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Politifcbe deberRcbt Berlin, den 80. August 1911. Neue Zentrumsniedertracht. DaS Zentrum entwickelt sich immer mehr zur Scharf- Macherpartei schlechthin. Die Freikonservativen find nachgerade die reinen Waisenknaben in der Scharfmacherei gegen- über der Partei fürWahrheit und Recht". DieReichsfeinde" von ehedem, die ehemaligen Oppositionellen, sind nicht nur die Ver- b ü n d e t e n der schwärzesten Reaktion geworden, sondern geradezu die Träger und Vorkämpfer aller reaktionären Anschläge. Während die konservative, agrarische und selbst die freikonservative Presse vom Schlage derPost" die zum Sonntag angekündigte Friedensdemonstration des Berliner   Proletariates als selbstver- ständliche Gegenaktion gegen die infame Kriegshetze mit. grösserer oder geringerer Fassung hinnimmt, fallen die beiden Berliner   Zen- trumsblätterGermania  " undM ä r k i sch e Volks­zeitung" mit einem wahren Wutgeheul und giftigstem Denun- ziantcntum über die geplante Veranstaltung her. DieGermania  " besitzt die Frechheit, voy der Sozialdenwkratie als der Partei der Vaterlandsverräter zu sprechen. Die Sozialdemokratie beweise nur durch ihre Kundgebung, bah sie für nationale Ehre und Würde kein Verständnis habe. Da seien die französischen   So- zialdemokraten anders gesinnt. Als ob es nicht gerade fr an- z ö s i s ch e Arbeitervertrcter gewesen wären, die- erst kürzlich in Berlin   und Paris   in der rücksichtslosesten Weise gegen deutsche und französische   Kriegshetzereien Protest erhoben hätten! Aber was kommt es derGermania  " auf einen Schwindel mehr an! Toller noch treibt es dieMärkische Volkszeitung", das widerliche Ausscheidungsprodukt derGermania  ". Sie be- hauptet, daß inschwieriger Stunde" die deutsche   Sozialdemokratie der deutschen   Regierung Knüppel zwischen die Beine werfe". Ein solches Verhalten der deutschen   Sozialdemokratie seisch mach- voll", eindem ganzen deutschen   Volke zugefügter Schimpf". Dann heißt es wörtlich: Von einer Kriegshetze haben wir noch nichts bemerkt, es sei denn, daß man die hie und da etwas erregte Sprache unserer alldeutschen Presse als eine solche ansehen will; aber nicht diese ist maßgebend, sondern allein die Regierung: Und das Verhalten der deutschen   Regierung läßt doch mit aller nur wünschenswerten Deutlichkeit erkennen, daß sie einen Krieg nicht will. Es find nicht nur alldeutsche Blätter, die von der bangen Sorge nicht ganz frei sind, ob die deutsche Regierung sich nicht zu nachgiebig zeigen und deutsche Interessen preisgeben wird." Das Zentrumsblatt macht also förmlich Brüderschaft Mit den alldeutschen Kriegshetzern, deren Sorge auch die seine ist! Von einer Kriegshetze hat es noch nichts bemerkt! Selbst derArbeiter", das Organ des Verbandes der katholischen Arbeitervereine, schreibt in seiner letzten Nummer von denmaß- losen Uebertreibungen alldeutscher Kriegs- Hetzer"> dieMärk. Volksztg." dagegen identifiziert sich mit dieser Kumpanei! Die unbeschreibliche Jämerlichkeit und Perfidie der Zen- krumSpresse erklärt sich nicht allein aus dem heißen Bemühen des Zentrums, sich nur ja bei der Reaktion und der Regierung einzu- schmeicheln, sondern auch aus dem bösen Gewissen und peinlichen Erinnerungen. Nicht immer ist ja das Zentrum so sehr vom Kolonialkoller befallen gewesen! In seine heurigeSchützenfest- stimmung". um das prophetische