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Wie gewkrtschastet wird. »Äe Schuldenlast des Deutschen Reiches und der deutschen Bundesstaaten hat im Rechnungsjahr 1909 wieder eine beträcht- liche Steigerung erfahren, wie die soeben veröffentlichte Finanz- statistik nachweist. So hatte zu B e g in n des Rechnungsjahres 1910(also am 1. April 1910) das Deutsche Reich 4SS7 Millionen Mark Schulden gegen 3894 im Jahre 1909 und 3644 im Jahre 1908, so daß im Rechnungsjahre 1909 eine Zunahme um nicht weniger als 633 Millionen Mark stattgefunden hat. In den letzten neun Jahren hat sich die fundierte Neichsschuld um .2241 Millionen Mark oder Proz. erhöht. Die Schulden der Bundesstaaten betrugen 14 729 Millionen Mark gegen 13 679 im Jahre 1909. 12 929 im Jahre 1908, 12 742 im Jahre 1907, 12 307 im Jahre 1906, 12 181 im Jahre 1906 und 10 797 im Jahre 1901. Im Jahre 1910 hat hiernach eine Zunahme um 1050 Millionen Mark stattgefunden. Trotzdem also auch bei den Staatsschulden in letzter Zeit eine starke Steigerung der Ziffer eingetreten ist, haben sie verhältnismäßig nicht so sehr zu- genommen wie die Neichsschulden; in den letzten neun Jahren beträgt die Steigerung 3932 Millionen Mark oder 35 Proz. Die Vermehrung der Schulden war also beim Reich fast dreimal so groß als bei der Gesamtzahl der Bundesstaaten. Zieht man die gesamten fundierten Schulden des Reichs und der Bundesstaaten zusammen, so ergibt sich für 1910 der Betrag von 19 285 Millionen Mark gegen 17 573 Millionen im Jahre 1909, 16573 im Jahre 1908, 16 386 im Jahre 1907, 15 691 im Jahre 1906, 15 205 im Jahre 1905 und 13 112 Millionen Mark im Jahre 1901. Die Steigerung war also mit 1712 Mil« lionen Mark im letzten Jahre erheblich größer als in einem der voraufgegangenen Fahre. In den neun Jahren seit 1901 hat sich die Gesamtschuldenlast um 6173 Millionen Mark, also um mehr als 6 Milliarden Mark oder 47 Proz. erhöht. Klerikal-nationaNiberales Wahlbündnis. Immer wahrscheinlicher wird eS, daß sich bei den nächsten allgemeinen Reirvstagswablen die Rechtsnationalliberalen und da? Zentrum im rheinisch-westsälischen Jndustrierevier zu einem Wahl- bündnis gegen die Sozialdemokratie zusammenfinden werden. Den nationalliberalen Scharfmachern dünkt das Zentrum ein wesentlich»kleineres llebel" als die verhaßte Sozial- demokralie; und die Zentrumsgrößen jener Wahlkreise lassen leine Gelegenheit vorübergehen, um den nationalliberalen Großindustriellen zu versichern, daß sie zur Unterstützung der nationalliberalen Kan- didaten bereit seien, wenn ihnen Gegenseitigkeit garantiert werde. So erklärte erst dieser Tage wieder der Zentrumsabgeordnete Bartscher in einer im Wahlkreise Altena -Jserlohn abgehaltenen Versammlung: »Eine innere KrisiS machen zurzeit die Nationalliberalen durch. Der eine Flügel dieser Partei, die Jungliberalen, unterscheidet sich nicht sondeilich von de» Foriichrittlern, sie seien daher auch wie diese zu behandeln. Mit den Altliberalen hingegen verknüpften uns aus wirtschastlichem und sozialem Gebiet manche Bande. Die Alt- liberalen könnten wir daher bei Stichwahlen un- bedenklich heraushauen, immer vorausgesetzt natürlich, daß Gegenseitigkeit verbürgt sei. Ja, um sogenannte falsche Stichwahlen zu vermeiden, läge unier Umständen die Unter- stützung eines Altliberalen gleich im ersten Wahl- gange nicht außerhalb des Bereiches der Möglich- k e i t. Das setze natürlich eine vorzüglich geschulte Wählerschaft vor- �rnZ. wie sie zum Beispiel die Zcntrumspartei im Wahlkreise Altena - Iserlohn aufzuweisen habe.'