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Weis bei zll MlchküSK W'oMnM Vicht zu weik m. Kcft Normalpreisen der MetZkaserne abweichen und für Arbeiter noch erschwingbor sein, dann muß eben bei der Bauausführung in jeder nur denkbaren Weise gespart und geknapst werden. Das sollte man rund und nett zugeben, und die sich mit Notwendigkeit ergebenden Mißstände nicht in einer Weise zu vertuschen und beschönigen suchen, die zur schärfsten Kritik herausfordert. So rechtfertigt der Verfasser des Artikels über den gleichen Gegenstand, in der Nummer desVorwärts" vom 20. August, die steilen und schmalen Treppen zu den Bodenräumen in den Häusern bei Grünau damit. daß diese Treppen nicht oft begangen werden. Was würden wir wohl über einen Unternehmer sagen, der halsbrecherische Anlagen ztn solcher Weise oerteidigte? Mutz eine Treppe überhaupt begangen werden, dann muß sie so hergestellt werden, daß auch nicht akrobatisch veranlagte Men- schen sie benützen können. Für kurzsichtige Personen, schwangere Frauen usw. sind die gedachten Treppen direkt lebensgefährlich, und die Londwohnstätten-Gesellschaft kann von großem Glück sagen, wenn diese Treppen nicht Anlaß zu schweren Unfällen mit allen daraus sich ergebenden Weiterungen und Folgen werden. Bei dieser Aachloge drängt sich förmlich die Frage auf, ob unter obwaltenden Umständen, d. h. solange Staat und Gemeinde nicht großzügige, sozialistische Wohnungspolitik treiben, das Einfamilienhaus für den Arbeiter der Großstädte überhaupt zweckentsprechend ist. Nehmen wir eins der größeren Häuser der Landwohnstätten-Gesellschaft, in dem vier Einfamilienhäuser unter gebracht sind, als Beispiel. Es ist bei den gegebenen Raumverhält «issen noch ein recht bescheidenes Häuschen, und doch bedingt die Anlage als Viereinfamilienhaus vier Treppen von ebener Erde nach dem ersten Stock, und von diesem wieder vier Treppen nach den Bodenräumen. Etwas Unrationelleres und Unökonomischeres läßt sich kaum denken. Streiche» wir dagegen dasein" fort, und machen wir aus dem gleichen Hause statt einem Viercinfamilien ihauS einfach ein VierfamilienhauS, dann genügt eine Treppe von Parterre nach dem ersten Stock und dort wiederum eine Treppe uach den Bodenräumen für alle vier Familien. Diese zwei Treppen. statt der jetzt vorhandenen acht, können so ausgeführt werden, daß sie allen Anforderungen entsprechen, und es bleibt dann, neben der Material- bezw. Kostenersparnis noch eine Menge Raum zu anderen Zwecken verfügbar, an dem bei der jetzigen Anlage bitterer Mangel -ist. So ist in den Häusern bei Grünau nicht das kleinste Speise Zämmerchen vorhanden; nicht einmal zu einem dürftigen Wand spindchen unter dem Fenster im Küchenraum hat es gelangt. Aus Sparsamkeitsgründen hat man auch auf das Einbauen eines solchen verzichtet. Es kann daher bei allen, welche die Häuser eingehend tbesichtigt haben, nur Heiterkeit auslösen, wenn in dem Artikel des ».Vorwärts" vom 20. August ruhmredig gesagt wird,die Mieter eines solchen Hauses haben Küchenräume, in denen sie Vorräte halten können". D. h., die Mieter können vorbereitete oder übrig- gebliebene Speisen usw. in ihr Küchenspind stellen. Der Verfasser des erwähnten Artikels ist offenbar der Meinung, daß man so etwas in der Mietskaserne nicht tun kann oder darf. Anderenfalls könnte er es doch unmöglich als einen Vorzug der Grünauer Ein- familienhäuser anpreisen. Es fehlt