siatische Cholera konstatirt worden sei oder nicht, von dem Ver-waltnngsdireklor des Krankenhauses Herrn Merke in derschroffsten Form die Antwort:„Es giebt keine Aus-kunft." Ein weiteres Wort hatte Herr Merke nicht übrig.Wenn ein derartiges Verhalten nicht zur Beruhigung desPublikums beiträgt. so ist das nicht unsere Schuld. Indessenscheint aus dem Wechsel der Praxis der Direktion doch nichtauf eine besorgniperregende Verschlimmerung der Verhältnissegeschlossen werden zu müssen. Die Sanitätskommission desPolizeipräsidiums hatte wenigstens von etwaigen neuen Cholera-fällen keine Kenntniß. Sie war auch davon noch nicht benach-richtigt, wie es mit dem Arbeiter Kaiser steht. Es war ihr, undzwar durch die Schifffahrtspolizei, nur mitgetheilt worden, daßeine Schiffersfran als verdächtig in das Moabiter Krankenhausgebracht worden sei. Es hieß jedoch, daß diese Frau schon seitJahr und Tag krank sei, gegenwärtig nicht einmal an Er-brechen leide und also aller Wahrscheinlichkeit nach nicht cholera-krank sei."Von anderer Seite wird über den Stand der Cholera inBerlin gemeldet, daß die eine Stieftochter des Schiffers Pinnow,Emilie Schlüsselburg, der Krankheit erlegen ist. Es befindensich in der Cholerastation noch zwei Patienten, die au derasiatischen Cholera leiden. Aus der Beobachtungsstationsind acht Personen entlassen worden, darunter der SchifferPinnow mit Frau und Kind. Es verbleiben in der Beob-achtungsstation noch 7 Personen, deren Entlassung in den nächstenTage», erfolgen dürfte. Was den vom Reichstagsbau unterCholera verdächtigen Erscheinungen eingelieferten Arbeiter Kaiserbetrifft, so hat es sich herausgestellt, daß er die Ruhr hat. Beider städtischen Scrnitätskommission sind im Laufe des vorgestrigenund gestrigen Tages keine neuen Erkrankungen an der Choleraund nur sieben Fälle von Brechdurchfall gemeldet worden. Vonden an der Brechruhr Erkrankten sind drei unter Aufsicht derBezirksphisici in ihren Wohnungen belassen, und drei demKrankenhaus Friedrichshain überwiesen worden; einer wurdenach Moabit geschickt. Im Krankenhaus Friedrichshain befindensich zur Feit keine Cholerakranke. Wegen der Choleragefahrhat die Direktion der Charitee angeordnet, daß die Besucher derAnstalt bis auf weiteres ihren Angehörigen Eßwaaren irgendwelcher Art nicht mitbringen dürfen. Packete werden nach wievor für Kranke in der Charitee angenommen; falls sich aberspäter ergiebt, daß sie Speisen enthalten, so werden diese denKranken sofort entzogen.„Pseudo-Cholerabazillen"— unter diesem Titel ver-össentlicht ein bekannter hiesiger Arzt eine kleine Abhandlung inder„Berliner klinischen Wochenschrist", in welcher er auf dasVorkommen gewisser denfcechten Komma-Bazillen ähnlicher Mikro-Organismen hinweist, die für uns insofern besonderes Interessehaben, als die eine Art sich im Berliner Leitungswasser findet.Professor Rubner vom hiesigen hygienischen Institut hat nämlichin dem Wasser der Straulauer Werke in diesem Sommer— alsvon asiatischer Cholera Hierselbst noch keine Rede war— einenPilz gefunden, den Vibrio Esrolinsnsis, der genau dieselbeorm und fast die gleichen Lebensäußerungen zeigt, wie deromma-Bazillus. Auch im Elbwaffer zu Hamburg ist von demDirektor des dortigen hygienischen Institutes, Professor Dunbar,ein durchaus