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Beilage zumVorwärts" Berliner Volksblatt. Ar. 304. Donnerstag, den 31. Augnst 1893. 10. Jahrg. Uulmles: Parteigenossen! Auf Ersuchen der Direktion der Span- dauer Bergbrauerei, eine Sitzung einzuberufen, um ihr Gelegen- heit zu geben, mit uns wegen der Saalfrage resp. der Boykott- Angelegenheit verhandeln zu können, fand am 29. August eine Sitzung der Spandauer , Charlottenburger und Berliner Lokal- kommission statt. Der Herr Direktor Brähmer, welcher erschienen war, gab am Schluß der Verhandlung nachstehende Erklärung ab, mit der Verpflichtung, seine Erklärung in der Spandauer , Lokalpresse zu veröffentlichen: Als Vorstand der Spandauer Bergbrauerei erkläre ich, daß dieGründe", die unsererseits vorgegeben wurden, die Säle während der Wahlagitation zu verweigern, keine stichhaltigen waren; ich verpflichte mich, in Zukunft der sozialdemokratischen Partei die Säle jederzeit zur Ver- fügung zu stellen. Berlin , den 29. August 1893. W. Brähmer. Auf grund dieser für die Oeffentlichkeit bestimmten Erklärung wurde der Beschluß gefaßt, den Boykott über die Spandauer Bergbrauerei aufzuheben. Es steht somit wieder jedem Restaurateur frei, sein Bier aus Brauereien zu entnehmen, wo es ihm beliebt. Während der Verhandlung konnte unserseits mit Genugthuung konstatirt wer- den, daß die von den Herrn Happold und Nösicfe seinerzeit veröffentlichte Erklärung, wonach angeblich der Saal wegen Renovirung" zur Versammlung nicht hergegeben werden konnte, den Verhältnissen nicht entsprach. Die Arbeiterschaft hat somit wieder einen moralischen und auch faktischen Sieg er» rungen. Ferner haben wir eine nicht minder wichtige Angelegenheit der Oeffentlichkeit zu übergeben. Die Genossen des K. Kreises hatten in letzter Zeit viel Unannehmlichkeiten zu bestehen mit dem Oekonomen zumSchultheiß "(früher Eiskeller). Chaussee- straße 88. Nach mehrmaliger Vorstellung der Lokalkommisston beim Herrn Direktor Rösicle, den Herrn Oekonomen zu belehren, in welcher Weise derselbe der Arbeiterschaft Rechnung zu tragen hat, erhielt der Vertrauensmann, Genosse Witzel, am 25. August folgendes Schreiben: Wir nehmen hiermit Bezug auf den vor einigen Tagen uns abgestatteten Besuch und wiederholen die Ihnen bereits mündlich abgegebene Erklärung, daß Ihnen die in Rede stehenden Räume unseres Lokales Chausseestraße Nr. 83(früher Eiskeller) nach wie vor zur Verfügung stehen, sobald über dieselben nicht etwa schon vorher anderweitig verfügt sein sollte. Falls Sie daher von diesen Räumen Gebrauch machen wollen, bitten wir, dies gefälligst rechtzeitig anzumelden. Sollten Sie, was wir nicht annehmen können, trotzdem noch auf irgend welche Schwierigkeiten stoßen, so bitten wir uns hier- von sogleich direkt in ftenntniß zu setzen, damit wir recht- zeitig für Abhilfe sorgen können, da es unseren eigenen Grundsätzen widerspricht, politische Beweggründe bei der Vergebung unserer Lokalitäten in Betracht zu ziehen. Wegen der uns noch gemeldeten Vorfälle haben wir mit unserem Oekonomen Herrn Girod Rücksprache genommen, und werden Sie in dieser Beziehung in Zukunft hoffentlich keine Ver- anlassung zur Klage haben. Hochachtungsvoll Schultheiß Brauerei -Aktien-Gesellschaft. Kilian. R ö s i ck e. Die Lokalliste wird nächste Woche veröffentlicht werden. Die Lokalkommissions-Mitglieder der Umgegend Berlins werden nochmals darauf aufmerksam gemacht, bei Eiusendung der Lokal- liste nur die ihr zugesandten Formulare zu benützen. Die Berliner Lokal-Kom Mission. I. A.: I. Wernau, Rosenstr. 