würdige Vertretung der Sozialdemokratie in der neuenfranzösischen Kammer sorgen. Lasarg ue soll in Lilleendgiltig unterlegen sein. Ganz gewiß ist es aber nochnichr. Die uns vorliegenden Nachrichten widersprechen ein-ander.Die Ergebnisse der Wahlen sind nunmehr— nacheiner Wolff'schen Depesche— bis auf drei bekannt? gewähltsind 315 Republikaner und Radikale, 30 sozialistischeRadikale und Sozialisten(letztere wohl nicht mehr als 9),13 Ralliirte(d. h.„bekehrte" Monarchisten), 56 Konser-vative; 164 Stichwahlen sind erforderlich. Die Republikanergewannen 63 Sitze.—Tie Aratvalle in Aigues-Mortes. Wie die offiziöse„Agenzia Stefani" aus Rom meldet, beauftragte deritalienische Minister des Auswärtigen, Brin, den Bot-schaster in Paris, Reßman, der französischen Regierung zuerklären, daß„die italienische Regierung infolge der von derfranzösischen Regierung freiwillig beschlossenen Amts-enthebung des Maire von Aigues-Mortes, in Würdigungder von dem französischen Kabinet getroffenen freundschast-lichen Anordnungen und, indem sie volles Vertrauen setztin die erfolgreiche und unparteiische Thätigkeit der fran-zösischeu Behörden hinsichtlich der Bestrafung der Schuldigen,sich glücklich schätzt, die gegenwärtigen Zwischenfälle in zu-sriedenstellender Weise für geschlossen ansehen zukönnen."— Im übrigen wird die Schmutzkonkurrenzder Kuliarbeit zum Nutzen des Geldsacks fort-bestehen.Ter brutale Chauvinismus unserer deutschenMordspatrioten ist durch die Vorkommnisse in A i g u e s-Wortes zu den wüstesten Orgien aufgestachelt worden.Es ist ein förmlicher Rückfall in die Schnaps-Berserkcreides„heiligen Kriegs" und der ersten Jahre nach ihm, alsder Geist der gefälschten Emser Depesche Deutschland beherrschte. Ein blutrünstiger Leitartikel, den wir in national�liberalen Blättern finden und der vermuthlich auf demMist der„Natioualliberalen Korrespondenz" gewachsen ist,spricht dem„Volk an der Spitze der Zivilisation"(dieFranzosen sind gemeint, nicht die Deutschen) jeden Ansprnch auf Kultur ab, es sei, wie Voltaire einstgesagt,„halb Tiger halb Affe", und zeige feineWildheit gleich den Barbaren der alten Welt, durch Miß� Handlung der Fremden. Zweck und Poente des Artikels,dessen Verfasser ungefähr auf gleichem Bildungsniveau mitden Messerhelden von Aigues-Mortes steht, verrathen sichim Schlußsatz:„Italien hat die Tigernatur Frankreichskennen gelernt, und wird in alle Zukunft sich bewußtbleiben, daß es einer solchen Natur gegenüber nur einevernünftige Politik giebt: die Politik der Vorsicht undder blanken Waffe." Nun, mit der Politik„der blanken Waffe" ist Italien bankerott ge-worden, und Deutschland, das dabei zu helfen hat,ist auf dem besten Wege zum Bankrott.Apropos— vielleicht lesen die Gelehrten der„National-liberalen Correspondenz" einmal die hübsche Geschichte nach,die im Frühling dieses Jahres zu Breslau passirte,allwo eine Dame, die französisch sprach, weil sie fran-zösisch sprach, von„vornehmen" und„gebildeten" deutschenPatrioten aufs pöbelhafteste beschimpft ward, ohne daßunsere Presse, mit Ausnahme der sozialdemokratischen, gegendiese Gemeinheit Protest erhoben hätte.Die französischen Arbeiter, die in Streit mit ihrenitalienischen Konkurrenten geriethen und sich an ihnen ver-griffen, erscheinen uns beiläufig zehn Mal eher zu entschuldigen,als die Helden jenes Breslauer Skandals und als die Ver-fasser solch niederträchtiger, an die Dummheit und gemeinstenLeidenschaften sich wendender Hetzartikel, wie der, dem wirdiese Zeilen gewidmet haben.Uebrigens ist die Affäre von Aigues-Mortes d i p l o-m a t i s ch erledigt(s. d. betr. Notiz).