nur noch, daß uns erzählt wiro, die Mieter dieser Häuser können ungestört und ungeniert husten, niesen und gähnen; sie haben die Möglichkeit, sich täglich Hände und Gesicht zu waschen, sie können sich die Zähne putzen, die Haare kämmen usch. Ein Unikum in seiner Art ist auch der ebenfalls mit aufgezählte Keller, zu dem der Zugang an einer der Außenseiten des Hauses liegt. Er besteht aus einem kleinen viereckigen Loch, in das man aus einer Treppe, ganz nach dem Muster der nach den Böden führenden, hinabsteigt. Schreiber dieses hat in diversen Miets kasernen als kleiner Mieter gewohnt, aber er würde dem Wirt, der ihm einen solchenKeller" angeboten hätte, augenblicklich das bekannte drastische Kompliment gemacht haben, das in einer Generalversammlung des Bundes der Landwirte den preußischen Miuistern an den Kopf geworfen wurde. Nun wird freilich mit Emphase eingewendet werden, wenn wir ein gewöhnliches Vierfamilienhaus machen, dann ist ja der ganzeSegen" des Einfamilienhauses futsch, und alle die Quellen des Haders und Zankes, die wir eben verstopfen wollen, sprudeln wie in jeder Mietskaserne. Merkwürdig! Dieselben Menschen, die eben gemeinschaftlich die gleiche Eisenbahn benützt, friedlich in demselben Straßenbahn- wagen, in demselben Omnibus gefahren, den gleichen Weg daher- gewandelt sind, sie sollen sich plötzlich in die Haare geraten, wenn sie eine gemeinsame Treppe benützen müssen. Und noch eins: Auch bei der gegenwärtigen Anlage, wie die Landwohnstätten-Gesellschaft sie geschaffen hat, kann der Mieter des Einfamilienhauses die Welt. in der er seine Individualität ausleben will und soll, nicht mit hohen Palisaden umgeben. ES verbleiben für kratzbürstige Naturen, für Leute, die sich nicht ineinander schicken können und wollen, noch so viele Reibungsflächen, daß schon acht Tage nach Be- zug der Häuser der schönste Zank und Stank im Gange sein kann. Weiter: Jedes der Einfamilienhäuser in dem gemeinsamen iHause besitzt eine Badeeinrichtung. Sie ist so primitiv, unrationell und unzulänglich wie nur möglich. Auf einem eisernen Oefchen steht ein großer Kessel zur Erhitzung des Wassers. Die Heizfläche ist gegenüber der zu erwärmenden Wossermenge und der Wärme- ausstrahlungsfläche des Kessels eine minimale. ES dauert also unter Verschwendung von Brennmaterial lange, ehe daS zum Bade nötige Wasser selbst für die vorhandene Liliputaner-Badewanne erhitzt wird. Der Baderaum soll gleichzeitig als Waschküche dienen. Er ist so beschaffen, daß die Hausfrau in ihm wohl schnell ein paar Taschentücher oder Windeln auswaschen kann. Für jede größere Wäsche, auch nur für die Normalfamilie, unter Benützung der Hilfsmittel, wie sie die Technik heute der Hausfrau bei der Wäsche an die Hand gibt, ist er viel zu klein. Würde statt der vier Bade- Vorsichtungen eine für alle vier Familien hergestellt, dann könnte ein Badeofen mit rationeller Jnnenfeucrung, durch die mit wenig Bronnmaterial in kürzester Zeit eine große Wassermenge erhitzt wird, nebst Warm- und Kaltwasscrbrause aufgestellt, auch der Raum in seinen Dimensionen so genommen werden, daß er wirklich als Waschküche zu dienen vermochte, und außerdem durch den Fortfall der Einzelbadevorrichtungen, die in Wirklichkeit doch keine sind, Raum für die Wohnungen gewonnen werden. Wo immer man also prüft, schafft das JndividualitätSprinzip. ........:n gegebenen Verhältnissen Zweckwidriges, dke