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Es befinden sich noch 66 000 Mann im Ausstand. Die Aus- ständigen hielten, erbittert über das Verbot eines Umzuges,, drei Straßenbahnwagen an. Polizei und Militär zerstreute die Ruhe- störer. Sieg der Streikenden! Liverpool , 24. August. Die Straßenbahnen haben be- schlössest, die Ausständigen wiedex einzustellen. Die Iflarokkoaffärc. Die Besprechungen, die Botschafter C a m b o n gegen- Wältig mit den französischen Ministern in Paris führt, nähern sich ihrem Ende. Das offiziöse Depeschenbureau meldet darüber: Paris . 24. August. Mehrere Blätter wollen wissen, bereits in der gestrigen Unterredung de? Ministers des Aeutzern mit den drei Botschaftern seien endgültige Beschlüsse über die Regelung der deutsch -marokkanischen Angelegenheit gefaßt worden, und es bestehe auch nicht die leiseste Meinungsver- s ch i e d e n h e i t. Es heißt, Botschafter C a m b o n werde die gefaßten Beschlüsse dem in Rambouillet weilenden Präsidenten heute vorlegen, und der morgen stattfindende Kabinettsrat werde die Beschlüsse endgültig genehmigen. Ferner meldet derMatin", Cambon werde am nächsten Mittwoch oder Donnerstag seine Besprechungen mit terrn v. Kiderlen-Wächter wieder aufnehmen. as Blatt meint dann ziemlich optimistisch: Wenn die deutsche Regierung den aufrichtigen Wunsch hat, sich mit uns zu verständigen, wie es unbestreitbar von dem gesamten deutschen Volke gewünscht wird, so wird aus den wieder- aufgenommenen Unterhandlungen die Grundlage einer Ver- ständigung hervorgehen, da keinerlei Meinungsunterschiede zwischen den Ministern und den Botschaftern, welche den letzten Beratungen über die Marokkofrage beigewohnt haben, bestehen. Die Beschlüsse sind vielmehr einstimmig festgelegt worden. Wie das genannte Organ weiter mitteilt, soll der Vorschlag des Kabinettschefs Cailleaux den deutschen Wünschen in weitesten! Umfange Rechnung tragen. Er sei in sehr versöhnlichem Sinne verfaßt und soll von dem aufrichtigen Wunsche beseelt sein, den deutschen Standpunkt in dem weitesten Maße zu berücksichtigen, um zu einer Ver- ständigung zu gelangen. Auch die offiziöse Londoner Westminster Gazette" rat nachdrücklich zur Verständigung. Das Blatt betont in einem Leitartikel, daß Deutschland Anspruch auf Kom- pensationen habe, wenn es Frankreich freie Hand in Marokko gewähre. Deutschland verfolge eine rein geschäftsmäßige Politik. und Frankreich müsse sich klar machen, daß es für das, was es haben wolle, zahlen müsse. Ein Freund Frankreichs könne ihm nur dringend raten, die vorteilhafte Gelegenheit nicht des- halb unbenutzt vorübergehen zu lassen, weil es nicht eine angemessene oder sogar anständige Kompensation zahlen möge. DaS Blatt weist die Idee zurück, daß England Frankreich aufreize, eine aggressive oder unvernünftige Haltung einzu- nehmen. Der Gedanke, daß England eine Verständigung ver- hindere, um Deutschland in eigenem Interesse in Westafrika vom Meere abzuschließen, sei ebenfalls völlig grundlos. Die a l l d e u.t s ch e n K r i.e as h e tz e r setzen unterdessen fljttz Wühlarbeit unentwegt fort. Die nationalistische, von den Panzerplatten- und Kanonenfabrikanten bezahlte Presse ver- öffcntlicht in den aufgeregtesten Lettern ununterbrochen ener­gischeEntschließungen", die alle möglichen Skatklubs und im geheimen stattfindende Versammlungen von einigen Dutzend Leuten unentwegt beschließen. Da aber damit wirklich