Aanuar dieses Jahres wegen angeblicher Beleidigung Solingertpolizeibeamten stattfand, dieser Vorwurf in der„Arbeiterstiihme"abermals erhoben und Freitags Verhalten als Eidesverletzungbezeichnet wurde, fiel es Freitag ein, klagbar zu werden. Inewer Besprechung des Prozesses gegen d?n„Vorwärts." in Berlinführte die„Bergische Arbeiterstimme" unter anderem aus:Der Fall Freitag.Bei der Verhandlung in Elberfeld hat der Zeuge SchneiderTümmers über den Polizeisergeanten Freitag bekundet: TerPolizeisergcant Freitag sei an der Steuerkasse hinter einemFliehenden hergelaufen und habe einen Säbelhieb nach ihm ge-führt, der den Rock des Mannes aufgeschlitzt habe. Freitag,der bisher bestritten hatte, geschlagen zuhaben, trat nun vor. gab den Schlag zu,.glaubteihn aber mit der Behauptung rechtfertigen zu können, der Mannhabe ihn einen„Bluthund" genannt. Tümmers bekundeteweiter: Freitag stand später vor dem Eingang des Grashofsbei einer Zivilperson und redete auf diese ein. Ich trat näherund hörte, datz er sagte:„Es ist mir egal, wer dasi jt, ich haue drauflos." Freitag leugnete das ab.In der Berliner Verhandlung machte der Zeuge Tümmersgenau dieselben Bekundungen, besonders auch über dem Punkt,den der Polizeisergeant Freitag in Elberfeld zum Schluß nochbestritten hatte. Das Zeugnis von Tümmers wurde jetzt nochunterstützt durch das Zeugnis jenes Zivilisten, mitdem Freitag das fragliche Gespräch gehabt hatte, des SchlossersLohe. Dieser bekundete, er sei nach der Beendigung der Attackean Freitag, den er gut kenne, herangetreten und habe ihm ge-sagt:„Na, Freitag, das ist aber doch ein bißchen„butt" ge-worden." Dieser habe geantwortet:„Laß sie die Fahne fort-tun; wenn wir uns das gefallen lassen können, können wir unsalle� gefallen lassen." Lohe habe erwidert:„Ja, wenn aber auchIi,. Schwager darunter ist?"(Was der Fall war.) Auf dieseFrage fiel dann die von Tümmers gehörte Aeuherung Freitags:„Es ist mir ganz egal, wer das ist; ich haue drauslos!" Zueiner Gegenüberstellung Freitags mit Lohe konnte es in Berlinnicht kommen, weil— Freitag nicht da war!Wie kann man sich nun das auffallende Fehlen Freitagserklären? Je nun, der Polizei war bekannt, daß Lohe neu ge-laden war. Freitag mußte wissen, daß er mit Lohe jenes Ge-spräch geführt hatte und datz dieser ihn in Berlin überführenwürde, in Elberfeld unter seinem Eide die Nnwahrheit gesagtzu haben, als er das Gespräch ableugnete. Daher mutzte esihm geraten erscheinen, lieber nicht nach Berlin zu fahren. Soblieb er fort und entging der Feststellung seiner Eidcsverletzungan Gcrichtsstelle. In der Oeffentlichkeit ist sie hiermit ge-geben.Wegen dieser Schilderung des Falles Freitag wurde GenosseDeisel unter Anklage gestellt. Ter Angeklagte legte eine AnzahlZeitungen verschiedener Parteirichtungen vor. die während desElberfelder Prozesses eigene Berichterstatter entsandt hatten, au«denen zu ersehen war, daß Freitag die ihm zur La stgelegten Vergehen er st abge st ritten, dann aberunter der Wucht der Aussage des Zeugen TllmmerS späterzugegeben hatte.Die Beweisaufnahme hatte ein überraschendes Er-gebnis, denn e s wurde Freitag nachgewiesen,daß er unter seinem Eide unwahre Angabengemacht hat.In dem Prozeß am letzten Mittwoch wurde Freitag, derauch noch als Nebenkläger zugelassen war, zuerst vernommen. E rgab zu, bei dem E l b e r f e I d e r P.r o z e ß im vorigen Jahreauf die Frage, ob er auf Fliehende geschlagen,zuerst mit„Nein" geantwortet habe, Nachtrag-lich habe er aber zugegeben, einen geschlagenzu haben, den er aber nicht als Fliehenden betrachtet habe.Der Vorsitzende stellte die Frage: Warum haben Siedamals denn das nicht sofort gesagt?