Einzelbild herunterladen
 

Ilüngen- und VerdächtigukMpiel zwischen den Kardinälen Fischer und Kopp führten, in dessen Verlauf der Breslauer Fürstbischof das schöne brüderliche Wort vomv e r s e u ch t e n W e st e n" Prägte, tauchen von neuem aus dem brodelnden Hexenkessel auf nur noch stinkender und gehässiger. Aber die Positionen beider Richtungen haben sich seit dem letzten Scharmützel wesentlich geändert. DieKöln . Volksztg." befindet sich heute in einer weit schwächeren Stellung. Sic sieht sich in eine verzweifelte Defensive gedrängt; denn sie hat es nicht mehr allein mit der die christliche Gewerkschaftsbewegung bekämpfende Koppsche Anhängerschaft zu tun. sondern an der Spitze des gegen sie unternommenen Vorstoßes steht dieCorrespondance de Rome", das Blatt des päpstlichen Sekretariats, daö zugleich den größten Teil der römischen Kurie hinter sich hat. Von einem solchen Blatt des Modernismus rmd der versteckten Ketzerei geziehen zu werden, ist in Anbetracht des enormen Einflusses, den heute mehr als je der hohe Klerus auf das angeblichinterkonfessionelle" Jen trum besitzt, höchst gefährlich. Es ist deshalb nur zu begreiflich, daß das Bachemsche klerikale Blatt sich krampfhaft gegen solche ..Verdächtigungen" wehrt und mit den heiligsten Schwüren nicht nur seinen guten katholischen Glauben beteuert, sondern auch ..löbliche" Unterwerfung unter dem Willen des Episkopats und der römischen Kurie verspricht. Doch dieEorresp. de Rome" zeigt sich nicht zu christlicher Milde geneigt. Die sie inspirierende streitbare Kurie will den glimmenden Funken, damit er nicht von neuem aufflackert, gründlich austreten, und so setzt dieEorresp. de Rome ihre Anfeindung des Kölner klerikalen Organs ungeniert fort und nennt in ihrer letzten Rummer einhalbliberales" und modernistisches" Blatt, das in seiner Polemik mit einem gewissen Erfolg dje Kunst der athenischen Sophisten handhabt. Daß unter solchen Umständen den Inhabern und Leitern der Köln . Volksztg." schwül wild, ist begreiflich. So hat denn Herr Dr. Karl Bachem selbst zur Feder gegriffen. Er versucht in einem fast die ganze erste Seite des Kölner klerikalen Blattes fassenden Artikel die Anschuldigungen derEorresp. de Rome" als unberechtigt nachzuweisen und dieKöln . Volksztg." als ein streng katholisches Blatt hinzustellen, das stets folgsam die Weisungen der römischen Kurie befolgt hat. Alle Leser derKölnischen VolkSzeitung", insbesondere auch die deutschen Bischöfe und die zahlreichen deutschen katholischen Theologen, welche sie regelmäßig lesen, wissen und können jeder- geit bezeugen, daß in deriMnischen Volkszeitung" niemals auch nur eine Zeile gestanden hat, welche im entferntesten den Modernismus zu befürworten«er zu begünstigen geeignet ge- ... Wesen wäre. DieKölnische Valkszeitung" darf sich dabei vor allem auf das Zeugnis ihres Diözesan -Oberhirten beziehen, welcher die Haltung der..Kölnischen Volkszeitung", was ihre katholische Gesinnung in allen religiösen Fragen und ihre kirch. liche Treue gegen den römischen Gtuhl anlangt, anerkannt und gebilligt hat und welcher, seiner kirchliche» Pflicht entsprechend, nicht gezögert haben würde, einzugreifen, wenn dieKölnische Bollszeitung" dazu mißbraucht worden wäre, um modernistische Irrtümer zu verbreiten. Ich stelle das nicht fest für solche Kreise, welche in der Lage sind, auf Grund ihrer theologischen Kenntnisse sich selber ein Urteil zu bilden. Aber es ist leider nicht überflüssig, das aus- drücklich auszusprechen für andere Teile des