Er keß uns gar nicht zu SZerfiande kommen. Ich wurde mal so geschlagen, daß ich nicht wußte, wo ich war. Ein anderer Zeuge faßte seine Aussage dahin zusammen: Erst hatte Keller eine Reitpeitsche, dann schaffte er sich einen Ochsenziemer an. damit die Schläge schmerzhafter waren. Es war furchtbar, wie beiuuS geschlagen wurde. Ost wurden wir mit dem Rohrstock die Treppen herunter- gejagt. Der ehemalige Ulan GwaS bekundete: Keller war sehr grob und roh. er schlug rücksichtslos darauf l o S. Mehrfach wurden wir niit Reitstiefeln getreten und auch mit der Klopfpeitsche geschlagen. Man merkte allen Zeugen an, daß sie mit Schrecken an ihre Dienstzeit denken. Das gab"selbst der Anklagevertreter mit bitterer Miene zu. Das Urteil gegen Keller lautete auf drei Wochen Gefängnis wegen Körperverletzung in vier Fällen, in zwei Fällen erfolgte Frei- sprechung. Diese Enthüllung typischer Kasernenroheit zeigt wieder einmal, wie jämmerlich es in den Kasernen um die Aufsicht durch die höheren Borgesetzten bestellt ist. Der Redakteur OanS Weber zu Berlin ist wegen Beleidigung des Landrats Axel Baron von Rolcken in Riga durch Urteil des Königlichen Landgerichts I zu Berlin , Strafkammer 9, vorn 16. Mai 1911 zu 300 M.— dreihundert Mark— Geldstrafe, im Nichtbei- trcibungsfalle für je 10 M.— zehn Mark— zu einem Tage Ge- fängnis und zu den Kosten verurteilt worden. Die Kosten des Verfahrens werden dem Angeklagtes zijy Last yelegt,_ Die Cdahten in Oesterreich . DaS Gesamtresultat der bisherigen ReichSratS - tvahlen ergibt für 449 am 13. d. Mts. vorgenommene Wahlen 23 1 endgültig gewählte Abgeordnete, 171 Stichwahlen und 14 zweite Wahlgänge, letztere in Galizien mit zusammen 27 Mandaten. Zur Vervollständigung des Hauses auf 516 Mandate sind noch 67 Mandate in Galizien und Dalmaticn zu besetzen. Der Besitzstand der Parteien stellt sich mit Einrechnung der Stichwahlergebnisse für solche Stichwahlen, wo sich Kandidaten derselben Partei» gruppe gegenüberstehen, folgendermaßen: die Christlich- sozialen besitzen 68 von 96 im letzten Reichsrat inne- gehabten Mandaten, die Tschechen 55 von 84, die Deutschfreiheitlichen 47 von 79, die Sozial» domokraten 44 von 87, darunter 12 im Besitze der tschechischen Sozialdemokratie, die S ü d s l a w e n 28 von 37, die Polen 14 von 71, die Italiener 12 von 15, die Bukowinaer Ruthenen 5 von 5, die R u m ä n e n 5 von 5 und Wilde 4 von 13 Mandaten. Alle Bemühungen der Regierung sind darauf ge- richtet, eine Koalition der Deutschnationalen und Christlichsozialen gegen die Sozial» demokratie zustande zu bringen. Die Führer der Deutschnationalen hatten mit den Christlichsozialen eine Bc- sprechung, der der Ministerpräsident, der deutschnationale Justizminister Hachenburger und der durchgefallene Handels- minister Weißkirchner beiwohnten. Den Ministern gelang es schließlich, nachdem sich die braven Deutsch.,freiheitlicheii" etwas gesperrt hatten, die Sache zum Abschluß zu bringen, und es wurde ein Wahlkartell gegen die Sozialdemokratie vereinbart. In den Sudetenländern, namentlich in Böhmen , wo dem Stande der industriellen Ent- Wickelung entsprechend auch die Klassengegensätze am schärfsten sind, wird diese Vereinigung zu der einen reaktio» n ä r e n Masse ivahrscheinlich von den bürgerlichen Wählern anerkannt werden. Dies mag der Sozialdemokratie vielleicht Mandate kosten, ist aber