Nr. 196.
Erscheint täglich außer Montags. Preis pränumerando: Viertelfährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 mt, wöchentlich 28 Bfg. fret tn's Haus. Einzelne Nummer 6 Pfg. Sonntags: Nummer mit illuftr. Sonntags- Beilage Neue Welt" 10 Pfg. Poft- Abonnement: 8,30 Mt.pro Quartal. Unter Kreuz band : Deutschland u. DesterreichUngarn 2 Mt., für das übrige Ausland 3 Mt.pr.Monat. Gingert. in der Boft- Zeitungs- Preisliste für 1893 unter Nr. 6708.
Vorwärts
10. Jahrg
Insertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pig., für Vereins: und Veriammlungs- Anzeigen 20 Pfg Inferate für die nächste Nummer müssen bis 4 Uhr Nachmittags in Der Expedition abgegeben werden. Die Erpedition ist an Wochen= tagen bis 7 Uhr Abends, an Sonnund Festtagen bis 9 Uhr Bormittags geöffnet.
Fernsprecher: 3mt I. 4186. Telegramm- Adresse: Sozialdemokrat Berlin !
Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.
Dienstag, den 22. August 1893.
Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.
Die Wünsche der Innungsmeister werkerinteressen zu gebärden. Ihr Einfluß und ihre politische mentirung der wirthschaftlichen Verhältnisse widerstreben; und die Parteien.
Bedeutung läßt sich aber nicht bestreiten, sie wird gelegent die freisinnigen Gruppen und die Volkspartei verwerfen lich der Besprechung der neuen Regierungsvorlage, betreffend aus manchesterlichen und politischen Beweggründen die die Drganisation des Handwerks in den Zeitungen, Ver- Forderungen der Innungsfanatifer.
Der Niedergang des Handwerks wird heute von nie- sammlungen und im Reichstage zum Ausdrucke tommen. Die Sozialdemokratie kann ihnen nicht zustimmen, weil mandem mehr geleugnet, nur darüber gehen die Meinungen Deshalb müssen wir hier die Forderungen der Zünftler sie weiß, daß alle diese Mittelchen dem Handwerke nicht auseinander, ob die Form des handwerksmäßigen Betriebes kurz zusammenfassen. Die Hauptpunkte sind die obli- aufhelfen können, weil sie den Handwerksmeistern zu lehren noch erhalten werden kann. All diejenigen, die die wirth- gatorische Innung und der Befähigungs- hat, daß die alten Formen nicht die alten Zustände herbeischaftliche Entwickelung klar überschauen, haben sich mit der n a ch weis. Dann folgen Wünsche betreffs Bestrafung des führen können, diese alten Formen Ausdruck und nicht UrThatsache abgefunden, daß die handwerksmäßige Betriebs- Kontraktbruchs der Arbeiter, Beschränkungen und wo- sache des früheren dem Handwerke günstigen Zustandes weise dem Wettbewerbe der Großindustrie nicht gewachsen möglich Verbot der Konsumvereine, Abzahlungs- waren, endlich kann die Sozialdemokratie einer Stärkung ist. Diese unvermeidliche Entwickelung hat den wirthschaft- geschäfte, des Hausithandels und der Gefängnißarbeit der Jnnungen nicht das Wort reden, weil sie zu weiterer lichen Untergang zahlreicher Handwerksmeister zur Folge. und Regelung des Submissionswesens im Interesse der Knechtung der Arbeiter fühen würde. Den BefähigungsEin Theil derselben sieht mit den Händen im Schooße dem Handwerksmeister. nachweis kann sie nicht empfehlen, weil derselbe eine Verhängniß entgegen, ein anderer Theil versucht durch ge- Wie stellen sich nun zu diesen Fragen die großen poli- Aristokratie im Handwerke schaffen würde und weil sie es nossenschaftliche Bereinigung den Prozeß aufzuhalten, wieder tischen Parteien und die Reichsregierung? für ungerecht halten muß, daß die