1. Beilage zum„ Vorwärts" Berliner Volksblatt.
Nr. 196.
Militärisches.
"
Des Zufalls tückisches Spiel ermöglicht unserem Bruderblatte, der Münchener Post", den Abdruck eines amtlichen Aktenstückes, das wieder eine beredte Urfunde zu der Naturgeschichte des Militarismus bildet, dessen Wesen die vom Vorwärts" veröffentlichten drei Urkunden im Falle Schröder soeben erst grell beleuchtet haben:
Es gewinnt an Bedeutung, als es neuesten Datums ist, und in demselben mit dürren Worten zugestanden wird, daß trog der vielfach bethätigten Allerhöchsten Absicht", in bezug auf Beschränkung bezi. Beseitigung vorschriftswidriger Behandlung der Untergebenen beim Militär nichts erreicht wurde, Somit ist die Behauptung, daß Soldatenmißhandlungen mit dem Wesen des Militarismus eng verwachsen sind und nur beseitigt werden können mit dem Militarismus selbst, sich nothwendig aber steigern werden mit der Erweiterung desselben, erwiesen und glänzend dargelegt. Die Bestätigung für dieses früher Ausgesprochene liegt vor uns, vom Kriegsminister Freiherrn von Asch unterzeichnet.
Das Aktenstück lautet: Nr. 12993.
Kriegsministerium. Betreff: Dienstbetrieb in der Armee für Mißhandlung und vorschriftswidrige Behandlung Untergebener. Inhaltlich des vorliegenden summarischen Verzeichnisses find im Jahre 1892 über vorschriftswidrige Behandlung und Mißhandlung Untergebener 84 Anzeigen erstattet worden, und zwar: 7 gegen Offiziere
77 gegen Unteroffiziere.
Hiervon wurden bestraft:
7 Offiziere
Freigesprochen wurden
63 Unteroffiziere.
9 Unteroffiziere.
Dienstag, den 22. August 1893.
Das Verfahren wurde eingestellt gegen
5 Unteroffiziere.
10. Jahrg.
hatten, Anklage wegen Vergehens wider§ 181 St.-G. B erhoben. Als Kolporteure waren ermittelt der Schlosse
Die größte Zahl der Anzeigen trifft auf das I. Schwere Wilhelm Alter, der Schneider Thomas Kukla und der Reiter- Regiment.
Die Anzeigen vertheilen sich auf
Infanterie
34
Kavallerie
35
Artillerie
8
Eisenbahn- Bat.
2
Train
4
Bezirkskommando 1
Die gegen Unteroffiziere angezeigten 77 Fälle betrafen 49 geborene Bayern 28 geborene Nichtbayern
Von diesen 28 Nichtbayern treffen auf
Infanterie Kavallerie Artillerie Eisenb.- Bataillon
9
16
2 1
Kapitulanten wurden angezeigt 58. Diese 58 Kapitulanten vertheilen sich auf Infanterie Kavallerie Artillerie Eisenbahn- Bataill.
Train
23
12
11
IP
"
6
4
OP
21
2
1
2 1
"
19
2
2
"
"
Wenn hiernach die Zahl der Anzeigen gegen das Jahr 1891 sich auch um 10 vermindert hat, so entspricht dieses Ergebniß den so vielfach bethätigten Allerhöchsten Absichten um so weniger, als die bei einzelnen Truppentheilen erscheinende hohe Zahl der Anzeigen das Obwalten von Mißständen nicht verfennen läßt, welchen entgegenzutreten Aufgabe der Dienstesstellen ist, weshalb neuerdings auf die Kriegsministerialrestripte vom 13. Mai 1890 Nr. 6128 und vom 3. März 1891 Nr. 4317 hingewiesen wird.
