6ewerhrcbaftUcbc& Berlin und Umgegend« Der Streik in den Eisenkonstruktionsbetrleben. In der gestrigen wiederum vollzählig besuchten Streikber- sammlung berichtete Handle an Stelle von Maus, der plötzlich ziemlich schwer erkrankt ist, über den Stand des Streiks. Die Unternehmer versuchen durch die bürgerliche Presse den Eindruck zu erwecken, als ob der Streik nicht viel Einfluß auf die Betriebe Ausüben könne. Tatsächlich liegt es jedoch ganz anders, und die wenige Arbeit, die von Streikbrechern zustande gebracht wird, fällt so aus, daß die Ingenieure und Meister davor erschrecken. Die Arbeitsleistungen jener Leute sind eben nicht besser als die Hand- lungsweise, die sie den Streikenden gegenüber an den Tag legen. Ueberdies ist auch ihre Anzahl viel zu gering, um einen Einfluß auf den Streik ausüben zu können. SBie sehr die Unternehmer in Verlegenheit sind, zeigt sich auch darin, daß sie immer neue Mittel versuchen, um tüchtige Arbeiter zum Streikbruch zu verleiten. Die Personen Verhandlungen anzuknüpfen, oder tat wenigstens so, als ob sie verhandeln wollte. Es fand auch eine Besprechung mit dem Vertreter der Firma statt, aber sie sollte offenbar nur dazu dienen, einzelne Streikende zum Verrat an ihrer Sache zu veranlassen, was natürlich nicht gelang. Der Vertreter der Firma äußerte den schönen Wunsch, daß doch wenigstens die Kolonnenführer wieder an- fangen möchten zu arbeiten; sie bekämen dann auch 2 M. pro Tag extra. Die Kolonnenführer wie überhaupt alle Streikenden haben es abgelehnt und weisen es weit von sich, auf dergleichen einzugehen, und es würde auch nichts nützen, wenn die Unter- nehmer ihnen 20 M. Judaslohn bieten wollten. Im übrigen fand auch eine Besprechung mit der Firma Hirsch statt, wobei versucht wurde, die Arbeiter von ihren Forderungen abzubringen. Als das, wie ja vorauszusehen war, nicht gelang, erklärte die Firma, sie wolle veranlassen, daß die Verkürzung der Arbeitszeit in der Weise bewilligt werde, daß sie im Laufe des nächsten Jahres in Kraft trete, und ferner auch, daß den Hilfsarbeitern 45 Pf. Stunden lohn bewilligt werden. Von weiteren Zugeständnissen war nicht die Rede. Irgendein praktischer Wert ist auch dieser Besprechung kaum beizumessen. Wahrscheinlich haben beide Firmen nicht aus eigenem Antriebe gehandelt, sondern sind vielleicht vorgeschickt wor- men, um einmal auszukundschaften, wie die Streikenden denken. Das war eigentlich überflüssig. Beweisen es doch immer von neuem die Streikversammlungen, daß es in den Reiben der Streikenden keinen Wankelmut und keine Zaghaftigkeit gibt.— Mit dem Angebot von 2 M. Extralohn für Streikbrecher steht übrigens Drucken- müller nicht allein da, auch andere Firmen suchen auf dieselbe Weise Arbeitswillige aus den Reihen der Streikenden zu ködern. und es scheint, daß die Unternehmer übereingekommen sind, es einmal auch mit diesem Mittel zu versuchen, weil sie den Mangel an brauchbaren Arbeitskräften allzu schwer empfinden. Außerdem laufen auch hier und da Agenten herum, die Arbeitswillige von der Straße anzuwerben suchen. Einer dieser Agenten ist in den Kreisen der Eisenkonstruktionsarbeiter als ein sehr spendabler Herr bekannt, der es aber nebenbei gut verstehen soll, Schulden zu machen und das Bezahlen zu vergessen. Sonderbare Redensarten eines Polizeibamten teilte noch ein Streikender in der Diskussion mit. Er war wegen irgend