Nr. 213. 28. ZahrMg. 3. KcilU des LmSrls" Kcrlim Dieastag. 12. Zeptember l911. SoÄsIäemoKi'stilchei' Parteitag. (Schluß aus der 2. Beilage.� Clara Zetkin : Wahrscheinlich stoße ich bei der Mehrheit auf Widerspruch wenn ich erkläre, mein Eindruck von dem Vorgehen des Partei. Vorstandes und der Rede Bebels ist der, die Genossen haben das Recht, den Partcivorstand zu kritisieren, wer aber dieses Recht ge» braucht, läuft sehr leicht Gefahr, abgekanzelt und bestraft zu werden.(Widerspruch.)(F r o h m e: Da hört sich doch alles auf!) Die Genofsin Luxemburg hat ausdrücklich erklärt, daß der Brief die private Meinung Molkenbuhrs enthalten habe und wenn sie im weiteren Verlauf ihrer Ausführungen auf Schlüsse des Verhaltens des Parteivorstandes gezogen hat, so hat sie nicht etwa eine persönliche Vermutung ausgesprochen, sondern sie hat sich auf einen bestimmten Tatbestand gestützt und dieser Tatbestand heißt: Untätigkeit des ParteivorstandcS ungefähr während eiues ganzen Monats.(Sehr richtig!) Vergessen wir nicht, daß der Briefwechsel, auf den sich Bebel beruft, aus der ersten Halste des Juli stammt, während der Aufruf des Parteivor- standeS erst am 9. August erfolgte.(Sehr wahr!) Bebel beruft sich zwar darauf, daß in seine« Brief nur stand, daß wir zunächst Abstand nehmen. Ja, das ist ja eben der springende Punkt für uns. Es handelt sich nicht darum, am St. Nimmerleinstag oder wenn die Hauptwellen der Erregung vorbei sind, zu handeln, sondern sofort aktiv einzugreifen. Das ist der fpringende Punkt, um den sich alles dreht und alles Drehen und Deuteln ändert daran nichts, daß der Parteivorstand nicht von Anfang an die nötige Entschiedenheit und Einmütigkeit gezeigt hat. Dafür einen Beweis, selbst auf die Gefahr, daß man mir In- diskretion vorwirft. Nachdem die Artikel in der„Leipziger Volks. zeitung* erschienen waren, haben wir von der Kontrollkommission. die wir zufällig in Berlin waren, eine gemeinsame Sitzung mit dem Parteivorstand gehabt. Auch da wurde die Frage dieser Artikel angeschnitten. Wir hatten sie noch nicht alle gelesen. Die Mehrzahl der Mitglieder der Kommission war der Ueberzeugung, daß der Parteivorstand lässig gewesen ist, daß er rascher hätte handeln und zugreifen müssen.(E b e r t: Das ist nicht wahr: Sie haben selbst gesagt, es ist nichts versäumt worden.) Ich habe gesagt, es ist nicht zu spät, aber es ist reichlich spät(Hört! hört!), und ich stelle fest, daß ein Teil deS ParteivorstandcS derselben Meinung war.(Hört! hört!) Ein anderer Teil war der Ansicht, es wäre klüger gewesen, bis jetzt zu warten; einige gaben auch der Ueberzeugung Ausdruck, es wäre gut, etwas zu tun, aber man wäre ja nicht ganz sicher, ob die Aktion Erfolg haben würde. Ein. stimmigkeit war nicht vorhanden. LlS Müller heute erklärte, daß der Parteivorstand später so energisch und einheitlich in die Aktion eingetreten sei, habe ich mich gefreut, aber daS ändert nichts daran, daß diese Einmütigkeit und Entschiedenheit früher noch nicht vorbanden war. Ich fühle mich verpflichtet, dieses angesichts der Situation hier festzustellen.(Sehr gut!) Meine Ansicht ist, es ist eine Pflicht der Partei, dafür zu sorgen, daß ihre Beauf. tragten in einem solchen Momente, der die Arbeiterklasse den schwersten Gefahren entgegenführen kann, die Initiative ergreifen. (Lebhafter Beifall.) Das ist bedeutend wichtiger, als der Streit um den sogenannten Fall Luxemburg . Wenn wir unsere Aktion?. fähigkeit, wenn wir insbesondere den festen inneren Zusammen- hang zwischen den geschäftsführenden Instanzen und den Massen ,-aufrechterhalten wollelt, dann müssen wir alS' daS kostbarste und ' unantastbarste Gut daS Recht der freien Kritik auch an I den Aktionen des Parteivorstandcs aufrechterhalten.