— Frei-tag: Ich habe daran nicht sofort gedacht!— Vorsitzender: Das hätten Sie doch sofort sagen müssen,Sie sind doch oft genug am Gericht gewesen; Sie hättensich ja ausdrücken können: Ich habe auf einen geschlagen, von demich annehme, es sei kein Fliehender. Auf das Gespräch, das er nachdem Vorfall mit einem Zivilisten gehabt habon soll, hätte er sichdamals nicht entsinnen können und könne sich auch heute noch nichtentsinnen.Zeuge Landrichter Hieronimi sagte aus, daßFreitag zuerst in Abrede gestellt habe, ge-schlagen zu haben, dies dann aber später zu-gegeben habe; das Gespräch mit dem Zivilzeugen, wobeier gesagt habe,„ich halle drauflos, wen und wasich treffe", habe Freitag damals ebenfalls in Abrede gestellt.Rechtsanwalt Dr. Haas- Solingen, der im ElberfelderProzeß den Mitangeklagten Redakteur G e h r k e vom„General-Anzeiger" in Solingen verteidigte, sagte aus, daß er sich der Vor-gänge im damaligen Prozeß noch soweit entsinnen könne: einBeamter sei vernommen worden, der später wieder vortrat unddas zugab, was ein anderer Zeuge behauptethatte. Das habe ihn sehr gewundert. Er habe etwasgesagt, was er an seiner Stelle sofort gesagthaben würde. Er habe' auch noch an demselben Abend mitdem Polizeiinspektor Kircher auf der Heimfahrt gesprochen unddiesem gesagt, er habe das. was der Beamte gesagt.wie er sich benommen habe, unvernünftig ge-sunden.Tie Zeugen Dittmann, Wendemuth und Schaalbekundeten, daß Freitag zuerst abge st ritten habe,geschlagen zu haben, später dies aber doch zu-gegeben habe; auch das Gespräch mit dem Zeugen Lohehabe er positiv abgestritten.Polizeiinspektor Kirch er bekundete, Freitag habeallerdings zuerst in Abrede gestellt, aufFliehende geschlagen zu haben; er habe ihn ver-anlaßt, daß er das zugeben solle, nachdem Tümmers bekundet habe.daß Freitag geschlagen habe. Freitag habe ihm, dem Polizei-inspektor, schon vor dem Prozeß gesagt, daß er nach einem ge-schlagen habe. Er habe auch mit Rechtsanwalt Haas über den Fallgesprochen und zu diesem gesagt, Freitag habe unschicklichund unvorsichtig gehandelt. Freitag sei deshalb nichtnach Berlin geladen worden, weil der dortig enStaatS-anwaltschaft mitgeteilt worden sei, Freitagsei einer derjenigen Beamten, die geschlagenhätten. Die Staatsanwaltschaft in Berlin habe deshalbauf Freitag verzichtet.(!!!)Zeuge Tümmers bekundete, daß Freitag auf einenFliehenden geschlagen habe. DaS habe er schon beim ersten Prozeßin Elberfeld gesagt; darauf sei Freitag vom Vorsitzenden vor-gerufen worden, worauf er das Schlagen, daS er vorher ab-geleugnet, zugegeben habe. Auch das Gespräch habe Freitag mitdem Zivilisten Lohe geführt und die Aeußerung getan:„Wirhauen drauf los, ganz egal, wer es ist!" Freitaghabe auch dieses Gespräch in Abrede gestellt.Der Zeuge Lohe deponierte, daß er derjenige sei, der dasGespräch mit Freitag gehabt habe. Tümmers habe die Wahrheitgesagt.Der Angeklagte Deisel bemerkte noch, daß gar kein Zweifelmehr darüber bestehen könne, daß Freitag unter seinemEide in zwei