Einzelbild herunterladen
 

Ar. 177. 28. L KeilU desöoraitfs" Kerlim Wksdlck. Sitlirtitj, 1. Zugliß 1511 Der Internationale Bergarbeiterkongreß. London , 27. Juli 1911. 3. Tag. (Fortsetzung.) Tholl(Deutschland ) begründet eine Resolution, in der ver­langt wird, die Arbeit der Kinder unter 14 Jahren im Bergbau und die Beschäftigung jugendlicher Personen unter 16 Jahren ,n » der Grube gesetzlich zu verbieten. Er kritisiert die Zustände, di" noch im Mansfelder und unterschlesischen Revier bestehen und weist besonders auch auf die gewaltige Zahl der Kinder zwischen 13 und 16 Jahren hin, die im britischen Bergbau beschäftigt werden. Auf früheren Kongressen hätten sich die Delegierten GrohbritannienS bei der Abstimmung über diese Frage stets der Stimme enthalten und erklärt, sie hätten von ihren Mitgliedern zu dieser Frage kein Mandat bekommen. Mit dieser Entschuldigung könnte man nicht immer kommen. Die Vertreter der Bergarbeiter müßten nicht allein Führer sein, sondern auch Treiber Wenn die britischen Bergarbeiter in dieser Frage mit ihren kontinentalen Kameraden nicht übereinstimmten, so liegt das daran, daß man sie über die Schäden der Kinderarbeit nicht aufgeklärt habe. B a l l a s(Belgien ) gibt eine Statistik über die Beschäftigung von Kindern im belgischen Bergbau. Wie notwendig es sei, die Kinder aus den Grubenbetrieben zu entfernen und in die Schule zu schicken, beweise die große Zahl der Analphabeten(191 Analpha- beten auf 1666 Einwohner), die es in seinem klerikalen Heimat- lande gebe. Für die britische Delegation, die in diesem Punkte bisher eine sehr unklare Stellung eingenommen hat, sprach der Delegierte S t r a k e r. Die Briten verlangten getrennte Abstimmung über den ersten Teil(Verbot der Arbeit für Kinder unter 14 Jahren) und den zweiten Teil(Verbot der unterirdischen Beschäftigung für Jugendliche unter 16 Jahren). Der Redner erklärte, daß die bri- tische Delegation für den ersten Teil stimmen werde; sie habe kein Mandat bekommen, für den zweiten Teil zu stimmen. Auf den jährlichen Generalversammlungen der britischen Bergarbeiter- Föderation habe noch kein Distrikt den Antrag gestellt, das Verbot der unterirdischen AeschäfH�ung jugendlicher Arbeiter anzustreben. Nach den Satzungen der Föderation könne nur ein angeschlossener Distrikt eine Resolution einbringen. Der Vorstand habe aber be- schlössen, auf der nächsten Generalversammlung entgegen dieser Bestimmung die Annahme einer Resolution zugunsten des Verbots der unterirdischen Beschäftigung jugendlicher Arbeiter vorzu- schlagen. In den Beratungen über das neue Berggesetz, die äugen- blicklich im Parlament stattfinden, hätten die Vertreter der Berg- arbeiter beantragt, das Arbeiten aller Kinder unter 14 Jahren im Bergbau zu verbieten. Der Redner spricht den Deutschen , die es in der Einschränkung der Kinderarbeit schon so wert gebracht hätten, ein hohes Lob aus. I ar o l i m(Oesterreich ) schildert die Errungenschaften der öfter- reichischen Arbeiter auf diesem Gebiete. Kinder unter 14 Jahren würden im österreichischen Bergbau nicht mehr beschäftigt; auch sei die unterirdische Beschäftigung jugendlicher Arbeiter fast gänzlich verschwunden. Eine Gcsctzesvorlage über das Verbot der Kinder- arbeit habe im letzten Parlament die Zustimmung der Regierung gefunden. Durch die Auflösung des Reichsrats sei das Gesetz nicht erledigt worden. Er schließt seine Rede mit einem Appell an die britischen und französischen Kameraden, in dieser Frage endlich mit ihren Freunden aus den anderen Ländern in Reih und Glied zu treten. S o r r i a u x(Frankreich ) erklärt im Namen der fran- zösischen Delegation, daß seine Freunde sich wie in früheren Jahren der Abstimmung enthalten