Wort des Abgeordneten Bam- berger zu gebrauchen, hat sich das Zentrum ja erst künstlich hinein« deliriert. Noch im Jahre ISVS wetterte ja bekanntlich Herr Erz- b e r g e r gegen die Weltpolitik, weil sie die internationalen Rei- bungsflächen vermehre und Kriegsgefahren enthalte. Im Jahre lövö drohte ja auch Herr R o e r e n der Regierung mit einer Zen- trumsopposition in kolonialen Dingen! Nach der aktenmäßigen Darstellung des Kolonialsekretärs Dcrnburg er- klärte er bei Verhandlungen mit Regierungsvertretern, wenn man nicht das Verfahren gegen den katholischen Beamten Wistuba ein- stelle, so könntedie ganze katholische Bevölkerung und namentlich die Zentrumsfraktion dadurch gegen die Kolonien sehr ungünstig gestimmt werden". Ja, Herr Rocren drohte nach Herrn Ternburg direkt damit:Wenn die Wistubasche An- gelegenheit nicht in der von uns(dem Zentrum) erwarteten Weise erledigt werde, so werden wir uns genötigt sehen, für die Ko- lonien überhaupt nichts mehr zu bewilligen". Von so großenpatriotischen" Gesichtspunkten aus beurteilte das Zentrum Anno 1906 unsere Weltpolitik! Und jetzt besitzen diese Leutchen die Dreistigkeit, der Sozialdemokratie Vaterlandsscindlichkeit oder gar Hochverrat vorzuwerfen, weil sie aus Gründen der nationalen Wohlfahrt, der Vernunft, der Mensch- lichkeit und des Christentums gegen die aberwitzige Kriegshetze Front macht, die tagtäglich von unseren Prozentpatrioten betrieben wird!_ Mr erneutes Wettrüsten spricht sich begeistert Richard Nordhausen   sin.Tag' aus. Er schreibt: In Hamburg   ist jetzt die Antwort gegeben worden. Die einzig richtige. Dieser Antwort braucht kein Wort hinzugefügt zu werden, wie ihr keine- genommen werden darf..Jungens, wir müssen Kähne bau'n.' Deutschland versteht die Antwort und läßt sie weiterklingen.' Der wildkonservative Schriftsteller ist wenigstens ehrlich genug, den armseligen Schwindel der Ultramontanen und Liberalen nicht mitzumachen, sondern zuzugestehen, daß der Sinn der kaiserlichen Rede gar nicht mißverstanden werden kann! Diesen Sinn ver- dolmetscht er daher hübsch mit den Worten:.JungenS. wir müssen Kähne b a u' n l" Aber auch dieKonserv, Korrespondenz' schließt sich dieser Losung zieinlich unverblümt an. Sie erklärt: Immerhin wird nicht zu übersehen sein, daß die inter  - nationalen Spannungen der letzten Zeit dazu angetan sind, daS Gewissen der Reichsleitung bezüglich der Stärke unserer militärischen und maritimen Abtvehrmittel zu s ch ä r f e n. ES wäre übereilt, in solcher Angelegenheit von uner meßbarer nationaler Tragweite im voraus ein Urteil abzugeben, ehe nicht die Reichsregierung ihre Pläne nebst zugehöriger' überzeugender Begründung kundgetan hat. Man wird vielmehr vorerst nur zn folgenden zwei Le»tsätzen sich bekennen dürfen: der im F l o t t e n g e s« tz festgelegte Rahmen für die Stärke unserer Marine kann niemals als unab» ä n d e r l i ch gelten, sondern muß den veränderten Verhältnissen angepaßt werden. Und zweitens,� jeder neuen Entschließung in dieser Richtung muß eine sorgfältige Abwägung der für eine Neuordnung maßgebenden Faktoren vorangehen.' Wenn der Marokkorummel und die Kriegshetze also auch sonst ohne schwere Folgen blähen sollten ein verhängnisvolles Ergebnis würden sie doch haben: die abermalige Verstärkung unserer Kriegsflotte! Und als unausbleibliche Folge würde sich dann ferner ergeben die Zuspitzung des deutsch  -englisch  -französischen Konfliktes, in besten Hintergrund der blutige Weltkrieg lauert I Doppelt geboten ist da die energische Willenskundgebung de» friedliebenden deutschen   Volke»! Sus?