30. Gedanken und Empfindungen eines Arbeitslosen- Unter diesem Titel schreibt ein Genosse in derSchwäbischen Tagwacht": Während zur heißen Sommerszeit die Geldprotzen und reichen Unternehmer die sich auch gernBrotherren" nennen in der Sommerfrische, in diesem oder jenem Luft- oder Badekurorte, nicht gar wenige von ihnen auch direkt an den kühlen Gestaden der Nord- oder Ostfee weilen, nicht etwa um sich von der anstrengenden Arbeit zu erholen und Geist und Körper für das folgende Jahr wieder zu stählen, sondern sehr häusig nur um eine weitgehende Abwechslung von ihren täglichen Erholungen und Vergnügungen zu suchen und zu finden, muß ein großer Theil der Arbeitnehmer gezwungenermaßenFerien" machen. Aber, anstatt daß nun die letzteren sich von ihrem vorhergegangenen wirklichen Arbeiten erholen, neue Kräfte für sich, ihre Familie und nicht zuletzt auch für ihre Arbeitgeber fällt doch im heutigen kapitalistischen Zeitalter der Haupttheil des Arbeitsertrages auf diese selbst zurück sammeln könnten, werden sie der mehr oder weniger vorhandenen Kräfte noch be- raubt, indem es ihnen bei der unfreiwilligen Vakanz nicht einmal mehr möglich ist. ihrem Körper das Allernöthwendigste von Nahrungsmitteln zuzuführen. Ist in dieser Beziehung der Ar- beiter, selbst nenn er Beschäftigung hat. aus das Gewöhnlichste, was die Mutter Natur in so reichem Maße zum Theil uns aber bitler vertheuert durch die heutigegöttliche" Weltordnung, durch die prositwüthigen Produzenten angewiesen, so muß er bei Arbeitslosigkeit auch noch auf dieses Wenige zum Theil ver- zichten. Und so muß er gewahren, wie von Woche zu Woche seine Kräfte schwinden, er muß sehen, wie seine von der häus- lichen Arbeit hart mitgenommene Frau immer mehr zurück- kommt, daß sie nur noch mit der größten Mühe und An- strengnng ihre häuslichen Arbeiten und, wenn sie vorn Schicksal begünstigt ist, vielleicht noch«ine Nebenarbeit, die mit 59 bis 70 Pfennig pro Tag entlohnt wird, verrichten kann; er muß endlich noch sehen, wie die bleichen Gesichter seiner Kinder noch mehr erbleichen und mehr und mehr abmagern. Zu allem diesem kommt noch, damit man dieWonne" der Arbertslosigkeit, des Nichlslhuns voll und ganz verspürt, daß der momentane Zustand und der Blick in die Zukunft dem Arbeitslosen sowohl wie dessen Frau die nächtliche Ruhe raubt. Mit Sorgen und sGrübeln legt man sich nieder, der ersehnte Schlaf will nicht komme», die Sorge um die Existenz, der heiße Wunsch nach Arbeit und Ver- dienst läßt dem Arbeitslosen auch bei Nacht keine Ruhe. Nicht sehr freudig und hoffnungsvoll begrüßt ihn der erste Strahl der Morgensonne. Wie lange wird es noch dauern bis der Glücks- tag kommt, der ihm Arbeit bringt? Mehr als 99 seiner Berufs- genossen am Orte sind unverschuldet arbeltslos, es wird Wochen und Monate dauern, bis wenigstens ein Theil derselben wieder untergebracht ist! Inzwischen hat man Tag für Tag Ge- legenheit. Betrachtungen darüber anzustellen, wie alles in unserer besten der Welten so herrlich eingerichtet ist, wie die Arbeitgeber tagtäglich so fürsorglich für ihn bedacht sind! Wie anders gestaltet sich das Leben unserer Honoratioren und ganz besonders, wenn sie sich in der Sommerfrische befinden! Daß es ihrem werthen Korpus an nichts Genießbarem gebricht, dafür sorgen schon die Hoteliers und Restaurateur«. und mag der Gast in dieser Beziehung noch so anspruchsvoll sein. Wollen sie nicht selber für die größtmöglichste Abwechslung an Er- holungen