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Besteueruttg der Konsuittbcrelne. In der Berawng der verstärlten Handels- und Gewerbe- Kommission über den dem preußischen Abgeordnetenhause zur An- nähme empfohlenen Antrag Hammer wegen Heranziehung der Konsumvereine zur Einkommen st euer wurde vom Vertreter des Finanzministeriums mitgeteilt, der Finanzminister und das Staatsmiuisterium hätten zu der Frage noch nicht definitiv Stellung genommen. Weiter wurde erklärt, der Finanzminister halte es für zweckmäßig, die Frage im Zusammenhange mit anderen bei der bevorstehenden organisatorischen Neuordnung der direkten Steuern zu regeln; der Antrag Hammer sei ihm sympathisch, auch er sei der Ansicht, daß die Konsumvereine augenblicklich auf Grund der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts einen erheblichen oder den ganzen Gewinn der Steuerpflicht entziehen könnten. DieBerliner Politischen Nachrichten" behaupten nun, in Preußen hätten sich 23, in Deutschland 45 Konsumvereine dadurch der Steuerpflicht entzogen, daß sie keine oder nur geringe Dividenden verteilten, indem sie die Dividende satzungsgemäß zu einer festen rabattmäßigen Nückgewähr umwandelten. Von einer Ausdehnung der Steuerpflicht auf die Rabattsparvereine wollen die »B. P. N." nichts wissen; die Rabattsparvereineberuhen auf Selbsthilfe und schließen sich zusammen, um den Konsumvereinen ihrer Existenz halber entgegenzutreten." Bei den Rabattstmrvereinen handle es sich um Rabatt an die Kunden, bei den Konsumvereinen um Dividende an die Mitglieder. Ueber die voraussichtliche Wirkung einer zu- künftigen, in das Einkommensteuergesetz aufzunehmende Bestimmung über die Steuerpflicht der Konsumvereine führen dieB. P. N." aus, allerdings sei die Möglichkeit zuzugeben, daß die Konsumvereine zwar niedrige Dividenden geben, aber durch Herabsetzung der Waren- Verkaufspreise den Gewerbetreibenden immer mehr Kunden entzögen. Damit könne jedoch nicht-die Tatsache aus'der Welt geschafft werden, daß die Konsumvereine günstiger als die Kleingewerbetreibenden gestellt seien, und ebensowenig könne bestritten werden, daß der Antrag einen Weg biete, die Gleichberechtigung wieder herzustellen. Wenn übrigens die Konsumvereine infolge der vorgeschlagenen gesetzlichen Bestimmung erheblich geringere oder keine Divi dende mehr verteilen, werde der in der Dividende liegende starke Anreiz, den Konsumvereinen beizutreten, wesentlich geringer werden. In jedem Falle bleibe es eine Forderung der steuerlichen Gerechtigkeit, daß ebenso wie der einzelne Gewerbetreibende seine Gewerbesteuer, seine Kommunalsteuer und Einkommensteuer bezahle, von dem sogenannten Kundengewinn in Form fester Rabatte der Konsumvereine Steuer bezahlt werden müsse. DieB. P. N. schließen, der Finanzminister könne einer Maßnahme, die verhüten wolle, daß Konsumvereine ihren steuerpflichtigen Gewinn steuerfrei machten, grundsätzlich nur zustimmen. Also erst Verteuerung der Lebensmittel durch indirekte Steuern und dann Erdrosselung der Konsumvereine! Unznlässigkeit der kommunalen Steuer auf Wildbret und GeMgel. Der§ 14 des preußischen Kommunal-AbgabengesetzeS ließ es zu. Gemeindesteuern auf Geflügel und Wildbret zu erheben und er- klärte sogar die Einführung einer Steuer auf Geflügel und Wildbret auch in den früher nicht mal- und schlachtsteuerpflichtigen Gemeinden für zulässig. Nun bestimmt aber das ReichS-Zolltarifgesetz vom 25. Dezember 1902 im§ 13:Für Rechnung von Gemeinden oder Korporationen dürfen vom 1. April 19 10 ab' Abgaben auf Getreide, Hülsenfrüchte, Mehl und andere Mllhlenfabrikate, desgleichen