_ Zur Nachwahl in Düsseldorf slelle» die Polen auch noch einen eigenen Kandidaten auf. Sie haben in einer Ber'amnilung am 30. Juli beschlossen, den Schrisisleller Dr. Chocacewsli aus Posen als Zählkandidaten zu nominieren._ Ter Konflikt der Techniker mit dem Neichsmarineamt. Aus Technikerkreisen wird uns geschrieben: Die Techniker der Bauämter in Kiel und Wilhelmshaven faßten am Sonnabend den einstimmigen Beschluß, mit dem heutigen Tage aus dem Dienste zu scheiden, weil das ReichSmarineamt trotz der scharfen Kritik der Oesfentlichkeit die Forderungen bis dahin nicht erfüllte. In letzter Stunde noch scheint Herr von Tirpitz einiges Entgegenkommen zeigen zu wollen, ohne sich aber für einen bestimmten Termin zu verpflichten. Damit konnte den Technilery nicht gedient sein, weshalb der einstimmige Beschluß zustande kam. Wie wir nun erfahren, sind in Kiel die Verträge mit den Tech- nikern nach dem VertragSmuster des Deutschen Technikerverbandes geschlossen worden. Aus Wilhelmshaven liegt zur Stunde noch kein dcsinitiver Bescheid vor, so daß die Techniker dort die Bureaus verlassen, falls nicht die gleiche Lösung wie in Kiel gesunden wird. Dasselbe trifft auch für die übrigen Dauämter zu. Hiernach hätte Herr von Tirpitz endlich die Lösung gefunden, zu der er schneller und unter Vermeidung eines Konfliktes ge- kommen wäre, in dem die Oesfentlichkeit nicht auf seiner Seite stand, wenn er von vornherein die Organisation der Angestellten, den Deutschen Technikcrvcrband, der sich zu Verhandlungen sofort bereit erklärte, anerkannt hätte. Trotzdem wird natürlich die Interpellation im Reichstage nicht überflüssig geworden sein, wozu auch noch die Dienstverhältnisse anderer Kategorien seines Ressorts nötigen werden._§ Sozialdemokraten und Soldaten. In der letzten Sitzung des Kriegsgerichts der 17. Division fHan'burg) halten sick die Musketiere Jetschart und Petersen sowie der Gefreile. Dittmann vom Regiment�.Hamburg " wegen deS fluch­würdigen Verbrechens, an einem sozialdemokratischen Pfing st vergnügen teilgenommen zu haben, zu ver- antworten. Eine solche Beteiligung verstößt im Militärstaat Deutschland nickt nur gegen einen Korpsbefehl, sondern es soll dav durch auch die Gefahr eines erheblichen militärischen Nackteils ver- orsackt worden sein. Der Anklage liegt folgendes zugrunde: In der freien..Republik ' Hamburg hält die Polizei nicht allein die Streikposten in Räson, sondern sie läßt auch allerdings heimlich von geheimen Polizisten die Pfingstvergnügungen der Sozialdemokratie überwachen. Dem.Geheimen" Ziegler fiel in dem Festzuge der Sozis die große Zahl der uniformierten Teilnehmer auf, die auch da» Fcstlokal betreten hätten. Herr Zieg- tcr meldete also dieses Vergehen am Allerheiligsten und hatte auch die Genugtuung, die drei von den vielen Soldaten, die mitten mang den Roten gewesen sein sollen, auf die Anklagebank gebracht zu sehen. Die Angeklagten D. und P., deren Führung als tadellos be- zeichnet wird, erklärten, den Charakter der festlichen