B&em türchschimmttN liep. Die©efinenfll fiTit�n in den eingeborenen Adel über, und seit jener Zeit hat man für den Adel auch den Ausdruck.blaues Blut". In Wirklich- keit ist damit germanisches Blut gemeint, und der ärmste deutsche Mann sollte sich nrit Stolz dessen be- wüßt sein, daß er der Sproß eines EdelvolkeSist, das unter den anderen Böllern dieser Erde den ersten Platz er- warben hat. An Stelle des von der Sozialdemokratie verlangten, auf Haß gegen seine Bolksgenossen beruhenden Klassenbewußtseins soll er ein stolzes Rafsenbewußtsein haben, nicht in dem Sinne dünkelhafter Uebcrhebung, sondern eingedenk des sozialaristokrati- schen Spruches:.Adel verpflichtet". Die„Kreuz-Zeitung " wird ihrer ganzen Haltung nach iem preußischen Volke eiire ganz bevorzugte Stelle in diesem„germanischen Edelvolke" einräumen. Warum sträubt sie sich aber mit aller Gewalt dagegen, daß den preußischen Sprossen deS Edelvolkes ein freies Wahlrecht verliehen wird? Ihr„sozialaristokratisches" Gemüt läßt es ruhig zu, daß das gepriesene„Edelvolk" politisch rechtloser ist, als z. B. die „dunkelhäutigcn Eingeborenen" Portugals . Ganz zu schweigen davon, daß die große Masse des„Edelvolkes" sich von den Lllleredelsten, den Junkern, aushungern lassen muß. Der „ärmste deutsche Mann" hat dank der wirtschaftlichen und politischen Herrschaft des.,Kreuz-Zeitungs"-Adels kein blaues Blut in den Adern, er ist vielmehr sehr blutarm! Nationalliberal gegen Nationalliberal. Nach einer Mitteilung der„Wormser Volkszeituttg" be- obsichtigen nationalliberale Kreise in Worms-Heppenheim- Wimpfen. dem„nationallibcralen" Reichstagsabgeordneten Freiherrn V. H e y l bei der nächsten ReichStagswahl in der Person eines angesehenen Mitgliedes der nationalliberalen Partei einen Gegenkandidaten entgegenzustellen. Dieses Vor- gehen erfolge im Einverständnis mit einer großen Zahl von nationalliberalcn Parlamentariern. Das„Verl . Tageblatt" meint, aus der Meldung gehe nicht hervor, wie sich die nationalliberale Zentralleitung zu dem Plane stelle. Nach- den: Stresemann mit ihrem Einverständnis nach Mainz ge- reist und von dort auS der„Wormser Ecke" den Kampf an- gesagt hätte, wäre es richtig, wenn sie den nationalliberalen Gegenkandidaten gegen Hehl zum offiziellen Parteikandidaten erklären würde, sofern man nicht annehmen müßte, daß sie inzwischen, um mit Geheimrat Rießer zu reden,«Angst vor ihrer eigenen Courage" bekommen habe. Der Mißerfolg der preußischen ZwattgspolUik in Schleswig-Holstein . ES jährt sich bald zum SO. Male, daß Preußen seine große Tatze auf Schleswig-Holstein legte, aber bis heute ist es der preußischen Verwaltung nicht gelungen, die Mehrzahl der Bewohner Nord» fchleSwigS mit ihrem Schicksal auszusöhnen. Ja man kann wohl sagen, die preußische Regierung steht ihrem Ziele, Nordschleswig zu verpreußen. ferner denn je. Mit der Zwangs- und Unterdrückung?- Politik schafft sich die preußische Negieruirg keine Freunde, sie zwingt vielmehr die dänische Bevölkerung Nordschleswigs zur Verteidigung ihrer Sprache, Sitten und Gebräuche zu immer festerem Zusammen- schluß. DaS beweist jedes Jahr die große danische Jahresversammlung. Ein ruhiger und sicherer Fortschritt der dänischen BereinStätigkeit, trotz des neuen KöllerkurseS, besten unsinnige und brutale Zwangs- maßregeln kürzlich im„Vorwärts' anschaulich geschildert wurden, daS ist das Bild, da« die Jahresberichte zeigen. Der dänische Sprachverein verzeichnet einen Mitglieder« zuwachS von 329, er zählt jetzt rund SS00 Mitglieder, darunter 812 weibliche. Er verteilte im Jahr« 1910 nicht weniger als 17 890 