—England. Der Arbeiter- Abgeordnete WoodS hatan G l a d st o u e ein Schreiben über den A ch t st u n d e n-t a g gerichtet, worin es heißt:„So sorgfältig ich auch immer Ihr Schreiben vomII. d. M. über die Achtstundenbill für Bergleute durchgelesenhabe, bin ich doch außer stände, daraus zu ersehen, daß Sieeinen Tag in der Herbstlagung zur Erörterung dieser wich-tigen Maßregel in der Kommissionssitzung de- Hauses ge-»vähren wollen. Wir haben im Mai schon gezeigt, daß dieüberwältigende Mehrheil der britischen Bergleute für Ein-führung des Achtstundentages ist. Wir glauben nicht, daß diekleine Minderheil, die gegen uns ist, mehr Recht aus Berück-sichtigung hat als Ulster, wenn dieses der Homerule- Lorlagesich widersetzt. Die Bergleute haben mit großen Unkosten dieAngelegeuheit jetzt soweit gefördert, daß die zweite Lesung derAchtstundenblll mit 79 Stimmen Mehrheit im Unterhause ge-nehmigt worden ist. Ich muß Ihnen mitlheilen, daß dieBergleute sich arg enttäuscht fühlen iverden, falls Sie nichteinen Tag in der Herbstlagung festsetzen zur weiteren Be-rathung der Vorlage. Die Bergleute werden dann den Wegeinschlagen müssen, den ich Ihnen schon einmal angedeutethabe."Gladstone wird sich fügen müssen, da er auf die Ar-beiterschast bei den Wahlen angewiesen ist.Die Konferenz der Berga rbeiter-Ver-einigung von Großbritannien wurde am11. August in London eröffnet. Es waren 44 Delegirte,die 232 400 Bergarbeiter vertreten, anwese nd. Die Debattenfanden bei verschlossenen Thüren statt. Nach einer von derLeitung der Konferenz veröffentlichten Mitlheilung sind dieDelegirten aus Durham, wo die Bergleute noch arbeiten,von der Konserenz ausgeschlossen worden, obwohl sie er-klärt haben, daß Stimmzettel über die Streikfrage in Dur-ham vertheilt seien. In der Konferenz wurde eine Reso-lution angenommen, wonach die Bergarbeiter von Durhamaus der Bergarbeiter-Vereinigung ausgeschlossen werden.Aus Northumberland waren keine Delegirte anwesend. DieKonferenz vertagte sich auf den folgenden Tag.—Herzog Ernstvon Sachsen-Knbnrg-Gotlzaist am 23. August im Alter von 75 Jahren gestorben. Da erkeine männlichen Erben hinterlassen hat, ist der zur ThronfolgeBerechtigte der Herzog von Edinburg, der denn auch alsS erzog Alfred bereits die Regierung angetreten hat. Ter neu-erzog ist ein Sohn des englischen Pri»z-Rege»ten Albert, einesAruders des Verstorbenen. Der eigentliche Nachfolgcberechtigtewar der Prinz von Wales, der aber für sich und sein Haus aufdie Erbfolge verzichtet hat.Herzog Ernst hat in der politischen Geschichte Deutsch-lands eine Rolle gespielt. Der Grundzug seines Wesens,eine brennende Eitelkeit und Lust an diplomatischen Ränkenund Schwänken, trieb den unruhigen Fürsten des thüringischenKleinstaates von einem politischen Abenteuer ins andere. Erwar, und dies genügt zu seiner Kennzeichnung, der verwöhnteLiebling des deutschen Bourgeois- Liberalismus, der inseinen verschiedenen Berpuppungen als Gruppe der Gothaer,als Nationalverein, als Nationalliberalismus stets die Jnter-effen derherrschenden Klassen vertreten hat und durch seine Rückgrats�schwäche, durch seinen Wankelmuth, der die Grundsätze wechselte wieHemden, durch den faulen Frieden mit dem absolutistischen Junker-und Polizeistaat die Entwickelung Deutschlands auf das ärgstegehemmt hat.In alle Händel jener Zeit, die mit der Reaktionsperiodenach 1349 anhebt, verwickelt, erscheint Herzog Ernst als derAgent bald dieser, bald jener im europäischen Konzert wirkendenGroßmacht, der in fieberhafter Unrast die Geschicke der Völkerlenken will durch höfische Jntriguen, durch Kabinetspolitik, durchdie