Veranstaltung nickt gekannt-zu haben, wie sie auch nur vorübergehend im Lokale gewesen seien, während I.. der vor seiner Militärzeit dem Metall. arbeiterverbande angehört hat. aussagte, er sei abends zufällig in das erwähnte Lokal gekommen, was von Zeugen bestätigt wurde. Ter Ankläger äußerte feine sittliche Entrüstung über die Anwesenheit so vieler Militärpersonen auf einer sozialdemokrati- fckcn Feier, welche Erscheinung er als eine Schmach für da» Militär bezeichnete. I. müsse wegen Beweismangels frcige. fprochen werden, dagegen beantrage er gegen die beiden anderen wegen fabrlässigen Ungehorsams je zwei Monate Gefängnis. Das Gericht erkannte gegen I. antragsgemäß auf Frei- sprechung'verurteilte aber die beiden anderen..Uebeltäter" wegen bewußten Ungehorsams zu je zehn Tagen Mittelarrest. Der bewußte Ungehorsam soll nämlich darin liegen, daß beide, als sie ihren Irrtum gewahr wurden, noch ein Töpschen Bier tranken, an- statt sofort aus dem Lokal zu lauf«. Oeltemlcb. Parlamentsschluß. Wien . 29. Juli. D a S Abgeordnetenhaus lehnte nach kurzer Debatte den sozialdemokratischen Antrag auf Erhebung einer Ministeranklage gegen daS frühere Kabinett wegen Erlassung von Notverordnungen ab. DaS Abgeordnetenhaus nahm hierauf den Handelsvertrag mit Montenegro an und ermächtigte die. Regierung, einen provis arischen HaiidelSvertrag mit Portugal abzuschließen und nahm dann den mittags infolge eines Irrtums abgelehnten Resolutionsantrag Sioelzl vetreffend die Fleischeinfuhr nach einem Kompromißantrag an. Da» HauS nahm sodann eine Reibe von NotslandSanträgen an und beendigte die Debatte über die Trohobyczer DringlickteitSanträge. Hierbei gelangte der vom Obmann deS PolenklubS gestellte Antrag zur Annahme, daß die Regierung eine strenge Unlersuchung ein- leiten, die Schuldigen bestrafen, die Opfer und deren Familien ent- schädigen und dem Hanse baldigst einen Bericht erstatten solle. Die übrigen sieben DringlichkeilSuniräge, worin Einsetzung einer parla- mentariichen UntersuckungSkommission verlangt wird, wurden abge- lehnt. Damit war das ArbeilSpeusum der Session erschöpft. Das Hau» trat seine Ferien an. perfien. Tas Parlament gegen den Ex-Schah. Teheran , 29. Juli. Der Medschlis nahm einstimmig den von einer Abgeordnetengruppe eingebrachten Gesetzentwurf an, auf den Kopf des früheren Schahs eine Belohnung von 100 000 ThomanS, und auf die Köpfe seiner Brüder Salar ed Dauleh und Schoa es Saltaneh eine solche von je 25 000 Thomans auszusetzen. Ferner wurde der Vorschlag der Regierung angenommen, das Gehalt des Chefs der Finanzgendarmerie um 250 englische Pfund jährlich zu erhöhen. Dieser Posten wurde dem ehemaligen Militärattache der englischen Gesandtschaft in Teheran , Major Stokes, angetragen. Huo der Partei. Zum Parteitage in Jena . Die Parteigenossen, die als Delegierte oder als Reichstags- abgeordnete den vom 10. 