Leserkreises, welche, ohne selbst die genügender, theologischen Kenntnisse zu besitzen, anfangn könnten, wegen deS angeblich gefährdeten katholischen Charakters derKölnischen Volkszeituwg" ängstlich zu werden, Welche angesichts der stets erneuten böswilligen Anklagen auf .JnterkonfessilmalifierungSbeftrebuirgen",Protestantisierungs- tcndenzeu",verwaschene katholische Haltung",dogmenlose christliche Weltanschauung"...modernisrische Richtung",Ersatz des katholischen Charakters durch eine unklare christliche Basis" usw. sich allmählich könnten irreführen lassen und meinen, es müsse doch wohletwas an der Sache nicht stimmen". Diese Llengstlichen dürfen sich vollständig beruhigen: die.Kölnische ' Volkszeitung" ist stets in allen religiösen Dingen ein treu kath» -lisches Blatt gewesen und wird es auch in Zukunft unentwegt bleiben. Jeder, der seit all den Jahren derKölnischen Volks zeitung"protestantisierende Richtung" oder �modernistische Hab tung" oder etwas AehnlicheS vorgeworfen hat. ist sofort öffentlich und privatim, schließlich in schärfster Form aufgefordert worden. unter genauer Anfuhrung derjenigen Artikel und Stellen der Zeitung, welche er glaubte, vom katholischen Standpunkt aus als unkatholisch beanstanden zu dürfen, den Beweis für seine Behauptung zu erbringen. Keiner der Ankläger hat sich bisher dieser doch selbstverständlichen Pflicht unterzogen. Und auch das ist regelmäßig öffentlich festgestellt worden, um die völlige Halt- losigkeit solcher törichten Anfeindungen und Verleumdungen nach- zuweisen." « Dann fordert die.Köln , Volksztg." ihre Leser und Gönner vuf, sie in der jetzigen Zeit derschweren Bedrängnisse" nicht zu verlassen, sondern sie im Kampf zu unterstützen, um so mehr als die deutschen Katholiken neuen schweren Kämpfen entgegen gingen und sie in diesen Kämpfen..einer machtvollen, ge» ischlossenen politischen Partei" bedürfen, des Zen­trums, dessen Kraft durch solche Zwistigkeiten im eigenen Lager zerrüttet werde. Bleibt das Zentrum in Kraft und Geltung erhalten, so können wir, soweit menschliches Ermessen reicht, mit Zuversicht der Zukunft entgegen. sehen. Wir haben dann das unsere getan und können den Ausgan g getro st der Vorsehung an- hcimgeben. Wird aber das Zentrum untergraben, wird seine Festigkeit und sein Bestand gefährdet, so steht die Sache erheblich bedenklicher. Auch dann werden zwar die deutschen Katholiken niemals den Mut verlieren und weiter ihre Pflicht tun. Aber was wird dann der Ausgang fein?" Ein femer Trick des Herrn Dr. Bachem, auf die bevorstehen- den Wahlkämpfe hinzuweisen! Weiß man doch in der Redaktion derKöln . Volksztg." ganz genau, wie große Zukunftshoffnungen die sich isoliert fühlende Kurie auf das Zentrum fetzt und wie sehr man auf einen dem. Zentrum günstigen Ausfall der nächsten deutschen ReichStagswahlen rechnet. Tatsächlich beginnt denn auch bereits die Mahnung ihre Frücht? zu tragen. Der Nuntius Frühwirt in München hat den Bahr. Kurier" zu der Erklärung ermächtigt, daß der Artikel der Correspondance de Rome". dessen Ton er selbst mißbillige, in keiner Weise von der zuständigen höheren Behörde inspiriert sei. Er protestiere auf das entschiedenste gegen die Artikel der auö- ländischen Zeitungen, in denen schwere Auflagen gegen die Katho­liken Deutschlands und das Zentrum erhoben werden, und in denen man sogar Schatten auf die unantastbare Person des durch seinen Hirteneifer rühmlichst bekannten Erzbischofs von Köln werfen möchte. Bon zuständigster Seite werde ihm versichert, daß