von den Gewalthabern richtig bewertheten Konspirationenund Konspiratiönchcn eines von Haus aus bankbrüchigen undfeigen Bürgerthums. Was sein Tempeltey für ihn,das war er für die Gewalthaber, der gefällige Postillonihres Ruhms und ihrer Aufträge. Bemüht er sich 1öö4beim Ausbruche des Krimkrieges in Preußen für LouisBonaparte, den Staatsstreichler des 2. Dezember, Stimmung zumachen, so intriguirt er 1359 gegen den Sohn des Admirals Verhuelund der schönen Hortense. Die Bestrebungen der Großdeutscheniverden von ihm gefördert, er erscheint als Agent des öfter-reichischen Kaiserhauses und wirkt 1363 auf dem deutschenFürstenlage zu Frankfurt a. M. für die Vorherrschaft Oesterreichs im deutschen Bunde. In der schleswig-holsteinischenFrage agitirte er für den Augustenburger und erschiendeshalb bei seinem alten Freunde und Gönner Napoleon,dem er als ersten der deutschen Fürsten nach dem Staatsstreichedie Vetternhand öffentlich gedrückt hatte, wiederum in denTuilerien. Großdeutscher, Oesterreichs Parteigänger vom Wirbelbis zur Zehe, Feind Bismarck's, den er gleich den Recken desNationalvereins durch Reden, Trinkspriiche, Konventikel be-kämpft hatte, eine Art der Kriegsführung, die die fleisch-gewordene Brutalität des ostelbischen Krautjunkers aber auchgar nicht anfocht, wußte der folgerichtige Staatsmann Ernst dochim rechten Augenblick auf die rettende Planke zu springen. Bisin die Tage des Kampfes von 1866 schwankend, schlug er sichauf die Seite Preußens und verließ das sinkende Schiff derHabsburger.Ein Held der Pose und ein ausgezeichneter Kenner unseresBürgerthums, benuhle er die bürgerliche Literatur, um sichfeiern zu lassen als den Mäcenas deutscher Kunst und Wissen-schaft. Im Dunstkreise seines Hofstaates bewegte sich das geschmeidige Volk jener gesinnungslosen Literaten, die ihre Ge-sinnung und ihre Feder zu Marklo tragen für Titel, Würden undOrden. Herzog Ernst, der, ein echtes Kind unserer kapitalistischenZeit, die Bedeutung der Reklame zu schätzen wußte, kargte nichtmit seinen Spenden, und der Lobredner des Fürsten gab'es nichtwenige. Die Apotheose seines Lebens bildeten folgerichtig dieDenkwürdigkeiten, worin er durch seinen Hosgeschichtsschreiber,den tendenziösesten der Tendenzhistoriker, die Geschichteseiner Thalen, so wie er sie ansah, schilderte. DieseDenkwürdigkeiten von Lorenz- Koburg spiegeln die Thatsachenso treu wieder, wie etwa ein Hohlspiegel des HineinschauendenZüge.Nicht zufrieden damit, ein Heros der Diplomatie zu sein,suchte Herzog Ernst auch die wohlfeile Volksthllmlichkeit, die derblöde Hurrahphilister im gestrickten Jäckchen und mit der sattenTugend immer zu spenden bereit ist. Wie ein fahrender Manndes Mittelalters zog er auf Schützen-, Sänger- und Tnrnerfesten,wo die Spießbürger für die„Freiheit, die sie meinen", erglühten,umher; die Krähwinkler jubelten, der Weihrauch duftete. Daßer etwa durch gründliche Reformen im eigenen Lande die Zu-stände gebessert, davon weiß die Historie nichts zu melden.Held der Kabinette, Gefeierter jeder Vogelwiese und allerTnriiseste, war er nicht minder ein mit dem Lorbeer des Siegersgeschmückter Kriegsmann. In den gefälligen Handbüchern, diedie Geschichtslügen zu verewigen bestimmt sind, erscheint HerzogErnst als der Sieger im berühmten Gefecht von Eckernförde imJahre 1349. Er hatte sich bis zum Kampfplatz glücklich auf dreiStunden Entfernung herangesiegt; derweil schlugen die deutschenTruppen unter Hauptmann Jungmann die Dänen...Nun ist der müde Greis in den Staub gesunken, der schonseit Jahren ein stiller Mann geworden war. Und der VölkerSchicksal geht seinen Lauf, hinweg über die künstlich geschaffenenGrößen des Byzantinerthums, über höfische Künste und groß-bürgerliche Kniffe und Pfiffe, dem Ziele entgegen, der Volks-Herrschaft. Kein Einzelner kann den Gang der Geschichte auf-hallen, er dünke sich so mächtig, so weise, so gefeiert wie er mag.Die Arbeiterklasse arbeitet unverdrossen an ihrem Kulturwerk.Was ist ihr Herzog Ernst? Was ist ihr Hekuba?