auf Backwaren sowie von Fleisch. Fleischwaren und Fett u i ch t e r h o b e n werden." In einem Rechtsstreit des Geflügelhändlers Geyer in Wiesbaden gegen den Wiesbadener Magistrat war nun die Frage zu entscheiden, ob sich der Begriff des Fleisches im Sinne des zitierten Reichs- Zolltarifgesetzes auch auf Geflü�el und sWild biet beziehe und ob demgemäß kommunale Akziseordnungen über Abgaben von Geflügel und Wildbret jetzt ungültig seien oder noch zu Recht be- ständen. Wiesbaden erhob trotz jener Bestimmung des Reichs- gesetzes vom 25. Dezember 1902 auch noch nach dem 1. April 1910 auf Grund einer Akziseordnung Abgaben von Wildbret und Geflügel. Der Bezirksausschuß erkannte auf die Klage G.s dahin, daß die Akziseordnung ungültig sei. DaS Gericht führte auZ: Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch und auch nach der Sprachwissenschaft sei nicht nur Fleisch zahmer Vierfüßler, sondern auch Fleisch von Wildbret und Geflügel unterFleisch" zu verstehen. Die Frage sei. ob der Gesetzgeber des Reichsgesetzes von dem Sprachgebrauch habe abweichen wollen. Dafür sei aber nach der Entstehungsgeschichte des Gesetzes nicht das geringste beigebracht. I Der Magistrat legte Revision ein und machte geltend, das Reichs-Zolltarifgesetz habe unter»Fleisch" Wildbret und Geflügel nicht mit umfassen wollen. Staatskommissare, die zur Verhandlung bor dem Obcrverwal- tungsgericht erschienen, vertraten namens der Minister denselben ' Standpunkt wie der Magistrat. Sie meinten, es sei nicht die Absicht deS Gesetzgebers gewesen, Wildbret und Gel flügel unter den Begriff des Fleisches zu bringen, wie ihn das Reichsgesetz gebrauche. Denn die ganze Tendenz deS Gesetzes sei darauf gerichtet gewesen, nur die Gegenstände des Massenkonsums der Besteuerung durch die Kommunen zu entziehen. Solche Gegen- stände seien Wild oder Geflügel nicht. Das Oberverwaltungsgericht verwarf jedoch die Revision de« Magistrats und beließ es bei der Vorentscheidung, wo- nach die kommunale Besteuerung auch von Wildbret und Geflügel seit dem 1. April 1910 in Deutschland unzulässig ist. Prügelnde Schutzleute. Die Trierer Strafkammer verhandelte am 13. Juni über einen groben Schutzmannscrzeß. Der Arbeiter Lorenz aus Saarbrücken , der daselbst ruhig auf der Straße gestanden hatte, um auf die Elektrische zu warten, wurde von einem Schutzmann gefragt, was er da zu suchen habe. Auf die Antwort, daß er auf die Elektrische nxrrte, wurde er weiter nach seinen Personalien gefragt. Trotzdem Lorenz auch, diese Auskunst gab, wurde er sofort so fest an die Kette geschlossen, daß er v o r S chrn c r- zen aufschrie, und nach dem Wachtwkal geschleppt, wo er nach den Bekundungen zahlreicher Zeugen schwer mi.ßhandelt wurde. Ein Saarbrücker Stadtverordneter, BergwerksdireklionS- fekretär Vogel, suchte zu vermitteln, indem er veranlaßte, daß der Mißhandelte eine Aussprache mit dem Polizeiinspektor hatte. Der Polizeiinspektor erklärte jedoch auf Grund der Aussagen der be- teiligten Schutzleute, daß kein Fall vorschriftswidriger Behandlung vorliege, worauf Lorenz Anzeige bei der Staatsanwaltschaft machte. Der Untersuchungsrichter erklärte, er habe erst nach mehrmaliger Vernehmung der angeklagten Schutz- Leute Licht in die Sache bringen können. Anfangs hätten die Schutzleute entschieden bestritten. Lorenz mißhandelt zu haben. Schritt für Schritt hätten sie aber dann zuge- geben, Schlägezur Abwehr" ausgeteilt zu haben. Der Ver- teidiger des Lorenz, gegen den gleichfalls Anklage wegen Wider- standes gegen die Staatsgewalt erhoben worden war, erklärte, falls das Gericht noch nicht davon