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Nr. 138. 28. Jahrgang.

1. Beilage des Vorwärts  " Berliner Volksblatt.

Stadtverordneten- Verfammlung.

22. Sigung vom Donnerstag, den 15. Juni 1911, nachmittags 5 Uhr.

öffnet.

Die Angelegenheit ist damit erledigt. Vom städtischen

Gasbehältergrundstück an der Fichtestraße,

Ede Hasenheide, foll eine unbebaute Barzelle von 3870 Quadrat meter, wovon 3524 Quadratmeter Bauland, 346 Quadratmeter Vor­

Freitag, 16. Juni 1911.

nur 19 Meter Breite würde sehr bald neue tostspielige Verbreite rungen erforderlich machen.

Es wird beschlossen, die Verbreiterungsfrage in einem Aus­schusse prüfen zu lassen. Bum

3. Deutschen Städtetag,

Eingemeindung

Die Sitzung wird vom Vorsteher Michelet   nach 5% Uhr er- gartenland, an den Maurermeister Josef Demme für 409 252 M. der vom 10.- 12. September in Posen stattfindet, sollen 9 Ma freihändig verkauft werden. Vor der Sigung sind fünf Ausschüsse gewählt worden. Von der Stadtv. Ewald( Soz.): Wir beantragen, diese Vorlage einem gistratsmitglieder und 13 Stadtverordnete abgeordnet werden. Die fozialdemokratischen Fraktion wurden deputiert: in den Ausschuß für Ausschuß von 15 Mitgliedern zu überweisen. Vor 38 Jahren haben Bertretung der Versammlung wird aus den beiden Vorstehern und die Vorlage betreffend das städtische Nachrichtenamt die wir das Grundstück erworben für 30 m. pro Quadratmeter. Das 11 Mitgliedern bestehen, die nach Maßgabe des Stärkeverhältnisses der Fraktionen ausgewählt werden sollen. Stadtvb. Bruns und Leid; in den Ausschuß für die Vorlage Grundstück liegt hart an der Hafenheide, es ist dort ein sehr guter Hinsichtlich der wegen Herstellung eines Gemeindeverwaltungsberichts Verkehr, und wir halten den Preis von 105,75 M., der uns jegt ge­für die fünf Jahre 1906-1910 Stadtvv. Dr. Arons, Heimann, zahlt werden foll, für viel zu niedrig. In der Gegend sind neuer­Dr. We hI( zugleich Vorsitzender des Ausschusses); in den Ausschuß für bings 1700-2100 M. für die Quadratrute gezahlt worden, durch die Vorlage wegen Subvention des Vereins Berliner   Jugendschnittlich 130 M. pro Quadratmeter. Es handelt sich also event. um haus" für die jugendlichen Obdachlosen Berlins Stadtvv  . off eine Differenz von etwa 100 000 m. Das Grundstück ist bisher im ganzen wann, Ritter, Dr. Rosenfeld, Bucht. ausgeboten worden. Das war ein Fehler. Wenn ein einzelner ein Grundstück von 8600 Quadratmeter erwerben soll, gehört natürlich auch ein größeres Kapital dazu. Erst jetzt hat man sich entschlossen, das Grundstück zu parzellieren, und sofort hat sich auch ein Käufer gefunden. Ohne größte Notwendigkeit soll nach unserer Anschauung städtisches Terrain überhaupt nicht verkauft werden;

Dem Verkauf des

städtischen Grundstücks an der Gotzkowskybrüde und an der Spree an eine speziell für diesen Kauf begründete G. m. b. H. für 120 000 m.( 653 Quadratmeter) hat der eingesetzte Ausschuß einstimmig zugestimmt. Dem Magistrat wird anheim­gestellt, den Vertrag mit dem jeztgen Bächter Brüning tunlichst bis zum 1. Oftober b. 3. zu verlängernt. Ohne Debatte beschließt die Versammlung nach den Ausschußvorschlägen.

Im Schulgebäude Tegeler Straße 18/20 find Räume für einen Kindergarten

eingerichtet worden. Der Verein für Volkskindergärten will daselbst fofort einen Kindergarten eröffnen, erbittet aber zum Betriebe eine Beihilfe. Der Magistrat befürwortet bei der Versammlung die Gewährung eines Zuschusses von jährlich 2000 M. Die Be­willigung erfolgt ohne Diskussion.

