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Die IIIaroMioaffäre. Neue beachtenswerte Meldungen liegen nicht vor. Selbst der Zeitpunkt der Wiederaufnahme der Besprechungen steht noch nicht fest. In der Pariser Presse hält die mehr opti mistische Beurteilung der Situation an, nur über den neuen Vorstoß Spaniens zeigt man sich etwas beunruhigt. Die deutsche bürgerliche Presse vertreibt sich die Wartezei mit einer überlauten Hetze gegen England. Den Vor wand lieferte eine Veröffentlichung der WienerNeuen Freien Presse", in der die deutsche Marokkopolitik in schärfster Weise kritisiert, die deutsche Regierung als eine Art internationaler Störenfried bezeichnet und erklärt wird, daß hinter der Re gierung nur eine kleine Oligarchie, nicht aber das deutsche Volk stehe. Der Artikel wurde dem englischen Bot s ch a f t e r in Wien zugeschrieben. Die bürgerliche Presse, von der nationalliberalenKöln . Zeitung" bis zur klerikalenGermania ", die überhaupt in neuerer Zeit sich plötzlich riesignational" gebärdet, tat nun sehr aufgeregt und verlangte unter allen möglichen Be schimpfungen des Botschafters Genugtuung. Nun haben die englischen Imperialisten sicher alle Ursache, vor der eigenen Tür zu kehren und die englische auswärtige Politik stand ebenso stets im Dienste einer kleinen kapitalistischen Clique wie die aller anderen kapitalistischen Staaten. Der Botschafter hat aber erklärt, daß er keine Verant- Wartung für den Artikel übernehme, und damit, sollte man meinen, daß der Sensationsartikel des Wiener übel beleumundeten Blattes erledigt sei. Denn es widerspricht den wirklichen Interessen des deutschen Volkes auf das schärfste, wenn das ohnehin gespannte Verhältnis zu den Westmächten durch solche Preßfeldzüge noch weiter der giftet wird. Die ganze Kampagne ist um so l ä ch e r l i ch e r, als nach dem Dementi des Botschafters der Beweis gar nicht erbracht werden kann, daß der Artikel von ihm her- rührt. Saure Trauben. Unter der Ueberschrift:Das Volk muß sprechen", der- öffentlicht das konservativePosener Tageblatt" einen Aufruf. in allen deutschen Gauen resp. Provinzen große Versamm- lungen abzuhalten als machtvolle Kundgebungen gegen jede lveeinträchtigung der nationalen Ehre. Daß der Aufruf gerade in einem konservativen Blatte erscheint, ist nicht uninteressant. Sind doch die Konservativen gerade diejenigen, die das Volk von jeder selbständigen politischen Betätigung ausschließen wollen, ihm das gleiche Wahlrecht in Preußen versagen und eS ihm im Reiche rauben wollen. Und jetzt wird das Volk von den Konservativen eingeladen, seine Stimme in schwierigen internationalen Fragen abzugeben I Der D. TageSztg." ist eS auch bei der Geschichte nicht ganz wohl. Ein bißchen Demagogie wäre ja schon recht, aber wo bleibt die Autorität der Regierung, die doch auch ohne die Mithilfe der Massen schon alles machen wird? In Wirklichkeit graut aber den schlaueren Bündlern in der Hauptstadt vor nichts mehr als vor der Kundgebung des wirklichen VolkSwillenS. Rur der un« erfahrene agrarische Provinzonkel in Posen konnte mit solch unvor- fichtigem Plan herausrücken. Eine Rede des französische» Kolonialministers. Nancy , 28. August. In einer Sitzung des Generalrats hielt Kolonialminister Lebrun eine Rede, in der er die Marokko - angelegenheit berührte und bemerkte, Frankreich warte i n aller Ruhe den Verlauf der in Gang befindlichen Unterhand> lungen ab. ES