überzeugt sei, daß Lorenz von den Schutzleuten in roher Weise inißhondelt worden sei, so beantrage er Vertagung und weitere Zeugenladung. Durch den Assessor von Hagen werde er den Nachweis erbringen, daß derartige Ausschreitungen von Schutzleuten in allen Saarbrücker Polizeibezirken vorkamen! Nach zweistündiger Verhandlung kam das Gericht zu folgendem Urteil: Lorenz fei zu Unrecht festgenommen worden» infolge- dessen könne von einer Widerstandsle istung nicht die Rede sein. Er habe daher freigesprochen werden müssen. Vier-der a n g e- klagten Schutzleute dagegen hätten stch iwr geniein» schaftlichen Mißhandlung des Lorenz ichuldig gemacht uiw feien deshalb zu einer Geldbuße von 109 Mark und Tragung der Kosten zu verurteilen. Leider wurde der Antrag des Verteidigers des Lorenz, des Rechtsanwalts Zillessen, den Assessor von Hagen noch als ZeugW dgrub�r zu hören, daß derartig« Mißhandlungen in Saar --. brücken häufiger dörgdlötstmen seiiti. dls iiner- h e b l i ch abgelehnt._ Die Lenchtmittelsteuer. Die Ausschüsse des Bundesrats haben die Beratung über zwei wichtige Ausführungsverordnungen abgeschlossen: Die eine betrifft die Leuchtmittelsteuer und regelt Fragen, die der Leuchtmittelindustrie und den beteiligten Kreisen zu Anträgen Anlaß gegeben hatten. Die zweite Verordnung bezweckt, den im Parlament und in der Presse vielfach erörterten Wünschen des Zündwarengewerbes, soweit es die Verhältnisse gestatten, ent- gegenzukommen. Die Beschlußfassung im Plenum des Bundesrats wird noch im Laufe dieser Woche erwartet. Das Sncle der rncxihamfchcn Revolution. Aus New Dorf wird uns geschrieben: Von den Furien der Angst gepeitscht, von den Ver- wünschungen des durch seine 35jcchrige Diktaturbeglückten'v Volkes begleitet, floh Porfirio Diaz am 26. Mai unter dem Schutze des nächtlichen Dunkels, unerkannt aus der Haupt- stadt Mexiko . Bis zum letzten Augenblick hatte sich Diaz an den Prä- sidentensessel geklammert.. Auf der ganzen Linie war das Militär von den Insurgenten geschlagen. Auf Drängen des Ministeriums bequemte sich derZar von Mexiko " schließ- lich dazu, sich dem provisorischen Präsidenten Madero gegen- über zum Rücktritt zu verpflichten. Sein Wort einzulösen, sträubte er sich, bis es auch in der Stadt Mexiko zu De- monskrationen kam, welche dem blutrünstigen Ungeheuer deutlich sagten, daß sein Kopf auf dem Spiel steht. Nun wich Diaz. Gleich dem in Paris weilenden Vizepräsidenten Corral legte er sein Amt nieder. De la B a r r a, der Mi- nister des Aeußern, übernahm auf Grund der Vorschriften der Verfassung bis zur Vornahme allgemeiner Wahlen die Präsidentschaft. Aber er hat sich nach dem zwischen den In- surgenten und der Diazschen Regierung getroffenen Ab- kommen mit dem bisherigen provisorischen Präsidenten Ma- bero in die Leitung der Republik zu teilen. In dem neu- gebildeten Ministerium halten sich die Anhänger Maderos und die sogenannten Unparteiischen die Wage. Nach den Stipulationen des Friedensvertrags ist Madero befugt, in 14 von den 27 Einzelstaaten die Gouverneure zu bestellen. Danach haben die Insurgenten einen Sieg zu verzeichnen: aber die Z i e l e der revolutionärenMassen sind ihrer Verwirk- lichung nicht nähergerückt. Das alte Gewalt- regimentgehtweiter. Wenn Diaz die Wahlen direkt machte", so geben die neuen Gewalthaber den Wahlkörpern einfach Befehle. Das Parlament des Staates Sonora wählte nicht den Vertrauensmann Maderos zum Gouverneur. Gleich erteilte der Präsident de la Barra die Weisung,den Irr tum richtig zu stellen". Und Madero drohte,seinen" Gau verneur, der gar nicht gewählt ist, unter Anwendung