Am 8. Juni hat die sozialdemokratische Fraktion( Stadtbb. Dr. Arons u. Gen.) folgenden Antrag eingebracht:

Die Veriammlung ersucht den Magistrat, in einer an das Abgeordnetenhaus zu richtenden Petition die durch den Gesetz­entwurf betreffend das

Fortbildungsschulwesen

wenn man aber schon verkauft, dann darf man nicht in den Fehler berfallen, zu billig zu verkaufen. Es geht das Gerücht, daß in der Gegend eine höhere Mädchenschule gebaut werden soll; ist etwas Wahres daran, dann hätten wir doch überhaupt keinen Anlaß, das Grundstück zu verkaufen.

Stadtrat Raft: Es wird hier das Borgartenland mitbezahlt, das toftet allein 36 000 Mart, die auf das Bauland mit verteilt werden müssen.

Stadtv. Ewald: Nach den bei der Stadt üblichen Bedingungen dürfte doch der Käufer von Anliegerbeiträgen befreit bleiben; das wird den eben hervorgehobenen Nachteil doch wohl ausgleichen, und der Preis von 105 m. bleibt derselbe.

Die Vorlage geht an einen Ausschuß, der vom Vorstand sofort ernannt wird und dem von der sozialdemokratischen Fraktion Börner, Ewald, Mars, Mette angehören.

Das städtische Grundstück Blumenstraße 63 a beabsichtigt der Magistrat, nachdem die im Vorderhaus untergebrachten Fach­schulen verlegt worden find, anderweitig nußbar zu machen. Im ersten Stock soll eine Schulzahnklinik

in Preußen gefährdeten Interessen der Stadtgemeinde Berlin   zu wahren und insbesondere dagegen Widerspruch zu erheben, daß die Einführung des Religionsunterrichts in die Fortbildungsschulen und die Notwendigkeit der Bestätigung eingerichtet werden, im übrigen ist die Einrichtung von Miet­der in der Verwaltung der Fortbildungsschulen wohnungen geplant. Zu baulichen Veränderungen und Aus­tätigen Personen beschlossen wird." besserungen find 8600 M. erforderlich. Das gesamte Grundstüd soll der Verwaltung durch die Schuldeputation unterstellt werden. Die Versammlung stimmt der Vorlage zu.

Stadtv. Heimann( Soz.): Als die Einbringung des Antrages bon meinen Freunden beraten wurde, wußten wir nicht, daß der Magistrat eine bezügliche Petition bereits an den Landtag gerichtet hatte. Inzwischen haben wir von ihrer Existenz Kenntnis erhalten, und ich erkenne gern an, daß die Petition gut abgefaßt ist und alles enthält, was wir zum Ausdrud gebracht haben wollen. Bei dieser Sachlage und da wir überzeugt find, daß die gesamte Versammlung

einmütig und geschlossen

Hinter der Petition des Magistrats steht, legen wir auf die Beratung unferes Antrages feinen Wert und ich ziehe ihn hiermit zurü d. Ich möchte aber die Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, ohne an den Magistrat ein Ersuchen zu richten, dessen Ausführung mir ganz felbstverständlich zu sein scheint. Die Petitionen der städtischen Körperschaften ergehen formell im Namen des Magistrats, in Wirt­lichkeit doch aber namens der interessierten Bürgerschaft und der zu ihrer Vertretung berufenen Kreise. Dazu gehören doch die Siadtverordneten genau in gleicher Weise wie die Mitglieder des Magistrats. Wenn ich, um nicht zu viel auf einmal zu verlangen, heute davon absehe, das Ersuchen zu stellen, der Magistrat möchte bor Abschickung der Petitionen diese in der zuständigen Deputation vortragen lassen, so stehen doch gewiß keine Bedenken entgegen, daß tenn folche Petitionen abgeschickt werden, der Magistrat 144 Erem­plare mehr drucken und jedem von uns eins zustellen läßt. Dann würden wir offizielle Kenntnis von den Schritten erhalten, welche der Magistrat jeweils zu tun für gut befindet, und würden nicht auf mehr oder minder genaue Beitungsnachrichten angewiesen sein. ( Beifall.)

Ein Besuch in Hellerau  ,

der ersten deutschen   Gartenstadt.