hieße an der Menschlichkeit, an dem Glänze des Jahrhunderts, an der Zivilisation, am Fortschritt verzweifeln, wenn zwei große Nationen, die auf gleichem Fuße, in der gleichen Sorge um den Weltfrieden und ihre Würde verhandeln, nicht zu einer billigen Verständigung gelangten, in der beide gleiche Sicherung finden würden. Die Protestbewegung. Die Altion der deutschen Arbeiterschaft gegen die von den all- deutschen Prozentpatrioten geschürte Kriegshetze und das Marokko - abentener hält in ungeschwächter Stärke an. In G e r a kenn- zeichnete Genosse Dr. L e n s ch- Leipzig in einer von etwa 3000 Per- sonen besuchten Demonstrationsversammlung unter stürmischem Beifall unser neuestes Kolonialabenteuer. Die Versammelten nahmen einstimmig eine Resolution an, in der eS nach den Verurteilung des Versuches, Deutschland in einen Krieg mit Frankreich zu Hetzen, heißt: So sehr jedoch das arbeitende deutsche Volk den Weltkrieg verabscheut und ihn mit allen Mitteln zu verhindern gelobt, so erklären die Versammelten doch, daß die herrschenden Klassen einen Weltkrieg mehr zu fürchten haben als die unter- drückten Massen. Ein Weltkrieg würde eine lange Periode von Revolutionen und Völkerkämpfen einleiten, die nur enden könnte mit dem Sturze des Kapitalismus und dem Uebergange zum Sozialismus. Die Furcht vor dieser sozialen Revolution war bisher das sicherste Mittel, de» Weltkrieg zu verhindern. Die Verfanimelten geloben, dafür sorgen zu wollen, daß diese Furcht der herrschenden Klassen vor den sozialen Konsequenzen eines Weltkrieges auch in Zukunft lebendig bleibe. Das beste Mittel dazu erblicken sie in rastloser politischer Auf- k l ä r u n g und in dem weiteren kraftvollen Ausbau der Arbeiterorganisationen. Eine imposante Friedenskundgebung war die Maffenversamm- lung, die auf Einladung unserer Parteileitung im größten Saale von Görlitz tagte. Rund 2000 Personen hatten dem Rufe Folge geleistet und zollten den Ausführungen des Reichstagsabgeordneten S ch ö p f l i n überMarokkorummel und Kriegshetze" stürmischen Beifall. Eine Resolution, in der die Versammelten versprachen. alles zur Aufrechterhaltung des Friedens zu tun und in der sie die sofortige Einberufung des Reichstages forderten, fand einstimmige Annahme._ iiachßlsnge des eisenbahneritteißs. London , 26. August.(Eig. Ber.) Die Folgen des überstandenen Schreckens äußern sich bei der englischen Bourgeoisie in verschiedenen Formen. Die einen, die denbraven Streikbrechern", der Polizei und der Soldateska um den Hals fallen möchten, sammeln Gelder, um die Retter der kapitalistischen Gesellschaft zu belohnen. Der weniger sentimental veranlagte Teil der herrschenden Klassen versucht die schwierige Aufgabe zu lösen, auf welche Weise diesegottlosen" undverbrecherischen" Auflehnungen des Proletariats zu verhindern oder zu unterdrücken sind. Den interessantesten Teil der englischen Presse bilden äugen- blicklich die Briefe aus dem Publikum. Die meisten ver- raten allerdings den perplexen Geisteszustand von Leuten, die nach einem beschaulichen und zufriedenen Leben auf ein- mal gewahr geworden sind, daß sie auf einem Vulkan leben. und die nun in der Angst nach einer Medizin schreien, um das Erdbeben zu kurieren. Aber man trifft auch vernünftige Vorschläge an. So schreiben verschiedene Eisenbahnaktien- Besitzer, daß sich£« GseMhsaÜieichesitzer zusammentun solltest, utst die Direktoren zu zivingStt, die Eisenbahner