jetzigen Handwerksmeister andere wenden sich in klarer Erkenntniß der Wirkung der Ueberaus entgegenkommend ist die Stellung der Deutsch - des Befähigungsnachweises enthoben wären und gleichzeitig wirthschaftlichen Geseze der Sozialdemokratie zu, andere konservativen und der Zentrumspartei . über die Befähigung anderer urtheilen sollten. endlich glauben durch Wiederherstellung der alten gewerbe- Der deutschkonserativen Partei erscheint für das Hand- Aufgabe der Sozialdemokratie kann es endlich nicht rechtlichen Bestimmungen aus der Zeit des ausgehenden werk vornehmlich die Einführung des Befähigungsnachweises, sein, die wirthschaftliche Entwicklung zu hemmen, da das Mittelalters den Fortbestand der handwerksmäßigen Pro- die Stärkung der Innungen und Innungsverbände, die Wohl aller Gedrückten, der Arbeiter wie der Handwerker, duktionsform erreichen zu können. Begründung und Förderung genossenschaftlicher Ver- davon abhängt, daß an stelle unserer heutigen, ihrem HöheDie Handwerker, die ihre Hoffnungen auf Schulge- einigungen geboten. Redlicher Handel und Gewerbebetrieb punkte zueilenden wirthschaftlichen Ordnung die gemeinDelitzsch'sche oder Broich'sche Vorschußkassen u. dergl. sehen, ist, wie sie in ihrem Programme fordert, durch Beschrän- wirthschaftliche trete, deren Voraussetzung die höchste Entspielen in der Handwerkerbewegung keine Rolle, die sozial- fung und Beaufsichtigung des Hausirhandels und der Abwicklung des Großbetriebes ist. demokratischen Handwerksmeister sind innerhalb unserer zahlungsgeschäfte, sowie durch die Beseitigung der Wander- Die Stellung der Reichsregierung zu den HandwerkerBewegung thätig und sehen in Erkenntniß der vollkommenen lager und der Wanderauktionen zu schützen. fragen war stets eine schwankende. und sie hat es trotz aller Aussichtslosigkeit selbstverständlich von einer eigenen Hand- In dem neuen sozialpolitischen Programmentwurfe der Aenderungen der Gewerbe- Ordnung dazu gebracht, daß werkerbewegung ab; die Folge hiervon ist, daß die große Bentrumspartei wird für das Handwerk verlangt: weder die Innungsanhänger noch deren Gegner mit ihr Deffentlichkeit lediglich von der auf dem Zunftsstandpunkte Förderung des Fnnungswesens für das Kleingewerbe, zufrieden waren, sie bewilligte einzelne Wünsche der Zünftler, stehenden Handwerkerbewegung erfährt. Dieselbe ist gut insoweit dasselbe bei der fortgeschrittenen Produktions- sette anderen wieder starren Widerstand entgegen. Am organisirt, fie besitzt viele Zeitungen, hält häufig provin- weise in ersprießlicher Weise noch handwerksmäßig betrieben liebsten würde wohl die Reichsregierung den bestehenden ziale und allgemeine Handwerkertage ab, bestürmt die Volts- werden kann, durch gesetzliche Privilegien hinsichtlich des Zwitterzustand der Innungen erhalten, aber sie kann dies vertretungen mit Petitionen und Resolutionen und besitzt einzuführenden Befähigungsnachweises, hinsichtlich der Lehr- nicht, das Drängen der die Innungen unterstützenden Parin zwei mächtigen parlamentarischen Parteien, der deutsch - linge, der Gesellen und der Herstellung und des Absages teien, der immer stärker werdende Zuzug, den die Sozialkonservativen und der Zentrumspartei einflußreiche und kleingewerblicher Waarenerzeugnisse. Regelung der Ge- demokratie aus den Reihen der Handwerker erhält, ein eifrige Beschützer, weil diese Parteien in anderen Kreisen fängniß- und Militär- Arbeiten, Einschränkung