Die Deutsche Gartenstadtgesellschaft hatte ihre diesjährige Ge­neralversammlung für den 10. und 11. Juni nach der Stadt der Ausstellungen an der Elbe   einberufen. Nicht allzu groß war die Zahl der Mitglieder- noch kein halbes Hundert die dem Rufe gefolgt waren; dafür hatten wir die Freude, eine Anzahl von Städtevertretern bei uns zu sehen.

Die Prenzlauer Straße muß aus Verkehrsrücksichten verbreitert werden. Die Tiefbaudeputation hat 24 Meter Breite für er­forderlich gehalten; der Magistrat hält 19 Meter für ausreichend. Die Verbreiterung soll auf der älteren Ostseite erfolgen; die Kosten find auf 3 130 000 m. geschäßt.

Stadtv. Hildebrandt( N. L.): Die Ausführung in der Begrün­dung, daß der Verkehr in der Prenzlauer Straße eine Verbreite rung auf 24 Meter nicht rechtfertigen würde, weil er doch nicht so start sich entwideln, vielmehr durch die Weydingerstraße abgelenkt werden würde, trifft nicht zu. Es wäre geradezu ein Malheur, wenn man jeßt die Gelegenheit zu einer durchgreifenden Verbreite­rung verpaßte. Wir beantragen aus diesem Grunde Ausschuß­beratung.

Stadtv. Leib( Soz.): Auch wir halten Ausschußberatung für erforderlich und sehen die Vorlage für durchaus unzulänglich an, da sie dem Verkehrsbedürfnis in der Prenzlauer Straße absolut nicht gerecht wird. Eine Straßenbreite von 24 Meter ist für diesen Straßenzug dringend notwendig.

Stadtv. Galland( A. L.): Wir sind ja ebenfalls bereit, allem, was nachweisbar erforderlich ist, zuzustimmen, aber es ist durchaus unrichtig, wenn behauptet wird, daß die Prenzlauer Straße auch nur entfernt denselben Verkehr aufzunehmen hat wie etwa die Neue Königstraße oder die Landsberger Straße. Ein Bedürfnis, über 19 Meter hinauszugehen, ist nicht nachzuweisen.

Stadtv. Körte( Fr. Fr.): Die Prenzlauer Allee ist 61 Meter breit; die Einführung des Verkehrs von dort in eine Straße von

erbauern von Häusern aber wird bei einem Wegauge der Wert der Baufoften abzüglich einer gewissen Abnutzungsquote ersetzt. Daß die Gartenstadt außerdem eine Menge voltshygienischer, ästhetischer und Sonstiger Aufgaben zu lösen hat, braucht als selbstverständlich kaum erwähnt zu werden.

Hellerau   bei Dresden   ist also die erste deutsche   Siedelung, die auf diesen Prinzipien errichtet ist. In weniger als einer halben Stunde bringt uns die Elektrische für einen Fahrpreis von 20 Pf. vom Mittelpunkt der Stadt bis hinaus an die Grenze des Stadt­gebietes. Auf einem Waldweg, der herrliche Ausblicke auf das sanft hügelige Gelände eröffnet, tommen wir in wenigen Minuten Der Vormittag des 10. brachyte zunächst zwei sehr instrut- bis an den Rand des bebauten Ortsteiles. Gern würden wir uns tive Referate, das eine von Dr. Keller- Berlin über: Die Wirkung gleich in die Schönheiten des Ortes vertiefen, doch zuerst heißt es bon Baubeschränkungen auf den Bodenpreis", das andere von dem einer Einladung der Deutschen Wertstätten für Hand bekannten Architekten Wagner- Bremen über:" Die Frage des Ein- werkskunst" folgen, deren Besitzer, Karl Schmidt  , die erste und Mehrfamilienhauses". Wagner führte an der Hand genauer Initiative zur Gründung der Hellerauer   Gartenstadt ergriffen Berechnungen und gestützt auf eigene praktische Erfahrungen den hat. Wir machen einen Rundgang durch die überaus hellen Tuf außerordentlich bedeutungsvollen Nachweis, daß unter sonst tigen Fabrikräume, in denen über 200 Arbeiter bei recht günstigen gleichen Umständen die gleiche Wohnfläche im Bedingungen beschäftigt sind. Es werden hier in erster Linie Einfamilienhaus billiger zu stehen tommt wie Möbel hergestellt, von den kostbarsten bis zu den einfachsten. Aber im Mehrfamilienhaus, in der Mietstaserne.