—Vcivkcittnckivickikc".�ln GreifSwald in Lieuvorpommern, bisher einem derrückständigsten Landestheile, fand am 21. August eine ö f f e n l-liche Volksversammlung statt, die den Beweis lieferte,daß es sich auch in dieser„schwarzen" Ecke jetzt kräftig zu regenbeginnt. Die Versammlung bot ein lebendiges Bild sowohl vonden Schwierigkeiten, mit welchen die erst unlängst organisirtePartei hier nach allen Seiten zu kämpfen hat, wie nicht mindervon der Rührigkeit und dem opferfreudigen Eifer, mit dem vonden im Arbeiter-Bilduiigsverein organisirlen Parteigenossen dieserKanipf aufgenommkn und geführt wird. Einmal ist ein Ver-samnilungssaal im Innern der Stadt schlechterdings nicht zuhaben; so mußte man denn weit draußen auf der GützkowerChaussee im Neustädtischen Mühleugarten zusammeiikommeii.Sodann hatte der„Greifswalder Kreisanzeiger"(zugleich amt-liches Kreisblatt) sich geweigert, die Bersammlungsanzcige auf-zunchnien, trotzdem es sich lediglich nm eine öffentlicheVolksversammlung handelte. Das liberale„GreifswalderTageblatt" war allerdings nicht so— ängstlich gewesen.Dagegen war es wenigstens gelungen, die Genehmigung zur Ab-hallung der Versammlung im Garten des Lokals, dessen„Saal" nur eine mäßig geräumige Stube ist, zu erlangen. FürNeuvorpoililliern ist eine solche Bersauimlung unter„freiem Himmel"immerhin ein Ereigniß, von dem auch die weitere OeffentlichkeitNotiz nehmen niuß, und in der That machte die Versnmiiilungin dem durch bunte Lampions und durch 51erzen und Lanipenauf den unter den Obstbäumen aufgestellten Tischreihen beleuch-teten Garten einen um so eigenartigeren Eindruck, als nach derdrückenden Schwüle des Tages der Himmel sich mit sschwerenWolken bedeckte und zuckende Blitze das Nahen eines Gewittersverkündeten. Die Genossen waren in Stärke von etwa 109 Per-sonen, darunter auch zahlreiche Frauen, erschienen und nahmenden einleitenden Vortrag des aus Stettin hergekommenenReferenleu Ohl über die Ziele der Sozialdemokratie mitgroßem Beisall ans. Greifswald hat bei der Wahl am15. Juni 700 sozialdemokratische Stimmen(1890 waren es nochnicht einmal 299) abgegeben; der Besuch der Versammlung wurdemit Rücksicht hieraus von den Genossen selbst als«in schwacherbczeichuol. Man hielt es aber doch für angezeigt, die ebenfallsauf der Tagesordnung stehende Wahl eines Delegirte» zumParteitage in Stettin(17. September) nicht zu verschieden,sondern sofort vorzunehmen. Der Wahlakt selbst mußte aber inder erwähnten Stube erfolgen, da inzwischen das Gewitter mitkolossaler Heftigkeit losgebrochen war und die Versammellen zurFlucht aus dem Garten gezwungen hatte. Mit großer Mehrheitwurde der Vorsitzende des Arbeiter-Bildungsvereins. Poggen«dorf. der auch zum Leiter der Versammlung gewählt wordenwar, zum Delegirten bestimmt und die Ausbringung der Kostenauf dem Wege der Sammellisten beschlossen. Unter dem Punkt„Verschiedenes" ergab sich dann noch eine sehr lebhafte und an-geregte Diskussion, in welcher das Thema von der AllgemeinenOrts-Krankenkasse den breitesten Raum einnahm. Nach den ungemeinzahlreichen, durch eine Menge Einzelfälle illustrirten Klagen so-wohl über den Kassenvorstand als auch namentlich über denKassenarzt Dr. Hesse muß es