bessek zu behandeln. Ob dieser Wunsch dem menschlichen Mitgefühl entspringt oder der Furcht, daß der letzte Streik die Be- wegung zur Verstaatlichung der Eisenbahnen gewaltig stärken muß, ist leider aus den Schreiben nicht zu ersehen. Ein anderer gibt der Meinung Ausdruck, die Arbeiter seien so unzufrieden, weil sie keine Ferien bekämen: kluge Arbeit- geber, die sich einen zufriedenen Arbeiterstamm heranziehen wollen, sollten ihren Arbeitern jährlich drei Wochen Ferien bei Bezahlung des vollen Lohnes gewähren. Ein höchst prak tischer Vorschlag, der unter anderen Vorzügen auch den besitzt, daß das Proletariat, auf kurze Zeit des ewigen Schuf tens enthoben, Zeit gewinnen würde, den kapitalistischen Klassenstaat einmal in Ruhe zu studieren. Nach vielem Hin- und Herdenken hat endlich jemand ein Allheilmittel gegen Massenstreiks gefunden.Ein einfacher Bürger" hat das Rezept gratis an alle Zeitungen geschickt DieTimes" widmet dem Briefe heute einen langen sym pathischen Leitartikel. Es handelt sich um nichts weniger als die Organisation des Bürgertums in Streikbrecher kolonnen, die in Aktion treten, sobald die Arbeiter in einem für die Oeffentlichkeit wichtigen Betrieb streiken. Weshalb auch nicht? Erzählt man sich doch die Geschichte von dem Rechtsanwalt, der vorige Woche in Newcastle einen streiken den Gepäckträger ersetzte und von einem reisenden Richter ein Trinkgeld von 2 Pence anstatt der üblichen Anwaltgebühr in der Höhe von 6 Schilling und 8 Pence bekam. Praktische Schwierigkeiten, so predigt das englische Orakel, seien nicht vorhanden.Die körperliche Arbeit ist auch nicht annähernd so schwer und unangenehm als es von den Arbeiterführern hingestellt wird und als viele Leute glauben. Ihr Mangel an Reiz ist mehr der Eintönigkeit und der fehlenden Abwechse lung zuzuschreiben als der eigentlichen Abspannung und Widrigkeit. Menschen von mäßiger athletischer Entwickelung würden sie leicht genug und auf kurze Zeit nicht unangenehm finden. Auch würde ein gebildeter und ziemlich intelligenter Mann nicht lange brauchen, um selbst die Arbeit im Bahn Wärterhäuschen und auf der Lokomotive zu lernen." Und das arme reisende Publikum? Der Gedanke läßt sich leicht weiter spinnen. Man müßte die zweckmäßige Verwendung der vorhandenen Talente berücksichtigen. Die Redaktionen der Rinnsteinpresse könnten zum Beispiel zur Kloakenreini gung abkommandiert werden, wobei sie wertvolles Material iir ihre unflätige Beschimpfung streikender Arbeiter sammeln könnten. DieTimes" finden die einzige Schwierigkeit darin, daß es zum Gelingen des Planes notwendig ist, daß die Behörden diese bürgerliche Streikbrechergarde organi leren. Durchführbar sei der Vorschlag, das habe die Hand lungsweise der schwedischen Bourgeoisie zur Zeit des schwe- bischen Generalstreiks bewiesen. DieWestminster Gazette", las Regierungsorgan, kann sich mit dem Gedanken nicht be reunden. Sie schreibt in einem Leitartikel:Die Behörden haben schon jetzt Schwierigkeiten genug, um dep Beschul- bigung aus dem Wege zu gehen, daß sie in ungerechter Weise eingreifen, wenn sie nur ihre notwendige Pflicht tun, die Ordnung aufrecht zu erhalten, und wenn wir sie geachtet wissen wollen, so müssen wir uns die größte Mühe geben, den Glauben zu stärken, daß sie streng unparteiisch sind." Der Arbeiterschaft kann es nur nützlich sein, wenn sie diese vor der Oeffentlichkeit geführte Diskussion der beiden Teilhaber