Bücher an feine Mitglieder und deren Kinder, darunter viele unent- geltlich. Der Verein hat jetzt in Nordschleswig 1S5 Büchereien und «in Hauptbuchlager in Apenrade . Der Wählerverein hat um 947 Mitglieder zugenommen und zählt jetzt 6635. darunter 845 weibliche; das ist«in gutes Verhältnis, wenn man bedenkt, daß in ganz RordschleSwig im Jahre 1907 15444 dänische Reichs- tagswahlstimmen abgegeben worden sind. Der Schulvcrein hat«ine Mitgliederzahl von 8696 erreicht, darunter 1665 weibliche; seine Mitgliederzunahme beträgt sogar 1484. Er ermög- licht durch sein« Unterstützungen 237 jungen Männern und 182 jungen Mädchen den Besuch von Hoch- und Nachschulen, Hand- werker-» landwirtschaftlichen und Meiereischulen in Dänemark . Da- für wandte der Verein 33 301,85 M. im Berichtsjahre auf. Seit seinem Bestehen hat der Verein schon 4731 junge Leute au« Nord- schleswig auf dänische Schulen geschickt. Es ist ein reiche» Geiste,- Li»»elttsg zur Zahnkeier. Diesen Sonnabend also soll eS losgehen. Tausende von Der- liner Schulkindern werden in der Hasenhcide zusammenströmen, werden ihre turnerischen Künste zeigen— eine weise Regierung hat dafür gesorgt, daß die Kinder der„höheren" und der„niederen Schulen ja nicht durcheinander kommen, sondern hübsch getrennt bleiben— und am Schluß wird ein leibhaftiger Minister eine Rede hakten, worin er den„großen Volksmann" Jahn feiern wird, der so viel für die Erweckung deutschen Geistes« für die Einheit und Freiheit des Vaterlandes getan hat.,_., Da wollen auch wir nicht zurückstehen, sondern unser Scherf- lein beisteuern z» der allgemeinen Festesfreude. Und wir werden uns gewiß den Dank einer hohen Obrigkeit erwerben, wenn wir ihrem Werk ergänzend zu Hilfe kommen, d. h. wenn wir über Friedrich Ludwig Jahn solche Dinge mitteilen, die die Kinder auf dem Turnplatz der Hasenheide und die Erwachsenen beim Kommers in der„Neuen Well" sicherlich nicht zu hören bekommen werden.'._ Heute ist Friedrich Ludwig Jahn «in viel gefeierter Mann. Aber freilich, heute ist er ja tot. Bei seinen Lebzeiten war es anders, ganz anders. Wie da eine hohe Obrigkeit mit ihm um- sprang, darüber ist vor etwa 1� Jahren in den„Preußischen Jahrbüchern"(also einem sehr staatserhaltcnden Blatte) das Urteil gefällt worden, daß„ein Menschenleben geknickt. «ine Existenz moralisch zugrunde gerichtet wurde". Zwar, so lange der gute König von Preußen seinen Thron in Gefahr wußte, sah man JahnS Turnerei, die„Erziehung der Jugend zur Wehrhaftigkeit"(heute eine Forderung des sozial- demokratischen Programms) nicht ungern. Sogar als er 1310 erneu geheimen Bund gründete, legte man ihm nichts in den Weg. Und sehr zufrieden war man, als er 1813 als einer der ersten Frei- willigen in den Krieg zog. Aber nachdem der Krieg beendet, der „Erbfeind" aus Deutschland hinausgejagt war, da setzte Jahn seine Turnerei in der Hasenheide fort. Das mußte ,hn verdächtig machen! Das wollte ver Mann nun noch? Das„Vaterland war doch befreit", will sagen, der Thron des preußischen Königs war vor Napoleon gerettet I Was brauchte da die Jugend noch we»ter zur Wehrhaftigkeit erzogen zu werden? Da konnten nur gefähr- fiche Absichten dahinter schlummern. Gewiß sann er auf Hoch- verrat, gewiß wollte er nur deshalb den Jungen Kraft und körper- licke Gewandtheit beibringen, damit sie sie zum Umsturz der bc- stehenden Staatsordnung verwenden könnten. Wenn die preußischen Behörden einen für verdächtig hielten, so gingen sie damals schon ebenso„tatkräftig" vor wie heutzutage. Im Jahre 1819, in der Nacht vom 13. auf d«n 14. Juli, wurde Jqhn verhsftet Md guf die