Eigenbrödelei unter den.. WWW I Unzulängliches, Unrationelles, gegenüber zweckentsprechenden, vor- teilhaften, rationellen Einrichtungen, die daS Gemeinfamkeits- Prinzip ermöglicht.» UebrigenS hat auch die Landwohnstätten-Gesellschaft sich diesem Prinzip gebeugt. Der Verfasser des bereits erwähnten Artikels in Nr. 1L4 desVorwärts" rühmt zwar den Wohnungen nach, daß sie Querlüftung zweifellos die beste Form der Lüftung er- möglichen, doch tvifft das nur für die einfachen Doppelhäuser zu. In den Häusern, in denen vier Einfamilienhäuser untergebracht sind, hört die Ouerlüftung sofort auf. Die Landwohnstätten-Gesell- schaft hat sich offenbar gesagt:Wenn wir zwei der Doppelhäuser gegeneinanderstellen, dann sparen wir für eins die ganze Rück- wgnd. Und diese Ersparnis ist so groß, daß ihr die Querlüftung geopfert werden muß. weil wohl auch ohne sie eine genügende Lüftung der Wohnung erreicht werden kann." Nebenher gesagt: Bei dem VierfamilienhauS wäre die Ouerlüftung sofort möglich, während die Konstruktion der in einem Hause untergebrachten vier Einfamilienhäuser sie nicht mehr gestattet. Noch ein Wort über die Verteilung der Räume über zwei Etagen, die in dem bereits mehrfach erwähnten Artikel ebenfalls als wertvoll für die Mieter bezeichnet wird, schon weil sie die Mög- lichkeit gewähre, daß ein Familienmitglied aus Lust an der Ein- samkeit sich mal ans eine Stunde von den airderen absondern könne. Auch bei Krankheiten soll daS Unten und Oben werwoll sein. Bei dem VierfamilienhauS würde diese Verteilung der Räume über zwei Etagen allerdings schwer möglich sein; bei ihm würden... tztc Räume jeder Wohnung sämtlich in einer Etage liegen. Aber! Hessen verfallen. Er arbeitete bei der Stadt BenSheim zuletzt als jede erfahrene Hauöfräu ivird uns besteitigffi, tele bsrlellhafi es ist, wenn die zu einer Wohnung gehörenden Räume sämtlich in einer Flucht liegen. In Krankheitsfällen kann die meist in der Küche be- schästigte Hausmutter dann schnell einmal nach dem Kranken sehen und eine Handreichung bieten. Liegen aber die Küchcnräume unten und die Schlasräume oben, dann muß die Vielgeplagte jedesmal orst eine Treppe, im vorliegenden F-alle noch obendrein eine steile und unbequeme, hinaufrennen. Uns sind zahlreiche Fälle bekannt, in denen kleine Häuser einzig und allein aus dem Grunde verkauft wurden, weil die Wohnräume in zwei Etagen lagen und die Frauen die Plackerei des ewigen treppauf und treppab nicht länger ertragen konnten. Man dient eben einer Sache nicht damit, wenn man nur ihre winzigsten, vielfach nur eingebildeten Vorzüge ungebührlich heraus- streicht, wie es in dem bereits mehrfach zitierten Artikel geschieht, die schweren Schattenseiten aber unberücksichtigt läßt. Selbstverständlich soll eS jedem, der eben der Meinung ist, feine Persönlichkeit nur in der Eigenbrödelei ausleben zu können, un- benommen sein, sich in einem Einfamilienhaus, wie es unter den heutigen Verhältnissen hergestellt werden kann, glücklich zu fühlen. DeS Menschen Wille ist ja bekanntlich sein Himmelreich. Aber von demSegen" dieser Einfamilienhäuser soll man kein Aufhebens machen,_ Dritte Kollfemz der Casarbtttcr. Berlin . 24. August Ml. Zweiter BerhandlungStag. Wuhky» Berlin schilderte an der Hand des Verwaltungs- berichte? der Stadt Berlin die Rentabilität der Gaswerke. Bei bedeutender Ersparung von Kohlen und Arbeitskräften ist die Gas- Produktion ganz gewaltig gestiegen, im Gegensatz dazu ist der Ar. beitslohn für die Arbeiter geringer geworden. 