im kapitalistischen Ausbeutungsgeschäft aufmerksam tzxrfolgt. In W a l e s soll die Streikbewegung zu einer Juden hetze Anlaß gegeben haben. Eine Reihe Läden sind von der Menge geplündert worden, die über die schamlose Preis- erhöhung, zu der die Händler die Streikbewegung mißbraucht haben, empört war. Den Eigentümern der Läden ist nichts geschehen. Nun befinden sich unter den Geplünderten eine beträchtliche Anzahl Juden, denen es als Ausländern natür- lich am schlimmsten erging und die nun in dem Glauben, daß ein Pogrom veranstaltet worden sei, nach Cardiff und anderen Großstädten flüchteten. Die Sache wird von Blättern, die orthodoxen Juden gehären, gewaltig aufge bauscht. Seit Jahren jammern die orthodoxen Juden darüber, daß ihre Religionsgenossen selbst die russischen in Großbritannien , wo unter dem Volke nicht der geringste Hast gegen die Juden fals Juden, nicht als Ausländer) zu spüren ist, in kurzer Zeit von der englischen Bevölkerung spurlos assimiliert werden. Die Unruhen in Wales kommen daher den Elementen, die an der Erhaltung desJuden- schmerzes" ein reales Interesse haben, sehr gelegen, um die Juden in Grostbritannien an ihre religiösen Pflichten zu er- mahnen. Deshalb wird aus den Unruhen, unter der christ- liche wie jüdische Geschäftsinhaber zu leiden hatten, eine Art Pogrom konstruiert. Eine imposante Versammlung fand heute Nachmittag auf dem Trafalgar Square statt. Es war eine Proteswer- sammlung gegen die Verwendung von Truppen bei Streiks, die von der S. D. P. einberufen worden war. Es sprachen unter anderem die Genossen Lansbury, Green. Ouelch, Ben Tillet und Jones. Keir Hardie , Hyndman und auch einige angesehene bürgerliche Politiker, die mit dem Zweck der Ver- sammlung sympathisierten, hatten Schreiben und Tele- gramme geschickt. Die von der vieltausendköpfigen Menge begeistert angenommene Resolution lautete: ..Diese Versammlung Londoner Bürger verurteilt nachdrück- lich die unverantwortliche und ungesetzliche Verwendung der mili- t-ärischen Streitkräfte der Nation seitens der Regierung im Jnter- esse der Eisenbahnmonopolisten zur Riederknüppelung der streikenden Eisenbahner, die gezwungen werden sollten, sich Be- dingungen zu unterwerfen, gegen die sie revoltieren müssen. Diese Versammlung verurteilt ferner in schärfster Weise den ver- fassungswidrigen Grundsatz, der von dem Minister des Innern mit der Zustimmung seiner Kollegen aufgestellt und erzwungen worden ist. nach dem den Befehlshabern der verschiedenen mili- tärischen Distrikte bei der Verteilung und Verwendung der unter ihrem Kommando stehenden Truppen, unabhängig von den Zivil- behörden und im Gegensatz zu diesen Behörden, freie Hand ge- lassen wurde. In den Augen dieser Versammlung ist diese Handlungsweise der Regierung ein Verbrechen gegen die ösfent- liche Freiheit, die hochverräterische Unterdrückung der Zivil- behörden und die Einführung des �sriegsrechts in diesem Lande' ein Verbrechen, das die Anklage wegen Hochverrats gegen die Minister erfordert, die für einen solch schweren Verfassungsbruch verantwortlich sind." Die Versammlung auf dem Trafalgar Square bildet den Anfang einer Protestbewegung, von der bas ganze Land bald widerhallen wird._ poUtifchc dcberficbts Berlin , den 29. August 1911. Das neue Flottenprogramm. Wie vorauszusehen war. suchen die Flotteninteressenten bürgerlichen Parteien die Bedeutung der Flottenrede und.... M Wilhelms