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Nr. 198.

Erscheint täglich außer Montags. Breis pränumerando: Viertel­jährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 mt, wöchentlich 28 Bfg. fret In's Haus. Einzelne Nummer 5 Pfg. Sonntags- Nummer mit illuftr. Sonntags- Beilage Neue Welt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 8,30 Mt.pro Quartal. Unter Kreuz band: Deutschland u. Defterreich­Ungarn 2 Mt., für das übrige Ausland 3 Mt.pr.Monat. Eingetr. in der Post- Zeitungs Breisliste für 1893 unter Nr. 6708.

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10. Jahrg.

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Berliner Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

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Expedition: SW. 19, Benth- Straße 3.

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Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2. Donnerstag, den 24. August 1893. Die Tabaksfeuerpläne Unternehmern der Tabakbranche Sand in die Augen zu bereits durch die Außerachtlassung jeder Rücksicht auf den streuen und sie für seine Fabrikatsteuer zu gewinnen, so Massenverbrauch aus, man wird also beim Tabak ebenso und die Tabakarbeiter. dauert es nicht drei Jahre, und alle kleinen Griſtenzen wenig Einſchen haben nur das Volk und die Inter­sowie ein großer Theil Arbeiter sind aus der Tabakbranche essenten sollen, wieder zeitig darauf aufmerksam gemacht In den Kreisen der deutschen Tabakarbeiter steigt die ausgetilgt, ins Elend versunken und verdorben; denn werden. Unruhe um so höher, je mehr Einzelheiten über die sonstige Erwerbsgelegenheit bietet sich am wenigsten einem Die Hauptgefahr eines Tabaksteuer- Systems, wie es Miquel'sche Tabaksteuer verlauten. Und es ist keine fünft ausgemergelten Tabatarbeiter. Und das wird so zu Miquel plant, ist übrigens schon in den siebenziger liche Unruhe, etwa von den Fabrikanten aus kluger Berech- gehen. Die Aufhebung der bestehenden Rohtabaksteuer ist Jahren richtig erkannt worden. Damals schrieb nung erregt, um sich aus Gewinnsucht eine Steuer vom ein Blender für die kleinen Interessenten. Manche von der sachkundige Verfasser der Broschüre Stimmen Hals zu halten. Die Tabakarbeiter wissen vielmehr selbst, ihnen glauben vielleicht, sich dann desto leichter forthelfen über die Fabrikatsteuer", natürlich durchaus im kapitalisti­daß sie wieder einmal die ersten Opfer der Reform" sein zu können. Sie vergessen aber erstens, daß wir doppelt so schen Sinne:" Wohl keine Industrie ist so sehr geeignet, werden, und da ihr Loos jetzt schon ein recht erbärmliches viel ausländischen als inländischen Tabak brauchen, und schwächliche, unzureichende Arbeitskräfte zu beschäftigen und ist, so wird es begreiflich, daß sie den Miquel'schen Experis auf ersterem bleibt ein sehr anständiger Zoll. Und zweitens aller Orts bis in die kleinsten Winkel hinein die Lücken menten mit sehr gemischten Gefühlen entgegensehen von würde Miquel doch die eine Steuer nicht aufheben, wenn unausgefüllter Beschäftigung zu kompletiren, als gerade Arbeiterfreundlichkeit hat sich noch nie eine preußisch- deutsche er am anderen Ende nicht desto unerschrockener anzapfen die Tabaks- und Zigarrenindustrie im Betrieb der mittel­Steuerpolitik leiten lassen, aber die Miquel'schen Pläne mit wollte. Im Gegentheil: Jeder muß sich sagen, daß Miquel großen und kleinen Fabrikanten. Ein Messer und ein rezug auf den Tabak scheinen doch auch in dieser Beziehung sicher ein System erfunden hat, bei dem das Gold doppelt Rollbrett genügt als Werkstätte- Ausrüstung, um dem Ar­alles Dagewesene übertreffen zu sollen. so reichlich als früher in die Staatskasse fließt, und was beiter oder der durch kleine Haushaltungsarbeiten Die Tabatindustrie ist im Deutschen Reiche noch be- die Angezapften angeht, so rührt ja gerade von Miquel die nur theilweise beschäftigten Hausfrau, welche an dem sonders stark in kleine Betriebe zersplittert. Der kapitalistische gelassene Anwendung