1907 wurden für die Herstellung von 1000 Kubikmeter Gas 16,70 M., im Jahre 1909 aber nur noch 15,32 M. bezahlt. Auch die Unfallgefahren für die Arbeiter sind in den modernen Großbetrieben mit ihrer Satz in der Arbeitsweise nicht geringer geworden. Der Fortschritt der Technik in der GaSproduktion hat nicht der Arbeiterschaft, sondern nur den Kommunen und Privatgesellschaften Vorteile gebracht. Den Forderungen dcS Referenten, die wir gestern bereits brachten, wurde zugestimmt. Dr. med. Hanauer- Frankfurt a. M. referierte überBe- rufSkrankheiten". Früher habe man die Arbeit in der GaSerzeu- gung nicht für so besonders gesundheitsschädigend gehalten, aber seit zirka 10 Jahren sei eine Aenderung dieser Anficht eingetreten. nachdem ein Wiener Arzt eingehende Beobachtungen veröffentlicht habe. Danach erkrankten von 100 GaSarbeitern 48, von 100 Ar- beitern anderer Berufe aber nur 28. Die Haupterkrankungen er- strecken sich weniger auf Tuberkulose als auf Erkrankungen der Atmung?- und V e rda u u ng S or ga n e, sowie auf rheu« m a t i s ch e Erkrankungen aller Art. Selbst die Handwerker in Gasanstalten stellen einen größeren Prozentsatz Erkrankungen. als wie ihre Berufskollegen, die außerhalb der Gasanstalt be. schäftigt sind. Als Ursachen der Erkrankungen kommt die hohe Tempe. ratur, der Schicbtenwechsel, der Uebergang in niedrige Temperatur(die Erkältungen hervorruft), die schwere Ar- b e i t, die oft Muskelzerrungen und Unterleibsbrüche erzeugen, sowie die lange Arbeitszeit in Betracht. Vom hygienischen Standpunkte aus ist die lange Arbeitszeit entschieden zu verwerfen. Schon vor 15 Jahren wurden gesetzliche Untersuchungen über die Einführung des sanitären Arbeitstages von 8 Stunden angestellt und auch für die Gasbetriebe angeordnet. Die noch borkommende 18 bis 24stündige Arbeitszeit fei vom hygienischen und kulturellen Standpunkt aus entschieden zu bevlverfen. Ein Berliner GaS- direktor habe erklärt, er sei betreffs des Achtstundentags von einem Saulu» zu einem Paulus geworden, feit er gesehen, wie praktisch sich die Arbeiter während ihrer freien Zeit beschäftigten. Redner verbreitet sich dann weiter über die Massnahmen, die die ErkrankungS- und Unfallgefahr mildern können. Vor allem müssen die Anforderungen, die die moderne Gewerbehygiene for dert von den Gasbetrieben genau durchgeführt werden, wenn Besserungen erzielt werden sollen. Arbeiter- Organisationen und Aerzte könnten auf diesem Gebiete viel tun. Lebhafter Beifall.) Dr. med. Hanauer beantwortete in seinem Schlußwort die i» der Diskussion gestellten Anfragen, er betont, daß die Berufs genossenschaften im allgemeinen nur ein plötzlich eintretendes Er cignis als Unfall betrachten, daß aber auch schon Vergiftungsfälle als Unfälle beurteilt worden sind. ES findet eine Resolution An- nghme, in der nochmals der Achtstundentag gefordert und den Ver- waltungcn der Gasanstalten zur Pflicht gemacht wird, die ein tretenden Arbeiter auf die LergiftungSgcfahren aufmerksam zu machen und die Behörden aufzufordern, strikte auf Jnnehal- tung der Vorschriften der Gewerbeordnung gegen Verhütung von Unfällen zu achten. ES sprachen noch Max H e i n tz- Düsseldorf überGaSfernver, orgung" und Vorsitzender M ohS- Berlin überOrganifationS- ragen". An Beispielen aller Art zeichnete dieser