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Gewässern nicht sonderlich groß ist, so ist damit doch die Durchführung einer Truppenlandung entschieden erleichtert. Und daß mit einer solchen Möglichkeit auch jetzt nach gerechnet Werden muß, ergibt sich aus der genugsam bekannten Un berechenbarkeit unserer auswärtigen Politik. ZuZ>em wollen unsere alldeutschen und Scharfmacher- Blätter nichts von Kompensationen" wissen, sie fordern nach wie vor die Be setzung der Sus-Landschaft. Das deutsche und das französische Proletariat hat also alle Veranlassung, während der langwierigen Nuterhandlungen die Augen offen zu halten und für jede Ueberraschung gerüstet zu sein. Verschärfung des spanisch-franzöfischen Konfliktes. Madrid , IS. Juli. Im gestrigen Ministerrat standen Gegen stände von großer Wichtigkeit zur Beratung, Canalejas ist nach San Sebastian abgereist, um dem Könige Bericht zu erstatten und dann mit den Ministern weiter zu konferieren. Der französische Ge schäftSträger, Martin, hat eine neue Anfrage der französischen Regierung an Spanien gerichtet, um Aufklärung über das Verhalten Spaniens in Larrasch und Elksar zu erhalten. Die Sprache Frank- reichS ist diesmal auf einen sehr energischen Ton gestimmt. Der eine schiebt die Schuld auf den««deren. Madrid , IS. Juli. In hiesigen politischen Kreisen wird betont, die angeblichen Zwischenfälle in Elksar beruhten zum Teil auf starker Uebertreibung, zum Teil auf freier Erfindung der Presse der französischen Kolonialpartei. ES hätten keine spanischen Soldaten den Loccosfluß überschritten, wo sich unter französischem Kommando stehende Truppen befinden. Die Ursache der Reibungen liege in dem Uebereifer französischer Agenten, der kaum in den Intentionen ihrer Regierung liegen dürste. Auch seien einzelne Bestrebungen, die Ein- geborenen aufzuwiegeln, gänzlich erfolglos geblieben. Der Gou- verneur Raisuli sowie sein Vertreter in Elksar hätten sich mit den Maßnahmen des Obersten Shlvestte völlig einverstanden erklärt. Es liege daher kein Grund zu Streitigkeiten vor. deshalb fügte er hinzu, daß an eine Abschaffung des Reichstags» Wahlrechts nicht zu denken sei, aber: »Eine so weitgehende Demokratisierung unsereSStaatslebenS, wie sie dieUebertragung des Reichstagswahlrechts auf die Wahlen zum preußischen Landtag bedeuten würde, halte ich bei der jetzigen Lage für ein Unglück. Und ich möchte allen, die sich durch das Dreiklassenwahlsystem in ihren Rechten gekürzt glauben, soviel konservativen, ich möchte sagen: monarchi» schen und vaterländischen Sinn wünschen, daß sie ein kleines Unrecht, wenn dieses Wort berechtig: ist, hinnehmen, um vom Ganzen ein schweres Unglück fernzuhalten." Solche Aussprüche hindern natürlich die Zentrumspresse nicht, immer wieder zu erklären, die Zentrumspartei träte für das all gemeine, gleiche» geheime und direkte Wahlrecht ein. politilcbe deberlicbt. Berlin , den 15. Juli 1911. Militärisches. Zu den diesjährigen Herbstübungen werden nicht weniger als 407 618 Mann cnts den Mannschaften des Beurlanbten- standes eingezogen. Für die Dauer der Kaiser-Manöver er- halten die daran beteiligten Regimenter zu zwei Bataillonen ein drittes Bataillon, das aus aktiven und Reservemann- schasten zusammengestellt wird. Diese dritten Bataillone für die Dauer zu bekommen, ist längst der heißeste Wunsch der Heeresverwaltung und nur die Rücksicht auf die kommenden Neichötagswahlen hat verhütet, daß diese Forderung schon im Frühjahr gestellt wurde. Daß sie aber kommt, das kann keinem Zweifel unterliegen. Gleichzeitig erfährt man, daß auch Angehörige des Land- sturmes, der bekanntlich von Fricdensübungen befreit ist, zu mehrtägigen freiwilligen Uebungen einberufen werden. Vermutlich handelt es sich