Fällen die Unwahrheit gesagthabe; in einem Falle habe er sich nachträglich selbst rektifiziert,während er den zweiten Fall auch heute noch abstreite. Er, derAngeklagte, sei am ersten.Verhandlungstage nach Schluß desselbenmit dem Redakteur des„Kreisblattes" aus Solingen aus demJustizgebäude gegangen, wobei ihm dieser gesagt habe:„Washaben die(die Polizisten) sich aber blamiert;er st st reiten sie etwas ab. danst geben sie eszu. Er(Deisel) habe beantragt, auch diesen Zeugen, der bereitwar. auszusagen, zu laden; die Staatsanwaltschaft habe daS aberabgelehnt.Der Staatsanwalt ging mit keinem Worte auf die Bc-weiSaufnahme beztv. die Zeugenaussagen ein; er meinte vielmehr,Freitag habe so ausgesagt, wie man es von einem vorsichtigenMenschen(!!!) verlangen könne. Der Beweis der Wahrheit seinicht erbracht. Polizeibeamte müssen besonders geschützt werden,weil sie die„Ordnung" aufrechtzuerhalten hätten, und daher dürfeihre Autorität nicht untergraben werden. Schließlich beantragteer eine Gefängnisstrafe von drei Monaten gegenDeisel..Der Verteidiger des Angeklagten. Rechtsanwalt Brück-Elberfeld, beantragte Freisprechung, da der Wahrheitsbeweisglänzend geführt sei. Er verwies besonders auf die Aussagendes Landrichters Hieronimi, des Rechtsanwalts Haa>, desPolizeiinspektors K i r ch e r gnd der übrigen Zeugen. Der An-geklagte habe Freitag nicht Meineid, sondern Eides.Verletzung, d. h. objektiv falsche eidliche Aus-sage, wenn man aber weit gehen wolle, fahrlässige Eides-Verletzung vorgeworfen. Der Wahrheitsbeweis für dieaufgestellten Behauptungen sei selten so gut geführt worden, wiein diesem Falle, und deshalb könne daS Gericht nicht umhin, fest-zustellen, daß Freitag mit seinem Eide leichtfertig umgegangen sei.In der Urteilsbegründung führte der Vorsitzendeunter anderem aus: Freitag werde der Vorwurf gemacht, er habeseine Eidespflicht verletzt. Dieser Ausdruck sei mehrdeutig; erumfasse auch den Falscheid im juristischen Sinne; aber es sei zuprüfen, wie ihn die Leser der„Arbeiterstimme" auffaßten. DerLeserkreis der„Arbeiterstimme" könne nicht unterscheiden zwischenMeineid und Falscheid, und in ihrem Sinne sei dem SchutzmannFreitag Meineid vorgeworfen. Ter Wahrheitsbeweis sei abernicht erbracht. Das Verhalten Freitags bei seiner Vernehmungsei auf eine gewisse Unvorsichtigkeit zurückzuführen und es seimenschlich begreiflich, daß Freitag das Gespräch mit Lohe einfachvergessen habe. Die Beleidigung sei gegen einen Polizeibeamtengerichtet, der berufen sei, die„Ordnung"(!!!) aufrechtzuerhaltenund deshalb müsse eine strenge Bestrafung erfolgen. Das Gerichthabe die Strafe auf zwei Monate Gefängnis fest-gesetzt.— Von Rechts wegen!politiscbe(leberficbt.Berlin, den 17. Juni 1911.Auch eine Reform.Das Abgeordnetenhaus beriet am Sonnabend in zweiterLesung die Novelle zur rheinischen Gemeinde-ordnung. Es handelt sich hier um ein Flickwerk derollerniedrigsten Sorte. Im wesentlichen sollen alle„Schön-leiten" des Gesetzes, als da sind Dreiklassenwahlsystem,öffentliche Stimmabgabe.' Bevorzugung der M'eistbcgiiter-ten, beibehalten werden. Tie rheinische. Gemeindeotdnungist noch reaktionärer als die der übrigen preußischen Ge-meindeverfassungsgesetze, sie kennt nickst einnial die Oeffentlichkeit der Sitzungen und ist sowohl durch diese Bestimmungals auch durch die weitere Bestimmung, daß