ähnlicher Bazillus entdeckt worden, und esliegt recht wohl die Möglichkeit vor, daß die„echten"und„falschen" Cholera-Bazillen mit einander verwechseltworden. Das ist aber, vorausgesetzt, daß es sich dabeiwirklich um verschiedene Bazillenarten handelt, praktischgerade gegenwärtig von großer Bedeutung, wo eben erst in denletzten zwer veröffentlichten Fällen angeblich mit aller Bestimmt-heit die echten Kommabazillen gefunden worden sind. Der Ver-fasser betont denn auch mit Rücksicht darauf, daß bei derSchwierigkeit der Untersuchung augenblicklich mehr denn jeVorsicht und Reserve in der Deutung der aus Flüssen undLeitungswasser stammenden Bakterien geboten ist.Zwei Seelen wohnten, ach, in seiner Brust. Die Abend-blätter veröffentlichen folgende Notiz:„Der Stadtverordnete Dr. Barth hat sein Mandatniedergelegt."Als Stadtverordneter war Herr Barth der Führer der Radi-kalen, d. h. Wasserftiefler, als Reichstagsabgeordneter dagegen„Volks"vertreter Rickert'scher Observanz, d. h. Wadenstrümpfler.Es scheint also, daß die Berliner kommunalen Wasserstiefler denreichstäglichen Wadenstrümpfler aus dem Rothen Hause raus-gebissen, d. h. rausgeärgert haben.In der räthselhaften Affäre, welche sich am 19. d. M.im Hause Friedenstraße 96 abgespielt hat, haben nunmehr vonfeiten des Untersuchungsrichters am jüngsten Freitag sowohlLokaltermine am Thatort als auch Vernehmungen des Helbingund der Emma Trappe im städtischen Krankenhause am Friedrichs-Hain stattgefunden. Das„Berl. Tageblatt" berichtet hierüber:In betreff des vermißten Lakens mit den Blutspuren gab nun-mehr Frau Trappe an, daß dieses Laken von ihr inzwischen ge-waschen worden sei, auf die Frage aber, wo dasselbe sich zeitüberbefunden, gab sie keine Antwort. Dagegen erklärte sie ungefragt,daß Helbing sich selbst die Verletzungen beigebracht habe, undblieb auch dabei, obwohl festgestellt und ihr vorgehalten wurde,daß sie während der Zeit der That gar nicht zu Hause gewesen,sondern erst geholt worden sei, nachdem ihre Tochter zum Fensterhinausgefprungen war.Emma Trappe blieb ebenfalls dabei, daß Helbing selbstHand an sich gelegt, nachdem er ihr gedroht, daß er sie und sichums Leben bringen werde. Die That selbst habe sie aber nichtgesehen, denn sie sei zum Fenster hinausgefprungen, als Helbingmit verstörtem Gesicht ins Zimmer getreten und die Thür ver-schlössen habe. Sie erklärt auch ausdrücklich, daß der Verschlußthatsächlich erfolgt sei.Paul Helbing bleibt dagegen bei seinen früheren Angabenund bestreitet, daß er die Thür abgeschlossen habe; der Schlüsselsei ihm vielmehr beim Versuch entfallen, und als er sich danachgebückt, habe er den Schlag auf den Hinterkopf erhalten, infolgedessen er bewußtlos zusammengebrochen sei. Daß EmmaTrappe zum Fenster hinausgesprungen, habe er garnicht wahrgenommen, das sei ihm erst im Kranken-hause erzählt worden. Im Befinden des Helbing istübrigens eine Besserung in dem Maße eingetreten, daß erjetzt schon täglich eine Stunde spaziren gehen darf und voraus-sichtlich schon in einigen Tagen aus dem Krankenhause entlassenwerden kann.Durch Vernehmung der Hausbewohner wurde festgestellt, daßEmma Trappe mit dem Fingerhut auf dem Finger und mit einerWeste über dem Arm. an der sie genäht, den Sprung aus demFenster gethan habe; diese