von Waffengewalt ins Amt einzuführen.. Bodenbesitzreform, Aufteilung der Latifundien und Staatsländereien!" lautete die Parole, welche die erdrückende Mehrheit der Freischaren zu den Bannern des Aufstandes führte. Ueber diese Programmpunkte hüllen sich Madero und sein Klüngel schon jetzt in ein verdächtiges Schweigen. Um die Aufmerksamkeit des Volkes auf andere Dinge zu lenken, protestierte Madero gegen die Unterdrückung der Preßfrei- heit, als die Regierung gegen die in der Stadt Mexiko er- scheinende ZeitungEl Pais " wegen eines oppositionellen Artikels vorgehen wollte. Noch stehen die Insurgenten unter Waffen, Mit ihnen müssen Madero und die mexikanische Hochfinanz rechnen. Hat doch der Freischarengeneral Orozco dem provisorischen Präsidenten Pöadero erst in der vorigen Woche mit schuß- bereitem Revolver klar gemacht, daß die Aufständischen sich gegen Konvenfikelbeschlüsse ausbäumen. Um seine Armee in guter Laune zu erhalten protesfierte Madero gegen die Kne- belung der Presse. Später, wenn die Jnsurgentenstreitkräfte aufgelöst sind, kommt es vielleicht anders. Das eine ist jetzt schon sicher: die Arbeiterschaft hat von der siegreichen Revolution nichts oder doch nur herzlich wenig zu erhoffen. Gegen die s o z i a» listischen Aufständischen von Mexikanisch-Califor nien setzten sich bereits Freischarenabteilungen in Bewegung. Im Haß gegen die Sozialisten sind alle anderen Parteien �Jn jeder anderen Hinsicht stehen sich die verschiedenen bürgerlichen Parteien als Gegner gegenüber. Während die Cientificos, welche unter dem Diazschen Regiment« als Regierungsparteien angesprochen werden mußten, unter der Wirkung der jüngsten Umwälzung desorganisiert sind, per- fügen die Klerikalen über eine vorzügliche Organisation und über'reiche Mittel. Den Fortschrittlern, so nennen sich die Anhänger Maderos, ist der jTrfolg der Insurgentenwaffen moralisch von Vorteil. Entsprechend der ökonomischen Rück- ständigkeit Mexikos kommt der Sozialismus für Wahlerfolge kaum in Betracht. Am frülieslen von allen Parteien traten die Klerikalen in den Wahlfeldzug ein. Unter der Führerschaft Gabriel Somerellas bearbeitet der Klerus im Verein mit den Groß­grundbesitzern die orthodoxen, unwissenden, landwirtschaftlichen Arbeiter. Den Klerikalen stehen fast unbegrenzte Mittel zur Verfügung. Zwar wurden im Juli 18S9 unter der Prä- sideiitschaft von Benito Ju arez anläßlich der Trennung von Kirche und Staat die Kirchengüter von der Regierung eingezogen. Aber die Kirche verstand es seitdem, trotz der entgegenstehenden Gesetze, ein Vermögen von rund 400 M i l° lionen Peso aufzuhäufen; sie ist reicher, als alle staat- lichen Banken zusammengenommen. Ohne zielbewußtes Programm zog die Masse der Auf- ständischen ins Feld. Sie nahm lockende Versprechungen der Führer für bare Münze. Und so werden» sich die Folgen der Nevolution darauf beschränken, daß die Diazsche Diktatur durch die in ihrem Wesen nicht minder selbstherrliche und egoistische Herrschaft einer Interessengruppe abgelöst wird. Es fragt stch nur, welcher Clique es gelingt, ihre Konkur- rentinnen vom Futtertrog zu verdrängen. Freflassnng der Gefangenen. New Aork. 13. Juni. Wie die Associated Preß aus Chihua- hu a meldet, sind alle politischen Gefangenen, darunter vierzehn Amerikaner und zwei Deutsche , die in der Schlacht bei CajaS G.randes gefangen worden waren, freigegeheo worden. Oeltemick-Clngarn. Ein angeklagter Abgeordneter. Budapest , 14. Juni. Der Staatsanwalt hat gegen den Ab- geordneten Ludwig Beck die Anklage des Verbrechens der Gewalt- tätigkeit gegen die Behörde, ferner deS Verbrechens