vom Standpunkt der sozialdemokra» tischen Aufklärung auS nur zu begrüßen. Anders steht es in Niederösterreich und Wien . Hier, wo man die Christlichsozialen und ihre Herrschaft über das Nathans aus nächster Nähe kennt, ihre Gefährlichkeit und Korruptheit durchschaut hat, werden die Wähler kaum Lust haben, den Abmachungen der deutschnationalen Mandats- streber und RegierungSmameluckcn zu folgen. Das wissen auch die Bürgerlichen und deshalb werden sie in Wien keine andere Parole ausgeben als gegen die Christlichsozialen. Sie müssen das um so eher, da sonst unsere Genossen sie als Helfershelfer der Christlichsozialen nicht anders als diese gefangener behandelt, sondern als gemeiner Der» p rech er, dem man da» schlimmste zutrauen mußte." Messer, Gabel, selbst Schreibzeug wurde ihm entzogen. Er durfte in Gegen» wart eine» Unteroffiziers mit Bleistift schreiben, aber dann wurde ihm der Bleistift zusammen mit dem Geschriebenen sofort weg- genommen. Dadurch wurde ihm die einzige Freude, die der so regsame und lebhafte Mann in der schrecklichen Ocde seiner ein- samen Zelle hatte, Verkehr mit den Seinen und wissenschaftliches Arbeite», vergällt, letzteres überhaupt unmöglich gemacht." Briefe, die et an seine Frau und seine Frau an ihn schrieb, wurden Wochen- lang zurückgehalten, und dergleichen mehr. Am 10. September endlich wurde die Sackie einer gerichtlichen Untersuchungskommission überwiesen(der unter anderen der als Dichter bekannte Äammergerichtsrat E. Th. A. Hofmann angehörte). Für Jahn bedeutete das aber noch auf lange Zeit hinaus keine Aenderuiijj. Denn noch am 18. Oktober, also wieder einen vollen Monat spater, schreibt er an den Minister: „Auch diese Kommission ist in Berlin und ich 12 Meilen von ihr entfernt. Da sitze ich nach wie vor in meinem Verließ.... Bei schönem Wetter ist nach vollen 2 Monaten ein Herr von der Kommission auf einige flüchtige Stunden erschienen und ist dann wieder verschwunden. Das sind traurige Aussichten für den Winter. Was kann in solchen Augenblicken ausgcmittelt tverden? Da komme ich nicht züm Gehör. Da bleibe ich nach wie vor ein vorvcrurteilter Verbrecher, der ohne Urteil und Recht Festung»- strafe erleiden muß.... Noch immer weiß ich am 77. Tage meiner Einkerkerung nicht, weshalb ich verhaftet worden, was man überhaupt gegen mich haben will... Am 110. Tage seiner Haft wurde Jahn zum erstenmal richterlich vernommen! Trotzdem das Allgemeine Landrecht verfügt, daß ein Richter, der einen Arrestanten über einen Monat ohne Unter- suchiung sitzen läßt, seines Amte» einsetzt werden soll.— Am 22. Oktober wurde Jahn von Küstrin abgeholt und nach der Ber - liner Stadtvogtei gebracht. In der Verordnung, die das verfügte, hieß es. man solle einen Polizeikommissar nach Küstrin senden, „der den Jahn von dort abhole, für den Transport die dem Grade seiner Verschuldung und bekannten Brutalität ange- messenen Sicherheitsmaßregeln treffe, und die Transportmittel so einrichte, daß derselbe ohne Aufsehen hier in der Nacht abgeliefert werde". In Berlin ging es ihm zwar etwas besser, er konnte arbeiten und zwei- bis dreimal wöchentlich Besuche seiner Frau empfangen, aber in Gefangenschaft blieb er nach wie vor. Am IS. Februar des folgenden Jahr?» erschien der Bericht der gerichtlichen Koni- Mission, der mit den Worten schloß,„daß den Jahn in keinem Falle eine Strafe