des Zwischen- Versprechen des Kaisers an eine Handwerker- Deputation, des Bürgerthums feinen nennenswerthen Anhang besitzen. handels zum Schutze des Handwerkerstandes. Gefeßliche daß den Wünschen der Handwerker Rechnung geAll diese Umstände führen dazu, daß wenig sachkundige Abgrenzung von Handwerk und Großindustrie durch Fest- tragen werden solle, zwingen die zwingen die Reichsregierung, Kenner der Handwerkerbewegung annehmen, die Innungs- segung einer Maximalzahl von Gehilfen für den hand- sich mit den Wünschen der Handwerker zu befassen. Die führer vertreten wirklich die Wünsche der überwiegenden Mehr- werksmäßigen Betrieb. preußische Regierung hat einen Gesetzentwurf über die zahl der deutschen Handwerksmeister. Dies ist aber durchaus Man ersieht hieraus, daß die zünftlerische Handwerker- Organisation des Handwerkes und die Regelung des Lehrnicht der Fall, denn die Innungen haben im deutschen Klein- Partei auf die volle Unterstützung ihrer Forderungen seitens lingswesens ausgearbeitet und ihn der öffentlichen Kritik gewerbe eine viel geringere Verbreitung gefunden, als man dieser beiden großen Parteien rechnen darf. Eine Zufalls vorgelegt. Er erfüllt den Hauptwunsch der Zünftler, die nach Erlaß des Innungsgesetzes vom 18. Juli 1881 all- mehrheit im Reichstage stimmte sogar einmal für die Ein- Einführung des Befähigungsnachweises, nicht, er läßt die gemein erwartete. In ganz Deutschland bestanden am führung des Befähigungsnachweises. Nur der Widerspruch Jnnungen zwar weiter bestehen, legt aber die wichtigsten 1. Dezember 1890 blos 10223 Jnnungen mit 321 219 Jnnungs- des Bundesraths verhinderte, daß der Beschluß des Befugnisse den neu zu schaffenden Handwerkerkammern bei. mitgliedern, so daß kaum 10 pCt. der deutschen Handwerks- Reichstages Gesetz wurde. Das Zentrum stellte in Die Bünftler werden von diesem Entwurfe nicht befriedigt meister, in Baden noch nicht 5 pCt. und in Württemberg der letzten kurzen Reichstags- Session Anträge, die sein, ebenso wenig fönnen aber wir, denen die Vertretung noch nicht 1 pCt. aus dem Beitritte zur Jnnung sich irgend vollständig den Wünschen der Zünstler entsprachen. der Arbeiterinteressen obliegt, an dem Entwurfe Gefallen
welchen Vortheil versprachen. In vielen Theilen Deutsch - Volle Unterstützung finden auch diese Forderungen bei finden. Wir werden in einem weiteren Artikel die Einzellands überwiegen die freien Gewerbevereine die Innungen den Antisemiten. Bei der Reichspartei und bei den heiten des Entwurfes einer eingehenden Kritik untersowohl an Zahl der Vereine als der Mitglieder beträchtlich. Nationalliberalen ist die Stimmung für die Wünsche der ziehen. Man ersieht hieraus, daß die Innungen nicht das Recht reaktionären Handwerker keine so warme, weil hier die haben, sich als die einzig berufenen Vertreter der Hand- großkapitalistischen Interessen überwiegen, die einer Regle
Feuilleton.
Nabbrud verboten.]
( 48
Die Bekehrung André Savenay's. Savenay's.
Sozialistischer Roman von Georges Renard.
-
war auch nicht böse darüber, daß ein anderer ihm all die gefüllt, als in demselben Augenblicke, wo der von einem schrecklichen Unterhandlungen abnahm, die ihm den ganzen blendenden Lichtkranze halbverdeckte Katafalk im HauptMorgen durch, wie Nadelstiche in die offenen Wunden seiner schiffe den Leichnam des jungen Mädchens aufnahm, eine schmerzdurchwühlten Seele, zur Bein geworden waren.