(Sehr rich- »t:g!) Aus dieser Kritik heraus wächst die lebendige Kraft, welche die Leitung in jedem Augenblick, in jedem verantwortungsreichen Moment in die Lage versetzt, führend an die Spitze zu treten (Lebhafter Beifall.) Robert Lchmibt-Berlin : Die Demonstration in Berlin ist in Uebereinstimmung zwischen Gewerkschaft und Partei zustand- gekommen. Nun wird gesagt, die Veranstaltung in Paris habe diesen Charakter nicht getragen. Sie sei nicht mit Zustimmung der Partei zustand« gekommen. Das ist zum Teil richtig. Wir standen vor einer vollendeten Tatsache, als die Confederation de travaille bekannt gab, sie habe eine große Kundgebung in Paris veranstaltet, zu der sie die Generaltom- Mission einladet. Sollten wir bei der Kundgebung, von der uns die Confederation de travaille sagte, daß aus Spanien , Eng- land, Holland , Belgien Zustimmungen eingegangen waren, fehlen, weil die betreffende Organisation nicht auch die Partei in Frankreich einladet? Wir haben uns gesagt, das würde nach außen hin einen außerordentlich unangenehmen Eindruck machen, wenn wir an dieser Frage die Beteiligung scheitern ließen. Wir haben uns ausdrücklich vergewissert, daß die fran» zösische Partei nichts dagegen einzuwenden hat, wenn wir teilnehmen.(Hört! hört!» Wir haben in Paris noch einmal mit Ledebour und den Parteivorstandsmitglicdcrn ge- sprachen und darauf hingewirkt, daß die französische Partei doch noch eingeladen werde. Nach eingehenden Verhandlungen haben wir daS auch erreicht und sie war auch an der großen Kundgebung in Paris vertreten.(Hört! hört) Es hat unS sehr angenehm be- rührt, daß wir hier von einer Seite, von der wir es gar nicht er- wartet haben, von Genossin Luxemburg (Heiterkeit), großes Lob für unsere Aktion gcerntct haben. Andererseits hat uns Lede- bour den Porwurf des Syndikalismus und der nicht ordnungS- mäßigen Erledigung dieser Ängclegenhcit gemacht. Heute erklärte Lensch, von der alten Taktik müsse man sich abwenden, nun komme eine neue Praxis.(Große Heiterkeit. Bebel: Wer älter ist als bg Jahre, mug aus der Partei heraus!— Erneute stürmische Heiterkeit.) Ich weiß nicht, ob die neue Praxis die rechte ist. Ich bin sicher, daß der Parteivorstand durchaus nicht einen Standpunkt eingenommen hat, der den Genossen Lensch berechtigt, zu sagen, der Partcivorstand möge seine imperialistische Politik begründen. Es wäre der schwerste Vorwurf, den man dem Parteivorstand Quarck-Frankfurt a. M.: ES wurde hier eine Nummer der„Erfurter Tribüne" verteilt, in der ein Artikel über die Eröffnung des Parteitages in Jena steht. Tarin ist gesagt... Vorsitzender Tiey(unterbrechend): DaS hat mit unserer TageS- ordnung nichts zu tun, ich bitte darauf nicht einzugehen.(Es handelt sich um einen Angriff gegen den Vorsitzenden Dietz. Anmerkung der Redaktion.) Dr. Quarck: Ich wurde gebeten, das hier zur Sprache zu bringen. Man sagt- mir, Sie hätten Ihre Zustimmung dazu gegeben. Vorsitzender Dietz: DaS ist falsch. Ich habe ausdrücklich erklärt, sch könne meine Zustimmung dazu nicht geben. Dr. Quarck: Gegenüber der Kritik der Genossin Luxemburg muh ich sagen, wir wünschen solche Mittel der Kritik nicht. Es sieht doch verdammt nach der bürgerlichen und polizeilichen Methode auS, wenn VertrauenSbricfe eines Genossen gegen ihn ausgeschlach- tet werden. Gewiß, selbst Homer schläft einmal. Ter Parteivor- stand mag bei der Marokkoasi'äre nicht schnell genug gehandelt haben. Aber jetzt ist schon eingetroffen, was M o l k e n b u h r vorausgesagt bat. daß die Kreisblätter versuchen, die Marokko - afiäre unter