müssen, da sie von ihren Ge- werkschaften kein Mandat erhalten hätten. Der erste Teil wird einstimmig angenommen; bei der Abstimmung über den zweiten Teil der Resolution enthalten sich Großbritannien und Frankreich der Abstimmung. Zu dem sechsten Punkte der Tagesordnung lidgen Anträge ouS Oesterreich, Belgien , Deutschland und Frankreich vor, die die Einführung des Achtstundentags mit Ein- und Ausfahrt für Unter- wie Obertagearbeiter verlangen. C i n g r(Oesterreich ) berichtet über die Dauer der Arbeitslosigkeit im österreichischen Bergbau und betont die Wichtigkeit des Prinzips, die Ein- und Ausfahrt als zur Arbeitszeit gehörend zu betrachten. In Oester - reich, wo im Steinkohlenbergbau der gesetzliche N e u n stundentag einschließlich Ein- und Ausfahrt eingeführt sei, dauere die effek- kleines feuilleton. Was beim Fliegen verdient wird. Die Tage der großen Rennen der Lüfte sind für dieses Jahr vorüber, die Entscheidungen über die großen Preise sind gefallen und eine ganze Reihe kühner Pioniere der Lüfte, die zu Beginn des Jahres vielleicht nichts besaßen als ihren Wagemut, sind nicht nur berühmt, sondern auch Besitzer eines Vermögens geworden. Das Jahr 1910 war noch dasJahr der Flieger-MeetingS", das Jahr 1911 wurde bereits die Saison der großen Rennen, und damit wuchsen auch die Preise zu sechsstelligen Zahlen au. An der Spitze steht wohl der deutsche Rund- flug, bei dem insgesamt 442 666 M. an die Teilnehmer ausgezahlt wurden, der europäisch� Rundflug stellte zusammen 376 660 M. für die Flieger zur Verfügung, England hatte für den englischen Rundflug 264 606 M. ausgesetzt und die beiden schwierigen Rennen Paris Rom und Paris Madrid verfügten je über 126 666 Mark. Das große Los in dieser Lotterie des Erfolges hat Beaumont gezogen, der insgesamt im Verlaufe von kaum drei Monaten 468 660 Mark erhalten hat. Er gewann im europäischen Rundfluge 123666 Mark) im englischen Rundfluge 266 666 M. und als Sieger des ersten Preises Paris Rom 86 666 M. Sein gesähr- lichster Nebenbuhler VedrineS hat rund 166 66 M. eingenommen. An dritter Stelle steht wohl Garros, der als Teilnehmer der Flüge Paris Madrid und Paris Ronrlsowie deS curopäischeu Rundfluges 126666 M. empfing. Aber es ist ein mrter den Laien vielfach verbreiteter Irr- tum, anzunehmen, daß die Flieger diese gewonnenen Summen für sich allein verdient haben. Sie haben einen erheblichen Teil der Kosten selbst zu tragen. In der Regel besteht ein Abkommen mit der Flugmafchinenfabrik, die mit ihren Rennern einen Vertrag schließen, wonach die Hälfte der Gewinne der Fabrik, die andere Hälfte dem Flieger zukommt. Dabei muß der Flieger seine persönlichen Aus- gaben selbst bestreiten, während die Fabrik das Flugzeug und den Motor liefert, die Organisation des Rennens milbezählt und alle LuSbesserungeu beträgt. Musik. Am Sonntag wurde in der sommerlichen Hagin-Oper bei Kroll ein Werk sehr kühl aufgenommen, das ein besseres Schick- sal durch eine bessere Darstellung verdient. Julius Bittner hat unter dem TitelDer M u s i- kant" eine Oper gedichtet und komponiert, die er gar nicht so, sondern nur alsZwei Akte" bezeichnet. Er führt uns ins Jahr 1786 in eine süddeutsche Duodez-Residenz. genannt Salburg, und in das zugehörige Nest Gscheidheim. Es ist die Zeit, in der die fürst- lichen und anderen Herren zwar die Musikanten zum Amüsement gerne haben, je nach Bedarf aber sie auch mißhandelten. Es ist auch die Zeit, in der durch die Herrschaft des Italienischen in der Musik hindurch deutsches Fühlen sich emporrang und das neuere deutsche Kunstlied in seinen Anfangen war. Der fahrende Tonlünstler Wolfgang Schönbichler komponiert rasch eine Serenade für den Herzog und führt sie mit Erfolg auf. Er