eines vermeintlichen Streikvergehens auf dem Polizeipräsidium ver- nommen worden, und dabei habe der betreffende Beamte zu ihm gesagt, er wisse schon, daß sie heute � wieder Streikversammlung hätten, aber sie sollten lieber wieder arbeiten gehen. Sie kriegten von jetzt ab 5 Pf. weniger Lohn. Das wäre schon alles fertig, und wenn sie nicht wollten, würden sie gezwungen werden, wieder zu arbeiten. Der Streikende hat für diese Aeußerungen nur ein mitleidiges Lächeln übrig gehabt und dem Beamten klar zu machen gesucht, daß die Polizei hierüber doch nun einmal gar nichts zu bestimmen hat. Angriffe auf das Koalitionsrecht der Arbeiter bei Ludwig Löwe . Im März d. I. brach bei der Firma L u d w i g L ö w e ein Streik aus, der darin seinen Grund hatte, daß die Firma von allen neueintretenden Arbeitern die Unterschrift eines Reverses forderte, dem gelben Verbände beizutreten. Die Arbeiter der SpezialMaschinenfabrik legten, hierüber empört, die Arbeit nieder. Der Streik endete mit einem vollen Sieg der Arbeiter. Die Firma mußte ihr Verlangen und die berüchtigten Reverse zurückziehen. Während des Streiks sollten zwei Löwesche Arbeiter Mannitz und Rcumann Arbeitswillige durch Gewalt an der Arbeit verhindert haben. Die beiden hatten sich deshalb am 13. Juni vor dem Schöffengericht Berlin-Mitte wegen Vergehens gegen Z 153 Gewerbeordnung und versuchter Nötigung zu verantworten. Die als Zeuge vernommenen Arbeitswilligen bekundeten, daß die Ange- klagten sie an den Armen gefaßt und verhindert haben, in die Fabrik hineinzugehen. Der Amtsanwalt hielt Vergehen gegen§ 153 der Gewerbeordnung und versuchte Nötigung für vorliegend und be- antragte gegen jeden der Angeklagten eine Gefängnisstrafe von je einem Monat. Denn ebenso wie den Ar- beitern völlige Freiheit vom Gesetz und ihren „Arbeitsherrn" verliehen sei, zu tun und zu lassen, was sie wollten, dürften sie auch die Freiheit anderer nicht beschränken, was die Angeklagten getan hätten. Des- halb sei eine exemplarische Strafe am Platz. Der Verteidiger der Angeklagten, Rechtsanwalt Dr. Heinemann, legte dar, daß Z 153 schon deshalb keine Anwendung finden könne, weil die Arbeiter hier nur das getan haben, worauf sie einen gesetzlichen Anspruch hatten, nämlich ihr Koalitionsrecht verteidigten. Das Reichsgericht nehme ständig an, daß fj 153 nicht vorliege, wenn durch den Streik nur das erreicht werden sollte, worauf die Arbeiter ein' gesetzliches oder vertragsmäßiges Recht hätten. Schlimmsten- falls könne versuchte Nötigung vorliegen, für die eine geringe Geld- strafe am Platze sei. Denn die Arbeiter seien durch das ganz un- berechtigte Verlangen der Firma Löwe, ihr Koalitionsrecht preis- zugeben, auf das äußerste gereizt worden. Nichts sei deplacierter, als wenn der Staatsanwalt in diesem Falle die übliche Wendung fiebraucht, die Arbeiter hätten das Recht zu tun und zu lassen, was ie wollten. Das Hineinpressen in die gelben Verbände durch ihren „Arbeits h e r r n", die Firma Löwe, beweise, wie es mit diesem Recht bestellt sei. Wenn irgend ein Streik berechtigt gewesen sei, so sei es dieser zur Verteidigung des Grundrechts der Arbeiter, ihrer Koalitionsfreiheit. Das Gericht verurteilte jeden der Angeklagten zu 2 0 M. Geldstrafe wegen versuchter Nötigung._ In der Portefeuille- und Reiseartikelbranche droht ein schwerer Konflikt. Für die Städte Berlin , Leipzig und