an der Veröffentlichung dieser Artikel weder Msgr. Benigni noch ein anderer Prälot unmittelbaren oder mittelbaren Anteil habe. ver Aahlrechttksmpf In Ungarn . Aus Wien wird uns vom 12. Juli geschrieben: Tie Krieg gegen die Wehrgesetze hat im ungari- schen Abgeordnetenhause heute begonnen. Und zwar besorgten die Obstruttwnisten die Sache so gründlich, daß nlit der Sache gyr nicht gngekluzgm Verden küMz, Mo bMo Lulth« Leuke nn! der Obskku?tion schon oft ged'rW, mit dem Ge danken, die Regierung in die Enge zu treiben, eigentlich von dem Augenblick an gespielt, da ihnen Khuen-Hedervary, der jetzige Ministerpräsident, die Macht entwand. Aber da sie immer wieder eingeknickt und auch sonst wahrlich kein Muster von Verläßlichkeit sind, so bringt man nun selbst ihren auß gedonnertsten Schwüren kein rechtes Zutrauen mehr entgegen. Trotzdem ist es nicht unmöglich, daß diesmal die Sache doch blutig e r n st werden und daß sich gegen die Wehrgesetze ein Widerstand zeigen wird, mit dem Graf Khuen nicht so leicht fertig werden mag, als er sichs erhofft. Auch daß sich heute, nach überlangem Zuwarten, auf den Budapest er S t r e n die Arbeiter sammelten, uni ihr politi sches Recht einzufordern, das ihnen Khuen ebenso schnöde vor enthält wie das verkrachte Koalitionsregime, ist ein Zeichen des Ernstes der Lage. Man fängt m Ungarn zu begreifen an, was in dem Wehrgesetz auf dem Spiele steht. Von zwei Erwägungen wird die Opposition dazu ge� trieben, gegen die Wehrgesetze den allerentschiedensten Kampf zu entfesseln. Die eine ist natürlich, daß sie mit dem Wehr- gesetz die Gelegenheit aus der Hand geben würde, von der Krone nationalmilitärische Konzessionen zu erpressen, daß ihr die Möglichkeiten zur Nationalisierung der Armee fortan ent schwinden müßten. Dieser magyarische Chauvinismus kann außerhalb des ungarischen Globus auf Interesse natürlich nicht rechnen. Wenn es aber der Justh-Partei mit ihrer Forderung Ernst ist, daß vor der Wehrreform und vor allem die Wahlreform zuwege gebracht werden müsse, so kann man ihrem Unternehmen nur herzlichst Glück wünschen. Welches elende Spiel ist mit der Wahlreform von den Macht habern in Ungarn getrieben worden! Es sind nun volle sechs Jahre, da den Völkern in Ungarn durch Kristoffy und Fejer Vary die Wahlreform versprochen ward, versprochen ward in so feierlicher Weise, daß das Versprechen einem Eide gleiche kommt.(Wer denkt da nicht an das Versprechen der preußischen Thronrede?) Die Einsetzung der Koa« litionsregierung wurde an die Bedingung geknüpft, daß die Wahlreform ihre erste und dringendste Aufgabe sein müsse. Dann kam die Schandkomödie mit dem Andrassyschen Plural« Wahlrecht,(wer denkt da nicht an die Spottgeburt der B e t h« mann schen Wahlreformvorlage?) und kaum hatte Wien mit Khuen wieder gesiegt, so wurde die Wahlreform ganz in den Hintergrund gerückt. Sechs Jahre geht das nichts würdige Spiel mit der Geduld der Völker in Ungarn , (und in Preußen?) und überdeutlich ist nun zu erkennen, daß es Wien in dieser Lebensfrage an jeder Aufrichtigkeit gebricht, daß ihm die Wahlrcform nur Mittel zu seinen selbstischen Zwecken ist. In dem Moment, da die Großmachtsinteressen in die Zwickmühle geraten und von dem magyarischen Chauvi nismus sich bedrängt fühlen, in dem Moment erwacht in Wien prompt die Wahlreformleidenschaft. Die Unabhängig keitspartei siegt und will von Wien die ungarische Kommando- spräche herauspressen. Also erkennt man in Wien sogleich die Gefahr der zügellosen Herrschaft der Junkerkaste und