die sogenanntenMeistbegüterten ohne weiteres geborene Mitglieder der Ge-meindeverwialtung sind, so recht dazu angetan, der Bevölke-rung jedes Interesse an den Angelegenheiten ihrer Gemeindezu nehmen und dem Cliguenwesen Tür und Tor zu öffnor«.An diesem Machwerk, das sich eines recht ehrwürdigen Alterserfreut, sucht mau jetzt in Preußen herumzudoktern,«in Ver-such mit untauglichen Mitteln am untauglichen Objekt. Willman wirklich reformieren, dann bedarf es ganze Arbeit, aberdavon wollen die gesetzgebenden Körperschaften nichts wissen.Weder das Herrenhaus, noch die Kommission des Abgeord-netenhauses haben grundlegende Aenderungen an der Re-gienmgsvorlage vorgenommen.Wie wenig die bisher geleistete Arbeit befriedigt, dasbeweisen die zahlreichen Anträge, die zur zweiten Lesung imPlenum eistgingen. Besonders das Zentrum stellte eine großeReihe von Anträgen, denen man freilich teilweise nur zudeutlich die Wahlmache ansieht. Muß es nicht Ueberraschunghervorrufen, wenn das Zentrum jetzt plötzlich für die Rhein-Provinz die geheime Stimmabgabe bei den Wahlen zur Ge-meindevertretung verlangt! Ausgerechnet das Zentrum, dasbisher nicht nur nichts für die Beseitigung der öffentlichenStimmabgabe getan, sondern erst noch bei der letzten Wahl-reform die Einführung des geheimen Wahlrechts hinter-trieben hat! Auch seitens der Fortschrittler wurde das Hausmit Anträgen überschüttet.Unsere Genossen enthielten sich aller AbänderungS-anträge, da sie die Unmöglichkeit, diese Vorlage im Sinn dersozialdemokratischen Forderungen zu präzisieren, eingesehenhatten. Genosse Hirsch setzte unsere prinzipielle Stellung,die er bereits bei der ersten Lesung betont hatte, nochmalsauseinander, er kritisierte die verschiedenen Abänderungs-anträge und erklärte, datz seine Freunde dem Entwurf, wenner nicht eine wesentlich andere Gestaltung erfahre, nicht zustimmen könnten.Zur Entscheidung kam es noch nicht, da sich bei der erstenAbstimmung die Befchlußunfähigkeit des Hauses ergab.Montag Fortsetzung und Ausführungsgesetz zum Vieh-seuchengesetz._Groft-Berlin im Herrenhaus.Arn gestrigen Sonnabend hat sich drastisch gezeigt, wie un-berechtigt das Dasein des Herrenhauses ist. Die GemeindenGroß-Derlins sollen zu einer höheren Einheit zusammengefaßtwerden, ein Werk soll getan werden, das für die drei MillionenMenschen, die hier beisammenwohnen, von großer Bedeutung sein— könnte und das die gemeinsame Lösung der wichtigsten körn-munaipolitischen Aufgaben ermöglichen— sollte, wenn eS nichtin die preußische Gesetzgcbungsmaschine geraten wäre. Immerhin,eS ist noch genug übriggeblieben, was die Bürger Berlins undseiner Vorstädte noch spüren werden... Und wer hat nun darüberzu entscheiden? Nach den Erwählten des Geldsacks und des Junker»terroriSmus drüben— hier die Ernannten der Junkerfamilien,die Befohlenen der Krone, Männer, die ihr. ganzes Lebenlang niemit städtischen Aufgaben zu tun gehabt haben, und schließlich eineAnzahl Oberbürgermeister in hoffnungsloser Minderheit.Ein schwachbesetztes Haus bewies das Interesse der edlenHerren an Groß-Berlins Schicksalen, und die mehr als fünf»stündige Debatte wurde fast nur von den Oberbürgermeisternbestritten— Herren, die zwar über das Mißwollen der Matz-gebenden in Preußen gegen die Städte beweglich zu klagen wissen,die aber— nicht alle— als Chefs der Sl„-evertvaltun'Z odergar der Polizei stets gegen die Arbeiterbewegung kämpfen, die dieDemokratisierung des Staates und in der Gemeinde die Unter-ordnung der Sonderintercssen unter das Allgemeine fordert.