Thatsache und die Angaben desHelbing lassen den Verdacht, daß sie etwa selbst die Schläge mitdem Beil geführt, ganz hinfällig erscheinen, und demgemäß ge-»ehmigte der Untersuchungsrichter ihre Entlassung aus demKrankenhaufe, in welchem sie unter Observation sich befand.Am Sonnabend kehrte daher Emma Trappe in die Wohnungder Mutter zurück.Der sechsjährige Sohn Willy der Emma Trappe, von demRombach behauptete, daß er von Helbing hinausgeführt wordensei, ehe dieser die Stubenthür verschlossen habe, wurde ebenfallsvernommen. Der kleine Bursche gab auf die an ihn gerichtetenFragen klare Antworten und erklärte, daß ihn Helbing nichthinausgeführt, und daß er sich zu der betreffenden Zeit überhauptnicht in dem Zimmer befunden habe. Er wäre im Auftrage derMutter unterwegs gewesen, um Kartoffeln einzuholen, und seimit diesen erst zurückgekehrt, als Leute vor der verschlossenenThür gestanden und vergeblich Einlaß begehrt hätten.Rombach bestreitet auch vor dem Untersuchungsrichter, dieThat begangen zu haben. Als die infolge des Sprunges derEmma Trappe hinzugeeilten Hausbewohner an die Thür gepocht,habe er gefragt, was denn los sei. Als er dann erfahren, daßdas Mädchen sich aus dem Fenster gestürzt, sei er in die Küchezurückgekehrt. Auf die Vorhaltung des Untersuchungsrichters,weshalb er sich denn nicht hinausbegeben, um nach der Ver-mundeten zu sehen, entgegnete Rombach, er sei in so große Auf-regung gerathen, daß er sich um nichts weiter bekümmert, sonderndie Kartoffeln weitergeschält habe.DaS Gerücht von der Ergreifung des RaubmördersHermann Hahn, der mit seinem Komplizen Kühn auf derChaussee bei Weißensee den Handelsmann Mützelburg erschlugund beraubte, ging heute hier um. Sofortige Nachfragen habenergeben, daß dieser Tage in der That eine verdächtige Person-lichkeit im Schönholzer Forst durch den Gendarm Pätzel auf-gegriffen und dem Amlsvorsteher von Reinickendorf zugeführtworden ist. Die Personalbeschreibung und auch die Kleidungstimmt ziemlich genau mit der im Steckbrief angegebenen desMörders Hahn überein. Der Festgenommene nennt sich ebenfallsHahn. Trotzdem erscheint es zweifelhaft, ob in dem Festgenom-mencn der richtige Mörder gefaßt worden ist.Fener m einer Kaserne in Spandau. Im linkenFlügel der Kaserne, die eben erst von dem 4. Garde-Regimentgeräumt ist, brach gestern Nachmittag um LV« Uhr ein großerBrand aus, der die Feuerwehr zu den Löscharbeiten bis 5�/« Uhrin Anspruch nahm. Die größten Anstrengungen konnten nichtverhindern, daß der linke Flügel völlig in Asche gelegt wurde.Der Brand loderte in einer gewaltigen Höhe auf und warschwer anzugreifen. Die Wasserschläuche wurden aus der Havelgespeist, auch die Spritzen aus der Artilleriewerkstatt waren zurHilfe herangezogen worden. Genaues über die Ursache desBrandes steht noch nicht fest. Verunglückt ist niemand bei demBrande. Auf der gegenüberliegenden Seite der Havel hatte sicheine große Menge von Zuschauern angesammelt, die immer mehruwachs erhielten und nach dem Wasser zu gedrängt wurden.abei wurde ein kleiner Knabe in die Tiefe geworfen. Infolgedes durch den Zwischenfall entstandenen Geschreis hielten dieArbeiter an der Wafserpumpe einen Augenblick inne und sahengespannt der Rettung des Kindes zu, die durch einen unbekanntenMann vollbracht wurde.Brände. Die Tochter des Kaufmanns Brüning, Helene»Neue Roßstr. 