der schweren Körperverletzung erhoben, weil Beck mit anderen Wgeordneten in der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 21. März 1910 den Ministerpräsidenten Grafen Khucg.Heherpgrg M dW Ackerbauminister Grafen Bela S e r e ft y i während ihrer amtlichen Tätigkeit tätlich mißhandelte und ihnen Verletzungen bei- brachte, die in mehr als acht, aber weniger als zwanzig Tagen heilten. Der Jmmunitätsausschuß des Abgeordnetenhauses be- schloß die Auslieferung des Abgeordneten Beck. franfcreieb. Zur Nachwahl im Puy-de-Düme. Paris , 13. Juni. (Eig. Ber.) Die Nachwahl vom letzten Sonn- tag, bei der Genosse Dr. C l a u s s a t im zweiten Wahlgang gewählt worden ist, wird begreiflicherweise lebhaft diskutiert. Der Wahl- kreis von Thiers gehörte zum ältesten Besitzstand der bürgerlichen Demokratie. Seit 137b war er durch Radikale vertreten. Noch im vorigen Jahre bekam der seither verstorbene Radikale Chamerlat 1021b Stimmen, der Sozialist Fahet 184 und die rc- aktionären Wähler gaben 4179 leere Stimmzettel ab. Nun aber hat der Sozialist gleich im ersten- Wahlgang 94bb, der Radikal- sozialist 7413, einunabhängiger Sozialist" 2824 Stimmen erhalten. DerUnabhängige" trat zugunsten des Genossen Claussat zurück und der Radikalsozialist zog seine Kandidatur, die hoffnungslos schien, einfach zurück. So wurde Dr. Claussat im zweiten Wahl- gang ohne Gegenkandidaten gewählt. Es liegt auf der Hand, daß in der Person deS Dr. Cläuffat wohl ein Sozialist, aber nicht der Sozialismus gesiegt hat. Das Hinaufschnellen von 184 auf 946S Stimmen innerhalb eines Jahres kann nicht mit erfolgreicher Propaganda erklärt tverdcn, zumal nicht in einem von den sozialen Massenkämpfen abseits liegenden, zum größten Teil ländlichen Wahlkreis. Wohl aber darf man in dem Resultat ein Zeugnis dafür sehen, daß die ländlichen Wähler einerseits das Vertrauen zum Radikalismus und anderer- seits auch die Furcht vor dem Sozialismus verloren haben. Im übrigen haben eine ganze Reihe von Umständen zusammengewirkt, um den Sieg Dr. Claussats herbeizuführen. So haben die reaktiv- näven Wähler gleich im ersten Wahlgang für ihn gestimmt aus Haß gegen den Regierungsradikalismus, aber auch weil er sich für den Proporz und gegen das Unterrichtsmonopol ausgesprochen hatte. Einige radikale Bläter tun nun sehr entrüstet und glauben Gott weiß was zu beweisen, wenn sie Dr. Claussat als Erwählten der Reaktion auSschreien. Dagegen setzt der Präsident der radikalen Föderation der Seine Bonnet imRadical" sehr vernünftig aus- einander, daß dieses Wahlergebnis die Notwendigkeit deS just von den Radikalen bekämpften Pxoporzes beweise. Dr. Claussats Sieg ist allerdings eine Frucht des Bezirks- Wahlrechts auch in dem Sinne, daß dieses nicht nur widernatürliche politische Kombinationen begünstigt, sondern auch allerhand Person- liche Momente zur Geltung kommen läßt. Der verstorbene Radikal- sozialist Chamerlat dankte seine stabilen Mehrheiten denselben Um- ständen. Er gehörte einer im Bezirk alteingesessenen Familie an und hatte sich schon unter dem Kaiserreich in der republikanischen Bewegung hervorgetan. Auch Dr. Claussat entstammt einer alten republikanischen! Familie. Seine persönliche Popularität wird namentlich auch dadurch bezeugt, daß er im zweiten Wahlgang nicht nur die Stimmen des zu seinen Gunsten zurückgetretenenUnab- hängigen", sondern noch 1000 mehr erhalten hat. Im ganzen hat mehr als die Hälfte der eingeschriebenen Wähler für ihn gestimmt, was in einem Wahlgang ohne Kampf sicher eine ausgesprochene Vertrauensdemonstration ist. Es ist darum eine Entstellung. Clauffat