Offenbach schweben schon seit längerer Zeit Tarifverhandlunaen. Am Donnerstag, Freitag und Sonnabend fanden in Offenbach abermals Verhandlungen unter Leitung des Magistratsaffessors S ch n e i d e r- Offenbach als Unparteiischem statt, bei denen es aber nur in unwesentlichen Punkten zu einer Verständigung kam. Gerade in� der Lohnfrage aber wollten die Unternehmer sich zu keinerlei für die Arbeiter einigermaßen annehmbaren Zugeständ- nissen bequemen. Die Vertreter der Arbeiter legten sich schließlich auf folgende Forderungen fest: 52stündige Arbeitszeit, Mindest- löhne von 55, 58 und 60 Pf. pro Stunde im ersten, zweiten und dritten Tarifjahre oder ein Durchschnittslohn von 60 Pf. Für die von den neuen Lohnsätzen nicht berührten Arbeiter wird eine all- gemeine Lohnerhöhung gefordert, die im ersten Tarifjahre 5 Proz., im zweiten 3 Proz., im dritten 2 Proz., im ganzen also 10 Proz. beträgt. Für Akkordarbeit soll ein Aufschlag gewährt werden von 6 Proz. für Taschner und von 10 Proz. für Handkofferarbeiter. Als die Unternehmer diese Forderungen ablehnten, kam es »um Abbruch der Verhandlungen. Ter Unparteiische machte zwar den Versuch, neue Verhandlungen einzuleiten; ob es zu solchen kommt, muß aber als sehr zweifelhaft bezeichnet werden. Der Arbeitgeberverband hat bereits beschlossen, eine allgemeine Aus- sperrung sowohl in Berlin alS auch in Leipzig und Offenbach vor- zunehmen, wenn auch nur in einer der drei Städte die Einigung nicht Zustandekommen sollte. Mit diesem Stand der Dinge beschäftigte sich am Dienstag- abend im Gewerkschastshause eine außerordentlich stark besuchte Versammlung der Berliner Mitgliedschaft des Sattlerverbandes, in welcher der Bevollmächtigte Schulz referierte. Die Stimmung in der Versammlung ließ keinen Zweifel, daß die Arbeiter die Drohung der Unternehmer in keiner Weise fürchten. Sie sind ge- rüstet und entschlossen, den Kampf aufzunehmen. Die Versammlung nahm nach lebhafter Diskusston folgende Resolution an: „Die im großen Saal des Gewerkschaftshauses tagende, von etwa 1600 Personen besuchte Versammlung der Portefeuilles- und Rciseartikelbranche lehnt die bisher gemachten Zugeständnisse der Arbeitgeber zur Tarifbewegung als vollständig ungenügend ab. Zu dieser Stellungnahme sind die Versammelten gezwungen, weil die Unternehmervereinigung auch schon bei der letzten Tarif- erneuerung im Jahre 1903 keinerlei nennenswerte Zugeständnisse Firma Druckenmüller suchte in letzter Zeit durch Mittels-'» gewährt hat. Die Mutigen Wirtschaftsverhältnisse mack>en aber eine durchgreifende Regelung der Lohn- und Arbeitsbedingungen zur zwingenden Notwendigkeit und deshalb mutz auch von der Vereinigung der Lederwarenfabrikanten mit Recht eine größere Berücksichtigung unserer Wünsche gefordert werden. Aus diesem Grunde erwarten die Versammelten, daß die von der gesamten Lohnkommission an Stelle des Tarifamtes eingesetzte engere Kom- Mission zu anderen Vorschlägen kommt, die im Interesse der ge- samten Lederwarenindustrie auch diesmal eine Verständigung über ein neues Vertragsverhältnis ermöglichen." Der Streik der Parkettbodenleger. In einer gestern abend abgehaltenen Branchenversammlung der Parkettbodenleger berichtete der Obmann Klei, daß bis jetzt 8 Firmen bewilligt haben. Bei diesen Firmen sind 90 Arbeiter be- schäftigt. Die Situation sei demnach als äußerst günstig anzu- sehen. Bei keiner