Kriegsministerium
gez. Frhr. v. Asch. Dem ist eine tabellarische leicht übersichtliche Zusammenstellung beigefügt, die wir ebenfalls genau im Wortlaut folgen lassen:
Zusammenstellung
Arbeiter Adolf Patschike, sämmtlich in Breslau , sowi der Uhrmacher Mar Rahlert, der Hilfsschreiber Karl Barisch der Kolporteur Gustav Bauß, der Zigarrenmacher Hermann Drewnik und der Drechsler Bruno Stellmacher in Brieg . Außerdem waren noch die Fuhrwerksbefizer Gottlieb Scholz unt Reinhold Tesche, welche die Ballen verfahren hatten, mit zuz Verantwortung gezogen. Die Verhandlung fand heute vor der unter Vorsitz des Landgerichts- Direktors Hartmann tagenden Ferien- Straffammer statt. Inkriminirt war besonders ein Bassus des Textes, welcher besagte, daß jährlich Hunderttausende im Elend vergehen. daß tein ernsthafter, gesetzlicher Schuh zu gunsten der Arbeiter eingreife, und daß der Gegenwartsstaat sie politisch rechtlos mache, wirthschaftlich tnechte und im Dunkeln verkommen lasse. Die Anklage fand darin das Bestreben, die Arbeiterschutz- Gesetzgebung verächtlich zu machen. Der Staatsanwalt beantragte daher, weil die im Vorstehenden mitgetheilten Thatsachen in dem Flugblatte fälschlich behauptet seien und die Verbreiter dieses Unistandes sich bewußt geeine Ge= wesen seien, gegen sämmtliche Angeklagte fängnißstraße von je vier Monaten. Dagegen trat Rechtsanwalt Urbach , welcher in Vertretung des Rechtsanwalts Markuse die Vertheidigung führte, für die völlige Freisprechung ein, indem er sich auf eine in einer ganz gleichartigen Sache ergangene Reichsgerichts- Entscheidung berief. Damals sei der sozialdemo tratische Redakteur Baginsti wegen eines ganz ähnlich lautenden Zeitungsartikels vom Landgericht Schweidnih verurtheilt worden; das Reichsgericht habe aber die dagegen eingelegte Revision für berechtigt gehalten und in seinem Erkenntniß ausgeführt, daß derartige allgemeine Raisonnements nicht für behauptete Thatsachen anzusehen seien. Unter Thatsachen im Sinne des§ 131 habe man nur fonkrete Vorgänge und zeitlich bestimmte Begebenheiten zu verstehen. Das ergebe sich aus den Motiven zu diesem Paragraphen, da gerade in diesem Punkte der Gesetzgeber von dem alten preußischen Strafgesetz abweichen zu müssen geglaubt habe. Außerdem, fuhr der Wertheidiger fort, wenn man den intriminirten Passus fehle auch dann, für eine Behauptung von Thatsachen halten wolle, immer noch das Moment der Wiffentlichkeit. Im Gegentheil sei jeder Sozialdemokrat von der Richtigkeit dieser Behauptung überzeugt, und wenn er sie verbreite, könne man Der Gerichtshof bekannte sich zu derselben Auffassung und sprach die Angeklagten aus den von dem Reichsgericht im Baginsti schen Prozeß geltend gemachten Gründen frei. Es habe, fagte der Vorsitzende bei der Publikation, in dem inkriminirten Baffus des Flugblattes nirgends die Behauptung einer Thatsache im Sinne des§ 131 gefunden werden können, und deshalb sei der. Thatbestand des Paragraphen nicht erfüllt. Eine Verurtheilung erfolgte nur gegen den Uhrmacher Franz Kahlert. Ueber denselben wurde eine Geldstrafe von 10 m. verhängt, weil er nachgewiesenermaßen nach der ausgesprochenen Konfistation noch ein Exemplar des Flugblattes weiter gegeben und dadurch gegen das Preßgefeß sich vergangen hatte. Gegen den Zigarrenmacher Hermann Drewnik mußte die Verhandlung vertagt werden, weit er nicht erschienen war. Er wird also noch separatim freigesprochen werden.
der Anzeigen, über vorschriftswidrige Behandlung und Mißhandlung Untergebener im Jahre 1892. ihm nicht nachsagen, daß er dies wieder besseres Wissen thue.