komponiert aber auch ein Lied so recht aus deutschem Herzen heraus. Seine Geliebte die Sängerin Violetta, singt es vor den Lcuten in ihrer italienischen Weise, Den lustigen Spießbürgern tio« Arbeit kaum länger als in Großbritannien , wo der Acht- stundentag ohne Ein- und Ausfahrt Gesetz wäre. Calnewart(Belgien ) schildert den Fortschritt, der in Bel- gien in der gesetzlichen Beschränkung der Arbeitszeit der Berg- arbeiter im letzten Jahre gemacht wurde. In Belgien bestehe >etzt der neuneinhalbstünhige Arbeitstag für Bergarbeiter; im nächsten Jahre trete der gesetzliche Neunsinndentag in Kraft. London , 28. Juli 1911. 4. Tag. In der Donnerstagsitzung wurde die Diskussion über den Acht- stundentag fortgesetzt. Schmidt(Deutschland , H.-D.) führt aus, daß Deutschland , obwohl es sozialpolitisch anderen Ländern in manchen Beziehungen voraus sei, in bezug auf die Einschränkung der Arbeitszeit noch hintenan stehe. Die Länge der Schicht hänge ganz von dem Ermessen der Werkbesitzer ab. Die einzige gesetzliche Einschränkung der Arbeitszeit, das Verbot, an heißen Orten nicht länger als sechs Stunden zu arbeiten, werde durch die Umgehung der Gesetze illusorisch gemacht. Degrehaut(Frankreich ) bc- richtet, daß das Achtstundengesctz, das den französischen Berg- arbeetern nach dem furchtbaren Unglück zu Courriere gewährt worden sei, von den Werksbesitzern regelmäßig umgangen werde. Lange Schichten, die nach dem Gesetz nur die Ausnahme bilden sollten, würden durch Androhung von Maßregelungen erzwungen. Eine Abänderungsvorlage zu diesem Gesetz, die manche Forderung der Bergarbeiter erfülle, sei vom Senat gänzlich verstümmelt Wochen. Die vier Resolutionen wurden einstimmig angenommen. Zu dem PunktAlters- und Invalidenrenten" liegen Rc- solutionen von Oesterreich , Frankreich und Belgien vo» Ebert (Oesterreich ) schildert die österreichischen Bruderladen, die eine ver- schlechtere Ausgabe der, deutschen Knappschaftskassen darstellen. Die österreichischen Bergarbeiter strebten danach, die Bruderladen abzuschaffen, um der allgemeinen Arbeiterversicherung angegliedert zu werden. Lombard(Belgien ) berichtet über das neue Alters- rentengesetz in Belgien , das nächstes Jahr in Kraft treten soll. Nur sehr geringe Renten sollen bezahlt werden(366 Frank jähr- lich nach dem 66. Lebensjahre und 36 Jahren Grubenarbeit), immer- hin müsse das Gesetz als ein Fortschritt bezeichnet werden. Bartuel(Frankreich ) klagt über die winzigen Altersrenten, die den französischen Bergarbeitern bezahlt würden. Die französischen Bergarbeiter hätten beschlossen, noch einmal zu versüchen, die Re- gierung zu bestimmen, etwas für die alten Bergknappen zu tun; werde ihnen kein« Satisfaktion gegeben, so würden sie zum Streik areifen. Leimpeters(Deutschland ) sieht in Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit davon ob, näher auf das deutsche Versichc- rungsshstem einzugehen. Er fordert das internationale Sekretariat auf, einen umfassenden Bericht über die Sozialversicherung der ver- schiedenen sstaaten herauszugeben. Die deutschen Bergorbeiter ver- langten eine Rente von mindestens 966 M. jährlich; der Forderung der Belgier und Franzosen , die eine Mindcstrente von 666 und 736 Franks wünschten, könnten sie nicht zustimmen. Die Anträge werden schließlich mit der Bestimmung, daß die Mindestforderungen der Belgier und Franzosen für andere Natignen nicht maßgebend sein sollen, einstimmig angenommen. Eine interessante Diskussion entspann sich darauf über das Thema:Exmissionen". Großbritannien hatte dem Kongreß einen Antrag unterbreitet, in dem die schlechten Wohnungsverhältnisse der Bergarbeiter und die Praxis der Werkbesitzer, streikende Ar- beiter aus den Zechenwohnungen