des geflügelten Wortes auf die Steuern Fabrikbesuch verhindert sind, durch f. g. Hausarbeit.. Aufsaugungsprozeß hat sich zwar ebenfalls schon bemerklich her: die Masse muß es bringen. Die Masse soll es beim Beschäftigung zu geben; kein anderer Industriezweig läßt gemacht. Wir haben hanseatische und süddeutsche Tabat Tabak insofern bringen, als ihre Zigarre, ihre Tabakspfeife ferner ein Zerstreuen und Vertheilen der Arbeit in solchem könige, die eine ganze Reihe früher selbständiger Mittel- u. s. w. belastet wird, aber nicht im Bausch und Bogen, wie Maße zu... und diese volkswirthschaftliche Wohlthat betriebe seit der Zeit der Monopolpläne in ihrer Hand ver- es plumpe Finanzminister früher planten, sondern fein ver- sollte man untergraben wollen dadurch, daß man einigten; die vielfachen Steuerbeunruhigungen der Tabak- schieden und ausgerechnet jede Sorte und Form Tabak extra. diese ganze Industrie in die Hände des Groß­branche machten dem Großkapitalismus das Geschäft schon Das nennt nämlich Wiquel gerecht ausgleichend", wenn er fapitals resp. nur der über große Kapitalien verfügenden seit Jahren besonders leicht. Dennoch giebt es daneben unter dem Scheine einer ausgleichenden" Verschiedenheit größeren Etablissements drängt?" Selbstverständlich unter­noch viele Tausende von Arbeitern, die als Haus der Tabatfabrikatsteuer für geringere und bessere Sorten schreiben wir nicht die ausbeuterische Phrase von der industrielle halb selbständig arbeiten, viele Tausende recht spezialisiren und von jedem Artikelchen etwas reinholen volkswirthschaftlichen Wohlthat" der Tabatfabrikation im kleiner und Mittelbetriebe, die sich trotzdem erhalten kann. Wer jemals Uebersichten über die Einnahmen und kleinsten Betriebe. Aber der gemeinte Zustand ist im haben und einen guten Theil der Tabalarbeiter Ausgaben der Masse", der Arbeiter in der Hand gehabt weitesten Umfange thatsächlich vorhanden, die Miquel'sche beschäftigen. Daß diefe Erwerbstreise ihre relative Selbhat, weiß, daß dort der Tabak an allerlegter Stelle steht Fabrikatsteuer wird deshalb viele Tausende kleiner, ohne­ständigkeit nicht behalten und mit der Zeit unter das Joch und sofort als Ausgabeposten verschwindet, sowie die geringste dies schwacher Existenzen ohne jede Entschädigung expro­des Großkapitalismus und der Großindustrie fich werden Verminderung der Einnahme eintritt. Die Erhöhung priiren und vernichten, während sie gleichzeitig dem Groß­bengen müssen, ist sonnenklar, und wir Sozialdemokraten des Preises durch eine Fabrikatsteuer wirkt aber tapital Bortheile in den Schooß wirft, ganz wie unter sind die Letzten, die diese Entwicklung verwünschen wollen. gerade so, wie eine Verminderung der Einnahmen der Bismarck und dies alles zur Erhaltung eines Militär­Aber etwas anderes als dieses allmälige, sichere Umsich- Masse". Sie macht die Masse" dem Tabak gegenüber systems, das dem Volke ohnedies die Knochen ausfaugt! greifen des Großbetriebs mit seinen selbstverständlichen zahlungsunfähig. Miquel nimmt natürlich den jetzigen Herrliche Reformen" das; vielleicht fordert ihre richtige Uebergängen ist der plötzliche und gewaltsame Eingriff, der Preis der Tabate als Unterlage für seine Steuer, nicht den Kennzeichnung doch noch den lebhafteren Widerstand der= Tausende von kleinen Existenzen wohlbedacht und überlegt jenigen, der nach Aufhebung der bestehenden Rohtabatsteuer jenigen Kreise heraus, die sich bis jetzt noch zu gleichgiltig mit einem Male todt schlägt und mit ihnen verfährt, wie zu berechnen wäre. Auf diese Weise profitirt er nochmals verhalten. mit leblosen Dingen, und das von Staatswegen. Das etwas für den Fiskus. Ist aber die Masse" dem Tabak Tabaksteuer System, das Miquel allem Anscheine gegenüber kaufschwach geworden, so bricht eben der Ruin nach plant, wird ein solcher Streich sein, der über alle die kleineren Existenzen der Tabakbranche mit in aller Freundschaft mit dem Großkapital gegen ihren tausenden von Arbeitern herein, von denen wir aus­