17. September in Jena stattfindenden Parteitag beiwohnen, werden ersucht, ihre Anmeldung bei dem Unterzeichneten umgehend zu bewirken. Ebenso wollen die Genossinnen, die als Parteitagsdelegierte oder zur Frauen- konferenz nach Jena kommen, ihre Anmeldung vollziehen. Das ParteilagSkomitee spricht dabei den Wunsch auS, daß bei der An- Meldung zugleich auch bemerkt wird, ob Hotel- oder Privat- Wohnung gewünscht wird und in welcher Preislage die Wohnung sich bewegen soll. Da dem Komitee genügend Hotel- und Privat- Wohnungen zur Verfügung stehen, weiden die geäußerten Wünsche ihre Berücksichtigung finden. H. Leber, Jena , Magdel stieg 3. Fritz Düvell tot! Am Sonntagnachmittag um 8 Uhr verstarb allen unerwartet Genosse Fritz Düvell, seit Januar d. I. Mitglied der. Redaktion deS sozialdemokratischen Pressebureaus. Der Verstorbene hat nur ein Alter von 3t Jahren erreicht. In jungen Jahren schon kam er zur Partei. Er war Lehrer in Bremen , kam dort mit der Partei in Berührung und bald glühte die starke Begeisterung, deren er fähig war. für die großen Ziele deS Sozialismus, für die Befreiung der Armen und Bedrückten. Mehr noch wie heute war es in früherer Zeit einem staatlichen Lehrer unmöglich, sich als Sozialdemokrat zu betätigen und als Lehrer weiter zu amtieren. Er quittierte den Bremer Schuldienst und ging als deutscher Lehrer an eine Schule nach Neapel , die dort von der deutschen Kolonie unterhalten wird. Einige Jahre war er in Italien tätig, dann trat er als Nc - dakteur in die»Dresdener VolkSzeitung' ein. der er voll« acht Jahre angehört hat. Nun erst in dieser unabhängigen Stellung konnte er seine Talente, seinen Eifer und sein starkes Pflichtgefühl voll in den Dienst der Sozialdemokratie stellen. Un- oblässig war er tälig, nicht nur in der Redaktion als Verfechter unserer politischen Ziele, sondern auch draußen in den Versamm- lungen, in Lehrkursen bei der Jugend und überall, wo eS galt, die Sache der Arbeiterschaft zu vertreten. Besonders die Dresdener Jugend, der er nicht nur Lehrer, sondern auch Freund und Berater war. hing mit großer Begeisterung an ihm. Mit Beginn de» JahreS 1911 siedelte er nach Berlin über, um in die Redaktion de« Pressebureaus einzutreten. Nur kurze Zeit war ihm vergönnt, an dieser Stelle zu wirken. Ein zunehmende? Nervenleiden warf ihn vor fünf Wochen auf» Krankenlager, von dem er sich nicht mehr erheben sollte. In den letzten Tagen stellten sich unerwartet heftige Verschlimmerungen ein, am Sonntag nach- mittag 3 Uhr verschied er. Seine näheren Kollegen und alle, die ihn kannten, werden ihm als treuen Parteigenossen immer ein ehren- de? Andenken bewahren._ Au» den Organisationen. Der sozialdemokratischeVerein für denReich»- tagSwahllreiS AugSburg-Wertingen hielt am 26. Juli seine JahreSversanimluna ab. Der Mikgliederstand ist von 1560 aus 1902 gestiegen. In gleich günstiger Weise haben sich die Kassen- Verhältnisse entwickelt; der Kasseudestand stieg in einem Jahre von rund 600 auf 3200 M. trotz der Ausgaben für ein« im Berichtsjahre stattgesunden« Gemeindewahl. Auch die Entwickelung der im abge- laufenen GeschäflSjahre durch die Partei übernommenen Druckerei und die Ausbreitung der Parleipcesse ist befriedigend. Die sozialdemokrati scheParteiEachfen-Alten- burgS hielt am 29. und 30. Juli ihren 2t. Parteitag in Eisenberg ab. Der vom Landesvorstand erstaltete Jahresbericht weist eine» e> treulichen Fortschritt auf. Die Zahl der organisierten Parteigenossen stieg im BeiichtSjahre l910/1l von 4914 auf 5757. Die Zahl der weiblichen Parteimitglieder steigerte sich von 628 auf 747. DaS Parteiorgan, die»Altenburger Volkszejtung", vermehrte seine Adonneutenzabl von 6813 auf 8746. Die