zu exmittieren, verurteilt wird. Es wird ein Gesetz verlangt, das derartige Exmissionen während eines wirtschaftlickjen Kampfes verbietet. G i l m o u r(Groß- britannien) geißelt mit scharfen Worten die barbarische Kriegs- führung gewisser Unternehmer, die während eines Streiks die Frauen und Kinder der Streikenden auf die Straße setzen, um Platz für Streikbrechergesindel zu schaffen. Dejardin(Belgien ) berichtet über ähnliche Zustände in Belgien . Vor kurzem sei«ine belgische Gesellschaft während eines Streiks nur nicht zur Ex- Mission von 966 Berarbciterfamilien geschritten, weil man einen Aufstand befürchtete. Um die elenden Wohnungsverhältnisse der belgischen Bergarbeiter zu charakterisieren, zitiert er aus dem kürzlich veröffentlichten Bericht einer Gesellschaft für WohmmgS- rcform. Die Mitglieder dieser Gesellschaft berichten über Berg- arbeiterhäuser im Lüttichcr Bezirk, die ckucn Kaufwert von nur 966 Franks hatten. Kattenberg(Deutschland ) verurteilt das Vorgehen deut- »cher Werksbcsitzer, die streikende Bergarbeiter, wie vor kurzem in der Lausitz , auf die Straße setzten. Um den ausländischen Käme- raden daS Wohnungselend in Niederschlesien zu veranschaulichen, hat er einige Photographien der Einzimmerwohnungen mit- gebracht, in denen ein Drittel der niederschlesischen Berg- arbeitsr hau,en. Er spricht den Wunsch aus, daß das internationale Sekretariat bald einen Bericht über das Woh- nungswesen in den Bcrgwerksbezirken der herschiedenen Länder herausgeben möge. Cadot(Frankreich ) schildert die Verfolgungen, die die organisierten französischen Bergarbeiter nach ihrem letzten großen Streik erleiden mußten, wie sie nicht allein aus den Zechen- Wohnungen gewiesen wurden, sondern auch wegen des von den Unternehmern ausgeübten Tcrrorismus bei den Bauern kein Unter- kommen finden konnten. I a r o l i m(Oesterreich ) beschreibt die Kampfesweise der österreichischen Unternehmer, die streitende Ar- beiter nicht nur exmittieren, sondern auch, nachdem sie die Arbeiter unterstandsloS gemacht, in ihre Heimat zurücktransportieren ließen. Die Resolution wurde einstimmig angenommen. Eine von Großbritannien gestellte Resolution, in der sich die Bergarbeiter für den Frieden aussprechen und die Einführung von internationalen Schiedsgerichten verlangen, wurde von dem greisen Bergarbeitervertreter B u r t begründet. H u e(Deutschland ) ver- sicherte iU einer mit großem Beifall aufgenommenen Rede den An- wesenden, daß die große Masse des deutschen Volkes für den Frieden eintrete. In Deutschland wie in anderen Ländern bildeten die Kriegshetzer nur einen winzigen Teil des Volkes. Herr Lloyd George habe von der Unvermeidlichkeit des Krieges gesprochen, wenn die Lcbcnsintcressen des Landes gefährdet seien. Wer aber be- stimme, daß dieser Fall eingetreten sei? Nicht das Volk, das in allen Fällen unter dem Kriege leiden müsse. Selbst ein siegreicher Krieg sei für das Volk ein Unheil. Er weise auf Deutschland , das sich durch seinen Krieg mit Frankreich und die Annektierung Elsaß -Lothringens eine Nüstungsschuld von 5 Milliarden Mark auf­gebürdet habe, die wie ein Alp auf dem deutschen Volke laste. Die Verschlechterung der Lag- des japanischen Volkes nach dem sieg- reichen Krieg« mit Nußland, des englischen Volkes nach dem Buren- kriege lege Zeugnis davon ab, daß der Krieg in jedem Falle ein Unglück für das Volk bedeute. Q u i n t i n(Frankreich ) schließt sich den Worten des Vorredners an. Die Resolution wird unter stürmischem Beifall angenommen. Nach Schluß der Donnerstagsitzung besuchten die Kongreß- delegierten die im Norden Londons gelegene Gartenstadt Hampstead , wo sie recht interessante Wohnungsstudicn machten. 