Zurückdrängung aller anderen Fragen auSzur-uten. Ich vermisse auch praktische Vorschläge zur Erhöhung der Aktivität des Parteivorstandes. Denn die Vcr- mchrung von Bcamtcnstcllcn bietet doch keine Garantie dafür, I daß der Parteivorstand vor eventuellen Unterlassungssünden, die bei ] seiner Riesenarbeit vorkommen können, gesichert wird. Wir müssen I wieder, wie in den Zeiten, wo Bebel, Liebknecht, Singer und die anderen zugleich die politischen Führer und die politisch Veranwortlichen waren, statt eines Beamtenmini st e- riums eine Vereinigung der politisch Verant- w o r t l i ch e n finden. Das ist das Problem und ich würde es ve- grüßen, wenn Bebel, wenn M o l k e n b u h r, der heute seinen 60. Geburtstag feiert, in die von S ü tz h e i m geplante Kommission hineingehen und helfen würden. Die Besetzung des Parteivorstandes mit Parteisekretären genügt uns nicht. Es handelt»ich hier gar nicht um den Gegensatz von Revisionisten und Radikalen. Die im Lande am besten gekämpft haben, gehören als Leiter an die Spitze. Die Form zu finden ist schwierig, aber die Partei hat schon schwerere Aufgaben gelöst.(Beifall.) Legien-Berlin : Die Handlungsweise der Genossin Luxemburg , einen Brief zu veröffentlichen, von dem sie nur als Mitglied des Internationalen Bureaus Kenntnis hatte, müssen wir aufs schärfste verurteilen. Ein solches Vorgehen muß die Aktionsfähigkeit der Partei lähmen. (Sehr wahr!) Gegenüber Dittmann bestreite ich entschieden, daß der Vorstand sich in Abhängigkeit von der Gencralkommission befindet. Beide Körperschaften arbeiten durchaus loyal zu- s a m m e w Was das geheime Zirkular anlangt, so hat es uns völlig ferngelegen, die Parteipresse irgendwie zu zensurieren. In der Sache der Buchdrucker Stellung zu nehmen, hat selbst der Gewerkschaftskongreß abgelehnt. Es handelt sich hier eben um eine Angelegenheit, die für die Aktionen des Buchdruckerverbandes von entscheidender Bedeutung ist. Hinter der Gauvorsteherkonferenz stehen die Mitglieder des Buchdruckerverbandes. Nur die Leute, die speziell an der Sache interessiert waren, haben gegen den Be- schlutz der Konferenz Stellung genommen. Wenn man diese Situation nicht kennt, soll man die Finger davon lassen. Und wenn map doch darüber schreibt, so muß man eS sich gefallen lassen, daß von der anderen Seite ebenso erwidert wird.(Dittmann- Solingen: Gegen den Verband hat niemand etwa? gesagt.) Aber die Gauvorstehcrkonferenz war die erste Instanz im Verbände, die zu sprechen hatte. Oder ist die Gauvorsteherkonferenz für Sie nicht eine Institution des Verbandes?(Dittmann: Aber nicht der Verband!) Ja, wenn solche Ansichten geäußert werden, ist es kein Wunder, daß es zu derartigen Differenzen kommt. Wenn wir der- artige Redakteure in den Parteizeitungen haben, die diese einfachen Ding« nicht kennen und solchen Unsinn sprechen, müssen wir uns wehren. Die Angriffe gegen den Parteivorstand wegen dieses sogenannten geheimen Zirkular? waren ganz unangebracht. machen kann. Ich möchte doch bitten, in dieser Diskussion nicht solche Uebertreibungen und Vergiftungen hineinzutragen.(Lebhaftes Sehr richtigt) Aber es gibt eben Parteiblätter, die seit Jahr und Tag in gehässiger und kurzsichtiger Weise die eigene Partei und unsere Taktik herunterziehen.(Sehr richtig!) DaS verbittert den scbweren Kampf, den wir durchzuführen haben, und ich glaube, eS liegt im Interesse der Partei, daß hier einmal mehr Rücksicht geübt wird.