wirklich um die Wahrung der Rechteder Mitglieder dieser Kasse nicht zum Besten bestellt sein. DerKassenarzt, so behauptete man von den verschiedensten Seiten,verweise, statt gründliche Untersuchung der Erkrankten eintretenzu lassen, in erster Linie auf Gottes Hilfe und verspreche, fürden Erkrankten zu beten. Verschlimmere sich dann das Leidenund nehme man seine Zuflucht zur Klinik oder zu einem andernArzte, so müßten gewöhnlich die entgegengesetzten Kurmethodenund Medikamente verordnet iverden. Auch das Verfahren des„Kreisanzeigers" wurde gebührend beleuchtet und vor demAbonnement auf dieses Blatt gewarnt, dagegen der„Volksbote"empfohlen. Am Sonntag, den 27. August, veranstaltet der Vereineine Lassallefeier in demselben Lokal, ans welcher ebenfalls Ohldie Festrede halten wird. Erst um 12� Uhr schloß die durch-aus erfolgreich verlaufene Versammlung. Es ist dringend zuwünschen, daß auch von der Zentralstelle der Partei, von Berlin.alles geschehen möge, was durch Ueberweisung von Agitations-mdterial irgend geschehen kann, tamit die hier in so viel-oerheißender Entwicklung begriffene Arbeiterbewegung nicht wiedererlahme oder gar ganz wieder einschlafe; denn die vorhandenenMittel sind sehr gering, und die Wahlagitation hat viel auf-gezehrt. Mögen bald weitere Erfolge die unverdrossene Arbeitder dortigen Genoffen krönen!#Leipzig, 22. August. In der gestrigen Parteiversammlmigfür den 12. und 13. sächsischen Reichstags-Wahlkreis gab GenosseLehmann den Bericht des Wahlkomitecs. Es haben in beidenLeipziger Kreisen im ganzen 93 Versammlungen stattgefunden.wovon auf den 12. Wahlkreis 16(Hauptwahl 11, Stichwahl 5),auf die zum 13. Wahlkreis gehörigen städtischen Bezirke 18 undauf die ländlichen Ortschaften 59 entfallen. Flugblätter wurden19 verbreitet, von denen 1 speziell an die Beamten, 1 an diesäumigen Wähler und 1 an die polnischen Reichsbürger gerichtetwar. Die Gesammtauflage der Flugblätter stellte sich auf etwa1 939 990 Exemplare. Theilweise gelangten sie außer in denbeiden Leipziger Kreisen im II. und 14. sächsischen, sowie ineinigen benachbarten preußischen Kreisen zur Vertheilung. Fernerwurde zu verschiedenen Malen der„Wähler" in einer Gesammt-aufläge von 29 bis 25 999 Exemplaren besonders ver-trieben. Wahlplakate wurden 16 angeschlagen, außer 93für die Einberufung von Versammlungen. Seitens desAgitationskomitees wurde der Rath der Stadt um dasAbschreiben der Wählerlisten für den 12. Wahlkreis und diestädtischen Bezirke des 13. Wahlkreises angegangen, welchemWunsche gegen Bezahlung bereitwilligst entsprochen wurde.Zwecks Herstellung einheitlicher Stimmzettel habe sich die frei-sinnige und nationalliberale Partei sofort, nach anfänglicher Ab-lchnung später auch die antisemitische Partei zugänglich erwiesen.Ferner wandte sich das Agitationskomitee an 114 Wahlvorsteherund ersuchte uni Berücksichtigung unserer Partei bei Zusammen-setzung der Wahlvorstände. Von 69 einlaufenden Antwortenlauteten 39 zustimmend, 30 ablehnend. Eine Beschwerde gingam Wahltage dem Zentral- Wahlkomitee aus einem ländlichenWahllokal zu, in dem ordnungsparteiliche Stimmzettel zur Ver-theilung gelangten, worauf die Wähler von'einem Gemeinde-beamten sogar noch besonders aufmerksam gemacht wurden. In-folge Beschwerde an zuständiger Stelle hörte im Laufe desTages die Ungehörigkeit auf. Die Thätigkeit des Wahlkomiteeserstreckte sich übrigens auch aus den 11. und 14. Wahlkreis, inwelchen auf selbständige Veranlassung 29 Versammlungen arrangirtwurden. Infolge der sächsischen Partei-Organisation war Leipzigverpflichtet, auch für diese Kreise finanziell mit aufzukoiiimeii.Auch für andere benachbarte Wahlkreise wurden agitatorische Kräfteund Gelder beschafft. Jnsgesamml sind inkl. eines Kaffenbestandesvon 693,35 M. vom 1. Mai bis 7. Juli d. I. 16 237,19 M. andas Agitationskoniitee abgeliefert worden, welche Beträge sämmt-lich im„Wähler" quittirt wurden. Die Gesammtausgaben fürdie Wahlen beliefen sich auf 15 239,39 M., so daß sich am 7. Juliein Kassenbestand von 1996,71 M. ergab. Von den einzelnenAusgabsposten sind zu nennen: Druckarbeiten(inkl. 993,95 M.für das Ankleben der Plakate) 5953,69 M., Jiisertionskosten,Extranummern des„Wählers" u. f. w. 1469,25 M.» Referenteninkl. Fahrgelder 566,35 M., Besetzung der Wahllokale an denWahltagen 2964,93 M., an auswärtige Kreise: Würzen 809 M.,Borna ca. 800 M., Zeitz reichlich 750 M., Bitterfeld ca. 125 M.— Zu dieser Abrechnung werden die Genossen Beyer und Cipinslizu Revisoren gewählt. Hierauf erstaltete Genosse Jacob als Re-visor über die Abrechnung vom Maisest Bericht. Der Neberschußvom Maifest beläuft sich auf 692,45 M. Es wird eine Koni-Mission zur dauernden Verwaltung des Materials zum Maisestgewählt.Zlpolda. Unserem Genoffen Aug. Bandert, der jetzt inWeimar eine zweimonatliche Gesängnißstrafe wegen Beleidigungdes Sulzbacher Pfarrers abbrummt, ist vom Ministerium aufseinen Antrag Selbstbeköstigung gewährt worden.—In Plötzensee, der ersten Kulturanstalt des KulturstaatesPreußen, genießt der politische Gefangene aus dem gemeinschaft-lichen Kessel seinen„Rnmfutsch", den allenfalls ein Schwein ver-zehren kann, für welchen sich aber jeder einigermaßen anständigempfindende Ziehhund bedanken würde.*Darmstadt, 21. August. Das Einsammeln von Geldbeiträgen(§ 99 des hessischen Polizeigesetzes) in öffentlichen Versammlungenwird in Hessen laut Entscheidung des Oberlandes«g e r i ch t s zu D a r m st a d l als unerlaubte K o l l e 1 t ebetrachtet. Bei einer Volksversammlung, die während verletztenWahlkampagne in Bischossheim a. M. stattfand, gründeten imLaufe der Versammlung unsere Genossen einen Wahlvereiii aufgrund§ 17 des Wahlgesetzes, der sich sofort konstituirte undBeiträge erhob. Die Polizei erblickte.hierin einen Verstoß gegen§ 99 des hessischen Polizeigesetzes und erließ gegen den LandragS-Abgeordneten Müller-Darnistadt und zwei weitere Parteigenossenein Strafmandal von je 39 M. Die Betroffenen haben gegendas Mandat die Entscheidung des ordentlichen Gerichts an-gerufen.AnS dem 517. ländlichen* sächsischen Wahlkreis wirduns geschrieben: An Stelle des Genossen Hermann Schmidt-Zwickau, der augenblicklich nicht in der Lage ist, die Kandidaturwahrzunehmen, haben die Genossen des Wahlkreises sich dahinentschlossen, den Genossen Paul Horn ans Cainsdorf, jetztKassirer des sächsischen Berg- und Hüttenarbeiler-Verbandes, aus-zustellen.»«Polizeiliches, Gerichtliches tc.Oldenburg, 20. August. Zu einer sehr gelinden Strafeverurtheilte gestern das Schöffengericht den Kaufmann RaabeHierselbst, der am Stichwahltage seine Bildung dadurch bekundete,daß er unserem Slinimzetlelvertheiter bei Doodt's Etablissementauf die Zettel spuckte und ihn einen„grünen Jungen" nannte.Er wurde zu 3 M. Strafe und Tragung der Kosten verurtheilt;außerdem wurde dem Genossen die Berechtigung zuerkannt, dasUrtheil auf Raabe's Kosten in den„Oldenb. Anzeigen" zu ver-öffentlichen. Ein Antrag aus Veröffentlichung in den„Nachr.f. Stadt u. Land" und im„Nordd. Volksbl." wurde abgelehnt.Wegen des Spuckens erfolgte deshalb Freisprechung, weil dasGericht nach Aussage eines Zeugen annahm, daß der Kläger durchfortwährendes Anbieten der Zettel und Rufe„Paul Hua" denBeklagten gereizt habe!