Redner ein Bild, wie die Dezentralisation der Organisation eine einheitliche Be wegung der GaSarbeiter erschwere. Bei Stellung von Forde- rungen habe sich oft die Organisationszersplitterung als schädlich erwiesen, es feien in einzelnen Betrieben 14, 15, 16, sa 33 ver- 'chiedene Organisationen in Frage gekommen, wodurch ein Vor- gehen unmöglich würde. Nachstehende Resolution gelangte nach kurzer Debatte ein- kimmig zur Annahme: Zur nachdrücklichen Vertretung der Interessen der deutschen GaSarbeiter hält die dritte deutsche GaSarbeiterkonferenz eine einheitliche gewerkschaftliche Organisation, wie solche der Ver- band der Gemeinde- und StaatSarbeiter ist, für eine unbedingte Notwendigkeit. Vorbedingung für ihr Wirken ist die unein- geschränkte Gewährleistung und praktische Durchführung deS Koalition», und Streikrechtes. Die Konferenz verurteilt daher alle von den Verwaltungen geübten Schmälerungen dieses Rechtes. Ganz energisch protestiert die Konferenz aber gegen alle neuerlichen Versuche, den Arbeitern öffentlicher Betriebe das Koalitions- und Stretkrecht zu entziehen, wie das im Vor- entwurf zum Strafgesetzbuch besonder« durch seinen Pars- graphen 184 geschehen soll. Deshalb müssen seitens der Gaß. arbeiter alle Maßnahmen ergriffen werden, die verhindern, daß dieser Entwurf Gesetzeskraft erlangt. In diesem Kampf ins- besondere wie überhaupt in ihrem Wirken fühlen sich die GaS- arbeiter Deutschlands einig mit den in der modernen Arbeiter- bewegung organisierten Proletariern und sind entschlossen, mit ihnen gemeinsam ihre Rechte zu wahren und ihre Lage zu der- bessern." Damit waren die Arbeiten der 3. Konferenz der GaSarbeiter beendet,__ Sozialed* Hintertüren der Jnvalibenversicheruns. Bekanntlich hat die Invalidenversicherung, nicht minder die Reichsversicherungsordnung, ihren Versicherungsanstalten 100 Hintertüren gelassen, um sich von der Rentenzahlung zu drücken. Fehlt nur eine Beitragsmarke an der vorgeschriebenen Zahl, so ist der Anspruch auS diesem Grunde nicht begründet. Sind die Marken alle vorhanden, die einen Anspruch begründen, so wird wieder die Invalidität bezweifelt. Fehlen noch einige Marken an der vor- geschriebenen Zahl, so wird wieder nachgeforscht, ob die Invalidität deS Antragstellers nicht schon früher eingetreten und die zuletzt geklebten Marken für ungültig erklärt werden können. Diesem Schicksal ist der städtische Arbeiter B. zu BenSheim Straßenkehret und erhielt, tele amtlich festgestellt Kurde, einen Tagelohn von 2 M. Als er aber einen Rentenantrag stellte, weigerte sich die Versicherungsanstalt Großherzogtum Hessen, die Rente zu gewähren, weil die Invalidität schon längst bestanden habe. Die seit November 1909 verwendeten Beitragsmarken seien daher zu Unrecht verwendet worden. Der Invalide erhob Bc- schwerde dagegen, da er täglich seinem Dienste nachgegangen sei und immer als fleißiger Arbeiter, wie sein Arbeitszeugnis besage, seinen Lohn auch verdient habe. Die Invalidität sei also erst seit seiner letzten Erkrankung eingetreten und die verwandten Beitrags- marken zu Recht verwendet worden. Das Kreisamt zu Bensheim entschied zugunsten des Arbeiters, daßder Taglöhner H. W. zu B. berechtigt war, die Marken, die er nach- träglich verwendet habe, zu Recht verwendet habe, da ererwerbs- fähig" im Sinne des JnvalidenversicherungSgesetzeS und daher als Lohnarbeiter versicherungspflichtig nach§ 4 des