nicht viel Staat zu machen ist, so soll in Berlin doch eine Volksversammlung gewagt werden. Trotz der er- haltenen Absagen will das Komitee am 30. A u g u st sein Glück versuchen. Unterdessen scheint diePost" eingesehen zu haben, daß ihre Taktik, Wilhelm II. durch Drohungen einzuschüchtern, doch ihre zwei Seiten hat. In einem langen Artikel sucht sie die Behauptung zu beweisen, daß ihr bekannter Drohartikel nur die Entgleisung eines stellvertretenden Redakteurs gewesen sei, der von dem Chefredakteur gleich nach seiner Rückkehr, bevor noch Herr v. Zedlitz eingegriffen habe, gemaßregelt worden sei. Viel Glauben wird diese übrigens so sehr ver- spätcte Erzählung nicht finden und wir denken, ganz umsonst ist dieNordd. Allg. Ztg." nicht mit so grobem Geschütz auf- gefahren. Der Artikel war ja auch keineswegs eine vereinzelte Erscheinung, die Kampagne schien viel- mehr recht gut organisiert zu sein. Und was ist's mit den zahlreichen Zustimmungskundgebungen zu der angeblichen Entgleisung, die auch von hohen Militärs herstammten? Auch die Rolle des Freiherrn V. Z e d l i tz bei dieser Affäre ist durchaus nicht so klar, wie sie diePost" heute gern darstellen möchte. Man erinnert sich, daß gegen den Protest, den Fürst Hatzfeld als Vorsitzender der freikonserdativen Reichstagsfraktion gegen den Artikel erhoben hatte, in derPost" vonmaßgebender Seite aus der freikonservativen Partei" eine Gegenerklärung er- schien, die als eine Verleugnung des Fürsten Hatzfeld aufgefaßt werden mußte und auch überall so aufgefaßt wurde. Heute muß nun diePost" gestehen, daß der Verfasser der Erklärung niemand anders war, als eben der Herr v. Zedlitz! Der Herr bildet sich ja auf seine Schlauheit riesig viel ein, aber diesmal wird eS ihm nicht gelingen, die öffentliche Meinung zu verwirren. Er hat eben wieder einmal ein Doppelspiel getrieben. Dieser Monarchist soll uns nur noch einmal mit seinen aufgeregten Phrasen kommen I Daß Herr v. Zedlitz weiter Mitarbeiter des von den rheinischen Kapitalmagnaten aus- gehaltenen Blattes bleibt, vervollständigt das bekannte Charakterbild dieses Herrn. Interessant aber bleibt, daß die Kriegshetzer wieder den Rückzug ins Wilhelminische Lager suchen. Glauben sie, ihren Zweck erreicht und Wilhelm II. wirklich für ihreenergische" Politik gewonnen zu haben? Dafür würde fast sprechen, J5aß die von den Kriegs- interessenten bezahltePost" neueHoffnungen schöpfte und in einer sich offiziös gebärdenden, aber offenbar schwindelhaften Information den Franzosen damit droht, die Situation werde eine sehr ernste werden, wenn sie die deutschen Regierungsforderungen nicht fchleunigst erfüllen. Solche Treibereien, denen selbst derjenige Teil der bürgerlichen Presse. der die Verständigung will, nur allzu zaghaft entgegen- tritt, charakterisieren dieHamb. Nachr." unter dem TitelDer Schwindel in der Marokkostage" folgendermaßen: Wiederholt müssen wir da« Publikum auch vor den Versuchen warnen, die gewisse Organe der deutschnationalen Presse, un- bekümmert um alle Abschüttelungen nrtd Bloß- st ellungen, die sie sich schon zugezogen haben, fortgesetzt dahingehend unternehmen, dem deutschen Volke einzureden, die marokkanische Frage sei eine Ehren» und Würdefrage des Deutschen Reiches, und zum Kriege gegen Frank« reich zu hetzen. Wir nehmen keinen Anstand, diese Machen- schaften endlich einmal mit der Bezeichnung zu belegen, die sie verdienen: sie sind im höchsten