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die fleinen Existenzen der Tabakbranche geführt gingen. Der billige Absatz an die Volksmassen ist ihr Politische Lebersicht.

wird, und es ist eine Ironie des Schicksals, daß wir Lebensuerv, und der wird durch die Miquel'sche Fabrikat­Sozialdemokraten den habsüchtigen Fiskus darauf auf steuer mit allen ihren sonstigen Nebenerscheinungen( Noth­merksam machen müssen, wie er im Begriff ist, auf seine wendigkeit größeren Anlagekapitals, Steuerkredit an Mil­Art gründlich zu revolutioniren", weit schmerzlicher und lionäre u. s. w.) unterbunden. Bei dieser Gelegenheit wird brutaler, als es die von uns gewünschte Entwickelung mit der alte Satz, daß der Verbrauch der Massen den Gang sich bringen würde. der ganzen Volkswirthschaft bestimmt, auf Kosten der Gelingt es nämlich Miquel, mit der Aufhebung der Tabakbranche neuerdings in die Erscheinung treten- falls bestehenden Rohtabaksteuer und der entsprechenden Er- Herr Miquel nicht gezwungen wird, von seinem Plane ab­mäßigung des Bolles für fremden Tabak den kleineren zustehen. Aber unser ganzes Steuerwesen zeichnet sich ja

Feuilleton.

Nagbrud verboten.)

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Berlin , den 23. August. Keine Marineforderungen? In höherem Auftrage schreibt die Nordd. Allg. Ztg.":

Die auch neuerdings wieder durch die Presse gehenden Nachrichten von dem Bestehen der Absicht, im Zusammenhang mit der Steuerreform im Reiche mit bedeutenden Marine­forderungen an die gesetzgebenden Faktoren heranzutreten, find wir in der Lage auf das bündigste als unrichtig zu be= zeichnen."

Er glaubte Johanna vor sich zu sehen, die zu seinem Er sah ein, daß leben nicht heißt: sich zurückziehen, Entschlusse lächelte. Aber wie sollte er sich dieses neue fich auf sich selbst beschränken, sondern mit den andern leben Leben, dem er zustrebte, gestalten? Sollte er allein den und streben, daß brüderliche Antheilnahme an den Schmerzen Weg gehen, den er einschlagen wollte? Würde er auch mit und Hoffnungen seiner Nächsten das Mittel ist, alle Kräfte sicherm, ausdauerndem Schritt vorwärts dringen können? Das des Wesens zu vervielfachen, daß der Mensch erst zum fragte André sich an diesem traurigen Abend, an dem die wahren Menschen wird, wenn er seine Liebe der Menschheit gewißheit dessen, was morgen geschehen sollte, noch ver Er wußte jetzt, daß ihm eine Rolle in dem gewaltigen doppelt wurde. Kampfe der Zeit beschieden war. Ohne daß er bisher in diesem Kampfe seinen Plaz gewählt, reihte er sich schon unter diejenigen, welche eine gerechtere Vertheilung der Güter der Welt erstreben.

Die Bekehrung André Savenay's. ganze Trübsal der Gegenwart durch die beängstigende Un- weiht.

Sozialistischer Roman

von Georges Renard.