resp. Vergnügungen sorgen, so überlassen sie das ruhig den betreffenden Kurkomitecs, die schon wissen, was ihren werthen GästenRoth" thut. Außer den üblichen, täglich Mehr- maligen Konzerlen werden da arrangirt: Korsofahrlen und Korsorciten, Schnitzeljagd, Reunions mir italienischer Nacht und den prachtvollsten Feuerwerken, und damit sie sich auch am Volk" selber mal ergötzen können, fehlt selten wahrend einer Saison ein sogenanntesVolksfest", wobei ein Eselsrennen, ein Baumklettern, ein Sacklaufen, ein Geldfischen mit dem Munde aus bis zum Rande gefüllten Makaikäsenäpfchen und manches andere als unschuldiges Spiel dahingestelltes Manöver aus- geführt wird. Haben wir uns nun den krassen Unterschied zwischen den freiwillig Feriennehmenden und den gezwungenermaßen Feiern- den vor Augen geführt, so müssen wir doch endlich alle zu der Einsicht kommen, daß diesem ungerechten und ungesunden Zustande der heutigen Gesellschaft nur durch eine gesetzliche Verringerung der Arbeitszeit abgeholfen werden kann. Die endgiltige Lösung dieser Frage ist und bleibt jedoch der Sozialdemokratie vor- behalten, die durch ihre bekannte Forderung: Verwandlung des kapitalistischen Privateigenthums an Arbeitsmitteln Grund und Bode», Werkzeugen, Maschinen, Verkehrsmitteln:c. in gesellschaftliches Eigenthum einen menschwürdigeren Gesellschasts- zustand erstrebt. Darum, Arbeiter, die ihr noch zu einem großen Theile in fast unglaubwürdiger Gleichgiltigkeit Eure eigensten Interessen verkennt, reiht Euch ein in die Kette der völlerbesreienden inter - nationalen Sozialdemokratie Z Vom Gewerbegericht. Die unerwartet große Jnanspruch- nähme des hiesigen Gewerbegerichts hat im Laufe weniger Monate zu einer solchen Ueberlastung einiger der acht Kammern geführt, daß z. B. in der Kammer I schon Termine bis in den Dezember hinein angesetzt sind. Selbstverständlich läßt sich das mit dem Zweck des Gerichts, schnell zu arbeiten, schlecht in Ein- klang bringen. Das ist auch von der zuständigen Behörde ein- gesehen worden, denn es sind schon seit einiger Zeil Schritte gethan, Abhilfe zu schaffen. Die Inhaber der Moll- waarensirma Schwabach u. Ko., welch» ihre Geschäfts- räumlichkeiten ebenfalls im ersten Stock des Hauses Stralauer- straße 38 hatten, wurden durch eine Abfindungssumme ver- anlaßt, auszuziehen. Da jedoch bauliche Veränderungen durch die unerläßlich gewordene, projektirle Erweiterung der Gerichts- räume erforderlich wurden, kann erst in etwa drei Wochen die wohlthätige Wirkung derselben in Kraft treten, in welcher Zeit die Arbeiten beendigt sein werden. Dann werden nämlich dem Gericht, statt der bisherigen zwei, vier Verhandlungssäle zur Ver- fügung stehen und die Sitzungslage der einzelnen Kammern werden zweckmäßig vertheilt werden können. Mit Bezug- nähme daraus ist bereits der Stab der Gerichts- und Magistrats- assessoren, welche die Verhandlungen leiten, vermehrt worden. Die beschränkten Räumlichkeiten des Gerichts wurden von Anfang an als Kalamität und der Abhilfe bedürftig empfunden. Dem Uebelstande, daß Termine jetzt schon in den Dezember verlegt sind, wird durch Zurückverlegung derselben gesteuert werden, sowie die neu hinzukommenden Räume in Benutzung genommen werden können. Durch die Vergrößerung des Gerichts glaubt man für die Zukunft der Wiederholung des berührten Uebel- standes vorgebeugt zu haben. Es wird vermieden werden, daß ein Vorsitzender an ein und demselben Tage die Verhandlungen zweier Kammern zu leiten hat. Ein dummer Streich ist