16 wohnhaft, war ani Sonnabend Abend gegen19 Uhr in der Küche mit dem Abseugen eines Huhnes überbrennenden Spiritus beschäftigt, wobei dieselbe die den Spiritusenthaltende Schale umstieß, so daß die brennende Flüssigkeit sichüber ihre Kleider ergoß und diese in Flammen setzte. Die jungeDame erlitt dadurch schwere Brandverletzungen an beiden Beinenund leichtere an den Händen; auch der im Hause wohnhasteZahnarzt Kneif, der sich an dem Ablöschen der Kleider be-theiligte, hat leichte Brandwunden an der linken Hand davon-getragen. Ein aus der Nachbarschaft herbeigeholter Arzt ver-band die Verletzten unter Hilfe von zwei Samaritern derFeuerwehr. Brandschaden ist weiter nicht entstanden. ImHause Zionskirchstr. IS hatte die Feuerwehr am SonntagAbend in der neunten Stunde einen Dachbodenbrand zu be-kämpfen, der es bei seiner Wahrnehmung noch zu keiner umfang.'eichen Entfaltung gebracht hatte, so daß die Löscharbeit inkürzester Frist mit einer Spritze bewerkstelligt werden konnte.Am Montag früh Zh'e Uhr mußte abermals nach dort ausgerücktwerden, da auf der Brandstelle vom Abend vorher von neuemFeuer ausgekommen war; auch in diesem Falle war ein kurzesEingreifen mit einer Spritze erforderlich. Ein dritter Dach-bodenbrand gelangte am Montag früh kurz vor 3 Uhr imVorderhause Zimmerstraße 19 zum Ausbruch; derselbe machte zuseiner Bewältigung ein Vorgehen mit zwei großen Handdruck-spritzen nothweudig und war, infolge der aus Holzzeinent bestehenden Bedachung, die einem Durchbruch der Flammenlängeren Widerstand leistete, wieder von einer starken Qualm-cntwicklung begleitet, unter welcher die Schlauchsührer zunächstschwer zu leiden hatten, bis dieselben mit Rauchhelmen aus-gerüstet wurden. Wohnungen sind, außer durch geringfügigeWasserschäden, an allen drei Orten nicht in Mitleidenschaft ge-zogen worden.Falsche Fünfzig- Marlscheine sind wiederum aufgetaucht.Sie sind so vorzüglich nachgeahmt, daß selbst öffentliche Kassensie anstandslos angenommen haben.Kaufmann's Variöts. Am Sonnabend fand die erste Vor-stellung der diesjährigen Wintersaison bei gut besetztem Hause inKaufmann's Variete statt. Neues förderte das Programmgerade nicht zu Tage. Es waren vertreten eine gute deutscheKostümsoubrette, ein fPyramidcnkünstler ,< Klowns, Parterre-Akrobaten, Lustgymnastiker und Mr. Engel mit seinen 8 dressirtenHunde». Dre vorgeführten Piscen rourden mit Beifall auf-genominen. Namentlich fanden die Leistungen von Frl. Nucinska.der Familie Zaro, der zierlichen Luftsee Miß Gabriele undMr. Othon lebhaste Anerkennung. Freunde dieses Kunstgenresfinden in dem dort Gebotenen sicher etwas, was ihrem Geschmackeentspricht.Druckfehler- Berichtigung. In dem Aufsatze„DieL e s s i n g- L e g e n o e" in der zweiten Beilage der Sonntags-nummer des„Vorwärts" bitten wir, auf der 2. Spalte erstenAbsatz den ersten Satz zu lesen:„In Wahrheit hat Friedrichnie daran gedacht, die Religionen in seinen Staaten gleich zustellen", anstatt: hat nur daran gedacht u. s. w.Ferner muß es auf der 2. Seite, Spalte 3 erster Absatzheißen:„Sein idealer Flug hatte das deutsche Bürgerthumnicht mit sich zu reißen vermocht", anstatt: einst mit sich zureißen u. s. w.Marktpreise in Berlin am 