Zahl der sozialdemokrati- schen Gcmeindevenreter stieg von t42 aus 154. Die Gesamt- einnähme der Partei betrug 19 572 M., die Ausgaben 18 130 M. Die Zahl der Organisalionen beträgt 36. Zum ersten Male hatte neben dem Landesvorstand auch die LandtazSfraktion einen schriftlichen Bericht erstattet. ES wurde be- schlössen, daß in Zukunft die Berichte deS LandeSvorstaildeS. der LandlagSfraktion ti»d der Geschäftsbericht der»Altenburger Volks- zeitnng" drei Wochen vor dem Parteitage als Beilage der»Volks- zeitung" zur allgemeinen KeniilniS gebracht werden sollten. Zur besieren Betreibung der Agitation wurde beschlossen, die Landtags« Wahlkreise al« Ag,tatio»Sbezirke einzurichten. Zur Betreibung der Aflilation in diesen Bezirken ist ein Bezirksausschuß von drei Per- soncn zu wädlen, unter denen sich der Landtagsabgeordnete deS Kreise» zu befinden bat. Der Loiidtagsfraklion wurde in einer Re- solution für ihr tatkräftiges Auftreten im Landtag« die Anerkennung des Parteitage» ausgedrückt. Zum deutschen Parteitag in Jena würde die Genossin Eichler au« Eisenberg und Genosse Redakteur Dikreiter-Altenburg gewählt. Für den Wahlkreis Rothenburg -HoherSwerda. der jetzt durch den«baeordnelen Bassermann vertreten ist, fand am 30. Juli in Weißwasser die Geiieralversamnilung statt, auf der ein sehr erfreuliches Wachstum der Partei konstatiert werden konnte. Roch im Jahre 1903 gab eS im Kreise nur 2 Ortsgruppen, jetzt waren 14 Orte durch 35 Delegierte vertreten. Die Mitgliederzahl ist von 697 auf 1128, also um 426 im Berichtsjahre gestiegen. Dw Abonnentenzahl der»Görlitzer BolkSzeitung" stieg um 700 auf 8500. Der Kreis ist, obwohl einig« Jndustrieorit dri» liegen, vorwiegend ländlich, doch sind gerade in den Landorten reckt er« freuliche Fortschritte gemacht worden. Die Einnahmen der KmS« lasse sind um 1050 M. aus 2283 M. gestiegen. Es konnten neben 150 Mitgliederversammlungen 34 Volksversammlungen abgehalten werden. Die sehr junge Bewegung findet in den entlegensten Winkeln deS Kreises jetzt BersammlungSgelegenheit. Erfolgreich konnte auch in Reichsverbandsversammlungen und freisinnigen Versammlungen agiliert werden, da sich im Kreise selbst eine Anzahl guter Redner herausgebildet hat. Von ber Beschickung des Parteitages wurde einstimmig abgesehen, um Kosten und die Zeit aller Parteigenossen für eine ganz intensive Wahlagitation aufzuwenden, die jetzt schon allsonntäglich im Kreise energisch betrieben wird. Die Aussichten für unfern Kandidaten Genossen Neumann-Räschen sind reckt günstig und eS ist nicht ausgeschlossen, daß dos Erbe BassermannS weder von den Freisinnigen(Goldschmidt) noch von den Konservativen cwgetreten wird, die sich darum streiten._ Kommunale Wahlerfolge in Holland . In den letzten Wochen haben in Holland die Neuwahlen und die daher notwendig gewordenen Stichwahlen zu den Gemeinde,» Vertretungen in den Städten und Landgemeinden stattgefunde«. Sie endeten mit mehr oder minder großen Erfolgen für die sozial- demokratische Arbeiterpartei. Nur hier und da find einige Nieder­lagen zu verzeichnen, die jedoch bei dem Gesamtergebnis wenig in Betracht kommen. Soweit die Ergebnisse bis jetzt vorliegen, hat die Partei in 32 Gemeinden 57 Mandate von den Gegnern erobert, und in 13 Gemeinden 15 bisher schon