~Herr Kör t e- Königsberg bekämpfte die in die Sclostverwal-tung eingreifende Vorlage, was den Herrn Minister v. Dallwitzzu der abermaligen Versicherung veranlaßte, daß man daran nichtdenke. Gar nicht übel meinte eines der Stadthäupter, datz dieStaatsbeamten zwar bei jeder offiziellen Gelegenheit die Selbst-Verwaltung, von der ein Stück nach dem anderen abgebrochen wird,begeistert preisen— daß man aber in der Praxis nie etwas davonmerkt.Durch ein großes Zankduett über Berlins Haltung in derEingeweindungsfragc bereiteten die Herren K i r s ch n e r undSchustehtus dem hohen Hause eine rechte Freude über den„Wasserkopf Berlin". Aber Herr Kirschner ließ es auch nicht ankräftigen Hinweisen auf die Haltung der Staatsregierungfehlen, die seit 1896 Berlin nicht die kleinste Vergrößerung mehrgönnte Und die Lösung des Verkehrsproblems durch die Ver-längerung der Konzession der„Großen Berliner" bis 1949 un-geheuer kompliziert hat. Die königliche Haupt- und Residenzstadtdürfte sich zu der Sache nicht einmal äußern. Sollte das irgend-wie mit der Bemerkung Kirschners zusammenhängen, daß dieGroße Berliner Straßenbahn so beliebt ist, seitdem sie sich einenMinisterialdirektor a. D. als Leiter engagiert hat?!Mit Ausnahme des Herrn Schustehrus bekämpften allebürgerlichen und bürgermeisterlichen Redner das Gesetz. HerrA d i ck e s- Frankfurt a. M.-forderte die Wiedereinceihung desKleinwohnungsbaues unter die Verbandsaufgaben— dashat die Herrenhauskommission bekanntlich gestrichen— und HerrSchnackenburger- Altona verstieg sich zu dem für einensimplen„Ober" im Herrenhaus sicherlich als parlamentarischenExzeß zu betrachtenden Radikalismus, die Ablehnung der Vor-läge zu wünschen. Herr Rive-Halle ging zur Tat über; erbeantragte RückVerweisung an die Kommission, was aber mit nur3 Stimmen Mehrheit abgelehnt wurde.Einen Verteidiger noch fand aber die Vorlage in einem deredelsten Mitglieder: dem Hausminister v. W e d e l- Piesdorf, demSprecher der Rechten. Er will keinen Zentralismus vom RotenHause. Na ja! Aber datz dieser Redner den Zentralismus des-halb verabscheut, weil er zur Beamtenregierung führt,, istdoch ganz interessant. Er wird da nur weniger an seine Land-räte, als an die Stadt rate gedacht haben, die sich zuzeitenmal trotz Blockverband und Ordensband gegen die hohe Junker-schaft zu empören wagen.Eine Lösung der Wohnungsfrage sieht Herr V. Wedel nichtim Volkswohnungsbau, nein: den Leuten, die noch keineWohnung haben, muß verboten werden, nachBerlin zu kommen! Wie einfach, ja grandios! Aber viel-leicht hält mal Herr Graf Posadowsky dem„Parlamentskollcgen"ein Privatissimum. Etwa bei der Spezialberatung, die Montagbeginnt und in der auch der Antrag Adickes entschieden werden wird.Wir bleiben Feinde!In dem Bestreben, die grollenden Kämpen im LagerHehdcbrand wieder zu versöhnen, schreibt die„Nord-deutsche Allgemeine Zeitung" in ihrem Wochen-riickblick: 2„Hier und und da sucht man die Bedenken gegenein Zusammengehen mit der Sozialdernlo-Itatie durch den Hinweis zu beschwichiigen, daß diePartei durch ihre Mitwirkung an der elsaß-lothringischenBerfassuilgSreform