Maße frivol, wenn nicht Schlimmeres, denn eS fehlt bereits nicht an Stimmen, die auf nicht ganz lautere Motive bei den betreffenden Blättern hinweisen. Wir enthalten uns, darauf einzugehen. Jedenfalls läuft es auf direkte Ent- stellung der Wahrheit hinaus, wenn behauptet wird, daß die Ehre des Deutschen Reiches und Volkes in Marokko engagiert sei. Wichtige volkswirtschaftliche Interessen sind dort engagiert, aber nichts weiter. Darüber hinaus gibt es natür- lich auch noch die Interessen einzelner Unternehmer und daraus erklären sich zum Teil die ungeheuere Presse- mache, die in der Marokkostage entfaltet wird und die nationale Schaumschlägcrci, der man sich zur Irreführung der öffentlichen Meinung bedient.... Wenn man liest, daß gewisse Marokkoblätter ihre Gegner mit Redensarten wie folgenden an- fallen: was sei ihnen Ehre, Vaterlandsliebe, Würde. National- bewußtsein; Geschäft sei das einzige, was für sie maßgebend sei so hält es allerdings schwer, ernsthaft zu bleiben. Was wohl z. B. die Gebrüder Mannesmann in Marokko lvollen? Doch auch nur Geld verdienen. Wir machen es ihnen wahrlich nicht zum Borwurf, aber sie sollten eS ihrer Presse verbieten, immer anstatt von Minerallagern und dergleichen von deutscher Ehre zu reden." Und für das Geschäft der Brüder Mannes- mann sollen die deutschen Arbeiter ihr Gut und Blutopfern? Ruhe in Tarudant. Paris , 24. August. Wie derAgence HävaS" aus Mogador vom 22. d. M. gemeldet wird, sind die Unruhen in Tarudant be- endet. Die Deutschen , mit Ausnahme eines einzigen, haben Taru- dant verlassen. Der Kaid hat zwei Franzosen, welche dort ein- getroffen sind, einen guten Empfang bereitet. politische deberfickt. Berlin , den 24. August 1911. Eine Hilfsaktion für das Zentrum in Düsseldorf . In Düsseldorf haben die Blockbrüder deS Zentrums, um eine Stichwahl zu dessen Gunsten herbeizuführen, einen neuen Mischmasch- kandidaten aufgestellt. Der konservative Provinzialverein, die Christlichsozialen, der Bund der Landwirte und die Freie evangelische Volksvereinigung sind nach langen, im geheimen geführten Unter- Handlungen übereingekommen, daß der von den Christlichsozialen aufgestellte Pfarrer Tctzlaff-Solingen seine Kandidatur zurück- ziehen soll. An seiner Stelle soll als gemeinsamer Kandidat des gesamten reaktionären Düsseldorfer Klüngels der Stadtverordnete Malermeister Herkenrath, der kurioserweise bisher dem Vor- stand der liberalen Vereinigung angehörte, aufgestellt werden. Als Entschädigung für die Zurückziehung der Kandidatur TetzlaffS ist den Christlichsozialen zugesichert worden, daß sie für die Reichstags- wähl im Januar einen Kandidaten ihrer Richtung aufstellen sollen, den dann die anderen Rechtsparteien ohne weiteres zu unterstützen haben. Unser Düsseldorfer Parteiorgan, dieBoltSzeitung", berichtet darüber: Nun soll also doch noch ein weiterer Kandidat ernannt werden, ein Kandidat derDeutsch- Sozialen",.Freien- Evangelischen", Bund der Landwirte",.Deutsch- Nationalen"..Reichsparteiler" und Gott weiß was noch für-alen und-parteiler. Der Erkorene dieser vielfach verschlungenen und verhedderten Parteigriippchen soll wirklich Herr Peter Herkenrath, seines Zeichens Stadtvater und ehrsamer Anstreichermeister in Düsseldorf sein. Daß dieser Herr die geeignete Persönlichkeit wäre, als gemeinsamer Kandidat für etwa ein halbes Dutzend verschiedener Richtungen zu fungieren, gehl schon daraus hervor, daß er auch Mitglied