(Lebhafter Beifall.) Ich hätte noch mehr über Geheimerlasse gesprochen, ich will aber keinen Anlauf zu einer langen Rede neh- men. Ueber dies« Dinge wird nachher mein Kollege Ledebour (stürmische Heiterkeit), Legien sprechen. Süßheim-Nürnberg begründet einen Antrag, wonach der Parteivorstand im Anschluß an das Pressebureau eine Instanz schaffen soll, die«ine bessere, billigere und schnellere Herausgabe von Agita- t i o n S- und Aufklärungsschriften und Broschüren ermöglicht und befürwortet weiter die Anträge auf Erweiterung deS Parteivorstandes. Walter. Nürnberg : Die Schaffung einer ganzen Anzahl neuer Parteisekretäre, die vom Parteivorstand nicht für notwendig gehalten werden, halte ich für falsch. Gegen die Methode, daß mitten in der Aktion Kritik an Maßnahmen des Parteivorstandes geübt wird, muß ich als Praktiker in Organisationsfragen P r o t e st einlegen. WclS-Berlin : Die Ausführungen LegienS, die auf das Zusammenarbeiten von Partei und Gewerkschaft hinausgehen, finden Wohl den unge- teilten Beifall der ganzen Partei. Wenn ein Zusammenarbeiten, wie eS hier als zwischen Parteivorstand und Generalkommission bestehend geschildert wird, überall eintreten würde, so würde eine ganze Reihe von schiefen und falschen Auffassungen und Zwistig- leiten aus dem Wege geräumt werden. Nur dadurch kann man aber auch in Gewcrkschaftökreisen zu einer objektiven Kritik der Parteipresse kommen. Der„Correspondent für Deutschlands Buch- drucker" hat unS ja längst zu sehr an seine Angriffe gewöhnt, so daß sie kaum noch wirken. Der„Vorwärts" hat sich bei dem scharfen Konflikt zurückhaltend benommen. Er fand damit den ungeteilten Beifall deS größten Teiles der Gewerkschafts- führer. Er prüfte erst objektiv, mußte aber als Berliner Organ Stellung nehmen und tat dies gerecht und unter Berücksichtigung all der großen Schwierigkeiten, die in dieser Frage namentlich der Buchdruckerorganisation erwachsen ftnb._(Beifall.) Trotzdem ist auch der„Vorwärts" mit anderen Blättern in einen Topf ge- warfen worden. Eine die Organisation schädigende Kritik hat man aber gewiß nicht im„Vorwärts" gefunden.(Beifall.) Dem Antrag 12 Berlin bitte ich Ihre größte Aufmerksamkeit zu widmen. Er zielt auf eine L a n d a g i t a t i o n, die sich die verwandtschaftliche» Beziehungen zunutze machen will. Der Antrag kann wohl in die Tat umgesetzt werden. Da er aber zu einer Verhandlung auf dem Parteitag kaum geeignet ist, möchte ich vorschlagen, ihn dem Vorstand zur Prü- fung und Beratung mit den Landcssekretären zu empfehlen. Der Parteivorstand will die Kritik nicht unterbinden. Er ist nur bestrebt, den Krakeel in der Partei, der immer w-cder ange- fangen wird, vielleicht aus Originalitätssucht, vielleicht aus an- deren Gründen, zu verhindern. Dafür verdient der Vorstand nicht Tadel, sondern Unterstützung und Anerkennung des ganzen Parteitages.(Lebhafter Beifall.) Wenn wir uns die politkschc Situation betrachten und� die Kritik, die von Ledebour , Luxemburg und Zetkin an dem Vorstand geübt worden ist, dann müssen wir sagen, daß diese Kritik ganz falsch ist und ganz gegen die Grundsätze aller Kritik verstößt. Es sind heute vier Wochen verflossen seit den Vorwürfen der Genossin Luxemburg , und es zeigt sich heute bereits, daß der Vorstand alle diese Dinge damals richtig vorausgesehen hat. Nach der Art und Weise, in der immer von der bessimmten Seite Kritik geübt wird, nach alledem, was geschieht, macht diese Kritik auf mich absolut keinen Eindruck mehr. Ob Genossin Luxemburg oder Genosse Ledebour mit etwas einverstanden ist oder nicht, das ist mir schon längst ganz egal. Wie war es denn mit der Tätigkeit des Parteivorstandes in der Marokkosrage? Wir hätten doch in Berlin in erster Linie Ge- legcnheit gehabt, von Ledebour geschoben zu werden.