5. Tag...... London 28. Juli 1911.' Am letzten Tage beschäftigte sich der Kongreß mit der Frage der Regelung der Produktion. Die Belgier verlangten in einer Resolution, daß zur Erreichung der Regelung der Kohlenproduktion im Notfalle ein internationaler Bergarbeiterstreik erklärt werden sollte. Die Franzosen forderten die Arbeitseinstellung für den Fall, daß in dem Nachbarlande ein allgemeiner Streik proklamiert worden sei. Calnewart(Belgien ) bemerkt einleitend, daß es nicht an- gehe, eine so wichtige Frage wie die Regelung der Produktion stets am Ende des Kongresses zu diskutieren. Er wünscht, der Kongreß möge das internationale Komitee beauftragen, einen Aktionsplau zur Regelung der Produktion zu entwerfen, um ihm im nächsten Jahre dem Kongreß gleich beim ersten Punkt der Tagesordnung vorzulegen. Es müßten Lösungen zu den folgenden drei Fragen gefunden werden: Wie kann der Ueberproduktion mit den daraus resultierenden Feierschichten und Löhnkürzungen entgegengewirkt werden? Wie kann die Einfuhr von Kohle in ein Land, wo die Bergarbeiter streiken, verhindert werden? Kann der Krieg dadurch verhindert werden, daß die Bergleute die Arbeit einstellen? Cadot(Frankreich ) begründet die Notwendigkeit des franzjj- fischen Vorschlags mit dem Hinweis darauf, daß die von dem rhei- nisch-westfälischen Kohlensyndikat organisierte Ueberproduktion auf die Lebenshaltung der nordfranzöfifchen Bergarbeiter drücke. Als sich vor kurzem die Vertreter der Bergarbeiter und Unternehmer des nordfranzöfifchen Kohlengebietes zusammenfanden, um über eine Lohnforderung zu verhandeln, seien zur selben Zeit große Mengen Kohle von dem deutschen Syndikat in Arras und Douay den Händlern und Fabrikanten zu Schlenderpreisen angeboten worden. Die französischen Unternehmer hätten angesichts dieser Schmutzkonkurrenz die Lohnforderung nicht bewilligen können. Pläßmann(Deutschland ) bedauert, daß es wegen der Kürze der Zeit, die ihm zur Verfügung stehe, nicht möglich sei, die von dem rheinisch-westfälischen Kohlensyndikat befolgte Wirtschaft»- von Gscheidheim, die sich an Alkohol und Hofmode beschwipsen, ge- fallt das außerordentlich. Nur Schönbichler ist darüber und über das Kokettieren Violettas mit demSpielgrafen' des Herzogs un- glücklich. Der entführt sie; der Musikant fährt dazwischen, wird aber von des Grafen Dienern hingeworfen und in Fesseln liegen gelassen. Inzwischen war jedoch durch das ganze Stück still und bescheiden noch eine Mnsikantin gegangen, Friederike, mit heim- lichcr Liebe zum Musikanten. Jetzt befreit sie ihn von seinen Fesseln und seiner Verzweiflung und führt ihn, künstlerisch mit» fühlend, zu seinem Schaffen zurück, als eine Muse des deutschen Liedes. Das hat Bittner komponiert mit Aufgebot moderner musikali- scher Darstellungsmittel, doch ohne Uebermaß im Orchester, mit reichlicher Verwendung der Harfe und der Humortöne, die nament- lich im Fagott liegen. Aber er verwendet seine Darstellungsmittel dazu, uns anschaulich in die damalige Rokokozeit der Musik zurück- zuversetzen, in die Kombination von Innigkeit und Tändelei, kind- licher Einfachheit und emporstrebendem Reichtum, Heimischem und Fremdem. Er hat sein Werkdurchkomponiert", d. h. er läßt keinen Dialog spreckwn und läßt auch charakteristische Trivialitäten singen, und er legt sein Wer? nicht aufNummern" an, ausgenommen die aus der Gesamtanlage heraus notwendigen Einzellieder. In leb- haftcm Wechsel begleiten seine mannigfach verschiedenen Rhythmen und Weisen und Klangfarben die Vorgänge, stellcnwcis breit wie das Textbuch, das aber im guten Sinne literarisch durchgearbeitet ist. Das Ueberviel an einzelnen charakteristischen Gegensätzen läßt leider die großen Linien fehlen, in denen der Komponist