gegen den Schuhmachermeister Adolf C., Monbijouplatz 12, verübt worden. Vor einigen Tagen meldete sich morgens in dem Laden des Meisters der Bote eines Fleischermeisters und brachte einen mächtigen Rinderbraten. Herr C. erklärte dem Ueberbringer, daß er keine Bestellung aufgegeben habe, und murrend ging der junge Mensch von bannen. Kaum halte er die Thür hinter sich geschloffen, als ein Kutscher der Schultheißbranerei im Laden erschien und verkündete, daß er die bestellte halbe Tonne Bier abliefere. Er hatte seine Meldung noch nicht beendet, als. nach demVerl . Tagebl.", ein Wagen der Rummelsburger Eiswerke vorfuhr, um das angeblich von dem Schuhmachermeister bestellte Eis abzuladen. Herr C. war in Verzweiflung; denn von all diesen Bestellungen war ihm nichts bekannt. Während er noch i»it den beiden Kutschern unter- handelte, erschien ein dritter im Laden, um im Auftrage der Gardinen- Wäscherei von M. Bloch in der Breitestraße Gardinen abzuholen. Der Echuhmachermeister suchte den Erschienenen begreiflich zu machen, daß sie sich im Jrrthum befänden, daß er nichts bestellt habe, aber schon wieder öffnete sich die Thür, um einen Kutscher der Brauerei Pfefferberg einzulassen, der ebenfalls eine halbe Tonne Bier abladen wollte. Ihm folgte alsbald der Kutscher des Münchener Löwenbräu, der einige mit Flaschen gesüllte Kasten angeschleppt brachte. Herr C. war. wie gesagt, i» Ver- zweislung; denn schon war ein Wagenpark vor feinem Laden angefahren. Aber seine Roth sollte noch nicht zu Ende sein. Es kam noch eine Fuhre mit 4999 Preßkohlen, eine weitere Fuhre Kohlen und Holz aus der Schönebergerstraße, und dann folgten noch mehrere Boten mit allerlei Maaren. Die sämmtlichen Lieserungen waren für 9 Uhr Vormittags bestellt und die Bestell- karten rührten vou derselben Hand her. Der Schuhmachermeister hat der Polizei von dem gegen ihn geführten Streich Anzeige ge- macht, um den bis jetzt noch unbekannte»Witzbold" zu ermitteln und zur Bestrafung zu ziehen. In dem L.schen WirthShause zu Wilmersdorf spielte sich am Montag Nachmittag um 5 Uhr ein aufregender Vorgang ab. Während mehrere Berliner Familien in dem am Wasser be- legenen Lokal mit Kaffeekochen beschäftigt waren, sprang plötzlich ein 17 Jahre altes Mädchen in die Fluthe». Knaben, die zum Kegelaussetzen verwandt wurden, hallen dies bemerkt und riefen die Gäste herbei, unter denen sich zwei Berliner Heilgehcksen, Strauß und Großmann, befanden. Mit Hilfe von Bootshaken gelang es, das junge Mädchen bewußtlos aus dem Wasser zu ziehen. Während die Heilgehilfen durch längere Bemühungen die Besinnungslose in das Leben zurückriefen, hatte ein 9iad- fahrer den Amtsvorsteher benachrichtigt. Das Mädchen gab später an, die Tochter eines in Schöneberg wohnenden Straßen- reinigers zu sein. Es habe sich am Morgen aus dem Eltern- Hause entfernt, um sich das Leben zu nehmen, weil es vom Vater wegen Besuchs eines Tanzbodens eine ernste Bestrafung erlitten halte. In grosser Gefahr haben, ohne es zu ahnen, seit längerer Zeit die Bewohner des Hauses Schinkestr. 