuverstchendenAeußerungen Luft machte. Nachmittag 4 Uhr sollte einanderer Teil starten, es kam aber nur zu einigen Rundflügcn.Ueber die Flugfahrt selbst berichten wir an anderer Stelle.Eine Versammlung der Taubstumme» Groß-BerliaS.DaS politische Getriebe erfaßt Leute aller Kreise. Kein Stand,keine Schicht kann sich den brennenden Tagesftagen gegenüber teil-nahmSloS verhallen. Lebensinlereffen, Aufgaben wirtschaftlicher,sozialer und kultureller Bedeutung sind eS, um die so heiß gestrittenwird und deren endgültige Lösung um so dringender erscheint, jegedrückter und ungünstiger die Lage einer Kategorie von Menschenist. Hier stößt man denn auch auf empfänglichen Boden, wo derSamen sozialistischer Aufklärung am ehesten und kräftigsten Wurzelschlägt. So hat die Idee der Menschheilserlösung auch bei jenenEingang gesunde», die bis dahin einsam und unbeachtet an derAußenseite des Lebens wandelten, denen die Natur grausamerweiseeinen Teil der besten Sinne versagt hat.In die Reihen der blinden Proletarier ist der Sozialismusgedrungen und hat ihnen einen Lichtschein in ihr dunkles Daseingebracht, und der letzte Sonntagnachmittag hat die erfreuliche Tat-fache ergeben, daß auch die Taubstummen nicht untätig abseits stehenwollen, sondern mit erstaunlichem Interesse ihre Aufmerksamkeit denpolitischen Vorgängen widmen.,Hiermit ist der erste Schritt zur Sammlung der über Groß-Berlin berstreuten Taubstummen getan— der Weg zur weiterenEntwickelung ist frei. Es waren ihrer zirka 300— darunterauch Frauen, die da gekommen waren, um Stellungzu nehmen zu den kommenden ReichstagSwahlen, überwelches Thema der Genoffe S.Meyer, in seiner Art refenerteund zwar recht geschickt und wirkungsvoll, wie sich aus dem be-geisterten Beifall der Anwesenden ersehen ließ. Dasselbe trifft fürden nachfolgenden Genossen Puist zu. In dem Gebärden- undZeichenspiel kam ein reichentwickeltes Innenleben zum Ausdruck—es unterliegt keinem Zweifel, daß die Zuhörer den ganzen auf-reizenden Charakter der angeführten politischen Ereignisse gebührendzu würdigen wußten. Die Vorgänge im Reichstag, die Taten desschwarz-blauen Blocks, die Verteuerung der Lebensmittel, das Ver«halten des Freisinns, die unheilvolle Machtentfaltimg deSKapitals— alles ließen die beiden Genossen sowiedie nachfolgenden Diskussionsteilnehmer mit drastischen Gebärdenvorüberziehen. Deshalb müßten auch die taubstuinmen Proletarierzusammenstehen und Mann für Mann der Sozialdemokratie sich an-schließen 1 Rauschendes Händeklatschen zeugte dafür, daß die Dar-legungen die Versammelten gepackt hatten. Aber nicht nur ideelleErfolge brachte die Veranstaltung, nein, auch praktische Ergebnissewaren zu verzeichnen. Ein großer Teil der Anwesenden ließ sichsofort in den Wahlverein aufnehmen und auch bei den anderen wirdder zweite Anhieb nicht vergebens geführt werden. Immerhin kanndas Agitationsfeld noch erweitert werden, denn Groß-Berlin alleinbeherbergt einige Tausend Taubstumme. Hierzu wird die Wahleines Verttauensmannes, die einstimmig auf Genosse Meyer fiel,wesentlich mit beitragen. Eine Begrüßungsdepesche aus Hagen-Schwelm, wo zu derselben Zeit ebenfalls die taubstummen Genossentagten, wurde mit stürmischem Jubel aufgenommen. Mit einemHoch auf die Sozialdemokratie endete die eigenartige Veranstaltung.Die Polizei hatte offenbar nicht gewußt, wie sie sich dieser Ver-sammlung gegenüber verhalten sollte. Immerhin—»zwar sichtbarnicht, doch fühlbar, von JagowS Geist umschwebt'.. H war auchdiese Zusammenkunft!_Ein ElendSbild.Ein Leser unseres Blattes schreibt unS?