- Stust! Als rn der d'euischnationalen Marokkoversammlung, die MUi- tooch abend dieNeue Philharmonie" füllte, der erste Referent, geziemenderweise ein konservativer Dreiklassenmann, als voll- wertige Kompensation für Marokko   einen guten Handelsvertrag mit Frankreich   forderte, riefen ein paar jugendliche Leser chauvi- nistischer Blättchen empört dazwischen:Susi" Sus wollten sie haben, gestern abend in der Köpenicker Straße  , Sus, den sagen- haften Landstrich, wo Milch und Honig fließet und Berberhiebe hageln knüppeldick, fast so gut, wie auf einem schwarzweißroten Kasernenhof. Vorn aber, an der Bank der Spötter von der Presse, verstand einer die noch nicht mutierte Stimme Berlins   schlecht. Stuß?" fragte einer der Journalisten. Er hatte daS erlösende Wort gefunden. Was da gesprochen wurde, wußte jedermann reichlich lange vorher, als ein anonymes Komitee Redner an- kündigte, die alsdann ihren Sommerschlaf durch ein schleuniges Dementi stören mußten. So blieben nur noch zwei Parlamcn- tarier übrig für daSBerliner Bürgertum": der Herr Rittmeister a. D. von Böhlendorff-Kölpin, von Junkergeld- sacks Gnaden königlich preußischer.Volksvertreter erster Klasse, der übrigens recht harmlos als marokkanischer Tourist auf langweiligen Gefilden umherwandelte. Nett war es übrigens von diesem Drei- llastenmann und Kröcherkollcgen, daß er erklärte, man lerne es im Parlament, wie es die Parteien enger aneinander bringe, und wenn sie scharf miteinander zu tun haben und daß sie da sich besser verstehen lernen und gemeinsam arbeiten. Die Behandlung der fünf Volksvertreter im Dreiklassenhaus so marokkanisch sie ist gibt einen klassischen Beweis.... Dann kam aber ein Scharfer, der Herr Amtsgerichtsrat Lattmann, zurzeit noch Mitglied des Reichstags. Man kennt ja den Herrn Abgeordneten von Cassel und seine dichterische Kraft. Sie sei ihm geschenkt. Und wir schenken ihm auch, daß er die Volksredner, die gegen einen Weltkrieg um Maroklo protestierten, des Landesverrats bezichtigte und daß er aus der Würdi- gung der Bedeutung von Maroko für den deutschen   Handel durch denVorwärts" die feine Schlußfolgerung zieht:Deutscher Ar- beiter, stehe zu deinem Volke, laß dich nicht zugunsten des Auslandes mißbrauchen!" Landesverrat! Roter Landesverrat! D i e Wahlparole würde den Volksentrechtern, Agrarierknechten und Steuerbrandschatzern so passen! Und noch besser natürlich ein Krieg. Dann lösen sich die roten Kompagnien auf, so verkündete der Münchener   Professor und Graf dazu, Dumoulin, und im Lauf- schritt eilen die kricgsbegcisterten deutschen   Arbeiter unter die heilige Trikolore des prcutzisch-deutschen Reiches. Aber so blutig ernst ist der Münchener   Graf gab nicht. Er will nicht zum Kriege hetzen, er will nur, wie er kündete, daß der Deutsche   auch im Aus- land sein Deutschtum nicht vergesse, baß er auch da deutsch spreche und deutsche   Treue übe-- und das ist nurinMarokko möglich.