2 in Rixdorf ge< schwebt. Es wird derVoss. Ztg." darüber berichtet: Seit einigen Jahren wohnte in dem Hause der frühere Schauspieler und Pyrotechniker Adolf Bittmann. Obwohl er mit niemand verkehrte, fiel es doch de» Hausbewohnern feit einigen Tagen auf. daß Bittmann nicht zu sehe» und zu hören war. und in der Meinung, dem alleinstehenden Manne sei ein Unglück zugestoßen, benachrichtigte man die Polizei. Zwei Gendarmen begaben sich nach der Bittniann'schen Wohnung, fanden sie unverschlossen, und Bittmann selbst im Bett liegend. Den Beamten wurde aus dem Aussehen und den Geberden des Mannes sofort klar, daß er seiner Sinne nicht mehr mächtig war. Sie redeten ihm freundlich zu, sich anzuziehen und mit ihnen spazieren zu gehen. Bittmann folgte, ohne ein Wort zu sprechen, während einer der Beamten unterdeß für eine Droschke sorgte. Als der Kranke aber die Wohnung verlassen sollte, sträubte er sich lebhaft und mußte darum geschlossen in die Droschke geschafft werden, die ihn in Begleitung der Gendarmen nach dem Amtshause beförderte. Hier wurde polizeiärztlich festgestellt, daß Bittmann hochgradig geisteskrank sei, worauf dieser der Liaison 6o sants in Schöne- borg zugeführt wurde. Inzwischen halten die Gendarmen sich noch einmal nach der Bittmann'schen Wohnung begeben, um sie zu schließen. Zufällig entdeckte man hierbei aber ein großes Lager von Sprengstoffen, Pulver. Feuerwerkskörpern ze., von denen schon ein kleiner Theil bei einer Explosion namenloses Unglück über die Hausbewohner hätte herbeiführen können. Die Polizei beschlagnahmte alles Vorgefundene. Unvorsichtiges Umgehen mit Benzin hat schon wiede einen Unfall veranlaßt.' In einer Galvanisiranstalt in de' Stallschreiberstr. 59 gerieth gestern beim Waschen von Metall� waaren Benzin in Brand. Die Arbeiterin Bertha Michley er­hielt dabei schwere Brandwunde» im Gesicht und an den Armen Das Feuer selbst blieb aus den Herd beschränkt. Durch Selbstmord geendigt hat in der letzten Nacht der 54 Jahre alte frühere Musikdirektor Konstantin Mädler, der bei einer Frau Schönfeldt in der Reinickendorferstr. 29a wohnte. Als die Wirth in heute Morgen um 8 Uhr sein Zimmer betrat. fand sie ihn als Leiche erhängt auf. Mädler hat an einer un- heilbaren Krankheit gelitten und dürfte deswegen freiwillig aus dem Leben geschieden sein. Polizeibericht. Am 29. d. M. Vormittags wurde vor dem Hause Niederwallslr. 21 der Kutscher Leppack von seinem Pferde geschlagen und erlitt einen Bruch des Schienenbeins, so daß er nach dem Krankenhause gebracht werden mußte. Beim Ab- springen von einem in der Fahrt befindlichen Pferdebahnwagen siel eine Frau vor dem Hause Potsdamcrstraße 1 zur Erde und erlitt eine Verrenkung des Fußes. In der Nacht zum 39. d. M. fiel ein Arbeiter vor dem Hause Mohrenstraße 53 infolge eines Fehltritts zur Erde und brach den Unterschenkel. Er wurde nach der Charitee gebracht. In der Zinkwaarenfabrik von Humpert. Stallschreiberstr. 59, entstand Nachmittags eine Benzinexplosion, bei der eine Arbeiterin schwere Brandwunden an den Armen und im Gesicht erlitt. Außerdem fände» im Laufe des Tages drei kleine Brände statt. Theetkev. NeichshallenTheater. Das Mimodrama Blanchards de Belresche(Musik von Charles Tony): Buckelhans(Jean Mayeux) ist bemerkenswerth nicht durch seinen Stoff die Ge- schichte einer unter Zuhälter und Dirnen gerathenen Waise, die ein Buckliger rettet, um sie dann aus Eifersucht zu tödten, der an die Leichtgläubigkeit des Zuschauers sehr große Ansprüche stellt, wohl aber durch die kraftvolle, ungeschminkte Art des Dargestellten und durch die vollendete Kunst, womit die Dar- steller die Pantomime durchführen. Hier athmet jede Bewegung, jeder Blick Leben, hier kommen mit ergreifender Anschaulichkeit seelische Regungen zum Ausdruck, bis in das Kleinste hinein deutlich und klar. Dieser Verismus, der der Sprache nicht als Dolmetscherin bedarf, packt die Zuschauer, reißt sie hin und verdient den stürmischen Beifall, den