der Liberalen Vereinigung" und liberaler Stadt- verordneter ist. Damit Herr Herkenrath auch wirklich als Sammelsuriumkandidat ein bißchen Geltung bekommt, soll der Pastor Tetzlaff von den Christlichsozialen zurücktreten, worauf dann auch die Christlichsozialen für Peter Herkenrath eintreten werden. Ob die Christlichsozialen daS tun werden? Sie haben schon zweimal FlugbläUer verbreitet, freilich jedesmal dasselbe Blatt, und auch schon eine Versammlung abgehalten, natürlich in der Tonhalle.... Am 28. soll bereits eine große Versammlung der Herkenrath- Partei stattfinden natürlich auch in der Tonhalle! in der terr Franz Behrens , christlichnationaler GewerkschaftSsekretär, eine anze für den neuen Kandidaten einlegen soll. Welchem Zweck diese nachträgliche Aufstellung eines konservativ- landbündlerischen-mittelstandSvereinlichen-antisemitischen Ragout-Kan- didaten dienen soll, ergibt sich deutlich daraus, daß die rheinische Zentrumspresse, die Kandidatur deS Herrn Herkenrath sehr wohl- wollend bespricht. ES sollen sich um diese Mischinasch-Kandidatur alle reaktionären Elemente scharen, die im Düsseldorfer Wahlkreis vorhanden sind, damit zunächst eine Stichwahl herbeigeführt wird. Ist das erreicht, dann sollen diese Elemente, auch die Mitglieder der anti-IatholischenFreien evangelischen Volksvereinigung', samt und sonders durch eine geschickte Mache zur Wahl des klerikalen Kandi- baten, de« HansabündlerS Friedrich, dirigiert werden. DieKöln . BolkSztg." verrät diesen schönen Plan mit folgenden Worten: .Nachdem von linksliberaler Seite die sofortige Unterstützung der sozialdemokratischen Kandidatur proklamiert war, war eS für die rechtsstehenden Wähler kein Zweifel, daß unter Verwerfung der Wahlparole des liberalen Wahlvereins die entschiedenste Stellungnahme gegen die Sozialdemokratie für sie Pflicht sei. Wenn die Emichließung dahin ging, im ersten Wahlgange einen eigenen Kandidaten aufzustellen und erst in der Stichwahl den Hauptgeguer der Sozialdemokratie zu unterstützen, so ist die Erwägung maßgebend gewesen, daß die Agitation für eine rechts- stehende Kandidatur eine erheblich größere Zahl von Wählern zur Wahl und zur Stimmabgabe gegen die Sozialdemokratie ver- anlassen wird, als wenn die Wahlparole im ersten Wahlgnnge für das Zentrum gelautet hätte.... Bielleicht wird durch die Kandidatur der Rechtsparteien die Notwendig» keit einer Stichwahl herbeigeführt; aber die Aussichten in der Stichwahl sind dann für da« Zentrum günstiger als wie in der Hauptwahl. Das Kurioseste an der ganzen Sache ist jedenfalls, daß Herr Herkenrath bisher Mitglied der Liberalen Vereinigung in Düsseldorf gewesen ist und, wie eS heißt, sogar zeitweilig dem Vorstand an- gehört hat. Muß das ein seltsames Gemengsel sein, diese Liberale Vereinigung I DaS reinste Leipziger Allerlei. Mittelständler. Zünftler, Landbündler, Antisemiten: alleS scheint darin vereinigt zu sein, nur wirklich Liberale sind spärlich vorhanden. Vieh- und Fleischpreise. Die Dürre im Juli und Anfang August hat die Preis« für Viehfutter beträchtlich in die Höhe getrieben, so daß die Landwirte, die nicht selbst Futtermittel in größerer Menge angebaut haben, vielfach einen beträchtlichen Teil ihre« Viehes abstoßen und an die Viehhändler verkaufen. CS sind denn auch bielfach infolge der stärkeren Zufuhr die Preise für Rinder und Schweine an den deutschen Schlachtviehmärkten etwas zurückgegangen. Von einer