(Stürmischer Beifall.) Warum strömten letzthin im Frankenland zu einem Kriegervereinsfest alle Kriegcrvereine der ganzen Gegend zusammen? Nicht etwa, weil es da ein gutes Bier gab, sondern, so erklärte ein Legationssekretär a. D. v. Schwerin  «aus Bayern  "(wie ihn der Präside vorstellte), weil wir unS nicht unterdrücken lassen wollen. Immer wieder kehrte die Behauptung. Frankreich   würde durch die Besetzung Marokkos   militärisch ganz enorm gestärkt, um zwei bis drei Armeekorps. Und Frankreich   würde doch gerade durch die Okkupation Marokkos   einen gewaltigen Teil seiner Armee lahm- legen. Uebrigens, gesetzt jene Behauptung wäre wahr, dann würde Deutschland   prompt sein Heer entsprechend verstärken. Und das sollte den Prozentpatrioten unangenehm sein?! So ging es den ganzen langen heißen Abend. Und diese Ver- sammlung soll nun beweisen, daß das deutsche   Volk einen Krieg wünscht. Ein Freiherr von Rcibnitz begründete dann die Resolution des versammelten Alldeutschlands ein Stück Marokko   wenig- sienS! und da die Leute die Lobpreisung Wilhelms II. eisig kalt anhörten, schloß er unvermittelt mit dem längst fälligen Hoch auf den Kaiser. Darauf ist der kurar teutonicuz immer eingestellt und es erklang prompt dieWacht am Rhein". Das war der Schluß. Diskussion gab eS natürlich nicht. Aber dafür ein Marokkolied gratis als Zugabe zum ängstlich kontrollierten Eintrittsgeld und dem entnehmen wir folgende schöne Verse: Wir warten auf ein Kaiserwort! ... Wir warten wie der Adler wacht, Der hoch vom Horste schaut. Wenn nach der langen müden Nacht Der junge Morgen graut. :.: Heia, ivenn er die Schwingen bläht, Dann weh' dir welscher Hahn, Du hast zu lange schon gekräht, Der Adler packt dich an! ... Wir führen noch daS alte Schwert. E» glüht im Morgcnlicht l Heia, weim's aus der Scheide blitzt, ES geht nickt wieder rein. Wenn du auch Blut und Wasser schwitzt, ES haut in'S Mark hinein!:,: Wir warten auf ein Kaiserwort Von altem Stolz und Stahl; Sie nennen Dich den.FnedenShort', Du hütetest den.Gral". Zu En degehl nundieGeduld, Die Ehre i sl im Spiel! Nicht Dein, o Kaiser  , wär' die Schuld, Wenn jetzt der Würfel fiel! Vieheinfuhrverbot und Fleischpreise. Welchen Einfluß die Einfuhr ausländischen Viehes auf die heimische Fleisch Versorgung hat, darüber gibt eine Eingabe deS Bayerischen S t ä d t e t a g'e S an die bayerische  StaatSregiernng lehrreiche Aufschlüsse. ES heißt in der Eingabe: Die Möglichkeit. auS FrankreichBieh einzuführen, hatte immerhin Kn weiteres Treigen der Preise im allgemeinen hintangchalten. Seitdem die EiiifuhierlaubmS zurückgezogen worden ist, haben die Fleischpreise sofort wieder angezogen. Daß daS Aufhören der französischen   E i n s u h r einen schweren Schlag für die Versorgung mit Vieh bedeutete. mag folgenden Ziffern entnommen werden: In den Münchener  Schlachthof wurden zugetrieben insgesamt auS Frankreich  im Januar..... 2553 1699 Ochsen im Februar..... 2355 1354. und auch in den anderen Städten bildete das Vieh aus Frank- reich einen bedeutenden Prozentsatz deS GesamtausiriebcS. Das war der Fall, obwohl das französtiche Vieb zum Teil im Ver- Hältiiis zum einheimischen in sehr hohem Preise stand. Der Grund hierfür ist aber darin zu suchen, daß die ein- heimische Landwirtschaft zurzeit nicht in der Lager st. den Bedarf zu decken. Die letztere Behauptung wird in der Eingabe mit amtlichen Ziffern belegt. Bayern   ist demnach offenbar auf auswärtiges Vieh angewiesen. Da» beweisen auch die Ergebnisse der letzten Bolls- zählung mit erschreckender Deutlichkeit. In der Eingabe wird daher gefordert, daß wenigstens die Einfuhr von Fleisch, und zwar