Sodann ließen wir uns vom Vorsitzenden Bernhard Kampff­meher erzählen, daß die Idee der Gartenstadt im vergangenen Jahre eine weitere Ausbreitung gefunden hat, indem eine Reihe neuer Ortsgruppen gegründet wurden und mehrere von den vor­handenen Ortsgruppen dazu übergegangen sind, die Jdee in die Praris umzusehen.

auch diese einfachsten, für Arbeiterhaushalte berechneten, sind gut und solid und mit Geschmad gearbeitet und himmelweit von dem entfernt, tvomit sich gewöhnlich der Arbeiter begnügen muß. Nur will es uns scheinen, als ob die Preise, selbst in Anbetracht der Haltbarkeit der Möbel für Arbeiter doch noch etwas zu hoch wären. Wir verlassen die Werkstätten und ziehen nun in Trupps durch den Ort, bald in dieses, bald in jenes Haus, das uns be­Am Nachmittage gings dann hinaus zur Besichtigung der ersten sonderer Besichtigung wert erscheint, einfallend. Die Bewohner deutschen   Gartenstadt, elle cau." Der ersten deutschen   Garten- find dies freilich schon gewöhnt und zeigen uns freundlich ihre staut?" wird mancher erstaunt fragen, der sich entsinnt, dem Räume, auf alle Fragen gern Auskunft gebend. Hellerau   besitzt Namen Gartenstadt auf so und so vielen Plakaten, Annoncen usw. bis jetzt zirka 200 Gin, Zwei- und Dreifamilienhäuser, von denen begegnet zu sein. Den müssen wir belehren, daß zwischen diesen 140 mit 150 Wohnungen von der Baugenossenschaft Hellerau Gartenstädten  " und den eigentlichen Gartenstädten etwa derselbe hergestellt wurden. Die weitaus meisten Häuser sind also Ein­Unterschied besteht wie zwischen einem sogenannten Konsum- familienhäuser. Ende 1910 gehörten der Baugenossenschaft 449 Mit geschäft", das irgendein findiger Kaufmann in spekulativer Aus- glieder an, so daß etwa der dritte Teil der Mitglieder bis jetzt nuzung des Renommees, das der Konsum" in weiten Voltskreisen ein eigenes Heim bekommen hat. Die Baumittel wurden durch befißt, gründet, und einem wirklichen Konsumverein. Was ge- die Geschäftsanteile, die auf 200 m. bemessen sind, und durch die wöhnlich als Gartenstadt" angepriesen wird, das sind meist für Beleihungen der Sächsischen Landesversicherungsanstalt( bis zu Besserbemittelte bestimmte Schöpfungen von privaten Terrain- und vier Fünftel des Wertes) aufgebracht. Bauspekulanten, die wohl äußerlich einen gartenähnlichen Charakter Die Hellerauer   Häuser sind fast alle von Künstlerhand ent­tragen mögen, mit dem die Grundlage der eigentlichen Gartenstadt worfen. Die ganze erste Straße, durch die wir kommen ,," Am bildenden Prinzip aber nicht das mindeste zu tun haben. Dieses grünen Bipfel", hat Prof. Riemerschmied gebaut. Wir treten zur Prinzip ist der Gemeinbesitz des Bodens. Niemand kann sich rechten Hand in eines der schmucken Häuser. Im Parterre finden in der Gartenstadt ein Grundstück zu eigenem Besitz erwerben. Es wir ein großes, durch die ganze Tiefe des Hauses gehendes Wohn­tann also auch niemand Boden- oder Häuserspekulation treiben. zimmer, das also durch seine beiden breiten Fenster die Morgen­Aller Wert, der durch die Ausdehnung der Siedelung dem einzelnen und Abendsonne bekommt, und eine hübsche Küche. In der ersten Grundstück hinzugefügt wird, fällt so der Allgemeinheit zu, die ihn Etage sind die Schlafzimmer, ein sehr großes und zwei kleinere, ja auch geschaffen hat. So wird eine dauernde Niederhaltung der untergebracht. Alles sauber, freundlich, die Zimmer in fatten Mieten garantiert. Dennoch kann und soll auch der Bewohner der Farben gestrichen, mit schönen Majolitakachelöfen und mit Anschluß Gartenstadt des Besizes eines eigenen Heimes, des Heimats- an die elektrische und die städtische Gasanlage versehen. Das gefühles, das ein solches gibt, teilhaftig werden. Während der ganze Haus ist unterkellert. Im Keller befindet sich die Wasch Mieter eines Hauses selbst jederzeit fündigen kann, kann ihm nicht füche, oben ein großer Speicher mit Trockenboden. Und der Preis gekündigt werden. Wer seine Verpflichtungen gegen die Garten- für ein solches Vierzimmerhaus? 340 M. Dazu kommt die Miete stadt erfüllt, der tann   nie aus seinem Heim verjagt werden und für den Garten mit 18 Pf. pro Quadratmeter, die aber durch den feine Rechte gehen auf seine Kinder und Erben über. Den Selbst- Anbau von Gemüse und Obst reichlich wieder hereingebracht wird.