treffen könne, die sein« Hast während der Untersuchung rechtlich begründet, er dgher jcsM Arrestes zu evtlasscg fei", selbst behandelst würden. Jlnd das würde ihnett schlecht be- kommen._ 1 frankrcich, Ärisengcruchte. Paris , 15. Juni. Trotz des Dementis der„Agence HabaS" der- breiteten sich gestern nachmittag in den Wandelgängen der Kammer die Gerüchte über angeblich im Ministerium herrschende Mißhelligkeiten so hartnäckig von neuem, daß sich der Ob- mann der sozialistisch-radikalen Gruppe Pell et an zum Minister- Präsidenten Monis begab, der ihm versicherte, daß alle Gerüchte unbegründet seien. Es hieß, daß die Jnterpellationsdebatte über die Alterspens ionen Schwierigkeiten im Gefolge haben könnte, da Jaures beabsichtige, einen Bcschlußantrag einzu- bringen, wonach das Pensionsalter auf 60 Jahre herabge- setzt werde. Man glaubt jedoch, daß auch in diesem Punkte eine Verständigung ziemlich leicht zu erlangen sein wird. Tie Winzerftage. Paris , 15. Junk. Der Ministerrat hat beschlossen, un- verzüglich einen Gesetzentwurf vorzulegen, der den Zweck hat, in der Frage der Abgrenzungen der Weingeb i.ete auf das allgemeine Recht zurückzugehen, das heißt zum Gesetz von 1824. wo- nach die Erzeugnisse auf Grund der Ursprungsbezeichnung geschützt iverden. Die Hauptpunkte de? Gesetzentwurfs sind die folgenden: 1. Abschaffung der durch das Gesetz von 1908 eingesetzten administra- tiven Abgrenzung und Ersetzung derselben durch die juridische Ab- grenzung; 2. Ergänzungsmaßnahmen zur Unterdrückung von Warenfälschungcn; 3. Wirksamer Schutz der Ursprungsbezeichnung; 4. eine Bestimmung, nach der den Grundbesitzern und den Syn- dikaten der Erzeuger die Möglichkeit eines gerichtlichen Verfahrens gegeben werden soll. Der Gesetzentwurf wird Ufitl} pOf Cflbf dieses Monats im Wilaweat vorgelegt werden« � England Australiea und die englisches Kapitalisten. London , 14. Juni. (Eig. Ber.) Zu einer recht lebhaften AuS- einandersetzung kam eS gestern ani finde eines Interviews, das der augenblicklich in London weilende australische Mi- nisterpräsident Fisher einer Deputation der Londoner Handelskammer gab. Von den Millionen, die englische Ka- pitalisten in Australien angelegt haben, entfällt ein großer Teil auf Ländereien, die von der von der Arbeiterpartei ein- geführten Landsteuer ziemlich empfindlich getroffen worden sind, was die großkapitalistischen Spekulanten natürlich als eine Infamie ansehen. Mit der Landsteuer wollte die australische Regierung hauptsächlich bezwecken, die gewaltigen Terrains, die jetzt so gut wie brach liegen und deren Bestehen die EntWickelung des Landes aufhält, zu zerstören und das Land der Besiedelung zugängig zu machen. Der höchste Steuer» satz trifft die abwesenden Besitzer, d. h., die in England an- sässigen Landesspekulanten. Seitdem die Labour Party in Australien ans Ruder kam, haben diese Kapitalisten in der englischen Presse einen organisierten Verleumdungsfeldzug gegen die neue Regierung geführt und nichts unversucht ge- lassen, um die drohende Landsteuer abzuwenden. Die Deputation der Londoner Handelskammer setzte sich aus den Vertretern der verschiedenen englischen Gesellschaften zusammen, die Gelder in australischen Unternehmungen in- vestiert haben. Diese beklagten sich darüber, daß die neue Landsteuer mit großer Härte die englischen« Gesellschaften bedrücke, die Geld