So mischt der Auswanderer, der vom Schiffe aus am bläulichen Horizont das Gestade seines Vaterlandes, aus dem er sich für immer verbannt, verschwinden sicht, in die schmerzlich süße Erinnerung an sein Heimathland die Un­ruhe über die unbekannte Zukunft, die in der neuen Welt, zu der die unsterbliche Hoffnung ihn hinzieht, seiner harrt. Dritter Theil. Sechzehntes Kapitel.

Aber er sah jetzt auch ein, daß man die Gerechtigkeit nicht ungestraft liebt, daß gewisse Wahrheiten denen, die sie auszusprechen wagen, theuer zu stehen kommen, daß tühne Ansichten genügten, um ihm viele Laufbahnen zu vers schließen.

Er erinnerte sich, daß er eines Tages in einer Gesell­

Autorisirte Uebersetzung von Marie Kunert . In diesem Angenblick begann jemand im Hause einen Walzer auf dem Piano zu spielen, gerade über dem Zimmer, in dem die Leiche lag. Ein treffendes Bild Liefer elenden Gesellschaft," sprach André bei sich, in der die Glücklichen lachen und tanzen, während unter ihnen die Menschen leiden müssen." Onein, er gehörte nicht mehr zu den gleichgiltigen Privilegirten, er wollte nicht Als André acht Tage, nachdem er seiner Mutter das schaft einem sonst sehr bescheidenen Ministerialbeamten Länger einer der Ihrigen sein. Das letzte Band, das ihn lezte Geleit zum Friedhof gegeben hatte, wieder im stande begegnet war, dem die edlen Weine die Zunge gelöst mit ihnen verbunden hatte, war jetzt von seiner Mutter war, die Apathie, die gewöhnlich nach großen seelischen Erhaiten. selbst zerrissen. Als sie ihre legten Bestimmungen traf, schütterungen folgt, von sich abzuschütteln, befand er sich Er war mit dem würdigen Manne nach Hause ges hatte sie den Muth gehabt, den konventionellen Ansichten wieder vor der schwierigen Frage, die ihn nun schon ein gangen, der ihm unterwegs seine geheimsten Gedanken der Welt, vor denen sie so lange einen beinahe aber ganzes Jahr lang gequält hatte: Wovon sollte er leben?" enthüllte. Er war damals überrascht gewesen, als er bei gläubischen Respekt gehabt hatte, zu trotzen. Wohlan! die Die Verhältnisse, in denen sich diese Frage ihm jetzt diesem Manne einen heftigen Haß gegen das bürgerliche Lehre daraus sollte für ihren Sohn nicht vergeblich sein! aufdrängte, waren nicht mehr dieselben wie früher. Er Regime und glühende, wenn auch unklare Wünsche nach Auch er wollte sich von dem, was ihm noch an Vorurtheilen fonnte jetzt warten. Die Summe, die Frau Savenay auf einer Umgestaltung der Gesellschaft fand. Am nächsten Tage anhaftete, befreien. Er wollte immer mehr und mehr im der Sparkasse, der Bank der Armen, angelegt hatte, belief kam der Mann schüchtern und ängstlich zu ihm, um ihn Geifte seiner Freunde Deschamps vorwärtsgehen. Kühn sich auf etwas über 2000 Franks. Das bedeutete mehrere zu bitten, daß er zu niemandem über das Geheimniß seiner wollte er sich auf die Seite derer, die leiden, stellen. Seine Monate der Unabhängigkeit für ihn. Wie er jetzt der zärt- Ansichten sprechen möchte. Er sähe sich schon ohne Stelle ganze Vergangenheit sant nun mit seiner Mutter ins lichen Voraussicht seiner Mutter Dank wußte! Er hatte nun oder im Avancement zurückgesetzt, wenn das geringste davon Grab. Er konnte, er mußte jetzt ein neues Leben be- einen weiteren und höheren Begriff vom Leben und seinen laut würde. André hatte ihn nicht ohne Mühe beruhigt und, ginnen. Pflichten. sich an diesem Tage gelobt, niemals eine Stellung, in der er