26. August, nach Ermittelungendes königlichen Polizeipräsidiums. Weizen per Ivo Kg. guter von16,49— 15,80 M., mittlerer von 15,70—15,10 M., geringer von15,00—14,40 M., Roggen per 100 Kg. guter von 13,60 bis13,10 M.. mittlerer von 13,00—12,60 M., geringerer von 12,?0bis 12,00 M. Gerste per 100 Kg. gute von 18,00— 16,90 M.,mittlere von 16,30—15,70 M., geringe von 15,60—14,50 M.Hafer per 100 Kg. guter von 13,30—17,80 M., mittlerer von17,70—16,80;M., geringer von 16,70 bis 15,80 M. Stroh,Nicht- per 100 Kilogramm von 6,00—5,15 M. Heu per100 Kilogramm von 10,50—6,50 M. Erbsen, gelbe zum Kochenper 100 Kg. von 40,00—24,00 M. Speisebohnen, weiße per100 Kg. von 50,00—20,00 M. Linsen per 100 Kg. von 30,00 bis80,00 M. Kartoffeln, neue per 100 Kg. von 10,00—5,50 M. Rind-fleisch von der Keule per 1 Kg. von 1,60—1,20 M. Bauchfleischper 1 Kg. von 1,30—0,90 M. Schweinefleisch per 1 Kg. von1,50-1,00 M. Kalbfleisch per 1 Kg. von 1,60-0,90 M.Hammelfleisch per 1 Kg. von 1,50—0,90 M. Butter per 1 Kg.von 2,30—1,80 M. Eier per 60 Stück von 4,00—2,40 M. Fischeper 1 Kg.: Karpfen von 2,40-1,60 M. Aale von 2,80 bis1,20 M. Zander von 2,40—1,20 M. Hechte von 2,00—1,20 M.Barsche von 1,60-0.30 M. Schleie von 2,40-1,10 M. Bleievon 1,40 bis 0,60 M. Krebse per 60 Stück von 12,00—1,25 M.Polizeibericht. Am 27. d. M., Mittags, wurde ein Mannin seiner Wohnung in der Dennewitzstraße todt aufgefunden.Er hat sich anscheinend mittels Blausäure vergiftet.— An derEcke der Memeler- und Posenerstraße entstand Abends eineSchlägerei zwischen zwei Arbeitsburschen, wobei der eine durchMesserstiche im Gesicht und am Arme schwer verletzt wurde.—Im Laufe des Tages fanden drei Dachstuhlbrände statt.Gvvicktks�Beiktmg.Eine bahnbrechende Entscheidung in bczug ans dieRechte deS Bertheidigers ist vor einigen Tagen seitens desEtrassenates des Kammergerichts getroffen worden. Bis«her sind in zahlreichen Fällen Meinungsverschisdsnheiien zwischenden Strafkammer- Vorsitzenden und den Vertheidigern darüberentstanden, ob die von letzteren in den Verhandlungen gestelltenBeweisanträge in das Sitzungsprotokoll ausgenommen werdensollten, und in der Regel behielten dann die Vorsitzenden mitihren Erklärungen Recht, daß sie allein darüber zu bestimmenhätten, wehr häufig stützten die Vertheidiger die von ihnen ein-gelegten Revisionen auf Nichtberücksichtigung gestellter Beweis-antrage, während der Erfolg derselben daran scheiterte, daßdiese Anträge im Protokoll gar nicht erwähnt waren.Nach§ 274 der Straf- Prozeßordnung ist das Protokollfür den Nachweis. daß die Anträge gestellt sind, alleinbeweisend, ein sonst geführter Beweis dafür ist unzulässig.Das Reichsgericht hat geglaubt, diesem tief empfundenen Uebel-stände dadurch zu begegnen, daß es eine Berichtigung desProtokolls für zulässig erklärte. Dem Verlangen der Ver-theidiger nach einer solchen ist bisher aber nur in verschwindendwenigen Fällen stattgegeben worden. Erst jetzt ist ein Ver-theidiger, es ist der Rechtsanwalt Dr. Flatau, auf den Ge-danken gekommen, die die Berichtigung ablehnende Verfügungdes Vorsitzenden durch die Beschwerde beim Kammergericht an-zufechlen. In der vor zwei Monaten berichteten Wieder-ausnahmesache gegen den Redakteur I. F r ä n k e l, inwelcher, wie berichtet wurde, das Urtheil vom 7. Juni1890 