sozialdemokratische Mandate behauptet, während in einigen anderen Gemeinden 7 Mandate verloren gegangen sind. Die stärksten Erfolge kommen natürlich auf die größten Städte und Jndustriebezirke, jedoch zeigt eS sich, daß die Partei auch auf dem Lande Fortschritte macht. So sind z. B. in der stark klerikalen Provinz Friesland 11 Mandate sämtlich in Landgemeinden durch die Sozialdemokratie erobert worden. In Amsterdam ist die Zahl der sozialdemokratischen Stadt- verordneten von 9 auf 12 gestiegen. Im übrigen gehören dort von den im ganzen 45 Mitgliedern des Stadtparlaments 21 der libe- raten und der freisinnig-demokratischen Partei, und 12 den dkei klerikalen Parteien verschiedener Couleur an. Die Steigerung der sozialdemokratischen Vertreterzahl ist übrigens eine bei jeder Wahl regelmäßig wiederkehrende Erscheinung: erst waren eS nur 3, dann wurden es 6, dann 9, und jetzt sind es, wie gesagt, 12 So- zialdemolraten in der Amsterdamer Stadtverordnetenversammlung. Soziales. Ausweisung al» Strafe für unfolgsame Arveiter. Dem Amtsvorsteher Gustav Köhle in Bittkau a. E. gehört das dortige Riitmgut, mit dem auch eine Ziegelei verbunden ist. Hier arbeitete der Arbeiter Labazki, der österreichischer Untertan ist; er war, wie er sagte, ohne Kontrakt eingestellt, so daß er sein ArbeuSverhältniS j derzeit lösen konnte. Das tat et fcnn auch eines Tages, als es ihm an den Fleischtöpfen des Herrn Ritterguts- besitzers nicht mehr gefiel. Aber diese Lösung des Arbcitsverhält- nisses gefiel Herrn Köhle durchaus nicht, denn landwirtschaftliche und Ziegeleiarbeiter sind gegenwärtig eine sehr rare..Ware". Er behielt infolgedessen die Papiere deS Arbeiters Labazki ein, so daß dieser sich nicht nach anderer Arbeit umsehen konnte. Labazk, wandte sich nun in seiner Not an daS Arbeitersekretariat in Magde. bürg um Hilfe. DaS Sekret« tat schrieb an den Ritterguts» und Ziegeleibesitzer und erhielt folgende unglaubliche Antwort: Rittergut Bittkau a. E., den 28. Juli 1911. Arbeitcrsekreiariat, Magdeburg I Auf Ihr Schreiben von gestern teile ich Ihnen höflich mit, daß der Arbeiter Labatzki plötzlich ohne jeden Grund seine Arbeit verlassen hat. Da er trotz wiederholter Aufforderung die Arbeit nicht wieder aufgenommen hat, so habe ich seine Papiere dem Kql. Landratsamt in Stendal übcrsandt, und wird p. L. jedenfalls in den nächsten Tagen über dir österreichische Grenze transportiert. Hochachtend/ /.>-.>, (k. Köhle. Dieser Fall illustriert von neuem die Rechtlosigkeit der AuS- länder in Preußen. Ihre Ausweisung verstoßt gegen das Reichs- sefctz, gegen das internationale Recht und gegen eine Reihe von Staatßverträgen. Aber ein Amtsvorsteher kann mit Bruch dieser Verträge drohen, weil der Arbeiter nicht bei ihm arbeiten will. DicS Verhalten zu ausländischen Arbeitern ist schlimmer als Sklaverei. Wird angeblich dem Profitinteresse eines Unter- nehmerS im Ausland zu nahe getreten, so werden Kriegsschiffe zur Wahrung der deutschen Interessen ins Ausland gesendet und mit dem Säbel gerasselt. Werden deutsche Arbeiter in ihren Rechten mißhandelt, so geschieht nichts derartiges, kann nichts er« folgen, weil Deutschland selbst ja trotz des Hinweises Oesterreichs , Italiens und der Schweiz darauf, daß der Legitimationskartenzwang und die damit