Festung Spuizdoy gebischt. Uni» UIld Kulturleben, was sich l't» Sem fchittakett Gttltzsirfch rm Norden der Provinz SchleSwig-Holstein abspielt. Und mit verbissener Wut sehen die alldeutschen Reaktionäre und Hetzer, wie ohnmächtig alle ihre Gewalt- und Zwangsmaßregeln dagegen find. Der Kampf um die Konsumvereinssteuer in Hamburg . Am Mittwochabend gelangte in Hamburgs Parlament die Konsumvereinssteuer, diese übelduftende Blume im Steuerbukett, zur Beratung und entfesselte eine sich bis Mitternacht hinziehende Redeschlacht. Ueber die Grundzüge dieser Steuer(8 Proz. vom Hundert des Erlöse?) haben wir bereits berichtet. Die„Mittel- ständler" verlangen einen um etwa fünfmal höheren Steuer- betrag, den sie dann bis zur völligen Erdrosselung der Konsum- vereine erhöhen möchten. Diesen Vorschlag bezeichnete Genosse Stalten als wahnsinnig. Die Mittelständler würden jeden für verrückt erklären, der von ihrem eigenen Einkom menden selbenSteuersatzerhebenwollte. den man hier den Konsumvereinen, das heißt den Arbeitern, zu« mutet. Die Rückvergütung sei kein geschäftlicher Gewinn, sondern das beim Einkauf zuviel gezahlte Geld. Bei den Hofenabgaben sträube man sich, die eigenen Gc- schäfte zu belasten, während man hier die Arbeiter belasten wolle, damit der Mittelstand bessere Geschäfte mache. Das sei Politik in die eigene Tasche. Gegen diesen Raub an ihrem Eigentum, diese Revolution der ganzen Rechtsbegriffe wehren sich die Arbeiter mit Recht. WeShaW besteuere man nicht die kaufmännischen Geschäfte in ihren verschiedenen Variationen? Die von den großen Unter- nehmern ins Leben gerufenen Filialgeschäste trügen viel mehr zur Vernichtung deS Mittelstandes bei als die Konsum- vereine der Arbeiter. Aber an den„kapitalistischen Wagemut" traue man sich nicht heran, der Konsequenzen wegen. Die„Mittelständler" gebürdeten sich wie wütend und möchten am liebsten tabula rasa mit den Konsumvereinen machen, die„die Vernichtung deS gewerblichen Mittelstandes auf ihre Fahne geschrieben hätten". Auch eine blanke Denunziation wurde ausgesprochen. Der Notfonds der„Produktion" wurde als ein eigentlicher Streikfonds bezeichnet, wie überhaupt die tollsten Dinge gegen die verpönten Konsumvereine losgelassen wurden. Nach diesen vom krassesten Eigennutz diktierten Ausführungen bezeichnete Senator Dr. Schaefer den Einwand Stoltens, daß die Konsumvereinssteuer eine Doppelbesteuerung darstelle, in ge- wissem Sinne als richtig; aber dann müßte auch jede Besteuerung juristischer Personen aufhören. Dann ließ der Regierungsvertreter die volkswirtschaftliche Weisheit vom Stapel, daß die Aktien- gesellschaften im Grunde genommen auch weiter nichts feien als Konsumvereine. Einkaufsgenossenschaften seien wieder etwas anderes als Konsumvereine usw. Die auf der Reichsgesetz- gebung beruhenden Konsumvereine zu vernichten, könne er keines- Wegs empfehlen« daher müsse die mittlere Linie innegehalten werden. Nach Ablehnung des Erdrosselungsantrages wurde in namentlicher Abstimmung der Kom» missionsantrag in erster Lesung mit 65 gegen 64 Stimmen hesKlossen. Wie sich die Agrarier von den Steuern drücken! Daß die Herren Agrarier keine Freunde vom Steuerzahlen sind, ist bekannt, daß aber bei Gutskäufen die Steuerhinterziehung geradezu nach einem System betrieben wird, ist erst jetzt gerichtlich nach- gewiesen. Vor ewiger Zeit ging das Gut Ernstfelde bei Reu- brandenburg in Mecklenburg-Strelitz in andere Hände über. Bei dem Kauf fühlte sich der Käufer von dem Verkäufer übervor« teilt und es kam zum Prozeß. In der Verhandlung vor dem Amts- gericht Neubrandenburg stellte