aufrecht erhalten worden ist, hatte der Angeklagte drei Beweisanträge gestellt und deren Er-heblichkeit ernstlich verfochten. Nichtsdestoweniger war einBeschluß aus dieselben nicht gefaßt, dieselben auch nichtim Protokoll aufgenommen worden. Auf das Verlangen umBerichtigung erhielt p. Fränkel die folgende Verfügung:„Inder Strafsache pp. wird dem Angeklagten auf das mit derRevisionseinlegung verbundene Gesuch um Berichtigung desSitzungsprotokolls eröffnet, daß dazu durch Aufnahmeder in dem vorgedachten Gesuch angegebenenAnträge keine Veranlassung vorliegt. Königl.Landgericht I, Strafkammer II. gez. Brausewetter."—Diesen Bescheid griff der Vertheidiger Rechtsanwalt Dr.Flatau mit der Beschwerde an, in welcher es u. a.folgendermaßen heißt:„Daß die fraglichen drei Anträgevon dem Angeklagten nicht gestellt sind, wird in der angefoch-tenen Verfügung nicht behauptet. Eine dahingehende Behauptunghätte auch nicht aufgestellt werden können, da fämmtliche in derVerhandlung anwesend gewesenen Amtspersonen bestätigen müssen,daß der Angeklagte diese Anträge gestellt hat. Nun schreibt§ 273 der Str.-Pr.-O. vor, daß das Protokoll die im Laufe derVerhandlung gestellten Anträge entHallen muß. Es ist dahernicht erfindlich, aus welchem Grunde„keine Veranlassung vor-liegen solle, die gedachten Beweisanträge in das Sitzungsprotokollaufzunehmen ev. dasselbe zu berichtigen."— Der erwähnte bahn-brechende Beschluß des Kanimcrgerichts lautet:„In der Straf-fache w. hat der Strafsenat des Kammergerichis in seinerSitzung vom 10. August 1893 in Erwägung, daß der Antrag de-Angeklagten auf Berichtigung des Sitzungsprotokolls durch dieangefochtene Verfügung abgelehnt, der Antrag und die dagegeneingelegte Beschwerde an sich zulässig erscheint(Entscheidung desReichsgerichts in Strafsachen Band V 48); in Erwägung, daßder Vorsitzende und der Gerichtsschreiber übereinstimmend dieErklärung abgegeben haben, daß der Angeklagte in der Haupt-Verhandlung die erwähnten 3 Anträge gestellt hat; in Er-wägung, daß eine Zurücknahme der Anträge in dem Umständenicht gefunden werden kann, daß der Angeklagte bei seiner End-erklärung nicht mehr auf dieselben zurückgekommen ist; in Er-wägung, daß nach ß 273 Str.-Pr.-O. die im Laufe der Verhand-lung gestellten Anträge in das Protokoll ausgenommen werdenmüssen, daß aber die vor dem Vorsitzenden und dem Gerichts-schreiber abgegebene Erklärung der Aufnahme eines Nachtrag-lichen Vermerks in das Protokoll gleichkommt,— beschlossen:die Beschwerde des Angeklagten wird für erledigt erklärt,die Kosten bleiben außer Zlnsatz. Unterschristen."Wcchselfälschungeu von beträchtlicher Höhe hat der22jährige Bergakademiker Ernst Gengrasewsky begangen,welcher gestern der ersten Strafkanuner des Landgerichts I ausdem Gefängnisse zu Vlötzensce vorgeführt wurde. Wegen einerAnzahl gleicher Strafthalen ist der Angeklagte bereits zu einemJahre Gefängniß verurtheilt worden. Jetzt lagen noch� vierFälschungen gegen ihn vor, die als eine einzige strafbare Hand-lung angescheu wurde. Der Angeklagte, der früher die Berg-akademie in Clausthal besuchte, ist der Stiefsohn eineS Schneider-meisters Fiedler. Der letztere kaufte im vorigen Frühjahr inQuedlinburg ein Haus für 9000 M. Die vereinbarte Anzahlungvon 4000 M. wurde mehrmals