dabei um Kriegervereinler, die von dem Drill nicht genug kriegen können. Etatsmäßige Mittel dafür sind jedoch nicht vorhanden und deshalb wäre es wünschenswert zu wissen, aus welchen Fonds die Kosten dieser Uebungen gedeckt werden. Reserveoffiziere als sozialdemokratische Wähler. DieDeutsche Tageszeitung" hat in ihrer bekannten ruppigen Weise vor«in paar Tagen erklärt, daß ein Reserveoffizier, der sozialdemokratisch wählt, eine ehrvergessene Verletzung seiner Sidespflicht begeht und ohne weiteres aus dem Offizierstand aus- gestoßen werden müßte. DerPost", die diesen PassuS beifällig abgedruckt hat, geht nun aus Reserveoffizierskreisen ein Schreiben zu, in dem dies« Sätze vorkommen: Nach der wohl auch Ihnen bekannten Kabinettsorder dcZ Kaisers ist derjenige ehrlos, der böswillig die Ehre eines andern verletzt. Den Borwurf der Ehrvergessenhcit darf man daher ruhig dem Schreiber zurückgeben, der sich erdreistet, deutsche Osfiziere, die im nationalen Interesse es für richtig halten, in Notfällen zwischen zwei Uebeln daS kleinere zu wählen, zu be- schimpfen und sie mit Ehrenstrafen zu bedrohen, die, wie die Ausstoßung aus dem Offiziersstande nur bei gemeinen Per- brechen verhängt werden. Ich selbst bin seit 14 Jahren in Ehren preußischer Offizier und würde dem die gebührende Antwort zu geben wissen, der sich herausnähme, an meiner Pflicht und Treue gegen Kaiser und Reich zu zweifeln; baß ich aber auch darüber hinaus in Völkischer Beziehung stets meine Pflicht erfüllt und meinen Mann gestellt habe, dürfte wohl Ihnen bekannt sein. DaS ver- hindert mich aber nicht, die Meinung von Hunderten meiner Kameraden zu teilen, daß daS Zentrum in jeder Beziehung ge- fährlicher und verderblicher ist für Reich und Vaterland, wie die Sozialdemokratie, und daß demjenigen kein Borwurf zu machen ist, der aus dieser Uederzeugung die einzig richtige Schlußfolge- rung z. B. bei Wahlen zu ziehen glaubt." Den Mut dieses Mannes in allen Ehren! Daß manche Reserveoffiziere seine Meinung teilen, ist sicher. Wenn aber das Kriegsministerium den Namen deS Mannes erfährt, dann ist er geliefert. Auch der Reserveoffizier muß blindlings gehorchen. Zentrum und gleiches Wahlrecht. Bisher war es hauptsächlich der reiche katholische Feudaladel de» Zentrum», die Ballestrem. Strachwitz . Spee usw.. die sich öffent- lich gegen daS ReichStagSwohlrecht erklärten; seitdem aber daS Zentrum unter Führung des hohen Klerus sich mit den protestantischen Agrarkonservativen verbrüdert hat. mehren sich die Fälle, daß Mitglieder der schwarzen Gendarmerie, Pfarrer, Kapläne nnd Vikar«, sich in öffentlichen Versammlungen gegen das allgemeine, gleich«, geheime und direkte Wahlrecht wenden. So wird aus Haltern iWcstfalen) gemeldet, daß dort der Kaplan Mettke sich vor einiger Zeit in einer katholischen Volksvereinsversammlung mit folgenden Worten gegen die Uebertragung de» ReichstagSwahl- «chts auf Preußen erklärt hat: Zu den gefahrdrohenden Erscheinungen unseres öffentlichen Lebens erscheint auch endlich als letzte, wie ich hervorheben möchte, die in weiten VolkSkreisen bestehende Ueberschätzung deS all- > gemeinen, gleichen, direkten Wahlrechts und die Verkennung der ihm anhaftenden Mängel.. Man kann dem allgemeinen, gleichen unt . W» direkten Wahlrecht nicht nachrühmen, daß eS dem Grundsatze der Gerechtigkeit am besten entspräche. SS ist nicht der Gerechtigkeit ent- sprechend, wenn daS Ungleiche gleich behandelt wird, die Besitzenden den Besitzlosen, dieGe» bildeten den Ungebildeten in dem Recht völlig gleichgestelltwerde n.* Logischerweise müßte der Mann, der so überzeugt ist von der Gefährlichkeit des allgemeinen, gleichen, geheimen Wahlrechts auch für sein« Abschaffung im Reiche eintreten. Aber daS wagt« der iungen Leute sich feiner Herr Kaplan selbst seinen münsterländischen Zuhörern nicht zubieten! tntledigen trachten sollten. Aus dem wiirttembcrgischen Landtag. Die wllrttembergische Zweite Kammer beschäftigt sich seit«inigen Tagen mit den D e ck u n g s v o r l a g e n, die infolge deS Mehr. aufwandes von S 10 Millionen für die Beamtenaufbesserung not wendig geworden sind. Die Regierung will unter allen Umständen eine Erhöhung der direkten Steuern umgehen und nimmt daher ihre Zuflucht zur Schaffung von neuen oder zur Erhöhung bestehender indirekter Abgaben. Einen wesentlichen Teil der Deckungsvorlagen bildet die Aenderung des allgemeinen SportelgesetzeS, das eine Reihe wichtiger Kulturerrungenschaften, Berkehr und Industrie mit zum Teil recht empfindlichen Sporteln belegt und die deshalb von sozialdemokra tischer Seite nicht mit Unrecht als eine Reichsfinanzreform im kleinen bezeichnet wurde. Unser Fraltionsredner Keil rügte die Absicht der Regierung, die neue» Ausgaben mit einer Belastung des Verkehrs zu bestreiten und schlug vor, die direkten Steuern, vor allem die Einkommensteuer, zu erhöhen und zwar in einer dem Prinzip der Progression angepaßten Staffelung, die alle Einkommen unter 3000 M. jährlich von der Erhöhung verschont. Durch die neuen Sporteln würden Handwerk und Industrie stark belastet und führten mit Recht darüber Klage. Gegen eine angemessene Erhöhung der Sporteln, die wirklich den Charakter einer Sporte! haben und für die ein Borteil des Nachsuchenden in Frage komme, habe die sozial. demokratische Fraktion jedoch nichts einzuwenden. Die Anregungen des sozialdemokratischen Redners fanden jedoch bei keiner bürger lichen Fraktion Unterstützung, obwohl einzelne ihrer Redner zugeben mußten, daß die neue Belastung für die Dauer unhaltbar sei. Bei der Einzelberatung gab vor allem eine Nummer des SportelgesetzeS zu interessanten Auseinandersetzungen Anlaß. Die Regierungsvorlage schlug unter anderem vor, für die Erteilung der Erlaubnis der Feuerbestattung durch daS Bezirksamt eine Sporte! von 660 M. für den einzelnen Fall und bei Ablehnung des Gesuches eine Sporte! von 220 M. zu erheben. Durch diese staatliche Be lastung wäre nicht nur für die Feuerbestattung im allgemeinen ein Hemmschuh geschaffen, sondern eS wäre auch die in Stuttgart be- stehende und bewährte Unentgeltlichkeit der Feuer- be stattung über den Haufen geworfen worden. In der Kommission war diese Bestimmung des RegierungS entwurfeS mit acht gegen sieben Stimmen verworfen worden. Im Plenum machten nun Zentrum und Konservative den Versuch, die Regierungsvorlage wiederherzu st eilen, wobei sie ihre bekannte starke Abneigung gegen die Feuerbestattung nicht verleugneten. Genosse Dr. Lindemann konnte nachweisen, daß von dieser Sport«! in Swttgart in erster Linie minder- bemittelte Kreise getroffen würden, denn die über 4000 zugunsten der Feuerbestattung bei der Stadtverwaltung niedergelegten letztwilligen Verfügungen stammten zum größeren Teil von der Arbeiterbevöllerung. Man möge, meinte unser Redner, wenigstens die Toten von der Sporte! freilassen. Unser Redner wurde von den Sprechern der liberalen Fraktion unterstützt und so wurde schließlich der schwarzblaue Vorstoß gegen die Feuerbestattung mit 44 liberalen und sozialdemolraiischen Stimmen gegen 84 Stimmen, der. Rechten zurückgewiesen._ Die ostclbischen Zustände werden wieder einmal grell beleuchtet durch zwei Prozesse vor dem Jnsterburge» Schöffengericht. Ein 71 Jahre alter Hirt« sollte vor Ablauf der vereinbarten Zeit den Dienst ohne gesetzlichen Grund verlassen haben. Deshalb hatte er eine Straf- Verfügung über 15 M. oder drei Tage Haft erhalten. Der Greis erhob Einspruch gegen das Strafmandat mit der Begründung, daß er den Diennst keineswegs böswillig verlassen hätte, sondern nur infolge schwerer Krankheit. Diese» bewies er vor dem Schöffengericht durch ein ärztliche» Attest, da» er sich beschafft hatte, um nicht verurteilt zu werden. Der Amtsanwalt selber beantragte die Freisprechung, vie den» auch erfolgte. Anscheinend bat die Ortspolizeibehörde dem Manne das Strafmandat geschickt, ohne ihn vorher auch nur gehört zu haben. Die einfache Anzeige de» Arbeitgebers genügte zur Strafverfolgung. Dann ein zweiter. Fall. Ein Gutsbesitzer weckt« am LI. De- zember v. I. seinen Knecht in der Weise, daß er ihm Wasser ins Gesicht goß und. als dieses nichts fruchtete, ihm einen Schlag mit dem Leibriemen über dre Schulter versetzte. Darüber geriet der Knecht in Erregung. Er sprang auf, ergriff einen Stock und prügelte den Gutsbesitzer durch. An- geklagt war natürlich der Knecht, der dieser Tage vom Jnster» burger Schöffengericht zwei Monate Gefängnis erhielt. Eine Massenversammlung katholischer Geistlicher befaßte sich dieser Tage in Bonn mit der Frage der Jugend» organisation. Es handelt sich um eine Generalversammlung de» DiözesanverbandeS der katholischen Jüngling«v«eine der Erz» diözöse Köln, die die Regierungsbezirke Köln . Aa-ben und Düffel» dorf mit dem Ruhrgebiet umfaßt. Wie dieKöln . BolkSztg." schreibt, warenfast 850 Geistliche anwesend, unter ihnen gegen 250 Prä, sidci". Präsides heißen in demDeutsch " der Ultramontanen die Geist» lichen, die vom Bischof mit dem Vorsitz in den katholischen Arbeiter-, Ge- sellen-, Jüngling»- und kaufmänniscken Vereinen betraut werden. Die ungeheuerlich große Zahl der Teilnehmer zeugt von der großen Auf- merksamkeit, die die katholische Klerisei, die Zentrumsgristlichleit, dem Jugendfang widmet. Nach dem Jahresbericht ist die Zahl der katholischen Jugend« vereine in der Erzdiözese Köln um 112 gewachsen; sie beträgt jetzt 488, waS annähernd den vierten Teil aller in Deutschland be- stehenden Berein« ausmacht. Die Mitgliederzohl im Bezirk wird auf öS 000 angegeben, wovon 43000 junge Handwerker und Arbeiter feien. Wenn auch viele von diesen lediglich auf dem Papier stehen. so zeigen die Zahlen doch, w i« von den Klirikalen gearbeitet wird. In einer Resolution empfiehlt die Generalversammlung den Seelsorgern auf dem Lande recht dringend, die in die Stadt Abziehenden recht frühzeitig auf die Gefahren der Großstadt aufmerksam zu machen� sie durch die von der Zentral« der katholischen Gesellenvereine erhältlichenprovisorischen Aufnahmeschein e" fl)»och in der Heimat dem Gesellenverein anzugliedern und auch alsbald den Gesellen-«der Jugendpräse« oder s-nstige» Seelsorger de« zukünftigen Wohnorts von der Abwanderung in Kenntnis zu setzen." Ei» Apparat von absoluter Geschloffenheit und Zuverlässigkeit! Doch ist der Zwang und die Aufsicht allzu drückend. als daß die nicht in der Großstadt gar bald zu I« der Stadt sehen sie die Welt und deren Inhalt ander? an als auf dem Lande. Auch dir Verkehr mit ArbeitSgenoffen tut daS seine. Und wenn die jungen Leute sich schließlich auf eigene Füße stellen, brauchen sie noch lange nicht den Gefahren der Großstadt zu verfallen, vor denen sie die freie Jugend- bewegung in viel wirksamerer Weise zu schützen weiß alS es daS bigotte System deS Klerus vermag. Anarchistenhetze. Herr Gustav Landauer schreibt uns: Ende Mai erhielt ich den Besuch von zwei ausländischen Metall- arbeitern, Freunden, einem Schweizer und einem Italiener, die an mich wegen ihres Interesses an der anarchistischen Bewegung empfohlen waren. Die jungen Männer erzählten, daß sie gleich noch ihrer Ankunft in Berlin Arbeit gefunden hatten, daß sie in Moabit arbeiten, daß sie sich über die schmucke Sauberkeit dieses Stadtviertels, das man ihnen im Anschluß an die Polizeikrawalle als Apachenbiertel geschildert hatte, wunderten usw. Sie erwähnten, imFreien Arbeiter" von einem Klub gelesen zu haben, der in Moabit Sitzungen abhalte und sprachen die Absicht aus, da einmal hinzugehen, um sich im Gespräch mit Kameraden in der deutschen Sprache zu üben. Ich warnte sie ein- dringlich, dies zu tun, indem ich ihnen von der ständigen Praxis der politischen Polizei berichtete, alle Besucher dieser Versammlungen teils durch Observation, teils durch widerrechtliche Sistierungen fest- zustellen und die Ausländer ohne weiteres auszuweisen. Die beiden sind trotzdem in eine solche Sitzung gegangen und find am darauffolgenden Montag, den 12. Juni, von der Polizei festgenommen worden. Beiden wurde am folgenden Tage mitgeteilt, daß fie aus Preußen ausgewiesen seien. Bekanntlich gibt es keinerlei RcichSpolizei und auch keine Befugnis zur Ausweisung aus dem Deutschen Reiche. Man hätte also meinen sollen, die beiden könnten nur zur Ueberschreiwng der preußischen Grenze veranlaßt werden. DaS aber geschah nicht; und waS nun geschah und in all solchen Fällen geschieht, ent- spricht zwar den internationalen Polizeiabmachungen gegen die Anarchisten, ist aber völlig ungesetzlich. Der eine, der Schweizer namens Mario Aldephi wurde festgehalten, bis von der Schweizer Polizei die Bestätigung seiner Identität eintraf; am Freitag, den 18. Juni, wurde er von der Polizei mit der Eisenbahn bis Basel gebracht, also durch mehrere nichtpreußische Länder hindurch, aus denen er nicht ausgewiesen war und in denen die preußische Polizei keine Befugnisse hat, und in Basel wurde er, vielleicht durch Vermittelung der badischen oder«lsäsfischen Polizei, aber ohne daß er aus diesen Ländern ausgewiesen war, wie ein Verbrecher, der ausgeliefert wird. der Schweizer Polizei übergeben, was ebenfall» völlig wider- rechtlich war. In der Schweiz war er sofort frei, da er sich in keiner Weise gegen die Gesetze semeS Landes vergangen hatte. Schlimnxer aber erging es dem Italiener, der Andrea Go- vetto heißt und in Allessandria im Jahre 1800 geboren ist. Er sitzt nach Aussage seines Freundes noch heute als Polizeigefangencr in Berlin . Wahrscheinlich, weil die italienischen Behörden noch nicht geantwortet haben oder weil sich die Schwierigkeit ergibt, daß Preußen-Deutschland nicht an Italien grenzt! Ein solches Festhalten eines Mannes nun, der sich nicht gegen die Gesetze vcr- gangen hat, zu dem Zweck der Feststellung der Identität, did auf Grund seiner Papiere feststeht, in Wahrheit zum Zweck der Aus- lieferung an die italienische Polizei, ist völlig ungesetzlich und ist ein Hohn auf internationale Gesittung und Höflichkeit. Ich ver- suche, dem jungen Mann, der völlig hilflos ist, da er kein Wort Deutsch kann, einen Rechtsbeistand zu schicken, halte es aber für richtig, sofort der Ocffentlichkeit von diesen Vorgängen Mittcisiu'.g zu machen._, Das Martyrium eines kranken Soldaten. Der Handle rssohn Nikolaus Schmidt mußte im Oktober 1000 bei der 4. Batterie des 1. bayerischen Fusiartillerie-RegimentS in Ingolstadt einrücken. Da er angab, schlecht zu sehen, wurde er in die beim Garnisonslazarctt München errichtete Station für Augenuntersuchungcn geschickt. Auf Grund der Untersuchungen wurde ihm von dem Oberarzt Dr. Hannschild das Zeagnis auS- gestellt, daß sein Sehvermögen gut und er vollkommen militär- diensttauglich sei. Schmidt kam nun in seine Garnison und mußte natürlich die Uebungen mitmachen. Dabei bekam er jedesmal Stechen auf der Brust, Atembeschwerden usw. Und nun wieder- holte sich bis zum Januar regelmäßig folgendes: War Schmidt zum Dienst angetreten, so meldete er sich nach kurzer Zeit krank. Er kam dann ins Lazarett oder Revier und nach einigen Tagen wurde er zur Truppe zurückgeschickt. Fünf Militärärzte in Jngol- 'tadt hatten den Schmidt im Laufe der Zeit in Behandlung und alle behaupteten sie, der Mann sei gesund, die behaupteten B-- schwerden seien simuliert. Als Schmidt nun am 7. Januar 1010 wieder einmal mit ausgerückt war, bekam er einen Anfall, fiel zu Boden, strampelte mit den Füßen, verdrehte die Augen und iilieb dann anscheinend bewußtlos liegen. Der Batteriechef, Haupt- mann Carl, soll nun damals den Angeklagten schon gestoßen, acohrfeigt und in« Ohr gezwickt haben. Auf Anordnung dxs Hauptnranns wurde seine Brust mit Schnee eingerieben und ihm ein Eimer Wasser über den Kaps geschüttet. Am 25. Januar muhte ich Schmidt an Turnübungen beteiligen. Als er auf den Quer- bäum sich hinaufgezogen hatte, ließ er plötzlich los, fiel herunter und bekam wieder einen Anfall. Auf Befehl des Hauptmanns wurde Schinidt zunächst mit Schnee abgerieben und dann mit kaltem Wusser(im Winter und im kalten Raum) überschüttet, dann mußten ihn die anwesenden Soldaten in eine recht unbequeme Lage bringen. Da er sich aber längere Zeit nicht rührt«, befqhl der Hauptmann Carl zwei Soldaten, sie sollten ihn nach der Kaserne ühren Der Weg führte über den Kasernenhof, Da gab Haupt- nann Carl wiederholt den Befehl:Loslassen". Die beide» Sol- xjten ließen den Schmidt lvs und jedesmal stürzte der Mann zu Boden. Auch über«inen Platz, der mit Scherben bedeckt war, wurde Schmidt geführt und ebenfalls wieder losgelassen. Daß er diesmal nicht in die Scherben hineinfiel, glaubte der Hauptmann wieder als einen Beweis ansehen zu dürfen, daß Schmidt simuliere. Er ritt ihm nach, rief ihn an und da Schmidt nicht reagierte, gab er ihm einen Stoß unter da» Kinn und ein paar Ohrfeigen. Der Oberarzt Dr. Mayer, der bei diesen Vorfällen dabeistand, meinte dazu:Der Kerl könnte schon, wenn ex nur wollte." Hauptmann Carl stieg nun vom Pferde und ging dem Schmidt, der nach der Handwerkerstube geführt wurde, nach und frug ihn, wer er set. Schmidt, der nicht bei Besinnung war, sagte:Der Michel", worauf «r an die Brust gepackt wurde und abermals Ohrfeigen erhielt. 7!ach einer Stund« mußte Schmidt wieder ausrücken. Auf dem Exerzierplatz befahl ihm der Hauptmann Carl, er solle zu ihm herkommen. Schmidt befolgte den Befehl, al» er aber vor dem Hauptmann stand, bekam er einen neuen Anfall. Der Hauptmann befahl nun,«inen Geschützeimer mit Wasser zu holen und die an- wesenden Züannschaften mußten den Kopf bezw. das Gesicht des Schmidt da hineinstecken. Da Schmidt hierdurch aber nicht zum Bewußtsein kam, ließ nun Hauptmann Carl den Mann über 100 mal auf die Füße stellen, worauf Schmidt jedesmal wieder umfiel. Dabei fiel er auch auf die Nase, die dann blutete. Nun mußten die Mannschaften den Schmidt auf die Bauchseite drehen. 'o festhalten, wobei ihn der Hauptmann mit Schlägen traktinüe, chüttelte, an den Ohren in die Höhe zog usw. DieseBehandlung" muerte über zwei Stunden, dann befahl Hauptmann Carl, den Mann einfach liegen zu lassen. Nach einiger Zeit und nachdem der Hauptmann nirgends mehr zu sehen war. packten mitleidige Kameraden den Schmidt, der vollkommen durchnäßt war und sich vor Frost schüttelte, und trugen ihn in die Turnhalle. Außer diesen Mißhandlungen liegt dem Hauptmann Carl noch zur Last. daß er den Angeklagten wiederholt unter das Kinn, auf die Brust tieß, ihn mit Ausdrücken wie Strizzi, Bazzi, Lump, Gauner, Simulant usw. beschimpfte und ihn perDu" anredete. Schmiöt kam nun abermals ins Lazarett, da die Aerzt« aber immer noch keinen KronlheitSbefund konstatieren konnten, erstattete der Haupt- mann gegen ihn Tatbericht wegen Simulation. Nun kam Schmidt is die pjWiüttsich? MtMpg«S ObcrstqlHuztez ivr, Älqj. Hixr