Invaliden- Versicherungsgesetzes war". Gegen diese Entscheidung erhob die Versicherungs- an st alt Beschwerde. DaS Landesversicherungsamt zu Darmstadt entschied am S. August zuungunsten des Invaliden, weil nach dem eingeholten Obergutachten des Kreisgesundheitsamtes zu Bensheim die Invalidität schon längst bestanden habe. Nachdem das umfangreiche Arztgutachten wörtlich abgedruckt wurde. welche? die Invalidität schon vom November 1909 attestiert, bemerkt das Lcmdcsversichernngsamt zum Schlüsse:Deshalb konnte den Zeugenaussagen, die für die kreisamtliche Entscheidung maß- gebend waren, eine ausschlaggebende Bedeutung ebensowenig bei- gemessen werden, wie der Tatsache, daß W. vorübergehend gegen Tagelohn von 2 M. beschäftigt war. Hierbei muß insbesondere auch berücksichtigt werden, daß die Arbeiten, die W. im Dienste der Stadt Bensheim verrichtet, häufig von Rentenempfängern vorübergehend arsgeführt werden. Hieraus erhellt, daß diese Tätigkeit als eine sehr schwere nicht angesehen werden kann. Daß W. ein fleißiger Arbeiter war, soll nicht bestritten werden. Anderenfalls hätte der damals schwer leidende Mann die ihm übertragenen Arbeiten nicht ver- richten können. Aber gerade dieses Erschöpfen der im Körper wohnenden Energie darf nach der Rechtsprechung des ReichsversicherungSamtes für die Beurteilung der körperlichen Fähigkeiten zur Arbeit nicht gewertet werden." DaS sollsoziale Rechtsprechung" sein. Ist eS nicht gerecht. fertigtet, solche Rechtsprcchungsorgane als jeder sozialen Empfin- dung freie Behörden zu bezeichnen, die es für ihre Pflicht halten, dem Arbeiter durch die Hintertür der Rechtsprechung zu nehmen, was das Gesetz ihm scheinbar wenigstens versprochen hat? Krankenpflegerinnenkongreß. Am 6. Oktober findet in der internationalen HhgiencauS- stellung in Dresden ein Kongreß der Berufsorganisation der Krankenpflegerinnen Deutschlands statt. Es werden folgende Re- ferate mit anschließender Diskussion gehalten: Schwester Charlotte von Caemmerer : Die Schwester im Krankenhaus in Gegenwart und Zuknnft! Frl. Charlotte Reichel�Berlin : Krankenpflegerin und So- zialpolitik; Schwester Agnes Karll , Vorsitzende der Berufsorgani- sation der Krankenpflegerinnen Deutschlands und Präsidentin deS International Council of NurseS ": Vergleich zwischen der Or» gnnisation der Krankenpflegerinnen in Teutschland und im Aus» land. Die Verhandlungen finden im VortragSsaal dcS Aus- stellungSgebäudes statt und sind öffentlich. /Jus der frauenbewegung, Arbeiterinnen-, Mutter- und Säuglingsschutz. Die Erwerbsarbeit befreit die Frau nicht von der Hausarbeit. Für sie ist nach vollendeter Tagesarbeit in fremdem Sold keines- wegs Feierabend. Nach dem statistischen Ergebnis der Berufs- und Gewerbezählung von 1907 gab es 131 988 Frauen, die im Hauptberuf Jndnstriearbeiteriu, im Nebenberuf Landarbeiterin, Hausfrau und Mutter waren. Aber selbst wo das nicht der Fall, wo zur Erwerbsarbeit die häuslichen und mütterlichen Pflichten kommen, ist das ein Zuviel an Arbeit, das nach allen Richtungen schädigend wirkt, die Gesundheit der Frau gefährdet und zerstört und fortwirkend die des Kindes, das sie gebiert. ES sterben jähr- Uch in Deutschland 10000 Frauen im Wochenbett, davon 70Ö0 an Kindbettfieber. 