früheren Bewegung habe eine solche Einmütig- keit der Kollegen geherrscht wie jetzt. Die Zahl der bei einzelnen Firmen beschäftigten Streikbrecher sei so gering, daß die Arbeiten, welche von ihnen geleistet werden, für die Bewegung gar nicht ins Gewicht fallen. An dem Siege der Streikenden könne gar nicht gezweifelt werden. Sollte es noch zu Verhandlungen mit den Unter- nehmern kommen, so sei gar nicht daran zu denken, daß sie an- gesichts der günstigen Situation von ihren Forderungen etwas ab- lassen. Vor dem Streik hätten sie es vielleicht getan, um eine Eini- gung ohne Kampf zu erzielen. Nachdem es aber die Unternehmer zum Streik kommen ließen, werde man jetzt an den Forderungen unbedingt festhalten.— Im übrigen ist aus den Mitteilungen des Obmannes noch zu bemerken, daß die Leitung der lokalistischcn Zimmererorganisation sich bereit erklärt hat, gegen etwaige Streik- brecher aus ihren Reihen vorzugehen und dahin zu wirken, daß ihre Mitglieder keine Streikarbeit verrichten. Die Kennzeichnung gewisser Streikbrecher hat gewirkt. Ehrenfort und Daugutt haben sich jetzt dem Streik angeschlossen. Die bei Elbinger beschäftigten Mitglieder des katholischen Äesellenvereins sind sämtlich als Streik- brecher tätig._ Lohnbewegung der Berliner Strichenbahner. In den letzten Wochen macht sich bei den Angestellten der Großen Berliner Straßenbahn eine lebhafte Bewegung bemerkbar. die dadurch ihren Anfang nahm, weil die Direktion die von dem Personal durch die Vertrauensmänner eingereichten Wünsche auf Lohnerhöhung nicht nur ablehnte, sondern überhaupt nicht zur Diskussion zuließ. Gefordert wurde ein AnfangSgehalt für Schaff, ner von 105 M., für Fahrer 125 M. pro Monat. Für die Ersatz- bediensteten pro Tag 4 M. und Anstellung nach sechsmonatlicher Probedienstzeit. Der Betriebsdirektor Meyer erklärte in einer Konserenz, daß er diese Wünsche als eine„maßlose Unverschämtheit", sogar als Aufreizung bezeichnen müsse. Er würde schon deshalb nicht darüber diskutieren lassen, um sich selbst nicht dieser Aufreizung mitschuldig zu machen. Diese Antwort der Direktion brachte die Gemüter der Straßen- bahner in Aufregung, die in einer vom Transportarbeiterverband einberufenen Versammlung zum Ausdruck kam. In dieser von mehreren tausend Straßenbahnern besuchten Versammlung wurde einstimmig eine Resolution angenommen, in der es u. a. hieß: „In der Ablehnung ihrer Forderungen erblicken die Ver- sammelten eine Mißachtung ihrer Tätigkeit und� ihres Fleißes, die sie stets im Interesse der Gesellschaft ausgeübt haben, und sie sind zu der festen Ansicht gelangt, daß das so oft betonte Wohlwollen der Direftion nur in seiner Wirkung nach außen hin besteht. Die Anwesenden sind deshalb der Meinung, daß es Pflicht des gesamten Personals sei, sich seiner gewerkschaftlichen Organisation, dem Deutschen Transportarbeiterverband, anzu- schließen, um dadurch seinen Wünschen mehr Nachdruck verleihen zu können.".„, Das in der Resolution im letzten Absatz gegebene Versprechen haben die Straßenbahner gehalten, denn in den auf allen Bahn- böfen einberufenen Versammlungen sind Angestellte in großen Scharen dem Transportarbeiterverband beigetreten. Ueberhaupt waren derartig stark besuchte Versammlungen noch nie zu verzeich- nen. Die Antwort der Direktion hat also das, was nach jähre- langer Agitation nicht möglich war, möglich gemacht; jedenfalls wird sie zur gegebenen Zeit eine entsprechende Antwort erhalten. Die Herren Bäckermeister in Spanbau behandeln die unter- handelnden Gesellen in ganz protziger Weise. Der Bäckermeister Korn, Lhnarstr. 