von Zeilen der Gutsbezirke Plößensee und Jungferm heide hat der Magistrat nach fiebenjährigen Verhandlungen mit den beteiligten Ressorts eine Vereinbarung dahin erzielt, daß zirka 220 Hektar eingemeindet werden sollen, daß dem Kreise Nieder­Barnim für 99 Hettar je 2080 M. Entschädigung für entgehende Steuern zu zahlen sind und daß u. a. in dem östlichen Teile des Geländes auch Straßen anzulegen sind, die den dort geplanten agen bedschen Tierpart zugänglich machen sollen.

Stadtv. Bruns:( Soz.): Die Vorverhandlungen haben ja tat sächlich eine recht erhebliche Zeit gedauert. Unsere weitergehenden Forderungen sind gescheitert, weil die Regierung einfach" nein" gesagt hat. Wenn der Stadt Berlin   bezüglich der Wohnungsfür­forge beständig Vorwürfe gemacht werden, so sieht man auch hier wieder, wie ein gut Teil der Schuld daran auf der Seite der Res gierung liegt, die der Stadt ein Vorgehen auf diesem Gebiete durch Verhinderung von Eingemeindungen usw. außerordentlich erschwert. Hoffentlich wird es nicht wieder 7 Jahre dauern, bis auf diesem Terrain in dieser Hinsicht etwas geschieht. Sehr auffällig ist die Zumutung, daß Berlin   an den Kreis Nieder- Barnim   eine Abfindungssumme

zahlen soll. Es wird bemerkt, daß Charlottenburg   sehr gern dazu bereit sei. Ein wenig mehr Solidaritätsgefühl sollten die be­teiligten Gemeinden doch beweisen; werden solche durch die Geseze absolut nicht begründeten Forderungen erfüllt, so tann dadurch auf der anderen Seite doch der Appetit naturgemäß nur noch mehr gesteigert werden. An den Einzelheiten des Vertrages wird ja wohl kaum noch etwas geändert werden können; den Ver­such, etwas zu bessern, sollten wir aber deshalb doch nicht unter laffen. Gar nicht gefallen will uns die Bestimmung, daß nach einem zwischen Fiskus und Straßenbahn geschlossenen Vertrage der letteren gestattet sein soll, ihre Gleise über die Brücken zu führen. Wir beantragen Heberteifung der Vorlage an einen Ausschuß, um zu prüfen, ob nicht doch noch günstigere Bedingungen für die Stadtgemeinde herauszuholen wären.

Stadtv. Caffel( A. L.): Ich kann diesen Darlegungen durch weg zustimmen; ich erkenne auch vollkommen die Uebelstände an, welche uns daraus erwachsen, daß das Terrain nur zu einem Teil eingemeindet werden soll, weil der Tegeler Schießplaz bleiben muß und andererseits Charlottenburg   protestiert hat. Höchst bedauerlich ist das gegenseitige Sichüberbieten der einzelnen Gemeinden; es beweist das aber auch, daß die Zweckverbandsvorlage auf die Dauer nicht dem erstrebten Zwecke genügen wird. Ein Teil des Terrains soll nach der Absicht des Magistrats zu Spiel­pläßen und zu Erholungszwecken benutzt werden; an einer ein­heitlichen großzügigen Durchführung dieser Absichten werden wir gerade durch die Art, wie die Zweckverbandsvorlage gestaltet ist, ge= hindert worden. Was nüßt uns aber auch ein Ausschuß? Nehmen wir die Vorlage nicht sofort an, so können uns vielleicht später noch härtere Bedingungen auferlegt werden. Zur Erreichung irgend eines weiteren Vorteils ist nicht die geringste Aussicht. Wir wollen das uns angesonnene Opfer bringen im Interesse der Bevölkerung. ( Beifall.)