Verbilligung der Detailpreise für Fleisch ist aber noch nichts zu spüren. Die Schlächter halten an de» meisten Orten mit Zähigkeit an den alten Preisen fest, ja, wie die amtliche Statistil für die fünfzig Hauptmärkte Preußens nachweist, ist sogar an manchen Orten der Preis für Rind- und Schweinefleisch in der ersten Hälfte des August in die Höhe gegangen. So ist zum Beispiel der Durchschnittspreis des Rindfleisches an diesen fünfzig Märkten in den ersten beiden Wochen des August von 168,0 auf 160.5 Pf. für das Kilogramm gestiegen. Neun Orte hatten eine Preiserhöhung und ebenso viele eine Preisherabsetzung. In Berlin ist der Preis von 175 auf 177 Pf. gestiegen. Am teuersten ist das Rindfleisch mit 180 Pf. in Wilhelmshaven , am billigsten mit 133 Pf. in Memel . DaS Kalbfleisch kostet im Durchschnitt aller Orte 185,3 gegen 185,5 Pf. im Juli. Vier Orte hatten einen höheren und zehn einen niedrigeren Preis. Die Extreme bilden Memel mit 136 und Altona mit 226 Pf. In Berlin hat sich der Kalbfleisch- preis von 18s Pf. nicht verändert. Das Hammelfleisch, dessen Durchschnittspreis von 183,7 auf 183,5 Pf. zurückgegangen ist, ist an 4 Orten billiger und an 5 Orten teurer geworden. In Berlin hat es seinen Preis von 192 Pf. behauptet. Potsdam und Krefeld hatten mit 200 Pf. den höchsten Hammelfleischpreis, Emden den niedrigsten mit 133 Pf. Der Durchschnittspreis des S ch w e i n e f l e i s ch s, der bisher gesunken war. ist zum ersten Mal seit längerer Zeit wieder gestiegen und zwar von 145,8 auf 146,5 Pf. 13 Orte hatten eine Preis- erhöhung und nur 5 eine Herabsetzung. In Berlin i st der Preis von 132 auf 133 P f. g e st i e g e n. Am billigsten war daS Schweinefleisch in Memel mit 120 Pf., am teuersten in Frankfurt a. M. mit 189 Pf. Der Schinken ist beim Verkauf im Ganzen von 250,1 auf 250,8 Pf. gestiegen, beim Verkauf im Aus- schnitt von 341,0 auf 341,7 Pf. gesunken. Speck hat seinen Preis von 170,6 auf 160,0 Pf. ermäßigt. Vergleicht man die Preise mit denen der ersten Hälfte de? August v. I.. so sind billiger als vor einem Jahre Schweinefleisch um 15,6 Pf.. Speck um 16,1, Schinken beim Verkauf im Ganzen um 3,8 und beim Verkauf im Ausschnitt um 2,1 Ps., dagegen teurer Kalb- fleisch um 1,4, Rindfleisch um 6,2 und Hammelfleisch um 9,2 Pf. Reichstagswahltermin. DerVerl . Lokal-Anz." meldete heute, daß vorläufig für die nächsten allgemeinen Reichstagsivahlcn der 15. Januar 1912, ein Montag, in Aussicht genommen sei. Darauf bringt dasWölfische Telegraphen-Bureau" sofort folgendes Dementi: Gegenüber der Meldung eines hiesigen Blattes, daß der 15. Januar 1912 als Termin der Reichstags- wählen in Aussicht genommen sei, wird dem Wölfischen Bureau von amtlicher Seite mitgeteilt, daß darüber noch keinerlei Be- stimmung getroffen ist._ Eine studentische Spielerei. Bekanntlich hat derVorwärts" unlängst die Meldung, daß eine Anzahl von Studenten sich während der Universitätsferien als Landarbeiter auf das Land begeben wollten, mit kritischen Anmerkungen versehen. Inzwischen hat ein Mitarbeiter deSBerliner Tageblatts" drei solcher Studenten interviewt und dabei originelle Feststellungen gemacht. Einer der akademisch gebildeten Land- Proletarier verband mit seiner eigenartigen Ferienbeschäftigung die Absicht. daS Leben der Landwirtschaft zu studieren und seine sozialen Beobachtungen zu einer Doktordissertation zu verwenden. Der zweite Student war poetisch veranlagt und