15, glaubt sich sogar berufen die Staatswerk- stättenarbeiter in Schach zu halten und droht ihnen im Falle der Beteiligung am Boykott mit Denunziation bei der Fabrikdirektion. Dieser Bäckermeister hatte sich ehrenwörtlich verpflichtet, die Forde- rung der Gesellen anzuerkennen. Als nun ein Beauftragter der Gesellen erschien, um ihn an sein Ehrenwort zu erinnern,� wurde er brutal abgewiesen und bei dem daraus entstehenden Gesprächs- thema äußerte der Meister Korn: D i e königlichen Arbeiter dürfen sich an dem Boykott nicht beteiligen und wenn sie es tun, dann genügt ein Brief an die Direktion und sie fliegen aus der Arbeit! Dieses Denunziantenstückchen muß in den wertesten Kreisen der Arbeiter- schaft, namentlich der der Staatswerkstätten, bekannt gemacht werden, damit dem Herrn einmal klar gemacht wird, daß seine Konsumenten nicht von ihm abhängen. Uebrigens wird sich das Gewerkschaftskartell und die Spandauer Parteileitung demnächst näher mit der Frage beschäftigen, wie der Boykott am wirksamsten durchgeführt werden kann. Eine Versammlung, die neulich statt- fand, hat einen diesbezüglichen Antrag angenommen. Deutkches Reich. Zum Streik im mitteldeutschen Brannkohlenbergbau. Die allgemeine Situation hat sich bei Beginn der 6. Streik- woche nicht verändert. Die Streikenden stehen nach wie vor wie ein Mann zusammen. Streikbrecher aus den Reihen der Streikenden sind nicht zu verzeichnen. Auch der Zuzug von auswärts hat nach- Selassen. Die Unternehmer haben wohl eingesehen, daß mit den erangeholten Arbeitern nicht viel anzufangen ist, und daß es den Streikenden fast immer gelingt, die Arbeitswilligen zu sich herüber- zuholen. Den Grubenverwaltunaen fällt es nicht ein, die den fremden Arbeitern gemachten Versprechungen zu erfüllen. Aus viesem Grunde kam es auf Grube„Bismarck " bei Meuselwitz am letzten Sonnabend zu erregten Auftritten. Den aus H a m- bürg herangeholten Leuten war neben freier Kost und Logis ein Wochenlohn von 21 M. versprochen worden. Die Arbeiter erhielten aber nur� 7,50 M. ausgezahlt. Einzelne Arbeitswillige warfen ihre Lohndüten dem Beamten an den Kopf. Das Resultat war: die Arbeitswilligen verließen am Montag die Grube. Auch die Grube„Gottlob" bei Theissen (Zeitzer Revier) hat Ende der vergangenen Woche nochmals fremde Arbeiter herangeholt. Als diese auf dem Bahnhofe, 26 Mann stark, ankamen, waren 14 Gen barmen zur Stelle. Außer llen Skreikposken haften sich auch bieks Neugierige eingefunden. Um die Massen zu zerstreuen, ritten die Gendarmen wiederholt in die Menge hinein. Einzelne Ver- Haftungen wurden vorgenommen. Die Empörung in der Bevöl- kerung über das Verhalten der Gendarmen ist groß. Das Streik- postenstehen ist durch die Gendarmerie längst illusorisch gemacht, Das„Weitzenfelser Tageblatt" hält es für angebracht, diese Vor- gänge aufzubauschen und nach altbekannter Manier nach Ver- mehrung der Gendarmen zu rufen. Die Bevölkerung müßte gegen die Streikenden geschützt werden. Die Gendarmen erreichen durch ihr Vorgehen immer das Gegenteil von dem, was sie wollen, denn auch die für Grube„Gottlob" angeworbenen Arbeite» haben bis auf 4 Mann das Revier wieder verlassen. Es will