IL abzuschwächen. Es patzt ihnen njcht, datz die l mßn F!otkenford'eMstg?st 6 o f F e t Wahl örorler? iffSk- den. So hat sich der Präsident des Deutschen Flottenvereins , Grostadmiral von K ö st er, auf eine Anfrage des Berliner Vertreters derDaily Mail" in folgender Weise geäußert: ..Die Hamburger Kaiserrede läßt meines Erachtens zunächst die Absicht der Einbringung einer über den Stand des Flottengesetzes hinausgehenden Flottenvor- läge nicht zu. Dem Wunsche nationalgesinnter deutscher Männer dürfte es aber entsprechen, daß unsere Flotte zur Durch- führung der ihr vom Kaiser gestellten Aufgaben genügend stark sei." Die Bemerkung von Kösters, daß der Kaiser wohl nicht von einer über den Stand des Flottengesetzes hinausgehenden Flottenvorlage gesprochen habe, verliert schon dadurch jede Bedeutung, daß Herr von Köster ja auch die B e- schleunigung der Flottenbauten entgegen dem Plane des bisherigen Flottengesetzes für durchaus vereinbar mit dem Flottengesetz erklärt hat! Der Rahmen des Flotten- gesetzes ist nach der Auffassung des Präsidenten des Deutschen Flottenvereins eben ein außerordentlich dehn, barer! Auch dieGermania " gehört natürlich zu den Ver» schleierungspolitikern. Sie erklärt, daß Wilhelm II. selbst» verständlich" nur von solchen Flottenverstärkungen gesprochen habe, die sich im Rahmen des Flottengesetzes bewegen. Das ist natürlich dummes Zeug. Denn wenn Wilhelm II. die im Flottengesetz festgelegte Verstärkung der Flotte ge- meint hätte, so hätte er ja nicht von der Annahme des Bürgermeisters Predöhl sprechen können, wonach die Flotte auch fürderhin zu verstärken sei. Die Ausfuhrung des F l o t t e n g e s e tz e s ist ja ganz s e l b st- verständlich! Aber die braveGermania " schreckt bei der Beschwindelung der Massen vor nichts zurück. Nicht ein- mal davor, Wilhelm II. eine offenbare Unsinnigkeit zu impa« tieren._ Nach dem Heiligen der Ritterl Der Zentrumsabgeordnete Erzberger hat sich mit seinem Verlangen nach scharfen gesetzgeberischen Maßnahmen gegen die Sozialdemokratie den Beifall seines Benders im Schnapsblock, der. Deutschen Tageszeitung' verdient. Sie Schreibt: Der Abg. Erzberger hat durchaus recht. Wir sind nach den Erfahrungen der letzten Zeit zu der Ueberzeugung gekommen, daß die bestehenden Gesetze tatsächlich nicht mehr aus» reichen. Sie müssen ergänzt und verschärft werden. Derartige Verschärfungen und Ergänzungen können aber nicht von den Parteien in irgend welcher Weise beantragt oder angeregt werden; es ist vielmehr Sache, Aufgabe und Pflicht der verbündeten Regierungen, Vorschläge zu machen. wie solche RevolutionSgelüste rücksichtslos niedergeworfen werden" können. Gegenüber derartigen Gelüsten kann eS keine Schonung teben, sondern nur die schärfste Rücksichtslosigkeit. sie Regierung darf den geeigneten Zeitpunkt nicht ver- säumen, sondern würde pflichtwidrig handeln, wenn sie dulden wollte, daß die drohende Gefahr uns über den Kopf wachse. Früher hat die Zentrumspartei des Reichstages mitunter versagt, als die Regierung Borschläge machte, in der Richtung vorzugehen, die jetzt vom Abgeordneten Erzberger an» gedeutet wird. Nach den Ausführungen des genannten Ab« geordneten darf wohl gehofft werden, daß das Zentrum künftighin seine Mitwirkung bei einer Verschärfung der bestehenden Gesetze nicht versagen wird." Viel tiefer kann da» Zentrum nicht sinken, als es damit gesunken ist, daß eS gegen den Schrei des Erzberger nach Ausnahmegesetzen keinen Widerspruch erhebt, also das Treiben dieses widerwärtigen Wichtigtuers billigt. Dabei stand das Zentrum zur Zeit des Kultur« kampfeS selbst unter einem Ausnahmegesetz, wie heute noch ein Ausnahmegesetz gegen die Jesuiten besteht. Daß man von der Re- gierung gesetzgeberische Vorschläge verlangt, läßt darauf schließen, daß sich die Schnapsblockparteien nicht mit eigenen Vorschlägen etwa die Finger verbrennen wollen. Zur Niedertracht gesellt sich noch die Feigheit!