50 000 erkranken schwer an den Folgen der Mutterschaft und fast 400000 Säuglinge fallen jährlich dem Würgeengel zum Opfer. Auf dem Lande nimmt die Kinder- sterblichkeit rapide zu. Damit ist die Notwendigkeit einer weit- reichenden Fürsorge für Mutter und Kind gegeben. Aber trotz wärmster Befürwortung durch die sozialdemokratischen Abgeord- neten ist sie bisher von der arbeiterfeindlichen Reichstagsmehrheit verhindert worden. Upd die Regierung, als Sachwalterin der kapitalistischen Interessen, stärkte der reaktionären Mehrheit bei Verabschiedung der ReichSvcrsicherungSordnung noch den Rücken durch die Erklärung des Staatssekretärs Delbrück , daß sie die ganze Reichsversicherungsordnung scheitern lasse, wenn ein besserer Mutter, und Säuglingsschutz beschlossen werde. Die bürgerliche Ablehnungsmaschinerie hat dieses skandalöse Verhalten noch über- trumpft, indem sie Verschlechterungsanträge einbrachte. 128 822 Frauen entbinden jährlich in Preußen allein ohne Hcbammenhilfe. Trotzdem ist der sozialdemokratische Antrag auf Einführung einer obligatorischen freien Hebammen- und ärztlichen Hilfeleistung niedergestimmt worden, desgleichen das Obligatorium einer Fa» milienverficherung. Niedergestimmt wurden ferner die Anträge: obligatorische Schwangeren- und Wöchnocinnenunterstützung zu gewähren für je acht Wochen in der Höhe des durchschnittlichen Tagelohnes für Arbeiterinnen; ein Stillgeld zu gewähren für 26 Wochen in der Hohe bei durchschnittlichen Krankengeldes(um den Säuglingen die Mutterbrust zu sichern und damit die enorm hohe Säuglingssterblichkeit herabzumindern). Das einzigste, was an obligatorischem Säuglings- und Mutterschutz beschlossen wurde, ist eine Wöchnerinncnunterslützung für acht Wochen in den Landkrankenkassen vier Wochen in der Höhe des Krankengeldes für die weiblichen Mitglieder, die mindestens sechs Wochen der Kasse angehören. Von dieser Unterstützung kann der Betrag für zwei Wochen vor der Entbindung, also als Schwangerenunter- ftützung, gegeben werden. Alle weitergehenden Leistungen sind nur fakultative. Selten ist die Brutalität kapitalistischer Interessenvertretung und das Fchlcit jeder Rücksichtnahme auf die arbeitende Klasse so grell beleuchtet worden, als durch die Behandlung, welche die For- dcrungcn des Mutter- und SäuglinaSschutzcS von der Regierung und den bürgerlichen Parteien im Reichslage erfahren Hadem' Ein traurige? Bild der Opfer, die das kapitalistische beutegierige Ar­beitsfeld fordert, gibt uns die Unfallstatistik, obwohl sie auf Boll- kommenhcit keinen Anspruch machen kann. 6372 Witwe« beklagten den Verlust ihres Gatten, 13283 Kinder den Verlust ihres VaterS. Wieviel entsetzliches Elend bergen diese Ziffern? Wieviel zcr- störteS Familienglück, wieviel vernichtete Existenzen, welch un- fäglichc Schmerzen und Qualen? In der Landwirtschaft verun» glückten 1909 138 785 Personen. Von diesen wurden 1823 getötet, 433 dauernd und völlig erwerbsunfähig. Von den Schwerverletzten waren 1792 männliche und 589 weibliche Kinder unter 16 Jahren! Göttliche Weltordnung! Unter den Schwerverletzten waren ferner 18 236 weibliche Personen. Frauen, die Invalidenversicherung verlangten, wurden als noch nicht invalide abgewiesen. Eine Frau, die an beiden Beinen gelähmt war, eine andere, die sich nur müh- sam mit Hilfe einer Krücke fortbewegen konnte, wurden abgewiesen. weil sie noch stricken könnten oder Kinder tvarien. womit sie noch ein Drittel ihres früheren Verdienstes zu erwerben vermöchten! Am schlimmsten trieb es die arbeiterfeindliche Mehrheit bei der