gestundet, bis Fiedler schließlichdem Vorbesitzer 4 Wechsel zu 2000, 1000, 500 und 500 M. brachte.Fiedler erklärte dabei, daß er und sein Sohn eine Erfindunggemacht hätten, die für 60 000 M. an die Firma Stimming u. Co.in Danzig verkauft worden sei. Die vier Wechsel trugen denAnnahinevermerk der Danziger Firma. Fiedler bat den Vor-besitzer, sich für eine kurze Zeit mit 2000 M. zu begnügen und ihm 2000 M. in baar aus die 4 Wechselherauszugeben, damit er seine übrigen kleinen Schuldendecken könne. Tiefe Bitte wurde erfüllt. Nach kurzerZeit stellte sich heraus, daß sämmtlich« Wechsel gefälschtwaren, an dem Patentverkauf war kein wahres Wort,Fiedler mußte das Haus, welches er fast ein Jahr hindurch be-ivohnt, an den Vorbesitzer wieder abtreten und der Letztere maraußerdem um 2000 M. geschädigt. Fiedler gab an, von seinemStiefsohn hintergangen worden zu sein und dieser nahm auchdie ganze Schuld auf sich. Als der Vorsitzende im gestrigenTermin den Angeklagten fragte, wie er zu den Strasthaten ge-kommen sei. erwiderte der Gefragte kurz, daß er Erklärungdafür nicht habe. Der Staatsanwalt beantragte unter Zu-billigung von mildernden Umständen eine Zusatzstrafe von neunMonaten Gefängniß, wogegen der Angeklagte nichts zuerinnern hatte. Der Gerichtshof ließ es dahingestellt bleiben, obder Stiefvater des Angeklagten der Anstiftung oder der Mit-thäterschafl verdächtig sei und verurtheilt« den Angeklagten nachdem Antrage des Staatsanwalts.AlS Opfer des Differenzspiels an der Börse ist derBankbeamte Franz Georg E l st e r m a n n zu betrachten, welchergestern wegen Urkundenfälschung vor der I. Strafkammer hiesigenLandgerichts I stand. Er war als Kommis bei der DresdenerBank angestellt und gerieth dadurch in Schulden, daß er irn-glücklich an der Börse speknlirte. Als seine Geldverlegenheit dendöchsten Gipfel erreicht hatte und er von seinen Gläubigern argbedrängt wurde, wurde er zum Verbrecher. Er entwendete einefür Ludwig Cohn ausgeschriebene Rechnung der Dresdener Bankim Betrage von 4151 M., vollzog dieselbe mit den Unterschriftender Prokuristen Jahn und Gutmann und ließ sie durch seinenBruder, den Bnreaudiener Alfred Elstermann, bei Ludwig Cohnvräsentiren. Letzlerer zahlte mit einem Check auf den BerlinerKasseuverein, und dort gelangte der Betrag ohne weiteres zur Ab-Hebung. Ter Bnreaudiener Elstermann ist s. Z. wegen derHilfe, welche er feinem Bruder in dieser Sache geleistet hat, zu1 Jahr Gefängniß verurtheilt worden. Georg Elstermann gelanges. sich der Verhaftung durch die Flucht zu entziehen, er genoßaber die Freiheit nicht mehr lange, denn auf grund des hinterihm erlassenen Steckbrieses wurde er schließlich festgenommen.Er hat einen Theil des erschwindelten Geldes zur Deckung vonSchulden benutzt, einen anderen Theil aber bei einem hiesigenKaufmann niedergelegt, wo das Geld durch die Polizei beschlag-nahmt werden konnte. Im gestrigen Termin konnte der An-geklagte zu feiner Entschuldigung nur angeben, daß er durch dasböse Spekuliren auf die abschüssige Bahn gedrängt worden sei.Der GerichlShos verurtheilte ihn zu 1'/2 I a h r e n G e f ä n g n i ß.Wie uns aus Magdeburg gemeldet wird, hat das dor-tige Landgericht gegen den an der Katharinenkirche in Magdeburgamtirenden Pastor Stein b eck die Voruntersuchung wege»