„Ich befand mich am Sonntag mit meiner Familie auf einemSpaziergang durch die Jungfernheide. An der südlichen Wald-grenze der Heide westlich von der Tegeler Ghauffee trafen wir eineaus Mann, Frau und sechs Kindern bestehende Familie, dieihr ganzes Hab und Gut in einem gebrechlichen Kinderwagenund in zwei Handmarkttörben hatten und die dort kampierten.Vor zirka 14 Tagen habe ich dieselbe Familie durch die KolonieNonnendamm ziehen sehen. Neugierig gesellte ich mich auch zuden Zuschauern, die dort schon um diese mitleidigen Geschöpfestanden. Ich fragte das Familienoberhaupt, wie es möglich sei.daß er vor 14 Tagen durch die Kolonie Nonnendamm zog undheute sich erst hier befände? Darauf erwiderte mir der Mannfolgendes:„Ich heiße Eduard Fritsche, bin 41 Jahre alt, habesechs Kinder, wovon das älteste 11 Jahre zählt. Ich habe von 1967bis 1969 auf dem Vorwerk Selbelang— hinter Nauen gelegen—,einem dem Herrn Rittergutsbesitzer v. Elxleben gehörendenRittergute, gearbeitet. Dort habe ich mir den rechten Oberschenkelgebrochen. Nachdem ich meiner Arbeit nicht mehr nachgehenkonnte, wurde ich aus der Arbeit entlaffen. Von einem Ort zumanderen wandernd, war ich die letzte Zeit in der Uckermark; binaber wieder arbeitslos geworden, da mich keiner als Invalidenbehalten will. So kam ich mit meiner Familie auf der Wanderunghierher, und lebe hier im Walde."Es war ein Bild des Elends, des Jammers, und Mitleid ergriffjeden, der es mit ansah. Die Eltern ziemlich abgestumpft vonihrem Elend, die unschuldigen Kinder schmutzig, barfüßig, ohneBrot, ohne Erziehung, ohne Schulbesuch, kauern sie alle an derErde, mit Ausnahme des jüngsten im zweiten Jahre stehenden,welches im Habseligkeitswagen in Lumpen gehüllt daliegt. Dreioder vier Kinder sind bereits schulpflichtig. Auch die Mattier istscheinbar wieder in guter Hoffnung. So lagert die Familie, vonSonntagsausflüglern angestaunt, hilflos auf königlich preußischemGrund und Boden, und keiner hilft. Und die, die helfen möchten,können nichts weiter tun, wie die Polizei benachrichtigen; vondort mutz Hilfe gesandt werden. Unter Tränen des Mitleids er-zählt mir eine Frau, wie ihr Mann persönlich nach dem Polizei-revier Charlottenburg, Königin-Elisabech-Stratze, gegangen wäre,um Hilfe für die Obdachlosen zu holen; leider wäre er dort ab-gewiesen worden, da die Leute nicht ortsansässig wären. Vonmitleidigen Leuten wurden den dem Hunger und Elend Preis-gegebenen einige Groschen überreicht."Von anderer Seite wird uns die obige Darstellung bestätigt.Der Mann könne dauernde Arbeit nicht finden; er bezieht infolgeseines Unfalles IS M. monatliche Rente. Hat der Mann Arbeit,so wird er nach einigen Tagen wieder entlassen, weil er zuschweren Arbeite« infolge seines Unfalls zu schwach ist. DieKinder sind in einem Alter von 11. 16, 9, 8, 4 und 114 Jahrenund haben in letzter Zeit aus der Erholungsstätte in der Jungfern-Heide etwas Essen erhalten. Aüf die Dauer ist dieser Zustandunhaltbar. Die Polizei sollte sofort feststellen, in welcher Gemeinde die Leute Unterstützungswohnsitz haben und die betreffendeGemeinde zum Unterhalt anhalten. Natürlich werden auch dannnur Bettelpfennige gegeben werden, die zum Sattessen zu wenigund zum Verhungern zu viel sind.Angesichts solcher Zustände klingt eS wie blutiger Hohn, wennin die Welt hinausposaunt wird, in welch großartiger Weise inDeutschland sür die Arbeiter gesorgt ist bis ins hohe Alterhinein....Auf dem Gcmeindcfriedhofe in Friedrichsfelde, der beretts einegrößere Zahl prächtiger Begräbnisstätten und Monumente enthält.hat neuerdings auch Baron von Bleichroeder eine Fläche von166 Quadratmetern Größe zur Errichtung eines Mausoleums er,worben.Um Selbstentzündungen aufgestapelter Preßkohlen zu vermeiden,ime sie in letzter Zeit wieder mehrfach, vorgekommen sind, müssenbei der Packung der Kohlen lotrechte Luftkanäle von wenigstens166 Quadratzentimetcr Querschnitt in Abständen von je1 M e te r in der Breite und Tiefe angelegt werden. Diese Kanälelassen sich leicht dadurch herstellen, daß zwei Preßkohlen mit 6 Zenti»meter Zwischenraum als Läufer und darüber gleichfalls zwei Preß-kohlen mit dem gleichen Zwischenraum als Binoer durch den ganzen