über- strömt von Begeisterung für die ewigen Rechte des Volkes in Ungarn , dessen Bestimmung es nicht sein dürfte, von den übermütigen Magnaten gegängelt zu werden. Aber kaum ist die Koalition dualistisch frisiert, kaum zeigt es sich, daß man sich auch mit Kossuth vertragen kann, weil auch er die Subsidien für die Großmacht zu leisten sich nicht weigert, so ist die Wahlreformleidenschaft schon verraucht und kein Hahn kräht mehr nach den Versprechungen, die man vor den ungarischen Völkern abgelegt hat. Nun gerät man mit der Koalitionsregierung wieder in Streit, sie will die gemeinsame Bank nicht liefern: ohne Verzug erinnert man sich an die Wahlreform und fordert vor der selbständigen Bant ihre Erledigung. Ganz ähnlich ist es mit Khuen gewesen: als er seine Mamaluckenmehrheit noch nicht zusammenge- schwindelt hatte, redete er höchst tvahlreformfrcundlich; nun er fest im Sattel sitzt, hat er nur Vorwände und Ausreden parat. So oft die Großmacht von den ungarischen Chauvi- nisten att die Wand gedrückt wird, begreift sie es, daß das Allerdringlichste und Allerwichtigste die Wahlreform ist, ge- bürdet sich, als ob sie darauf brennen würde, mit der zäsaristi schen Politik die Gentryherrschaft zu zerschmettern. Kaum kriegt sie ein bißchen Lust, so hat sie ihre heiligsten Schwüre vergessen und die Wahlreform steht unter ihren Sorgen an allerletzter Stelle. Wenn nun der wankel - mutigen, eidvergessenen Großmacht an dem Wehr- gesetz vordemonstriert würde, daß auch sie nichts kriegt, wenn sie zu geben sich weigert, so wäre das eine Demonstration am lebendigen Leib. Was begehren die Völker in Ungarn , was fordert das arbeitende Volk? Daß über die schweren Lasten, die mit dem neuen Wehrgesetz auf die breiten Massen gewälzt werden, nur ein Parlament entscheiden dürfe, in dem das gesamte Volk seine Vertretung besitzt, daß das Volk, das die Lasten tragen muß, über ihr Aus- maß mitentscheide. Wer kann es wagen, dieser Forde- rung Berechtigung und Logik abzusprechen? Am wenigsten können es jene wagen, die dem Volke das politische Recht seit sechs Jabren immer versprechen und seit sechs Jahren immer vorenthalten! Wenn das Proletariat in Ungarn seinenaltenKampfmutwiederfindet.so wird die Demokratie die Schlacht diesmal vielleicht gewinnen. Allem voran muß inUngarndieWahlreform stehen. (Also genau so wie in Preußen!) Die Straßendemonstration. Budapest . 12. Juli. (Eig. Ber.) Die Arbeiterschaft Budapests hat heute den Wahlrechtskampf wieder in großem Maßstab aufge- nommen. In vier mächtigen Versammlungen meldete sich das Proletariat, um fein politisches Recht zu reklamieren. Morgen wird im Abgeordnetenhause die Verhandlung de? WehrgefetzeS be- ginnen, und so wiederholt die Arbeiterschaft ihre alte Forderung. daß vor allem die Wahlreform inS Leben treten müsse, bevor auf das Volk die neuen Lasten deS Militarismus gewälzt werdeu dürfen. Die Stimmung in den Versammlungen war von Leidenschaft und Kampfbereitschaft erfüllt. Nach den Versammlungen formierten sich die Massen zu einem impo- sauten Demonstrationszug auf der Budapester Prunk- traße, der Andrassystraße. Vor dem Gebäude des RcformklubS, wo die Justh-Partei ihren Sitz hat, wurde ein Meeting unter reiem Himmel improvisiert. Es sprachen da Genosse Buching er. dann Ludwig Beck. Mitglied der Justh-Partei, und für den Reformklub F e n d e. Die Reden klangen in das Ge- lövnis aus, alle Kraft nun auf die Eroberung deS allgemeinen und gleichen Wahlrechts zu konzentrieren. Der donnernde Ruf der Zehntausende stimmte begeistert zu. Angesichts der gewaltigen Massen, die auf der Straße versammelt waren, hielt sich die Polizei im Hintergrund und jeder der beliebtenZwischenfälle" wurde vermieden. Sturmszenen. Budapest . 