in australischen Ländereien angelegt hätten. Australien habe das britische Kapital angelockt und nun be- strafe man die Kapitalisten als abwesende Landbesitzer(nb- sentees). Das sei ungerecht. Australien vertreibe das Ka- pital, das sich in Zukunft anderen Ländern zuwenden werde. Der Ministerpräsident Fisher verteidigte die Labour Party sehr energisch gegen diese Angriffe. Er wies daraus hin. daß die in Frage kommenden Ländereien zu spekulativen Zwecken zurückbehalten und in einer Weise benützt würden» die die wirtschaftliche Entwicklung Australiens aufhalte. DaS ganze australische Volk sei sich darin einiss, daß diese« Hemm- ni« aus dem Wege geschafft werden müsse. Die britischen Kapitalisten, die Profite aus Australien zögen, trügen nichts zu den Steuern bei; die ganze Landsteuer bringe kaum eine Million Pfund Sterling ein. Die Behauptung, daß die Politik der Regierung den Kredit Australiens untergrabe, Aber er blieb trotzdem in Gefangenschaft. Eine Ein» gäbe an den König selbst war nötig, um ihn am 31. Mai 1820, nach lO�monatlicher Einkerkerung, die Pforten des Ge- füngnisses zu öffnen! Aber auch dann wurde er nickt etwa frei» gelassen, sondern er mußte sich nach Kolberg begeben und sich dort unter Aufsicht des FestungSkom Mandanten stellen. In Kolberg hörte Jahn jahrelang nicht; von der Sache; auf Anfragen wurde ausweichend geantwortet. Es vergingen zwei Jahre und drei Monate, bis das Oberlandesgericht zu Breslau ihn zu zwei Jahre» Festung und den gesamten Kosten ohne Air- rechnung der 4«,b Jahre langen Freiheitsberaubung verurteilte. In zweiter Instanz jedoch, abermals 14 Monate später, wurde Jahn vom OberlaudeSgerickvt zu Frankfurt a. O. freigesprochen! aber die Kosten der zweiten Instanz mußte er dennoch bezahlen. So hat der„Turnvater " 5 Jahre und 8 Monat« eines LebcnS durch die Richtsivürdigkeit prcu- ßischer Behörden verlöre m I» dieser Zeit starb ihm noch ein zweites Kind und in Kolberg auch seine grau, deren Leiche er nichr nach Berlin zur Beerdigung begleiten durfte. Und nach der Freisprechung-- wurde er unter Polizei- nufsicht gestellt! ES wurde ihm verboten, in einer Universitäts - oder Gymnasialstadt, sowie 10 Meilen im Umkreis von Berlin zu wohnen. Zuerst lebte er in Freiburg an der Unstrut, 1828 wurde er von dort noch Kölleda ausgewiesen. Und was war nun eigentlich sein Verbrechen, das ihn den „ordnungsliebenden" Elementen des jßtaales so verhaßt gemacht hat? In einem Bericht der späteren Bundestagskommission ist eS ausgesprochen, daß er„die höchst gefährliche Lehre von der Einheit Teutfchlanos aufgebracht" habe! Um keine falschen Vorstellungen zu erwecken, ist«S notwendig hinzuzufügen, daß Jahn im großen und ganzen ein herzlich unbe- deutender Mensch gewesen. Im höheren Alter ist er mehr und mehr konservativ geworden. 1852 ist er gestorben. Aber sein Verdienst, als erster die Turnerei planmäßig gepflegt zu haben, bleibt unbestritten. Deshalb ist auch nichts dagegen ein- zuwenden, daß man am HuudertjahrStage der Eröffnung seines Turnplatzes gedenkt. Nur ob gerade die preußischen Be- Hörden dazu berufen sind, deren Amtsvorganger Jahn so schnöde mißhandelt Habe», und die doch heute noch genau in demselben Geiste leben wie damals, da» ist die Frage. Wir anderen aber können auch aus dieser Geschichte eine tröst- licke Gcivißheit ziehen: so sehr die Machthaber den