in gefrorenem Zustande, erleichtert werde. Durch Entsendung von deutschen beamteten Tierärzten ins Ausland könne dafür gesorgt werden, daß nur einwandsfreieS Fleisch nach Deutschland   eingeführt werde. Futtermangel und Fleischteuerung. Die Korrespondenz derLandwirtschastSkammer für die Rheinprobinz wendet sich gegen das Bestreben einiger bürgerlicher Blätter, den Einfluß der Dürre auf die Viehhaltung zu übertreiben und den Lesern allerlei schauerliche Märchen über Massenschlachtungen junger Rinder und Schweine infolge Futtermangels aufzutischen. So hatte jüngst derBerliner Lokalanzeiger" gemeldet: Kompetente rheinische Landwirtschaftskreise versichern, innerhalb weniger Monate würden die Flcischpreise eine Höhe erreichen, wie nie zuvor. In großen Distrikten werden die Landwirte gezwungen, wegen völligen Futtermangels ihren Viehstand gänzlich auf- zugeben. Gegenwärtig werde viel Jungvieh abgeschlachtet... Hierzu bemerkt die genannte Korrespondenz: Zweifellos habe die anhaltende Trockenbeit auch für die rheinischen Landwirte, namentlich im nördlichen Teile der Provinz, die Ernährung ihrer Viehbestände in: kommenden Herbst und Winter sehr schwierig gestaltet. Aber es kann bestimmt erwartet werden, daß die Zahl der- jenigen Landwirte, welche infolgedesien zu einer wesentlichen Verringerung ihrer Viehbestände gezwungen sind, nur eine geringe sein wird. Die fast überall reichliche und gute Heuernte in Verbindung mit der teilweise recht günstigen Ernte an Körnerfrucht wird die meisten Landwirte instand setzen, unter Zuhilfenahme von Kraft- futtermitteln ihr Vieh durchzubringen, namentlich wenn ein bald einsetzender ausgiebiger Regen das Einbringen von Herbstfutteriaaten ermöglicht. Die Laiidwirtschnftskammer hat bereits durch wiederholte Veröffentlichungen Ratschläge dazu erteilt. Die Behauptung, daß gegenwärtig viel Jungvieh abgeschlachtet werde, steht im Widerspruche zu der Tatsache, daß die letzten Hauptschlachlviehmärkte der Rhein- Provinz nicht eine vermehrte, sondern eine abnehmende Bc- schickung mit Kälbern aufweisen. Ebenso wenig ist die Zufuhr von Großvieh zu unseren Schlachtviehmürkten in letzter Zeit ge- stiegen, woraus geschlossen werden kann, daß eine erhebliche Ab- stoßung von Vieh wegen Futtermangels zurzeit nicht stattfindet.' Die kleine Garniso»» als Lockmittel. DieNorddeutsche Allgemeine Zeitung" druckt folgende Meldung einer Korrespondenz ab: Gelegentlich der Etatsberatung im Reichstage ist wiederholt die Errichtung neuer Garnisonen in kleineren Städten angeregt worden und eine erhebliche Zahl von Städten hat sich in Eingaben an die preußische Heeresverwaltung um Garnisonen beworben. Das erfreuliche Interesse für die Armee, das in diesen Wünschen zum Ausdruck kommt, wird von der Heeres- Verwaltung voll gewürdigt und soweit eS die militärischen Rücksichten ermöglichten, ist in den letzten Jahren eine ganze An- zahl kleinerer Städte teils mit Truppenteilen, teils mit militari- schen Instituten belegt worden. In weiterem Umfange könnten Anträge auf Errichtung neuer Garnisonen nur im Falle einer Heercsvermehriing Berücksichtigung finden. Da diese zurzeit nicht in Aussicht steht, muß sich das preußische Kriegöministerium darauf beschränken, in einem Verzeichnis diejenigen Städte festzustellen. die für den Fall einer Verlegung von Truppen in erster Linie zu berücksichtigen sein würden." Das ist wieder