bestochen durch die Blumen und weißen Behänge, die Braut
Hochzeit kleiner Leute vor dem dürftig beleuchteten Altar Hunderte von Traueranzeigen auf Luxuspapier waren einer Seitenkapelle stattfand. Einen Augenblick vermischten also von Dukel Theodor in ganz Paris verschickt worden; sich die beiden Menschenmassen; einige Personen zögerten, er hatte zu der Trauerfeierlichkeit alle diejenigen gut gestellten Personen eingeladen, die früher mit den Savenay's wurde bleich vor Schreck über das böse Vorzeichen. bekannt gewesen waren. Am nächsten Tage hielt zur fest- Alfred Bernaud, der mit seiner Frau gekommen war, gesetzten Stunde eine stattliche Zahl von Wagen vor dem machte laut die philosophische Bemerkung, daß eigentlich Hause. Die meisten waren leer, da die Besizer ihre jede Hochzeit eine Art Begräbniß sei. Nachdem endlich die Autorisirte Uebersetzung von Marie Kunert . Kutscher und Pferde für würdig genug gehalten hatten, sie Ordnung wieder hergestellt war, wickelte sich eine Stunde Als er erfuhr, daß sie ganz bescheiden stattfinden sollte, zu vertreten. Sechs Trauerwagen standen den übrigen lang der Trauergottesdienst beim Klang der Orgel ab mit schrie er laut auf. Empfand er leise Gewissensbisse bei Theilnehmern zur Verfügung. Der Leichenwagen, von weiß der ganzen majestätischen Langsamkeit der Gebete und der dem Gedanken, daß er seine Nichte hatte sterben lassen, ohne verhüllten Rappen gezogen, verschwand fast unter einer Fülle theuer bezahlten Psalmen. einen Versuch zu machen, sie zu retten, und wollte er nach weißer Blumen, Flieder, Tubarosen, Chrysanthemen, und Ein einziger Zwischenfall störte die korrekte Anordnung träglich noch etwas gut zu machen suchen? Oder wollte er an einem Kreuze prangte ein ungeheurer Kranz aus Rosen der Zeremonie. Als die Träger beim Verlassen der Kirche vielmehr als echter Bourgeois, dem die Meinung der Welt mit einer großen seidenen Schleife, von der sich in riesigen, den gebührend eingesegneten Sarg auf die Schulter nahmen, über alles geht, daß das Begräbniß der Familie Ehre schwarzen Lettern die Inschrift abhob: Meiner innig ge- richtete Frau Savenay , die ununterbrochen unter ihrem machen sollte? Gewiß ist, daß er einen Anfall von Groß- liebten Nichte". Der Flur des Hauses, der in eine langen schwarzen Schleier geschluchzt hatte, sich plötzlich auf, muth und Freigebigkeit hatte, der ihn zuerst selbst in Erstaunen Trauerhalle umgewandelt war, war mit weißen Stoffen außer sich gebracht durch die grausam lange Dauer des versezte. ausgeschlagen, aus denen in silbernen Buchstaben die Ini- Gottesdienstes und durch die ergreifenden Töne des Ge
"
"
Das kann so nicht bleiben", sagte er. Es mag ja tialen der Verstorbenen glänzten. Als der Sarg hinaus- fanges. Die Augen starr auf die Männer gerichtet, die ganz anständig sein. Aber es würde aussehen, als wollten getragen wurde, konnte die neugierige Menge auf dem ihre Tochter hinaustrugen, rief sie mit gebrochener Stimme: wir fnausern. Die Beerdigung muß dritter Klasse statt- Trottoir mit Bewunderung konstatiren, daß er aus Mein Kind! Mein Kind! ich werde Dich nicht wieder: finden. Das Mehr an Rosten nehme ich auf mich. Sorgt polirtem Nußbaumholz war mit Leisten von Ebenholz und sehen." Dann brach sie ohnmächtig zusammen. André Euch um nichts. Ich werde alles besorgen. fing fie in seinen Armen auf und vertraute sie Johanna an, die sie nach Hause brachte.
Frau Savenay war von ihrem Schmerz so tief gebeugt, daß sie kaum begriff, um was es sich handle.
Thu' was Du willst, Bruder," sagte sie mit der Gleichgiltigkeit, die sich unser bei großem Kummer bemächtigt.
filbernen Füßen.
Es war wirklich ein schönes Begräbniß, und Onkel Theodor, der barhaupt mit André hinter dem Sarge herging, warf einen befriedigten Blick auf die Anordnung des Buges.
Die kleine Kirche Saint François de Sales war eben André dachte nur daran, seine Mutter zu trösten. Er falls von Wagen umgeben und umsomehr von Menschen