seine eigentliche Pointe: das Widerspiel deutscher und welscher Musik, ausführen könnte. Die Regie Ivar nicht übel und einige Sänger, zumal der Tenor R ö s n e r als Träger der Hauptrolle, waren sehr gut. Allein der ersichtliche Mangel an Probenzeit, die Unzulänglichkeit der meisten Mitwirkenden und die verderblicheKrollbude" liehen nur eben ahnen, was aus dem Werk herausgearbeitet werden könnte. Julius Bittner verdient eineWiederaufnahme des Verfahrens". sz. Humor und Satire. Argument. Warum nach Marokko schweifen oder sonst in Afrika nach'nein Tropeillaiidesstreisen? Sieh', das Uebel liegt so nah'! Warum sucht man Interessen in dem fernen Lande SuS? Auch in Deutschland kann man messen vierzig Grad»ach Celsius. Warum nach dem Palnienfelde euch der lange Finger juckt! Auch daheim gedeiht in Bälde jedes Kolonialprodukt. Warum sucht ihr mit Kabylen und dergleichen Räubern Streit, deren Rolle selbst zu spielen ihr daheim so glücklich seid?» Ja, es scheint, daß niibts uns fehlte was da wächst in Afrika ; beispielsweise gibts Kamele, weit ich, hier so echt wie da. Auch an Schwarzen, wohlverstanden, keineswegs es uns gebricht, unsere Forscher sicher fanden schwärz're auch da unten nicht. Kurz und gut, eS scheint mir rätlich, da sich doch nichts neues fand': bleibt im Land und nährt euch redlich oder doch, was ihr so nennt. Franz. Notizen. Der Zensor wacht. Trotz der großen Hitze tut die Ber« liner Zensur unentwegt ihre Pflicht. Und die heißt: konfiszieren. Zuerst trafs einen alten Schriftsteller, der aber im Verdacht steht. noch viel jünger zu sein wie mancher annoch lebender Literaturbonze: Herrn Giovanni Boccaccio , den Verfasser der'schon so oft verklagten, l beschlagnahmten, verbrannten und immer wieder ge- druckten und gelesenen Dekamerone. Es war diese Tat aber nur ein halbes Verdienst unserer Hochlöblichen; denn die in einem Berliner Verlage erschienene Ausgabe wurde beschlagnahmt, weil sie fünf Illustrationen von Bayros enthält, der in München kürzlich moralisch�enthauptet wurde und nun als Freiwild gilt. Aber der zweite«schlag war die ureigene, unteilbare Tat Berliner Zensorcntnms. Hyan heißt der Attentäter, der eS gewagt hat, in seinem RomanDie Verführten' ein psychologisch und sozial vertieftes Bild eines Berliner Verbrechers zu entwerfen. Unsere Leser kennen den Roman(er ist im vorigen Jahr unter dem TitelIm Namen deS Gesetzes' in unserem Feuilleton erschienen). Dieser Roman eröffnet Einblicke in grauenhafte Verhältnisse, die zweifellos konfiskabel sind. Aber warum das mutige Buch, das allerdings die Polizei nicht ver- herrlicht und kein sensationeller Kriminalroman ist, konfisziert werden mußte, daS wird uns die Polizei erst noch sagen müssen. Ob unser Feuilleton nun nachträglich auch noch konfisziert wird? D a s A b b e- D e n k m a l, über das wir wiederholt während seines Entstehens berichtet haben, ist am Sonntag in Jena vor den Werkstätten enthüllt worden, in denen Abbes Arbeit fortgeführt wird. Drei Künstler haben dabei zusammengenMkt: Van de Velde schuf den Tempelbau. in dem MeunierS gewaltige Reliefs vom Denkmal der Arbeit'(in Bronzeabgüsien) ihre Stätte finden, wäh- rend inmitten de? Tempels sich eine kolossale Marmorbüste Abbes von KlingerS Meisterhand erhebt. AbbeS Schaffen und Wirken ist in diesem Denkmal würdig symbolisiert, das ein Denkmal der Arbeit ist, wie sein Lebe» Arbeit war, Arbeit im Geiste der Kultur und im Dienste der Gesamtheit. Ein G a u ß t u r m wurde auf dem Hohenhagen bei Dräns- seid eingeweiht. Der Turm, der eine der schönsten und weitesten Aussichten im südlichen Hannover bietet, dient der Erinnerung an den großen Physiker Gcnitz, der hier vor 96 Jahren Versuche an» gestellt hat.