den Unternehmern nichts mehr glücken. Erst hat mar» versucht, die Streikenden gegen die Organisationsleiter aufzu- Hetzen. Dann wurde der Versuch unternommen, der Oefsentlichkeit plausibel zu machen, daß die Forderungen der Bergarbeiter un- erfüllbar wären, weil der Braunkohlenbergbau sich in schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen befände. Als von der Streikleitung aber nachgewiesen wurde, daß die Werksüberschüsse gerade im Braunkohlenbergbau recht große sind, da versuchte man in der letzten Woche den Beweis zu erbringen, daß die Bergarbeiterlöhne nach Ausweis der Knappschaftsberufsgenossenschaft im Jahre 1910 weiter gestiegen wären. Weiter wurde wiederholt gesagt, daß die Lohnsteigerung auch im 1. Quartal angehalten habe. Jeder Un- befangene mußte annehmen, daß diese Behauptung sich später durch die Statistik als wahr erweisen würde. Zum größten Leid- wesen der Sachverwalter des Grubenkapitals stellt sich jetzt heraus, daß die Löhne der Boaunkohlenarbeiter im Gesamtdurchschnitt! zurückgegangen sind. Der Durchschnittslohn der Braunkohlen- arbeiter im Haller Braunkohlenbergbau betrug: 4. Quartal 1907: 3,70 M.. 4. Quartal 1908: 3.58 M.. 4. Quartal 1909: 3,57 M., 4. Quartal 1910: 3,65 M.. 1. Quartal 1911: 3,59 M. Wir haben hier also mit einem Lohnrückgang von 6 Pf. pro Mann und Schicht zu rechnen. Da jeder Arbeiter im Durchschnitt 77 Schichten im Quartal verfahren hat, so macht dies für jeden Arbeiter einen Lohnverlust von 4,62 M., für die gesamte Beleg- schaft 338 823 M. aus. Die amtliche Lohnstatistik beweist aber auch, daß die Veröffentlichungen der Unternehmer in der bürger- lichen Presse mit dem größten Mißtrauen aufgenommen werden müssen. In den Veröffentlichungen der Unternehmer wurde wiederholt gesagt, daß die Streikleitung wahrheitswidrige Behaup- tungen aufstelle, ohne daß dafür auch nur der Schatten eines Beweises erbracht wurde. Jetzt können wir sagen, daß die Unter- nehmer und die bürgerliche Presse der Oefsentlichkeit wiederholt die Wahrheit vorenthalten haben. Ob man nun endlich zur Ein- ficht kommt, daß es auf diesem Wege nicht mehr weiter geht und daß es besser ist. mit den Arbeitern Frieden zu schließen? Warten wir es ab. Die Streikenden harren aus; sie kämpfen für eine gute Sache. KusUind. Der Seemannsstreik. In Liverpool und Southampton sowie in einigen anderen Häfen hat der SeemannSstreik bereits begonnen. Gestern fand in Eout- hampton ein großes Meeting statt, in welchem der Geistliche Hopkins die anwesenden Seeleute ermahnte, sich innerhalb der gesetzlichen Grenzen zu halten. Der Führer der ganzen Bewegung, das Mit- glied des Unterhauses und Präsident der Heizerunion Havelock Wilson hielt eine mit großem Enthusiasmus aufgenommene Rede, in der er erklärte, daß feine Bemühungen, die Differenzen mit den Reedern einer friedlichen Lösung entgegenzuführen, an dem Widerstande der Reeder gescheitert seien. Es bleibe somit nichts anderes übrig, als in den Ausstand zu treten. Er richtete an alle Arbeiter des SeeyrannsgewerbeS die Aufforderung, sich dem Streik anzuschließen. Hierauf wurde von der Versammlung mit großer Begeisterung der allgemeine Seemannsstreik proklamiert. Das Syndikat der Seeleute verlangt als Mindestlohn für Matrosen 110 M., für die Heizer 1. Klasse 130 M.. für die Heizer 2. Klaffe 120 M. und für die Schiffskellner 80—100 M. Auch in Liver. pool