Mann geplagt und verfolgt haben, seine Idee, die Lehre von der Einheit Deutsch . landS, ist dennoch siegreich geblieben. Vielleicht ahnt dem Herrn Kultusminister, wenn er am Sonnabend seine Festrede schwingen wird, etwas davon, daß auch die Ideen, deren Verkünder heute so ha;! verfolgt werden, ggt sende siegreich bleiben müssen. sei all? 8er Lust �Sgristen'? kiie sei 8s§ Lcm8 finanziell kräftiger gewesen. Die australische Regierung wünsche nicht, die Kapitalisten, die Geld inr Lande anlegten, zu belästigen: wo aber die Interessen dieser Leute mit den Interessen der Allgemeinheit in Konflikt gerieten, sei die Regierung verpflichtet, das offen t- licheJnteresse hochzuhalten. Mit diesem Grund- satz würde die Regierung stehen und fallen. Der Vertreter der Australischen Grundstücks- und Hhpo- thekengesellschaft, ein Herr Williamson, griff den Minister- Präsidenten besonders heftig on. Er behauptete, daß nie so viele Streiks in Australien stattgefunden hätten, wie jetzt unter der Regierung der Arbeiterpartei und daß diese Re- gierung das Prinzip der Klassenbesteuerung eingeführt habe. Fisher wies diese Behauptungen als unwahr zurück; zu keiner Zeit hätten in Australien so wenige Streiks stattgefunden wie jetzt. Das Ende der zweistündigen Auseiuaildersetzuugen nahm einen stürmischen Verlauf. Herr Fisher sagte schließ- lich:„Es hat keinen Zweck sich aufzuregen. Sie gebrauchten die Worte„Klassenbesteuerung" und„Streiks"._ Könnte mir etwas anstößiger sein, als zu hören, daß Sie die Regierung beschuldigen, Klassenbesteuerung zu treiben?" Herr Williamson: Es ist Klassenbesteuernng. Herr Fisher: Tann behaupte ich, daß Sie die Lage der Regierung nicht verstehen. Die Wohlfahrt des Volkes ist das oberste Gesetz. Herr Fisher ivird- die Vertreter der Grundstücksspeku- lanten wohl kaum überzeugt haben. Leichter als diesen Leuten die Wohlfahrt des Volkes zu predigen wäre es, den Haifischen die zehn Gebote beizubringen. Streik in der englischen Wollindustrie. Bradford , 14. Juni. (P.-E.) 8000 Arbeiter der Woll- kämmereien sind in den Ausstand getreten, weil ihnen eine Er- höhung des Wochcnlohnes von den Arbeitgebern nicht bewilligt worden ist. Die in der Umgebung beschäftigten Arbeiter anderer großer Wollkämmereien beabsichtigen, dem Ausstand beizutreten. Die ganze Gegend ist durch den Ausstand schwer geschädigt, ds die meiste» Ärfceitzr i» Wollkämmereien beschäftigt sind. Rußland. Russische Greuel. AuS Warschau wird unS geschrieben: Grauenhafte Zustände herrschen in dem hiesigen Gefängnis, das während der Revolution in der Vorstadt Motrokow erbaut wurde. DaS Gefängnis ist für höchstens 1560 Gefangene berechnet, zurzeit sind jedoch 1800 darin untergebracht und zuweilen sind es noch mehr. Unter anderem sind hier auch„Politische" unter- gebracht, die zu Zuchthaus verurteilt sind. Gegen diese richtet sich die Wut der Beamten ganz besonders. Diese Beamten stehlen wie die Stäben. Trotzdem � das Gefängnis neu ist, ist es vollständig verwahrlost und starrt von Schmutz, weil die Kosten für Reinigung„gespart" werden. d. h. das Geld verschwindet in den Taschen der Beamten. Ebenso wird bei der Beköstigung„gespart". Nach dem Reglement sollen die Gefangenen zweimal in der Woche Fleisch erhalten, aber sie bekommen es oft Monate lang nicht. Auch andere Lebensmittel sind derart verdorben, daß sie ungenießbar sind. Von