das schwächliche Zischen elwelcher Kunst- und Moralphilister spaßhaft begleitete. Die Darsteller, Pariser Schauspieler, spielten durchgänglich muster- Haft, so die Herren Depreter, Vallot und Dumont, so die Damen Lallemand, Dösiree und Däguirard. Das waren naturgetreue Gestalten aus dem Lumpenproletariat, nicht die schablonenhaften Figuren der deutschen Schaubühne. Unsere Künstler können an den Parisern lernen, wie man soziale Typen studirt und spielt. Gerillikü-JBciUmg. Gewerbegericht. Kammer 11. Sitzung vom 39. August. Fräulein Hoffmann klagt gegen die Firma Meier und Groß. Sie verlangt 29 M. Entschädigung dafür, daß sie ohne Kündi- aung entlassen wurde. Die Beklagten wandten in einem früheren Termin ein, die Klägerin sei nicht Arbeiterin sondern nur Auf- Wärterin bei ihnen gewesen. Das sollte die als Zeugin vor- geschlagene und auch geladene Direktice Peletrat bekunden. Diese so wenig wie ein Vertreter der beklagten Firma ivar erschienen. Die Zeugin, welche auch über das Be- stehen oder nicht Bestehen der gesetzlichen Kündigungsfrist im Etablissement der Beklagten sich äußern sollte, wurde wegen un- entschuldigten Ausbleibeus mit einer Ordnungsstrafe von 19 M. bezw. 2 Tage Hast belegt. Die Klägerin behauptete, nicht Ans- Wärterin gewesen zu sein; sie habe auch Federn gewaschen. In Ermangelung des Gegenbeweises es war ja niemand von der gegnerischen Seite erschienen mußten die Angaben der Klägerin als richtig angenommen und die Firma M. u. G. zur Zahlung von 29 M. verurtheilt werden. Kammer I. Der Schneider Buddendorf(Hausindustrieller) verlangte für einige Mäntel, die er als Muster für die Konfektiöns- firma Heyn angefertigt hat, eine» Preis, welchen zu zahlen sich die Firma weigerte. Diese wollte nur Durchschnittspreise zahlen, während Buddendorf höhere beanspruchte, sich darauf stützend, daß die einzelnen Sachen, die er nur Hnmal auszuführen bekomme, ohne die betreffenden Dessins je Ausgeführt zu haben, besser be- zahlt werden müßten. Da man sich nicht zu einigen vermochte. wandte sich B. an das Gewerbegericht, welches am 39. August, nachdem schon mehrere Termine in der Sache geivesen sind, dieselbe erledigte. Als Sachverständige sind incht weniger als drei Personen. die Herren Lesser, Obermeister Curt und als letzter Herr Euhr vernommen worden. Auf Beschluß des Gerichts wurden die Mäntel im Verhandluuas- zimmer selbst durch Herr» Suhr besichtigt. Derselbe hielt die vom Kläger angesetzte» Preise als Musterpreise für nicht zu hoch gegriffen, bei Herstellung von hunderte» der Mäntel sei allerdings ein l'/23 M. niedrigerer Preis pro Stück an- gemessen. Er, Suhr, würde Muster auch nicht billiger mache». Di« beklagte Firma wurde verurtheilt 129,89 M. zu zahlen, das heißt die vom Kläger verlangten Preise wurden ihm zu> gesprochen. Wegen Beleidigung eineS gerichtliche» Sachver« ständigen war der Holzschneidereibesitzer Hermann Werle vom Schöffengericht zu einer Geldstrafe von 59 M. verurtheilt worden. Werle hatte sich im Februar d. I. wegen Gewerbe- Vergehens vor dem Schöffengericht zu verantworten. Es handelte sich um ungenügende Schutzvorrichtungen in seiner Fabrik. Im Termine gab der Sachverständige, Gewerbe-JnspektionSassistenl Nenmanu ein Gutachten zu Ungunsten des Angeklagten ab. Dieser be- schuldigte den Sachverständigen der Parteilichkeit und zchg sich dadurch eine Rüge zu. Die Verhandlung endete mit der Ver» urtheilung des Werle zu 15 M. Seine Erregung hierüber kam zum Ausbrnch, als. er nach dem Termine mit dem Scha-