wollte seine Milieustudien dichterisch verwetten. Der dtttte endlich, ein Mediziner, war ein so armer Teufel, daß er durch den Arbeitsverdienst(75 Pfennige täglich beifreier Station") einfach seine miserablen Finanzen auszubessern gedachte. Zu diesen Feststellungen deZ.Berliner Tageblatts" nimmt nun in dem Oertel-Blatt ein gewisser Spier das Wort. Spier rühmt sich, die Idee der studentischen Ferienarbeit auf dem Lande schon vor zwei Jahren propagiett zu haben. Die Absichten der drei inter - viewten Studenten behagen ihm nicht er verficht sein Projeft, dem, wie er demVorwättS" gegenüber bemerkt, auch keineswegs die Absicht der Lohndrücker« zugrunde liege, mit angeblich idealeren Motiven. Vier Gründe sprechen nach Spier für den neuesten studentischen Spott: die Pflicht der Akademiker. daS Wirtschaftsleben möglichst allseitig kennen zu lernen; das Streben, die Kultur der Stadt mit hinaus aufs Land zu ttagen; die Notwendigkeit, den verlorenen Kontakt mit dem Herzen der Natur wiederherzustellen; und endlich die Erwägung, daßkräftigende Arbeit" den Körper mehr stähle, als irgend ein Spott. Wir müssen leider gerade diesen Darlegungen gegenüber bei der Meinung verharren, daß eS sich nur um jugendliche Phantasterei und wertlose Spielerei handelt. Wie will ein Student wirklich Leben und Lage de« Landproletariats kennen und nachfühlen lernen, wenn er, wie Spier vorschlägt,ohne gegenseitige Vergütung", nur gegenfreie Etation' arbeitet, also gewissermaßen als Volomär. Erst dann würde der Student richtig die proletarische Existenz kennen lernen, wenn er restlos alle Pflichten des Landproletariats auf sich nähme und natürlich auch völlig unerkannt bliebe! Wen» sich aber der Student als Landproletatter ehrlich abrackern würde, würde ihm auch jeder Gedanke ausgetrieben werden,die Kultur der Stadt mit auf« Land hinauSzuttagen". Oder glaubt Spier wirklich, daß die al» Landarbeiter sich verdingenden Studenten den Mitarbeitern ästhetische und pädagogische Vorlesungen halten könnten? Sehr problematisch würde es bei wirklich derbem Zupacken der Studenten auch mit dem.Kontakt mit der Natur" aussehen. Der im Sonnenbrand schwitzende Landbewohner pflegt sein Verhältnis zur Natur gemeiniglich höchst nüchtern aufzufassen! Was aber die kräftigende Arbeit« anlangt, die als Ersatz für den Spott gepriesen wird, so sollte hier Herr Spier doch noch einen Schritt weiter gehen und gleich der Sozialdemokratie fordern, daß alle Glieder der Ge- sellschaft zu solcher Arbeit herangezogen würden und nicht nur während zweier Ferienmonate, sondern dauernd! Die geistigen Arbeiter würden sich dabei sehr wohl fühlen, und dem heute so schwer frondenden Proletariat würde dadurch die Arbeitslast der- artig erleichtett. daß auch ti an die Aneignung hoyerer geistiger Kultur denken könnte! Wenn die studentischen Befürworter der Landarbeit nicht der- attige Konsequenzen ziehen, wird die studentische Landarbeit nur als ein neuer Sport, al« bedeutungslose Spielerei be- ttachtet werden können. Und wenn der Spott, wa» wir freilich nicht befürchten, innerhalb der Studentenschaft wirklich Modesache werden sollte, so würde er schließlich auch auf eine verwerfliche Lohndrückerei hinauslaufen! Die Einberufung des preustischen Landtages verlangt nicht nur die.Nationalliberale Korrespon. denz". sondern auch die.Deutsche TageSztg.". Die letztere meint. die Einberufung de» Landtage» schon zum Herbst fei notwendig,