Truppentheil
Summa der Anzeigen
Offiziere
Hierunter sind Unteroffiziere
Bayern
Kapitulanten
Nicht
Nicht
bayern
Zur Anzeige
gekommen
Bestraft
wurden
fapitulanten
Kapitulanten
durch Denunziation
in der Presse
tapitulanten
Nicht
infolge Beschwerde
in anderer Art
Freigesprochen
Untersuchung eingestellt
Disziplinär
gerichtlich
1.
2. 3.
4.
5.
6.
7.
8.
1
1
1
Infanterie- Leib- Regiment
1. Infanterie- Regiment
2.
3.
5.
7.
8.
10.
"
11.
"
13.
15.
16.
17.
18.
"
19.
"
"
"
•
34
1. Jäger- Bataillon
1. Schweres- Reiter- Regiment
1. Ulanen- Regiment.
1. Chevaurlegers- Regiment
2.
2.
•
.
2.
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3.
n
4.
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"
5.
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"
6.
.
"
Equitationsanstalt.
1. Feld- Artillerie- Regiment
2.
# 1
3.
"
4.
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" 1
5.
B
35
113I552221123122
81238163441
111131
1143
11
23
9.
121
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
11
111E
111
11
11
1
1
1
1
2
1
1
2
8
1
3
1
111
311
41
1
1
1
1
1
1
1
1
4
1
1
1
1
12
"
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•
"
3
•
1
8
2
1
••
Bezirks- Kommandschaften.
2.
"
1.
2
4
•
1
22
1
84
78
2
1
27
4
22
110
21
541
24
1121
Bemerkungen.
10.
11. 12. 13. 14.
15.
1
1
1
2
1
1
2
2
2
1
1
1
1
1
1
2
11
2
21
1
4121
15233
11111
12
111121
1
1
1
1
2
1
2
7 35 14 23
50
2 32
12
TT
11
11
2
2
3
3
1
1
1
1
50
9
50
IL
11
22112
BBBB
3
3
3
1
2
1
1
1
1
21
1
1
1
12
1
5 82 38
Parteinachrichten.
Das sozialdemokratische Wahlflugblatt, welches vor der
Eine Konferenz der Parteigenoffen des Wahlkreises Merseburg - Querfurt tagt am 27. August Nachmittags 3 Uhr in Frante's Saal in Schkeudig mit folgender Tagesordnung: 1. Bericht und Abrechnung der Vertrauensleute; 2. Organisation, Agitation und Presse. Referent Otto Mittag; 3. Der Parteitag in Köln a. Rh. und event. Wahl eines Delegirten; 4. Allgemeine Anträge. Zahlreiche Betheiligung ist erwünscht.
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Die Furcht vor der rothen Farbe. Der sächsische Lands tag wird eine Genugthuung empfinden, so schreibt der Wähler" wenn er fieht, wie die Definition der bekannten Verordnung gegen republifanifche Abzeichen, welche die Majorität der 2. Kammer beliebte, auch von den Gerichten akzeptirt wird. Folgende Meldung legt von den politischen Zuständen Sachsens ein sprechendes Zeugniß ab: Wegen Tragens republikanischer Abzeichen erhielt der Weber K. A. Gärtner in Steinigtwolmsdorf vom Amtsgericht Neusalza einen Strafbefehl über 15 M. eventuell 5 Tage Gefängniß. Er erhob Einspruch hiergegen, und das Schöffengericht erhöhte die Strafe auf 30 m. oder 10 Tage Gefängniß. Es stellte fest, daß der Angeklagte an einer sozialdemokratischen Wählerversammlung am 22. Mai d. J. in Wassergrund theilgenommen und bei dieser Gelegenheit vorn auf der Brust, so daß es jedermann hat sehen können, eine künstliche Blume von rother Farbe getragen hat", daß die Blume ganz das Aussehen einer rothen Nelke gehabt hat" und daß der Angeklagte ein Führer der Sozialdemokratie sei, der durch das Tragen der rothen Blume seiner fozialdemokratischen, republikanischen Gesinnung hat Ausdruck geben wollen. Ronstatirt" wurde ferner, daß die Bestrebungen der sozialdemokratischen Partei vor allem auch auf eine unter Umständen gewaltsame Beseitigung der bestehenden monarchischen Staatsform auch im Königreich Sachsen gerichtet sind, daß diese Partei als sogenannte Umsturzpartei republikanische Gesinnungen hegt und auch solche Tendenzen verfolgt."