den Groschen, die die Gefangenen von Verwandten angewiesen erhalten, bleibt stets ein Teil in den schmutzigen Fingern der Beamten kleben. Beschwerden der Gefangenen werden mit grausamen Strafen beantwortet. Körperliche Züchtigungen sind an der Tagesordnung. Bei geringsten Verstößen gegen daS Reglement werden Hiebe ausgeteilt. Dabei besteht eine infame Ausbeutung. Die Ge- fangencn müssen nämlich Arbeiten für private Unternehmer verrichten und diese haben im Einvernehmen mit den be- stochenen Beamten in den letzten Wochen die Löhne herab- gedrückt. Dagegen lehnten sich die Gefangenen auf, besonders die Sozialdemokraten, und das Resultat war, daß eine Anzahl von ihnen mit Hieben be st rast wurden. Einer von ihnen, der 21jährige U r b a n i a k, hat sich erhängt, als sie ihn schlagen wollten. „DaS Leben ist uns zur Hölle geworden— so schreibt einer der Gefangenen— und manch einer trägt sich mit dem Gedanken, dem Beispiel des Genossen Urbaniak zu folgen." So nimmt die zarische Regierung Rache an dem über- wundenen Gegner. Man bedenke, daß diese polnischen Ge- nossen kein anderes Verbrechen begangen haben, als das, der Sozialdemokratischen Partei anzugehören. Dafür werden sie jetzt der Willkür entmenschter Bestien ausgeliefert. OrKek. Der Aufstand in Albanien . Budapest , 14. Juni. Ter Pcstcr Lloyd bringt aus Wiener diplomatischer Quelle eine Darstellung der Lage pi Albanien , in der es heißt: Die Türkei zeigt bezüglich Albaniens nunmehr günstige Dispositionen. Die Zllbanese» werden hoffentlich das türkische Entgegenkommen auf die richtige Art erwidern. Der Schtverpunkt der Situation liegt jedoch in Montenegro. Die Regierung in Eetinje mutz ihren ganzen Einfluß auf die Auf- ständiscben aufbieten und ihnen die Rückkehr zu normalen Zustanden nachdrücklich empfehlen. Die Mächte Europas erwarten ohne Unterschied, daß Montenegro in dieser für die Wiederherstellung des Friedens entscheidenden Stunde seine Korrektheit be- weisen wird. Marokko. Die diplomatische Sitnätio» hat sich seit gestern fast gar nicht verändert. Im französischen Senat kam eine Marokko -Jnterpcllation zur Verbandlung, die vom Minister des Aeußcren Eruppi beantwortet wurde. Eruppi sprach von den humanen und uneigennützige» Absichten Frankreichs in Marokko , und von den Herren Senatoren hatte keiner Lust, etwas daraus zu erwidern. Andererseits hat der spanische Minister des Auswärtigen ein Tagebuch veröffentlicht, das die Ereignisse in Elksar schildert, mit denen der spanische Einmarsch begründet werden soll. Natürlich wird sowohl von Frankreich wie von Spanien behauptet, daß sie sich an die Bestimmungen der Algeciras. akte gehalten hätten. Die Spanier in Elksar. Paris , 15. Juni.„Echo de Paris" berichtet aus Tanger : AuS Elksar wird gemeldet, daß unter der dortigen ottomanischen Be- völkerung algerischer Abstammung große Aufregung herrsche wegen d«S Verhaltens der Spanier. Letzter« drangen mit Gewalt in das Eigentum eines Muselmanen Charud ein, der sich geweigert hatte, die.Spanier freiwillig den Eintritt auf sein Eigentum zu gestatten, und besetzten die zahlreichen Brunnen, die sich auf dem Anwesen befinden. Die Mitbürger EharudS haben beschlossen, ihr Eigentum, wenn nötig,' mit Gewalt zu verteidigen, wenn sich die Spanier neu: Eivgrifs, dieser Alt erllmbc» sollten,
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