schlechtweg als Erwählten der Reaktion hinzustellen. Wahr dagegen ist, daß das Bezirkswahlrecht besonders in einem Land mit stockender industrieller und städtischer Entwickelung die Strömungen in Vi Demelratie qpf allerhand Nebenwege leitet» Luxemburg . Kammerwahlen. Luxemburg , 13. Juni. Bei den heutigen Wahlen zur Er- Neuerung der Hälfte der K a m m e r. durch die 21 Sitze zu besetzen waren, wurden direkt gewählt 8 Klerikale und 8 Liberale. darunter die ganze liberale Liste der H a u p t st a d t. An den Stich- wählen sind beteiligt: 4 Liberale. 1 Sozialist, t Klerikale, 1 Wilder. Die Liberalen verlieren bis jetzt zwei Sitze an die Kleri- kalen und gewinnen einen Sitz. Bon Bedeutung ist die Niederlage des klerikalen Kandidaten Philippe in Luxemburg , der von einen, Sozialisten w eins wenig auSsichtevolle Stichwahl gedrangt wurde. Cürkd. Beendigung des albanischen Aufstandes? Konstantinopel , 14. Juni. (Aus amtlicher Quelle.)' Da die aufständischen Malissoren vollständig umzingelt und die militärischen Operationen als abgeschlossen zu betrachten sind, hat der Oberkommandierende auf Befehl der Kaiserlichen Regierung folgenden Aufruf erlassen: Denjenigen, welche inner- halb einer Frist von 10 Tagen sich übergeben, wird jede g e- r i cht! iche Verfolgung nachgesehen. Seine Majestät der Sultan hat 10 000 Pfund für die ärmere Bevölkerung, die Schaben gelitten hat, gespendet. Außerdem wird die Regierung zur Hebung des Wohlstandes der ärmeren Bevölkerung dieser Gegend die nötigen Maßregeln umgehend treffen,. Marokko . Der spanisch-französische Konflikt scheint viel von semer Schärfe verloren zu haben. Die offiziellen Kundgebungen der beiden Regierungen lassen auf eine gegenseitige Verständigung schließen und auch die Preßfehde ist weniger grimmig als in den ersten Tagen nach Landung der Spanier in Larrasch. Bon verschiedenen Seiten wird behauptet, daß die provo- katarische Sprache der deutschen imperialistischen Presse Frankreich zur Nachgiebigkeit veranlaßt habe. Nach der»Post" und derRhein.- Westfälischen Zeitung" kommt jetzt auch dieKreuz. Zeitung". die in ihrem Wochenrückblick, nachdem sie die OklupationSwünsche eineS französischen MarollotreiberS angeführt hat, drohend schreibt. daß Deutschland nicht bloß die Rolle eineSlguschauerS spielen werdet sondern seine Stunde abwarte und wisse, daß sie kommen werde. Die Spanier in Elksar. Pari?, 13. Juni. Wie dieAgence HavaS' unter dem 12. Juni aus Elksar meldet, herrscht dort große Erregung infolge der Errichtung eines spanischen LagerS auf einem Friedhofe. Raisuli hat die Stämme aufgefordert, sich ruhig zu verhalten und abzu» warten, bis die Mächte die Frage der Truppenausschiffung regeln werden. Die Frauzoseu richten sich in MekineS häuslich ein. Paris , 14. Juni. Wie dieAgence HavaS" aus MekineS meldet, hat General Moinier mit seinem Generalstabe am 9. Juni morgens die Stadt besucht und die Unterbringung der Truppen, die die Garnison bilden sollen, festgesetzt. Die Garnison wird aus Senegal -Schützen. Machsentruppen und Artillerie bestehen und un- gesähr 1500 Mann stark sein. General Moinier ritt durch die Haupt- strafen, der Stadt, im Judenviertel lebhaft begrüßt, in der Mauren - stadt mit Gleichgültigkeit aufgenommen. Ein Feldhospital wird ein­gerichtet werden, da Fälle von Ruhr aufgetreten sind. Der gefangene Prätendent Muley Zin hat sich in das französische Lager begeben und eine Ehrenwache erhalten, die ihn bewacht und für seine Sicher- heit sorgt. Er wird seinem Bruder, dem Sultan , ausgeliefert werden dkr sich für seine ehrenvolle Behandlung verpflichte» wird.