_ Ohne Kanitz keine neuen Kähne. Die-Deutsche Tageszeitung" hat zwar gegen die An- Andigung einer weiteren Verstärkung ber Flotte durch die letzte Kaiserrede nichts einzuwenden, aber es ist ihr unan- genehm, daß Wilhelm II. diesmal nur von Handel und In- dustrie gesprochen hat. Das Agrarierorgan läßt daher den Kaiser folgende Belehrung zuteil werden: Eines darf auch hier nicht vergessen werden. Wir werden diesen Anspruch sauf den Platz an der Sonne) nur dann mit der Aussicht auf dauernden Erfolg geltend machen können; wir wer- den unseren, den uns von Rechts wegen zustehenden Platz an der Sonne nur behaupten, sichern und erweitern, wenn- wir niemals vergessen, wo die eigentlichen Quellen unserer Kraft entspringen nämlich auf dem Acker. Hier ist der Wurzelboden unserer Stärke, hier ist der Ankergrund unserer Wpltstellung, hier ist und bleibt das Fundament unserer Zukunft." Die Triarier seiner Majestät geben damit zu verstehen. daß sie zwar für neue Kähne zu haben sein würben, aber nur unter der Bedingung, daß ihnen als Kompensations- objekte neue Liebesgaben und Wucherzölle zuteil werden!_ Weltanschauungs- oder Magenfrage». Auf dem Katholikentag in Mainz lag dem Aus- chuß für soziale Fragen ein Antrag vor, worin erklärt wurde, daß eszur Erhaltung und Er- breiterung des für Kirche und Gesellschaft wohltätig wirkenden selbständigen Mittel- sian des unbedingt notwendig ist, daß derselbe stets hinreichend Arbeit und Absatz habe"; deshalb forderte der Antragunter Hin- weis auf das Gebot der Nächstenliebe alle Katholiken auf, bei Vergebung von Arbeiten und bei Ein- käufen nach Möglichkeit die Handwerker und Kleingewerbetreibenden zu unter st ützen". lieber die Behandlung, die der Antrag im Ausschuß erfahren hat, ist nichts in die Oeffentlichkeit gedrungen, da diese bei den Ausschutzsitzungen nicht zugelassen wird. Jedenfalls ist. wenn man aus der Stimmung schließen darf, die bei der Verhandlung in der geschlossenen Versammlung herrschte, die Aussprache im Ausschuß sehr erregt gewesen. Es platzten bei dieser Gelegenheit die Vertreter des Mittelstandes und der Arbeiter recht heftig auf- einander. ES handelte sich, wenn es auch nicht zugegeben wurde, um einen Vorstoß der Mittelständler gegen die Ge- nossenschaftsbestrebungen der Arbeiter. Sind die Katholiken verpflichtet, Handwerker und Kleingewerbetreibende bei Vergebung von Arbeiten und bei Einkäufen zu unterstützen, dann ist damit den Genossenschaften, die auch in den Kreisen der katho- lischen Arbeiter zahlreichen Anhang haben, das Urteil gesprochen. Und man kann es begreifen, daß die katholischen Arbeiter sich gegen eine derartige Mittelstandsretterei, die ihnen selbst an den Kittel geht, auflehnen, sintemalen ja nicht nur die Genossenschaften, son- dern auch die gewerkschaftlichen Organisationen den Mittelständlern ein Dorn im Auge sind. Wie weit die Ekgcojä�e guj iwiem ffieMeie gedichen sind.