regierungsfähig geworden sei, waS sich auchbei der Beratung dieses Gesetzes im Reichstage in der Haltungvon RegierungSvertrelern gegt.iüber einzelnen sozialdemokratischenAbgeordneten bekundet habe. � Gegen die Illusion, als ob dieSozialdemokratie ihren staatsfeindlichen Charakter abgestreift habe,sollte schon ein Blick in die sozialdemokraliiche Presse schützen.Natürlich ist auch durch jene Haltung von RegierungSvertrelernnicht die geringste Aenderung in den, Verhältniszwischen Staat und Sozialdemokratie ein«getreten."Ganz unsre Meinung. Die Sozialdemokratie hat wirNichnicht aus schwärmerischer Liebe zu Kaiscrgewalt, Oberhausund RegierungSbureaukratie für die reichsländische Verfassunggestimmt. Im Gegenteil, sie erwartet von dem neuen Wahlgesetz in Elsaß-Lothringen ein Anwachsen der Demo-kratie und damit einen starken Ansturm auf diereaktionären Positionen der Verfassung.Unser Verhältnis zum Gegenwartsstaat hat dadurch nichtdie geringste Aenderung erfahren, Wir bestätigen dasdem Ministerblatt mit der größten Bereitwilligkeit. Und dasum so mehr, weil wir seine Nöte verstehen. Es fühlt sichhöchst unbehaglich, weil die Konservativen wegen der reich»-ländischen Verfassung mit seinen Brotherren schmollen. Ausdiesem Unbehagen heraus ist auch der schmerzliche Seufzerüber den Geheimrat Richer zu begreifen, den die„Nord-deutsche" tadelt, daß er auf der Tagung des Hansabundesnicht mit aller Entschiedenheit zu einer bürgerlichen S a m m-®0ä*QlöemoIratie aufgerufenhabe. Mehr kann man den konservativen Trotzköpfen ivirklichnicht entgegenkommen.Die„Norddeutsche Allgemeine Zeitung" sucht aber nichtnur Herrn v. B e t h m a n n. sondern auch W i l h e l m II.bei den Konservativen zu entschuldigen. Sie schreibt:»I" den Prcßerörterungen über ein Zusammentreffendes Kaisers mn dem Führer der von unsererSozialdemokratie wesentlich verschiedenenenglischen Labour Party. Ramsay Macdonald, istbehauptet worden, Seine Majestäl habe den Wunsch ausgedrückt,mit Macdonald über feine Tätigkeit zugunsten bessererBeziehungen zwischen Großbritannien undD e u t> ch l a n d zu sprechen. Diese Angabe ist u n-zutreffend. Macdonald war von englischer Seitefür eine Einladung zu dem Frühstück in Aussicht genonuneuworden. daS der briliiche KriegSininister zu Ehren des Kaisers ver-anstaltete. �,ics wurde Seiner Majestät milaeleilt mit der Frage,ob der Kaiser etwas dagegen hätte. Hierauf ließ Seine Majestätder Kaiser erwidern, er habe nicht das mindeste gegenMacdonalds Einladung einzuwenden."Daß bei der Unterredung nicht über die englisch-deutschenBeziehungen gesprochen wurde, ist richtig. Wir würdenauf die politisch bedeutungslose Sache überhaupt nicht zurück-kommen, wenn die„Rordd. Allg. Ztg." in ihrem Drang, dieschmollenden Konservativen mit Wilhelm II. wieder auszusöhnen,bei der Wahrheit bliebe. Das ist aber nicht der Fall. TieAnregung zu dem Zusammentreffen ist nicht von eng-lisch er„ sondern pon deutscher Seite, von derdeutschen Botschaft ausgegangen. Und daß diesenicht aus eigener Initiative gehandelt hat, ist wohl auch klar.Womit wir aber der Freundschaft zwischen Wilhelm II. undden Konservativen nichts in den Weg gelegt haben wolle».Angst vor der eigenen Knrnge.Die durch die zum Teil recht ungnädigen Besprechungen in derkonservativen Presse augenscheinlich bestürzten Hansabündler beeilen