sich nun heraus, daß an lebendem und totem Inventar nur das notwendigste Ackergerät und 8 Pferde, 3 Kühe, 3 Kälber sowie ein Ziegenbock vorhanden war. Dieses „Inventar" war aber in der Kaufsumme mit 55 000 M. an- gesetzt. Der Lorsitzende drückte dem al» Zeugen vernommenen Landwirt Möller gegenüber feine Verwunderung über die Höhe dieser Summe aus. Der Zeuge gab unumwunden zu, daß bei Gutskäufen„für gewöhnlich" der Preis für das vorhandene Inventar höher angegeben werde als der tatsächliche Wert aus- mache. Die» geschehe deshalb, um die Grundrente in den Augen der Steuerbehörde niedriger erscheinen zu lassen. Nach diesem Usus sei„jedenfalls" auch beim Verlauf des Gutes Ernstfelde verfahren worden. Ob der StaatSawalt, dessen Vertreter diese» Bekenntnis einer schönen agrarischen Seele mit angehört hat, nunmehr gegen den Schuldigen das Verfahren wegen Betruges einleiten wird? was die Wertschätzung des„großen Patrioten" durch die preußische Polizei ins rechte Licht setzt: man riß ihn in jener Nacht vom Bette eines sterbenden Kindes hinweg, daS er nicht mehr wiedersehen sollte. Auf die Brutalität folgte die Verleumdung. Am folgenden Tage stand in der„Vossischen" und noch einer anderen Berliner Zeitung eine polizei-offiziose Notiz, welche mitteilte: Nach den bc- schlagnahmten Papieren habe Jahn„nicht allein auf den Turn- Plätzen demagogische Politik jeder Art getrieben, sondern auch fort- gesetzt versucht, die Jugend gegen die bestehend« Regierung einzu- nehmen und zu revoluttonäven und andern gefährlichen Grund- sätzen, z. B. der bedingten Rechtmäßigkeit des Meuchelmordes der Staatsdiener, der Zierde des Dolche« für jeden Mann--- bei ihm fand man deren zwei— zu verführen" usw. Wem fällt hier nicht die frappante Aehnlichkeit auf mit Vor- gängcn unserer Tage? In denselben«Preußischen Jahrbüchern". denen wir diese Angaben entnehmen, loar im April d. I. ein drolliger Aussay eines GhmnasialdiroktorS auS Prenzlau zu lesen, worin über die Sozialdemokratie unter anderem folgendes behauptet wurde: „Immer neue Geschlechter wachsen heran, die mit der Muttermilch schon den Haß gegen alle Bessergestellten eingesogen haben, die erzogen werben zur Auflehnung gegen alle bestehende Ordnung, die hinjauchzen möchtrn ,in Blut und Mord ihrer ver- mcinilichen Feinde." Also damals so wie heute. Aber nun kommt doch ein großer Unterschied: aus der Festung heraus konnte Jahn den Verfasser obiger Notiz wegen Verleumdung verklagen. Heutzutage kriegt ein Untersuchungsgefangener solche Dinge, die draußen in der Oeffentlichkeit über ihn verbreitet werden, nicht einmal zu er- fahren, geschweige denn, daß er sich dagegen»vehren kann. Der Verlauf der Klage jedoch erinnert wieder ganz an heutige Zustände. Die amtliche Untersuchung ergab, daß die Notiz den beiden Zeitungen mit einem gleichlautenden Begleitschreiben zugegangen war, wonach„Se. Durchlaucht der Herr Fürst Staatskanzler" die Veröffentlichung wünsche. Das genügte den beiden„unabhängigen" Blättern. ES war aber dieselbe Notiz mit demselben Begleit- schreiben auch noch einer dritten in Berlin erscheinenden Zeitung zugegangen, der amtlichen„Staatszeiwng". Deren Redakteur zedoch, der Geheime Hofrat Staegemann, hatte erste den Nach- weis verlangt, daß die Sache auch wirklich vom Fürsten Staats- kanzler herrühre, und al» man ihm den Nachweis schuldig blieb, hat er den Abdruck verweigert. Im übrigen wurde das Verfahren gegen den Urheber der Ver- leumdung, den berüchtigten Gehcimrat von Kamptz, Direktor des Polizeidepartements, bald eingestellt, weil er—— amtlich ge- handelt Habel Heute würde