verbundenen Ausweisungen einen Bruch der Staats- vertrüge bedeuten, eine Abänderung dieses Mißstandes beharr- lich verweigert. Das oben wiedexgegebene Schreiben des Amts­vorsteher» ist eine deutliche Widerspiegelung der Ansicht, daß Preußens Macht lediglich zugunsten der Unternehmer, in erster Reihe der agrarischen, und gegen die Interessen der Arbeiter in Bewegung gesetzt werden darf. Es schließt eine klare Anerkennung eine? Rechts auf den vom Unternehmertum und der Regierung gegen die Arbeiterklasse geführten Klassenkampfes in sich Fürsorge für unehrliche Kinder. DaS statistische Handbuch für das Deutsche Reich lehrt un», daß 1908 von 1000 ehelichen Kindern im ersten Lebensjahre 168 starben, von unehelichen dagegen 285. Solche Zahlen geben zu denken. Wenn trotz aller philantropischen Redereien auf diesem Gebiete noch kein besseres Ergebnis erzielt worden ist, so führt dies zu dem Schlüsse, daß daS Uebel, wie die Sozialdemokralie oft dargelegt hat, tiefer liegt. DaSRecht", das der erste und oberste Fürsorger sein sollte, zeigt den unehelichen Kindern kein freundliches Gesicht, und daS böse Wort, daß sie unterminderem Rechte" stehen, hat seinen Grund. Freilich hinterher, wenn die Not bereits eingetreten ist, kommt die öffentliche und private Fürsorge und sucht scheinbar zu retten, aber waS ist besser: wenn das Kind rechtlich so gestellt ist, daß seine Verwandten eS von vornherein unterstützen, oder wenn eS hinterher auf fremde Almosen angewiesen wird? Die Berufs« Vormünder sind der Ansicht, daß eine Aenderung der Rechtsstellung des unehelichen Kindes von Grund aus, wie sie so oft von der Sozialdemokratie angeregt ist, mit Aussicht auf Erfolg angeregt werden könnte, aber wohl sei eS möglich, daß Ungerechtigkeiten be- seitigt werden, unter denen durch die heutigen Rechtsanschauungen daS Kind zu leiden hat. Bon diesen Bestimmungen sei erwähnt, daß das Bürgerliche Gesetzbuch dem Kinde sagt: Du bist entgegen der von mir beliebten Regel länger als 302 Tage von deiner Mutter getragen worden; ein ordentliches uneheliches Kind darf sich solche Ausnahmen nicht zu schulden kommen lassen(auch wenn sie, wie bekannt, recht häufig sind», darum wird die Klage gegen deinen Vater abgewiesen. Oder: Deine Mutter hat auch mit an- deren als deinem Vater verkehrt, also erhältst du, uneheliches Kind, gar nichts. Eine Reihe solcher Vorschriften suchten bei Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs insbesondere die Sozialdemokraten u beseitigen. Ueber solche Vorschriften, die das uneheliche Kind urch das Gesetz herabdrücken, haben sich die deutschen BerufSvor» münder auf Anregung des Archivs deutscher Berufsvormünder in Frankfurt a. M. gutachtlich geäußert. Hierüber werden auf der 6. Tagung Deutscher Berufsvormunder, die vom 17. bis 19. Sep­tember 1911 in Dresden stattfindet, Stadtrat Rosenstock-KönigS- berg und Amtsgerichtsrat LandSberg-Lennep Bericht erstatten. Für den 2. BerhandlungStag steht daS Thema: Berufsvormundschast für Geisteskranke auf dem Programm.(Referenten: Rat Dr.,Crase- mann-Hamburg und Prof. Dr. Weygandt-Hamburg .) Der Be- grützungsabend bringt einen Vortrag deS Vorsitzenden des Archivs deutscher Berussvormünder. Professor Dr. Rlumker, über die Be- deujung der Berufsvormundschaftz für die VereinSarhej