14. Juli. Im Abgeordnetenhause kam es 4«. f.ifiiia?».. Opssosition erzKang eine geschlossene Sitzung, nach welcher RudbyanSzky, der durch Zwischenrufe den Tumult hervorrief, sein Bedauern über seine Zwischenrufe aussprach. Erst nach zwei- stündigen Lörmszenen konnte die Wehrvorlage debattiert werden. Die Regierung ist entschlossen, der Obstruktion nicht länger zuzusehen und will schon in den nächsten Tagen energische Maßnahmen treffen. ,r-«- poUtifcbe OeberHebt. Berlin , den 11 Juli 1911. Ein modernistischer Papst. Osservatore Romano " veröffentlicht heute das bereits ange­kündigte Motu proprio des Papstes vom 2. Juli, das daS Kirchen- gesetz über die religiösen Feste abändert. Das Motu Proprio besagt, daß die veränderten Bedingungen der mensch- lichen Gesellschaft es ratsam erscheinen lassen, daS Gesetz über die Beobachtung der religiösen Feste zu ändern, weil der v e r- mehrte Handel und der beschleunigte Gang der Geschäfte durch die Häufigkeit der Feste Schaden leiden. Endlich zwinge die Verteuerung des Lebens die Arbeiter, ihre Arbeit nicht zu oft zu unterbrechen. Jnfolgedesien hat der Papst beschlossen, d i e Festtage zu vermindern und die Fe st e zu beschränken auf die Sonntage, Weihnachten, Neujahr, Epiphania, Himmelfahit. Maria Empfängnis, Mariä Himmelfahrt , den Peter- und Paulstag und Allerheiligen. Die Feste der Schutzheiligen sollen auf den folgenden Sonntag verschoben werden. Der Papst fordert die Bischöfe auf, den Heiligen Stuhl zu befragen, wenn sie in einer Gegend irgend ein aufgeschobenes Fest glauben aufrecht erhalten zu müssen. Es ist in letzter Zeit von der römischen Kurie so manche nebensächliche Rücksichtnahme klerikaler Politiker auf moderne An- schauungen und moderne Lebensverhältnisse alsmodernistisch" vcr- schrien worden, obgleich sie an den alten römisch-katholischen Glaubenssätzen nicht im geringsten rüttelte. Weit mehr verdient da? Motu proprio Pius X. alsmodernistisch" bezeichnet zu werden, denn es greift tief in die bisherige Tradition und den alten heiligen Brauch der Kirche ein. Und weshalb? Nur aus feiler Rech- nungSträgerei, um nämlich dem Verlangen des heutigen Kapitalismus nach vermehrter Gelegenheit zum Profitmachen und zur Ausbeutung der Lohnsklaven entgegenzukommen und ihm weiteren Raum siir seine Betätigung zu schaffen. Dadurch sollen die wohlhabenden Kreise der Großindustrie und deS Großhandels, die in den letzten Jahrzehnten vielfach Rom den Rücken zugekehrt haben, bewogen werden, in den Schoß der alleinseligmachenden Kirche zurückzulehrcu und in der römischen Kurie nicht nur die Vertreterin ihrer seelischen", sondern auch ihrer leiblichen Interessen zu erkennen. Wie oft haben katholische Priester und Schriftsteller katholischen Arbeitern erzählt, daß die Reformation an den protestantischen Ar- beitern einen schweren Raub begangen habe, indem sie die Zahl der alten katholischen Fest« und Ruhetage aufs äußerste ein- schränkte und dadurch den Arbeitern zugunsten des Trachten s der aufsteigenden kapitalistischen Schichten nach vermehrten Erwerb und Gewinn die Zeit zur Gottesverehrung, zur Erholung von der Arbeit und zur geselligen Fröhlichkeit stahl und nun kommt plötzlich der antimodernistische Papst Pius X. und verfährt genau nach dem so oft verlästerten arbeitsfeindlichen Rezept der