man sagen, es wurde der„Konflikt erhoben". Jqhn blieb 4 Tage in Spandau , bm wurde er auf die Feshing Kaserne»- Bestialität. Die Mißhandlungsprozesse beim Ulanen- Regiment Nr. 17 in Oschatz i. S. nehmen kein Ende. In Schindereien und Quälereien hat dieses Regiment in den letzten Jahren einen unerreichbaren Re- kord aufgestellt. Vor länger als Jahresfrist wurde diese Eiterbeule aufgestochen, es folgte Prozeß auf Prozeß und noch immer ist ein Ende in dieser Aufsehen erregenden Affäre nicht abzusehen. Jetzt wurde vor dem Dresdener Kriegsgericht abermals ein Prozeß verhandelt, der an Zahl der Mißhandlungen alle bisherigen übertrifft. Aber alle diese Quälereien bleiben ungesühnt. weil der Täter strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden kann!! Es handelt sich im vorliegenden Falle um den Unter- o f f i z i e r K e l l e r von der 2. ESkadron des genannten Regiments, bei der überhaupt die meisten Schindereien vorgekommen sind. Keller ist nur wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt. Die übrigen unzähligen Mißhandlungen hat Keller als Gefreiter, aber nicht in Vorgesetzteneigenschaft begangen. Ist schon nach den gesetzlichen Bestimmungen— und daS ist eine große Lücke— deshalb eine Bestrafung unmöglich, so fehlt es in allen Fällen an dem erforderlichen Strafantrag der Verletzten zur Verfolgung wegen einfacher Körperverletzung. ES ist allenthalben Verjährung eingetreten. Im vorliegenden Falle haben die mißhandelten Soldaten aus Furcht vor weiteren Mißhandlungen keine Meldung erstattet und auch keinen Strafanttag gestellt. Erst nach Ablauf ihrer Dienstzeit haben sie das Martyrium zur Sprache gebracht. AuS der Fülle der Miß- Handlungen sind nur die Fälle herausgegriffen, die sich als gefähr- liche Körperverletzung qualifizieren. Der ehemalige Ulan Lorenz, der die haarsträubenden Zu- stände zuerst aufgedeckt hat, ist täglich geschlagen worden. Stockhiebe und Ohrfeigen waren an der Tagesordnung. Die Mißhandlungen liegen bis in die Rekrutenzeit 1906/07 zurück. Bei zwei verschiedenen Gelegenheiten ist Lorenz mit dem Obergurt in furchtbar schmerzhafter Weise über Kopf und Rücken und ins Gesicht geschlagen worden. Nasen- bluten, Beulen und Kopfschmerzen waren die Folgen dieser Quälerei. Nach einer neuen Mißhandlung ist Lorenz dann von der Truppe weggelaufen. Der Ulan Schumann ist mit einer Reitpeitsche mit Stahleinlage derart mal- trätiert worden, daß die Striemen fingerdick auf dem Körperlagen. Bei zwei anderen Gelegenheiten wurde derselbe Soldat mit schweren Holzpantoffeln in den Leib getreten; die Tritte waren sehr schmerzhaft, und einige Zeit später trat auf der einen Seite der Bruch heraus. Der Ulan Kümmel wurde eines Sonntags nach dem Kirchgang unmenschlich mit beiden Fäusten ins Gesicht ge- ch l a g e n. daß er blutete und gegen dir Schränke flog. Das sind nur die unter Anklage stehenden Fälle, von denen der An- geklagte wahrscheinlich infolge seiner vielen Roheiten nichts wissen will. Die übrigen Mißhandlungen wurden in der Verhandlung nur gestreift. Fest steht aber, daß dieser Rohling vom R o h r st o ck, den er ständig bei sich führte, täglich ausgiebigen Gebrauch gemacht hat. Auch mit Lanze und Reitpeifchr wurde oft geschlagen. Keller war al» roher und gewalt- tätiger Mensch gefürchtet, die Soldaten nannte er nicht anders wie Mi st Viech, Dreckschwein und so fort. Vervollständigt wurde dieses düstere Kasernenbild durch die Zeugenaussagen- Sie sind so bezeichnend für die Abscheulichkeiten bei ge- nanntem Regiment, daß sie kurz wiedergegeben zu werden verdienen. Lorenz bekundete: Ich