Stadtv. Rosenow( N. 2.) spricht sich in gleichem Sinne aus. Die Einsetzung eines Ausschusses wird abgelehnt, die Vorlage in der zweiten Beratung einstimmig genehmigt. Schließlich wird ohne Debatte eine Nachtragsvorlage ange nommen, wonach das Grundstück Dresdener Straße 66 Annenstraße 29 für 285 000. fere i händig und das Grundstück Dresdener Straße 67/ 68- Annenstraße 28/2 8a auf dem Wege der Enteignung erworben wird. Schluß 7 Uhr.

Aber es gibt auch Häuser für bescheidenere Ansprüche, Drei­zimmerhäuser, die einschließlich der Gartenmiete nur 250 M. jährlich kosten. Hier sind die Räume freilich ein bißchen eng. Ein anderer Haustyp enthält im Parterre neben einer verhältnis. mäßig fleinen guten Stube" eine schöne große Wohnküche, zu der dann noch eine Spül- und Schmußküche gehört. In den Zweis familienhäusern befindet sich eine Wohnung im Parterre und eine in der ersten Etage. Die größten Einfamilienhäuser haben sechs Wohnräume und kosten bis zu 700 M. Doch ist der kleinere Typ bei weitem vorherrschend, da ja die Bewohner fast ausschließlich Arbeiter, meist Angestellte der Werkstätten" sind.

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Außer Riemerschmied haben noch Prof. Muthesius( Wannsees Berlin  ) und der in Hellerau   wohnende Architekt Tessenow mite gebaut. Muthesius' Häuser zeichnen sich durch ein gefälliges Aeußere aus, während Tessenow   auf jedes dekorative Beiwert verzichtet und sich auf große Raumwirkungen der ganzen Häuser­gruppen beschränkt. Die junge Siedelung hat auch schon einen Marktplatz, an dem die Geschäftshäuser mit den Läden liegen. Hier soll noch in diesem Jahre mit dem Bau eines Ledigenheimes und eines Gasthauses mit Fremdenzimmern begonnen werden. Der ganze Ort macht einen sehr malerischen Eindruck. Das einzige, was noch fehlt, find schattige Gärten und größere Bäume auf Straßen und Plätzen. Etwas entschädigt für diese Kahlheit freilich der Fernblick auf die wundervolle, von Wäldern und Hügeln durchzogene Umgebung, der sich nach allen Seiten ere öffnet.

Inzwischen ist es 6 Uhr geworden und das Festprogramm ruft uns zur Waldschänke, zu einer Uebungsstunde in rhythmischer Gymnastik des bekannten Schweizer   Professors Jacques Dalcroze  . Etwa 20 Hellerauer   Kinder, fast alles Proletarier. finder, im Alter von 6-14 Jahren, stehen in schwarzen Trikots im Kreise, bereit, im Rhythmus der von Meister Dalcroze am Klavier angeschlagenen Akkorde ihre entzückend graziösen Uebungen auszuführen. Durch diese Uebungen wird ebenso sehr der Gehör­sinn wie die Aesthetik und Gewandtheit des Körpers ausgebildet. Alles klappt bortrefflich. Dalcroze hat auch eine Klasse für Er­wachsene, und seine älteste Schülerin so wurde uns erzählt soll 70 Lenze zählen. Hellerau   foll dem Schwiezer Meister zur zweiten Heimat werden. Nach Entwürfen von H. Tessenow   wird ihm hier eine Bildungsanstalt" im Werte von einer Million Mart errichtet, die mit kleinen Bensionshäusern für die von auswärts kommenden Schüler und Schülerinnen verbunden ist. So wird Hellerau   zu einer Art Bayreuth   auf dem Gebiete der Tanzkunst werden. Nur mit dem Unterschiede, daß es nicht eine Kunst nur für die obersten Zehntausend, sondern eine wahre Boltstunst bieten wird.

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Und abends gab es noch ein Waldfest mit Tanz und auss gelassener Lebensfreude. Ist Hellerau   wirklich ein Stückchen ver wirklichter Sozialismus, wie der Leiter der Genossenschaft, K. Dohrn  , in einer Ansprache an die Besucher meinte? Gewiß nicht, aber es gibt doch wenigstens eine Ahnung von der Freiheit und Schönheit, die einmal in einem sozialistischen   Gemeinwesen herrschen wird.

G. D.