evangelischen Refonnatoren. Nicht aus theologischen oder irgend welchen zwingenden kirchlichen Gründen, sondern lediglich aus Gc- fälligkeit gegen die Großkapitalisten, deren Wohl der päpstlichen Kirche weit mehr gilt, als das der nicht in gleichem Maße zahlungs­fähigen Arbeiterllasse._ Ein neuer Raubzug. Ueber die Gründe, die die Schwerindustrie zum Austritt aus dem Hansabund bewogen haben, wirft ein von Herrn Kirdorf unterzeichnetes Zirkular derNiederrheinisch- Westfälischen Bezirksgruppe" helles Licht. Es wird darin auf Ausführungen Bezug genommen, die der Chef der Organi- iationsabteilung des Hansabundes Dr. Neumann in der Ortsgruppe Dortmund gemacht hat. Darin wird über die Zollpolitik gesagt: Schutz der nationalen Arbeit! Das ist das ewige Feldgeschrei aller derjenigen, welche mit Hilfe wirtschaftspolitischer Maßnahme» sich höhere Preise für ihre Produkte zu verschaffen suchen. Ohne Rücksicht darauf, daß ihre Abnehmer auch zu den Arbeitern am Nationalwohlstand gehören. E i s e n z ö I l e für Kornzölle daS war das Handelsgeschäft, welches der Zentralverband Deutscher Industrieller 1878 mit den Agrariern abschloß und jetzt zu erneuern sich anschickt. Daß diese Zölle aber unter allen Umständen für die nationale Arbeit günstig wirkten, muß entschieden bestriten werden. Für die Eiscnproduzenten bedeuten die Eisenzölle natürlich einen großen Vorteil für die Eisenverarbeiter und Verbraucher dagegen einen ebenso großen Nachteil. JaeS muß direlt als«chä- digung der nationalen Arbeit bezeichnet werden, wenn der Stahlwerksverband das deutsche Eisen an ausländische Brückenbau« Anstalten, Schiffswerften, Maschinen- Fabriken, Gießereien usw. unter dem Schutz der Zölle billiger liefert, als den deutschen Unternehmungen dieser Industrie- zweige. Diese Geschäftspraxis mag vorübergehend geeignet sein. die Dividenden der Stahlwerke etwas zu erhöhen aber sie ist daS Gegenteil von national! Aehnltch steht es mit den Schutzzöllen auf die l a n d w i r t« schaftlichen Erzeugnisse.... Sie bedeuten eine Schraube ohne Ende, welche einzig und allein im Interesse der größeren Grundbesitzer unter den Landwirten liegen. Die Mehrzahl aller deut- schen Landivirte hat von den Getreidezöllen überhaupt keinen Vorteil". Diese Ausführungen sind den Herren der Schwerindustrie natürlich recht unangenehm und sie erklären, daß nach solchem Vorkommnis jedes Wort der Rechtfertigung deS Austrittes überflüssig wäre. Daraus folgt zunächst, daß die rheinisch-westfälischen Großindustriellen mit den Großagrariern vom Bund der Land- Wirte bereits einig geworden sind. Nach demBerl. Tage- blatt" sind die Verhandlungen, die den künftigen Zoll- raub sichern wollen, von Herrn v. Heydebrand geleitet worden. Das Ergebnis läuft offenbar darauf hinaus, imß die Kapitalmaguaten und die Großgrundbesitzer sich zur gegenseitigen Zollerhöhung verpflichtet haben. "emeinsam für Eisenwucher und Brotwucher, lautet der Geheimpatt. Das deutsche Volk ist aber beizeiten unterrichtet und kann ich bei den Reichstagswahlen entscheiden. Den Reichen genügt 'r Reichtum nicht; sie wünschen die Kapitals- und entenanhäufung auf Kosten der arbeitenden Massen noch zu beschleunigen. Dazu brauchen sie die Vcr- ügung über die Klinke der Gesetzgebung. Damit sie diese behalten, soll die deutsche Wählerschaft wieder in einen nationalistischen Taumel hineingeleitet werden, wenn dabei selbst die Gefahren eines Krieges herauf- beschwören werden müßten. Geht es um ihre Gcll>interessen, so lxünen die Herren keine Rücksicht.