wurde ein große? Meeting der Seeleute abgehalten und in London findet heute abend gleichfalls eine große Versammlung der Seeleute statt. Die Reeder stehen der Bewegung sehr skeptisch gegenüber und glauben nicht, daß eS gelingen werde, den englischen Schiffsverkehr lahmzulegen. Die zunächst von dem Streik be, troffenen Schiffahrtsgesellschaften sind die Cunardlinie, die White Starlinie und die Allardlinie. Die Streikenden wollen angeblich versuchen, die Ausfahrt der großen Ozeandampfer„Lusitania" und „Mauretania", die Tausende und Abertausende von Amerikanern zu den Krönungsfeierlichkeiten nach London bringen sollen, zu verhindern. Auch in den nördlichen Häfen Englands ist die Situation sehr kritisch. In Glasgow sowie in Edinburg mußten einige Schiffe mangels Bemannung liegen bleiben. Eine Versammlung der Seeleute in A m st e r d a m hat eben« falls einstimmig die Bekanntgabe des allgemeinen Ausstandes bei sämtlichen Schiffahrtsgesellschaften beschlossen. Ein Teil der hol- ländischen Seeleute ist bereits ausständig und weigert sich, neu anzumustern. In New York warten die Mannschaften auf baS Bekannt, werden der Beschlüsse aus England, sind aber zum Streik bereit. Die deutschen, skandinavischen und f r a n z ö s i, s ch e n Seeleute stehen.Gewehr bei Fuß, üben aber unbedingte Solidarität._ Der Kampf der südwalifischen Bergarbeiter. Man schreibt uns aus London : Die große Gewerkschaft der englischen Maschinenbauer hat uit 10 757 gegen nur 126 Summen beschlossen, die streikenden Bergarbeiter durch eine spezielle Umlage von 6 Pence pro Mitglied zu unterstützen. Diese Unterstützung wird sich auf nahezu 60 000 M. belaufen; ihre moralische Wirkung reicht aber noch viel welter. HctzU ffocbrlcbtcn« Zum internationalen SeemannSstreik. I Antwerpen. 14. Juni. Der englische Konsul hak einem Vertreter der„Agence Havas"(Reuter) erklärt, daß genügend Mannschaften vorhanden seien, um die Ausreise englischer Schiffe vom Hafen Antwerpen zu ermöglichen. Trotzdem haben die Heizer der englischen Schiffe„Lys" und„Syreman" den Dienst vor- weigert. Ter nach Liverpool verkaufte Dampfer„Sharistan" konnte keine Besatzung finden, weil in Liverpool angeblich der Streik erklart worden ist._ Bäckerstreik in Mannheim . M-nuheim, 14. Juni. (H. B.) Die hiefigen Bäcker beschlossen gestern abend, in den Streik zu treten. Der Beschluß gelangte ,ofort zur Ausführung. Bis jetzt haben 43 Bäckermeister die Forderungen der Gesellen bewilligt._ Der Ausstand der englischen Kohlengräber beendigt. Southampton , 14. Juni. (W. T. B.) Der Ausstand der Kohlen- gröber ist veigelegt, die Arbeiter haben die Bedingungen der Arbeitgeber angenommen und werden wahrschemltch morgen die Arbeit wieder aufnehmen. Eisenbahnentgleisung im KankasnS. PeterSiurg, 14. Juni.<W. T. B.) Nach einer Blättermeldung aus Pjatigorsk ist auf der Bahn von Snworowskaja nach Wladikawska» ein Personenzug entgleist, wobei 50 Reisende verwundet wurden. cheitgebcrverband hat beretts beschlossen, eine allgemeine AuS- diese auf dem Bahnhofe, 26 Mann stark, ankamen, waren 14 Gen- verwundet wurden._______ Verantw. Redakteur: Albert Wach?, Berlin . Inseratenteil verantw.: Th. Glocke, Berlin . Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdr. u. Verlagsanstalt Paul Singer S- Co., Berlin SW. Hierzu 2 Beilagen n. vnterhaltungSbl.
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