kann mich auf die einzelnen Vorgänge nicht besinnen, weil ich täglich mit allerlei Gegenständen geschlagen worden bin. Nach einer furchtbaren Mißhandlung bin ich dann in meiner Angst weggelaufen. In der Hauptsache wurde ich über den Kopf geschlagen;ichbinheutenoch ganz kaput von diesen Mißhandlungen; bin oft sehr nervös und habe Kopfschmerzen. Schumann sagte aus: Mit der Reitpritsche bin ich e n t s e tz- lich mißhandelt worden, Keller war furchtbar roh und hat täglich gedroschen. Gemeldet habe ich nichts. weil wir sehr eingeschüchtert waren. ES waren schreckliche Zustände. Kümmel erklärte als Zeuge: In der Stube wie im Stalle wurden wir immer der Reihe nach geschlagen. Keller ging vonMannzuMann zuMann und hiebmit einem Ochsenziemer drauflos, ganz gleich, wohin er traf. Küstrin gebracht. Dort blieb er in strenger Haft, ohne daß auch nur eine Untersuchung gegen ihn eröffnet wurde, ohnedaßman ihn, auch nur mitteilte, wessen er eigentlich be- schuldigt war. Durch diese Ungewißheit wurde der Ge- fangene zur Verzweiflung gebracht, körperlich und seelisch aufs schwerste gepeinigt. Wie er sich befand und wie man ihn behandelte, mögen folgende Stellen aus einem Briefe zeigen, den er am 13. September 1819(also nach zwei Monaten Gefangenschaft) an den Polizeiminister v. Schuckniann richtete, der ihn erlaubt hatte. täglich eine Stunde auf der menschenleeren Bastei in Begleitung einer Wache spazieren zu gehen: „Die Erhörung meiner Bitte ist ein Linderungsmittel meiner " harten Gefangenschaft. Noch mehr Trost habe, ich aus Ihrer Zuschrift geschöpft. Es ist die erste mir von einer Behörde gewordenen Antwort seit meiner g!« fange nschaft... Können Sie nicht meine vorläufige Freilassung bcivirkcn, werden Sic doch menschenfreundlichst Sorge tragen, daß ich schnell vor ein gehöriges Gericht gestellt werde. Aber dieser Mittelzustand, in dem ich mein Dasein hinleben mutz, ist das /Schrecklichste, was nur zu denken ist.... Mein Zustand ist eine wahre Verdammnis. wo ich weder Ankläger noch Anklage erfahre, nicht zum Verhör und Gehör gelange und ohne Richter und Recht bereits ein« schöne Zeit verloren habe.... ... Ich habe viel erlitten und ausgestanden� und das Schlimmste, der Winter, steht bevor. Da werden die Trümmer meiner Gesundheit scheitern. An den Arzt kehren Sie sich Nicht; der lügt wie ein Bulletin. An dem nämlichen Tage, wo er von meinem„ungetrübten Wohlsein" falsch Zeugnis ausgestellt hat, verschrieb er mir Arznei...." Und wenige Tage später, am 16. September, schrieb Jahn: „Ich scheine gesund, fühle mich aber sehr krank. Kein Arzt kann helfen. Mein Uebel ist Seelenleid. Gram, Kummer, die lebhafte Erinnerung aller erlittenen Kränkungen, die Unmög- lichkeit, in gegenwärtiger Lage meine Unschuld darzutun, die Trennung von den Meinigen, die Ungewißheit, wie lange dieser schreckliche, verteidigungslose Zustand noch fortdauern muß, der Glaube, daß die UntersuchungSkommission auf mein Verderben sinnt— alles die» zusammengenommen hat mein Gemüt sehr gesttkrt, nachdem zuvor die LcibeSgesundhett zerrüttet worden... Täglich, stündlich, ja augenblicklich fühle ich die Abnahme meiner GeisteÄräfte.... Die Schwäche mehrt sich auffallend. Dazu kommt der Kopfschmerz von der Art, waZ Migräne genannt wird und wogegen kein Heilmittel Kräfte hat. Alles daS sehe ich als Vorboten meiner völligen Gcisteszerrüttung an." Zu dieser taurtgen Verfassung trpg wesentlich auch die aus- «suchte Niedertracht bei, mit der man ihn in Küstrin «handelte. In dem erwähnten Artikel der„Preußischen Jahr- fiü&x" heißt tö;»Iah« mste il» Küsten nicht ÄS FchilugS: