Nr. 175.
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Vorwärts
Berliner Volksblatt.
28. Jahrg.
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Redaktion: S. 68, Lindenstrasse 69.
Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1983.
Sonnabend, den 29. Juli 1911.
Expedition: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1984.
Für den Völkerfrieden.
Eine deutsch - franzöfifche Kundgebung gegen Kriegshetze und Diplomatenintrigen.
beitern Gut und Blut fordert, indes die Besitzenden nach dem Krieg ihr Schäfchen scheren.( Zustimmung.) Haben doch die tonangebenden Blätter der großen Industrie direkt gefordert, es muß zum Kriege kommen. Da müssen die französischen und deut schen Arbeiter alles tun, um dieses verbrecherische Treiben zu durchkreuzen, und alles einsehen, um den Frieden zu erhalten.( Stürmischer Beifall und Händeklatschen.)
Bu einer imposanten Rundgebung gestaltete sich die inter -| Barteigenossen in der französischen Kammer für die Entschiebennationale Manifestation für den Weltfrieden, die die organi- heit, womit fie dagegen aufgetreten sind. War doch der ganze sierten Arbeiter Berlins gestern abend in den beiden Riesen- Marottozug nur ein Vorwand für tapitalistische Interessen. sälen der Neuen Welt" veranstaltet haben. Schon allein die Aber darum braucht Deutschland nicht auch noch in die marokkanigewaltige Teilnahme mag den Herrschenden und den Kriegs- schen Raufhändel sich au mischen. Dadurch wachse nur die hegern zu denken geben. Indes die Gluthize die Besitzenden Kriegsgefahr, die immer in erster Reihe von den Ar= in die Bäder jagt und jeden, der nicht ganz regen Eifer für die Sache hat, ans Haus oder in die Biergärten fesselt, haben fich Tausende gefunden, die allen Unbequemlichkeiten troßten, um der Friedenskundgebung den erforderlichen Nachdruck zu geben. Und mit welchem Enthusiasmus wurden die Reden und die Redner begrüßt! Wie kam es wohl, daß gerade die lange Rede des französischen Genossen Jouhaur, die er in seiner Muttersprache hielt und die folglich von den meisten Anwesenden nicht verstanden wurde wie fam es wohl, daß gerade sie den lautesten und stürmischsten Beifall fand? Es war der elementare Ausbruch des Gefühls der internationalen Solidarität, der Ausbruch der Ueberzeugung, daß nur das treue Zusammenhalten der Arbeiter diesseits und jenseits der Grenzen uns vor den entseßlichen Greueln des Krieges bewahren kann.
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Die Rede wurde vom Genossen Eduard Bernstein ins Französische übersetzt.
Sodann verliest Genosse Cohen die von einer Reihe französ fischer Gewerkschaften eingegangenen Telegramme. Es sind solche angekommen von den Buchdrudern, den Lithographen, den Eisenbahnarbeitern, den 3eichnern und Technikern, die alle den Bemühungen zur Erhaltung des Weltfriedens besten Erfolg wünschen.
Alaffen entgegenzutreten. Der Krieg dient nur den Macht, Raub und Profitgelüften einer kleinen Minderheit, während die große Mehrheit aller Völker den Frieden will, da sie allein die Opfer der Kriege zu tragen hat.
Die Versammelten fordern die Arbeiter Deutschlands wie Frankreichs auf, angesichts der gegenwärtigen drohenden Kriegsgefahr jederzeit auf dem Posten zu sein und ihren ganzen Einfluß zur Verhinderung eines Krieges aufzubieten. Sie for. dern die Einberufung der verantwortlichen Boltsvertretung, um dieser die Mitentscheidung über die Lösung internationaler Konflikte zu ermöglichen.
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Die Versammlung protestiert gegen die Ausiveisung des französischen Kameraden Yvetot , dessen Rede im Gewerkschaftshause" lediglich von der ehrlichen Absicht geleitet war, den Frieden zu dienen.
Sodann wird ein Begrüßungstelegramm ber Patienten ber Heilstätte Beelit verlesen.
,, Abermals bedroht politischer Ehrgeiz den Frieden der Welt unter dem Vorwand des europäischen Gleichgewichts und der Nationalehre. Französische, deutsche und spanische Arbeiter! Ver= einigen wir unsere Stimmen zu einem Ruf des Abscheus gegen den Krieg.
In Anbetracht der vorgerückten Zeit und der Temperatur ver zichtet der französische Genosse Luquet, der eigentlich noch reden sollte, aufs Wort und Genosse Moltenbuhr hält das Schlußwort: Die Friedensidee sei von den Menschen seit Jahrtausenden Nach Millionen zählt heute das organisierte Proletariat Das Wort nimmt sodann Genosse Jouhaur, Vertreter der vertreten worden. Aber sie waren machtlos, sie durchzuführen. in Deutschland . So führte Genosse Molfenbuhr in seinem französischen Generalkommission, von stürmischem Händeflatschen Religionsstifter predigten die Liebe, aber sie scheuten sich nicht, Schlußwort aus. Und sie alle fühlen sich einig in dem Ge begrüßt. Seit 40 Jahren hate ca migreen geherautige Religionsfriege au entfesseln. Seit das fühl, daß es zu einem Kriege nicht kommen darf; daß es zwischen Deutschen und Franzosen . Die gegenwärtige Kund- Bürgertum zur Herrschaft tam, glaubte man, der Friede werde nur die Privatintereffen einer Handvoll Kapitalisten find, gebung wird den Herrschenden zeigen, daß heute eine tiefe Goli- tommen. Statt dessen hat sie erst den Völkermord auf die die der Krieg erfreuen könnte, und daß die Völker nicht dazu darität vorhanden ist zwischen den Ausgebeuteten diesseits und jen- Spige getrieben. Die Rüstungen waren nie so schwer wie da sind, sich für solche Privatintereffen abschlachten zu lassen. feits der Grenze. Die Gewerkschaft, diese friedliche Waffe. der jeßt. Diefelben Leute, die internationale FriedenstonFreilich, nur im Namen des organisierten Prole- Arbeiter, dehnt sich immer weiter aus. Redner schildert eindring- gre ffe abhalten, bewilligen zu Hause Mittel für neue Waffen. tariats fonnte die gestrige Versammlung' sprechen. Aber lich die Rolle der Arbeit und damit die Unentbehrlichkeit der Ar- Wenn das Rüsten so weiter geht, werden die Großstaaten bald werden die Herrschenden es wagen, sich darüber hinwegzu beiter in der modernen Produktion, womit die geringen Rechte der Bankerott machen, und dann werden die Gläubiger den wahren fezen? Oder werden sie daran denken, daß man heutzutage Arbeiter im Widerspruch stehen. So darf es nicht bleiben. Die Friedenskongreß bilden, um das alte Gisen aus dem Konkurs zu feine Rabinettsfriege führen kann, sondern nur noch Kriege, Gewerkschaftsbewegung erfordert zur Erreichung ihrer Ziele die retten. In der kapitalistischen Gesellschaft werden die Kriege nicht welche die begeisternde Zustimmung des Volkes finden? Nun Besserstellung der Arbeiter, nicht allein viele tätige schwinden, weil deren Ursachen bleiben. Der Reichsverbands. wohl, diese Begeisterung ist nicht da! Jedenfalls nicht Mitglieder, sondern eine hohe Opferwilligkeit. Die Arbeiter können general hat gesagt, in Marokko sei Boden für Weizen und Gerste. beim organisierten Proletariat, das hat die gestrige ihre Rettung von keiner anderen Macht erhoffen, als von ihrer Aber wenn man dort Weizen und Gerste baut, dann werden in Versammlung flar bewiesen. Und wenn wirklich der ver- eigenen Straft.( Starter Beifall.) Die Gewerkschaftsorganisa- Deutschland 3ollmauern errichtet, um sie nicht hereinzulassen. brecherische Versuch gemacht werden sollte, die arme, noch tion muß ihre Kräfte zusammenfassen, und wir werden die Hinder- Außerdem gehören die Naturschäße dort doch anderen Leuten. indifferente Masse in Kriegstaumel zu versetzen mögen nisse überwinden, wenn jeder einzelne seine Schuldigkeit tut. Für Dürfen wir sie ihnen rauben? Der kapitalistische Drang die Frevler daran denken, daß der beste, der fortgeschrittenste uns besteht die Gewerkschaftsbewegung nicht allein darin, den nach Bereicherung führt zum Kriege. Die Proletarier Teil des deutschen Volkes und zugleich auch sein größter 2ohn zu erhöhen und die Arbeitszeit zu berkürzen, aller Länder beseelt der Gedante, jegliche Ausbeutung zu beseiTeil den Krieg verabscheut. Das organisierte, daß sozia- sondern das ist nur das Mittel zu dem Zwed, die Arbeiter vorzu- tigen. Dann erst werden die Ursachen der Kriege aus der Welt Das organisierte, daß ſozialistische Proletariat ist der Hort des Friedens. bereiten und instand zu sehen, jene soziale Umwälzung durchzu geschafft sein und dann können sich alle Völker die Hände reichen. führen, die darin besteht, den Ausbeutern die Werkzeuge der Aus- Wenn die deutschen mit den französischen Arbeitern sich verbrüdern, Unter gewaltigem Andrang der Berliner Arbeitermassen fand beutung zu entreißen. Wir haben begriffen, daß die soziale Re- dann gilt das als eine Art Hochverrat. Aber am 12. Juli 1870, am gestern abend die öffentliche Demonstration zugunsten bolution nur durch die wirtschaftliche Revolution Vorabend des Krieges, haben französische Arbeiter in Paris folgende des Völkerfriedens in der Neuen Welt"( Hasenheide) herbeigeführt werden kann. Arbeiten wir deshalb alle Tage daran, Resolution veröffentlicht: statt. Schon um 28 Uhr waren die beiden gewaltigen Säle des den Arbeitern die Mittel ihrer Befreiung zu verschaffen. Redner Etablissements gefüllt, und immer noch strömten neue Scharen verbreitet sich ausführlich über die Idee des Generalherbei. Pünktlich um 8 Uhr begann die Kundgebung durch einen streiks, die bei den französischen Gewerkschaftlern im VorderVortrag des Gesangvereins Typographia", der das Lied„ Das heilige Feuer schüren wir" zu Gehör brachte. Alsdann wurde die grund des Interesses stehe, und findet mit diesem Teil seiner Ausführungen besonderen Beifall bei den französischen Genossen. Noch Versammlung vom Genossen Körsten mit der Tagesordnung Die stärkeren Beifall aber findet er, als er seinen Abscheu vor dem Solidarität der französischen und deutschen Arbeiterschaft" er- verbrecherischen Treiben jener zum Ausdruck bringt, die um kapitaöffnet. listischer Interessen willen die Völker zum Kriege heten. Die Als erster Redner nahm Genosse Robert Schmidt das Stapitalisten aller Länder belauern sich gegenseitig mit neidischen Wort, der die französischen Genossen herzlich begrüßte. Jm ber Bliden, weil jeber für sich die marokkanischen Länder ausrauben gangenen Jahre habe die Generalkommission die französischen Ge- will. Dem müssen wir entgegentreten, sei es selbst unter Einnossen eingeladen, die Einrichtungen der deutschen Arbeiterbewe- setzung unserer Freiheit. Ein Krieg würde nicht nur das Gemezel gung fennen zu lernen. Wohl seien die Mittel und Wege der französischen Arbeiterbewegung andere als die der deutschen , aber von Hunderttausenden herbeiführen, die sich nie gekannt, nie etwas bas könne uns nicht hindern, das herzlichste Einver- guleide getan haben, sondern er würde außerdem die Arbeiternehmen mit ihr zu pflegen. Ueber die politische Tendenz der heute in Frankreich herrschenden Klassen dürfen wir uns keiner fahr ist groß. Aber ein Krieg ist heute nur noch möglich, wenn Täuschung hingeben. Es ist das nicht die Demokratie, die die Voltsmassen zustimmen. Brostestieren wir also, stellen wir den wir wünschen, sondern eine Herrschaft fleinbürger- famen Willen des organisierten Proletariats entgegen. Die Zeit Profitintereffen des Kapitals, die zum Kriege treiben, den unbeuglicher Interessen, während in Deutschland das Junkertum und die Großbourgeoisie die Interessen des Kapitals ver- ist da, unsere Stimme zu erheben und mit aller Macht auszurufen: fochten. Ihnen gilt der Kampf der deutschen Arbeiter- Nieder mit dem Kriege!" Die französisch gehaltene Rede entfesselt gewaltigen, geradezu und Gewerkschaftsbewegung. Redner weist auf die Einrichtungen hin, die sich die deutsche Arbeiterschaft in diesem tobenden Beifall. Lei der Uebersetzung des Genossen Bernstein Kampfe geschaffen hat, nicht als Lehrmeister, sondern damit sie findet die Stelle bom Generalstreik auch bei den deutschen schen Arbeiter ihre Sympathie ausdrückten, lag die deutsche Bouralles prüfen und das beste behalten können. Den französischen Hörern enthusiastischen Beifall. Mit lauten Pfuirufen geoisie mit der französischen Bourgeoisie noch im Kriege. GleichFreunden sei auch nicht die Bekanntschaft mit der preußischen stimmt die Versammlung der Berurteilung des verbrecherischen wohl wurde die Erklärung, die sich doch gegen die feindliche BourPolizei erspart geblieben. Das habe ihnen gezeigt, welchen Striegstreibens der interessierten Kapitalisten zu. Kampf wir zu führen haben und mit wie fleinlichen Mitteln man gegen uns vorgeht. Die Verfolgung Yvetots sei durchaus unberechtigt; er habe nichts anderes zum Ausdruck gebracht als das Streben nach internationaler Verständi gung und nach Frieden. Und in diesem Streben stehen wir an der Seite des französischen Proletariats. ( Stürmischer Beifall.) Redner weist sodann auf die ernsten Stonflikte hin, in die uns die Diplomaten geführt haben. Da gelte es, Partei zu ergreifen gegen die, die den Frieden stören, und das feien alle Regierungen. Die französische Regierung treibe ein freventliches Spiel, und wir danken unseren
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Es wird hierauf vom Genossen Cohen die folgende, mit Beifall aufgenommene Resolution verlesen:
Strieg wegen einer Frage des Uebergewichts oder wegen einer Dynastie kann in den Augen von Arbeitern nichts sein als eine verbrecherische Torheit. Gegenüber den kriegerischen Aufrufen derjenigen, die sich von der Blutsteuer Toskaufen und im öffentlichen Unglüd nur eine Quelle neuer Spekulationen sehen, protestieren wir laut, wir, die wir Frieden und Arbeit nötig haben!
Brüder in Deutschland ! Unsere Spaltung würde nur im Gefolge haben den vollständigen Triumph des Despotismus auf beiden Seiten des Rheins.
Arbeiter aller Länder! Was auch für den Augenblid das Ergebnis unserer gemeinsamen Anstrengungen sein möge, wir, die Mitglieder der Internationalen Arbeiterassoziation , für die es feine Grenzen gibt, wir schiden Euch, als Pfand unauflöslicher Solidarität, die guten Wünsche und die Grüße der Arbeiter Frankreichs ."
( Lautes Bravo!)
Als im März 1871 der Kommunekampf begann und die deut
geoisie richtete, fast wie ein Landesverrat angesehen.
Redner geht hierauf auf die Entstehung des Marokkokonflikts ein. 1904 sagte Bülow, wir hätten in Marokko nur ganz unbedeus tende Interessen. 1905 reiste der Kaiser nach Marokko . In Algeciras wurden dann Beschlüsse gefaßt auf der Voraussetzung der Unabhängigkeit Marokkos . Bald nachdem hatten wir dort auch Gegenfultan Gelb gegeben. Und dazu kam eine französische GeDie Versammelten erklären, daß sie sich eins fühlen mit der sellschaft, die merkwürdigerweise aus lauter Deutschen , Krupp , Arbeiterschaft Frankreichs wie auch anderer Länder, in dem Be - Thyssen usw. bestand. Der feierlich geschlossene Vertrag bon streben, den Völkern den Frieden zu erhalten und allen Machi- Algeciras wurde gebrochen von Frankreich , von Spanien , von nationen der zum Kriege drängenden herrschenden Deutschland . Wie entrüsten sich die Herren, wenn Arbeiter einmal
Die am 28. Juli 1911 in den Sälen der Neuen Welt " ( Hasenheide) zu Berlin bersammelte Berliner Arbeiterschaft begrüßt die Vertreter der französischen Arbeiterschaft und danki ihnen für die Beweise internationaler Kameradschaft und sogenannte Interessen. Mannesmann hatte dem Sultan und dem brüderlicher Friedensliebe.