Die rothe Farbe erscheint nach berühmten Mustern auch dem Senat der Republik Bremen staatsgefährlich. Für das am 27. August stattfindende Gewerkschaftsfest hat er angeordnet, daß im Festzuge teine rothen Fahnen entfaltet werden dürfen. Wir glauben, so bemerkt unser Bremer Parteiorgan zu dieser Nachricht, daß der Senat mit der Beschränkung des Festzuges nun doch gerade genug Vorkehrungen für etwaige Leibschmerzen des Spießbürgerthums getroffen hätte, oder sollte das Tragen rother Fahnen vielleicht auch eine Verkehrsstörung verursachen?
*
*
Polizeiliches, Gerichtliches 2c.
In der Sitzung des Frankfurter Schöffengerichts vom 16. August wurde gegen den Parteigenossen Katzenmeyer von Rödelheim, der ein Strafmandat auf 5 M. wegen Verbreitung von Bebel's Rede über den Zukunftsstaat erhalten hatte, verhandelt. Genosse K. hatte Einspruch erhoben. Der Gericht sprach ihn frei, weil festgestellt sei, daß er die Schrift nicht auf dem Hausflur oder dem Vorplay, was als öffentlich zu betrachten sei, sondern innerhalb der Wohnungen abgegeben habe.
Lokales.
Das also find die Resultate. Statt 94 Mann| ausgesuchten Soldatenschinders ertragen mußte. Die Selbstim vorigen Jahre, wurden 84 Soldaten in diesem morde in der bayerischen Armee legen hiervon Zeugniß ab. Jahre mißhandelt. Dabei stellte sich heraus, daß selbst die Herren Offiziere nicht umhin konnten, ihr Müthchen zu fühlen an armen Refruten und Soldaten. Ferner ist sehr beachtenswerth, daß in nur 32 Fällen, wo Soldatenmißhandlung vorlag, Beschwerde ergriffen wurde, wogegen alle anderen Schindereien auf andere Art zur Anzeige und Aburtheilung gelangten, wie auch die letzten Reichstagswahl im Juni d. J. in Breslau und mit Disziplinarbestrafung von 32 Mann eine gewisse Begünsti- Aenderung des Namens des Kandidaten auch in Neumarkt und Vom städtischen Obdach. I. Das Familien. gung der Sache, bezw. Umgehung des öffentlichen Militär- Brieg verbreitet wurde, hatte in der letztgenannten Stadt bei den Obdach. Das städtische Obdach kann als eine Art Gradmesser gerichtsverfahrens vermuthen läßt. Daß die zur Anzeige Behörden Bedenken erregt und war deshalb auf Verfügung des des Elends gelten, das in Berlin die Wermsten unter den Armen gelangten Mißhandlungen wieder nur ein Bruchtheil von dortigen Amtsgerichts tonfiszirt worden. In der Folge wurde zu erdulden haben. Der Bericht des Berliner Magistrats über dann, so berichtet die„ Breslauer Morgen- Zeitung", gegen den die Verwaltung des städtischen Obdachs im Jahre 1892/93 zeigt dem find, was thatsächlich vorgekommen ist, wird wohl Berleger desselben, den Buchdrucker Emil May, gegen den darauf wieder, daß dieses Elend noch lange nicht seinen Höhepunkt erniemand bezweifeln, der einen Blick auf das Beschwerde- genannten Drucker, Buchdruckereibejißer Gustav Hoyer in Breslau reicht hat, sondern immer noch in der Zunahme begriffen ist. recht der gemeinen Soldaten und dessen Wirkungen wirft, und gegen die Personen, welche die Verbreitung des Blattes in Nach Abrechnung einer Anzahl im Obdach mit untergebrachten eventuell selbst Rekrut gespielt und all die Torturen eines Brieg und Neumarkt , sowie im Landkreise Breslau besorgt Rorrigenden und Hospitaliten des städtischen Arbeitshauses und