rein erfunden; denn in der Budgetkommission de? Reichstages haben die Vertreter des KriegimmisterS ausdrücklich erklärt, daß die kleinen Garnisonen ohne zwingenden Grund nicht aufrecht erhalten werden, weil die Ausbildung der Truppeneinheit darunter leidet, wenn sie auf mehrere Garnisonen verstreut ist. Allem Anscheine nach will man dadurch auf die Wahlen einwirken, daß man ohne jede Verbindlichkeit natürlich in einer Menge Klein st ädte da» Ver« langen nach einerGarnisonweckt. Ein tveister Rabe. Das Christentum ist ja bekanntlich die Religion ker! Nächstenliebe. Unsere christliche Kirche ist die Repräsentantin unserer Religion der Nächstenliebe. Und doch hat sich n i ch k ein einziger Geistlicher gefunden, den sein christliches Gewissen zu einem Einspruch gegen die verbrecherische Kriegshetze getrieben hätte. Daß ein solcljes Christentum bei den denkenden Volksmassen jeden Kredit verlieren mutz, ist wahrhaftig kein Wunder. Nun hat sich aber wenigstens ein Pfarrer gefunden, der im Organ der deutschen   Fricdensgesellschaft einige Worte der Kritik gegen das Allerheiligste in Preußen- Deutschland   zu sagen gewagt hat, nämlich über unsere Armee. Der weiße Rabe ist der Pastor Franke von der Heilig-Kreuzkirche in Berlin  . Er hat u. a. folgendes aus- geführt: Standesdünkel und Standesunterschiede. daS sind gerade Dinge, die um des recht verstandenen Christentums willen, das doch in den Kirchen gepredigt wird, draußen bleiben sollten. Und gerade der Militärstand ist seiner ganzen Herkunft und Be- deutung nach wahrhaftig doch am wenigsten berechtigt, an den Stätten, wo wir vor Gottes Auge stehen, besonders zu paradieren. Er ist derjenige Stand, bei dem Wcltsinn und Welteitelkeit sich am breitesten machen dürfen, und es ist der Stand, dessen letzte Ziele am weitesten abliegen von den hehren Reich-GotteS- Zielen, die doch die Kirche zu vertreten hat." Es versteht sich von selbst, daß der ganze Ordnungs- klüngel vor Empörung über diese Acußerungen des Pastors. dessen Mund unvorsichtigerweisc von dem überging, wessen sein Herz voll war, Kopf steht. Wenn nicht alles trügt, wird es dem Aermsten mindestens ebenso gehen, wie dem Pastor Kraatz, wenn man ihn nicht gar. wie den Pfarrer Jlatho. wegen Lästerung des Allerheiliasten seines Amtes enthebt. Köstlich aber ist, baß in derKreuz- Ztg." ein andererPastordcn Vorschlaa macht, eine besondere Militärseelsorge zn scksaffen und die Pflegedes in der Armee zu pflanzenden christlich-pattiotischen Geistes" fürderhin ausschließlich durch Militärgeist. l i ch e vornehmen zu' lassen. Wozu braucht man denn eigent- lich überhaupt noch Geiflliche. Ein ausgedienter Unteroffizier versteht sich doch am besten auf den Patriotismus, und das bißchenChristentum", das den Mannschaften einzupflanzen ist, kann dem Mann« doch auch ohne Schwierigkeiten von seinen Vorgesetzten beigebracht werden. Der Fall Jatho rief wenigstens die liberale Geistlichkeit auf den Plan. Damals handelte es sich nur um die Ge» Wissensfreiheit in Sachen des formalen Bekennt- n i s v e s._ Der Fall des Pastors Franke ist ungeheuer viel wichtiger. Hier handelt es sich darum, ob der Geistliche auf Mordpatriotismus und Milita» r i s in u s cingeschworen sein muß. Wir erwarten also in aller Bälde große 5fundgcbungen aus den Kreisen der Geist- lichkeit. Wir sind freilich von vornherein sicher, daß wir vergeblich warten werden!