(Heiter- kcit.) Wir haben aber nichts davon gemerkt. lErneute Heiterkeit.) Als wir uns an Ledebour mit der Aufforderung wandten, er solle auf der Verbandsgcncralversammlung von Grotz-Berlin das Referat übernehmen, da erhielten wir folgende schriftliche Ant- wort:„Kann das Referat nur unter der Bedingung übernehmen, daß ich an den Maßnahmen des Vorstandes Kritik üben kann. (Lachen.) Da Sie aber das voraussichtlich nicht wollen, schlage ich den Genossen Däumig vor."(Aha! und Bewegung.) Als Ledebour heute hier Ihnen klar machen wollte, daß durch das Versagen des Parieivorstandes das Ansehen der deutschen Sozialdemokratie vor dem Auslande empfindlich geschädigt sei, da vergegenwärtigte ich mir, daß das nun der Mann ist, der nur dann über Marokko sprechen wollte, wenn er den Parteivorstand herunterreißen kann.(Große Heiterkeit und Hört! hört!) Tie ganze Art der Kritik, wie sie da geübt wird, führt naturgemäß dazu, daß man ihr in der Partei immer weniger Gewicht beilegt. Ich lese z. B. in der„Leipziger Volkszeitung", wie man Leute, denen die wissenschaftliche Führung der Prolc- tariermassen fast in der ganzen Welt zu verdan- ken ist, die die Porkämpfer des Marxismus sin s, erbarmungslos zum alten Eisen geworfen hat. (Hört! hört!) DaS wird uns ausklären, daß letzt von der Vcr- teidigung zum Angriff übergegangen wird. Man spricht von Literatenkrakehlen. Wer nicht derselben Meinung ist, wie Genosi: Lensch, wird deswegen kritisiert und ich muß sagen, der Genosse Lensch berechtigt zu den schönsten Hoffnungen.(Große Heiter- keit und Beifall.) Molkenbuhr (als er die Tribüne betritt, mit brausendem Beifall und Hände- klatschen begrüßt): Ich danke für die freundlickie Begrünung, aber sie geschieht aus einem traurigen Grunde, aus dem, daß ich jetzt ein Schock Jahre meines. Lebens vollende, wovon ich allerdings. zwei Drittel in der Partei verlebt habe.(Großer Beifall.) Aber zur Sache. Daß der Parteivorstand auf diesem Parteitage� streng kritsicrt werden würde, war vorauszusehen. Nicht, daß wir uns einer Schuld bewußt waren, sondern weil das Wetterleuchten vorausging. Wir konnten es der„Leipziger Volkszeitung" gar n>'t recht machen. Es sollte immer anders sein. Da bekam die Genossin Luxemburg meinen Brief in die Hand. DaS gab wieder neue Angriffe. Angeblich tat der Parteivorstand nichts. Wir geben das Flugblatt heraus, und als es herauskam, da hatten wir wieder etwas verkehrt getan.(Große Heiterkeit.) Es war immer verkehrt, immer nicht das, was Genossin Luxemburg gewünscht hatte. Es ist das Recht jedes Genossen, Kritik zu üben, und ich bin der letzte, der dies nehmen wollte. Dann muß man sich aber auch Antikritik gefallen lassen. Jedenfalls halte ich es für bedenklich, Briefe aus- zugeben, statt der ganzen Meinung eines Menschen über irgend- eine Frage. Jeder Brief wird nur geschrieben im Hinblick auf den Empfänger. Alles, wovon man weiß, daß man mit dem Empfänger übereinstimmt oder was bekannte Tatsachen sind, übergeht man. Wenn man nun sieht, wie die Briefe gebraucht werden, so muß man von vornherein zu einem schiefen Urteil kommen. Genossin Luxemburg konnte nun den Brief noch nicht so gebrauchen. Ich will höflich sein. Lessing nennt es, sie mutzte ihn„korrigieren". (Hört! hört!) Und zwar nicht so, daß die beiden Sätze, die Bebel vorgetragen hat, zum Ausdruck kommen konnten, sondern es mußte auch nun ein Bestandteil von nicht untergeordneter Bedeutung beseitigt werden, nämlich das Datum.(Hört! hört!» Der Brief wurde nämlich geschrieben am K. Juli. Da möchte ich nun einmal den Artikel sehen, den Genossin Luxemburg oder Genosse Ledebour vor dem 8. Juli geschrieben haben. Vor dem 8. Juli war die Marokkosrage eiHe ganz andere als 14 Tage später. Das geht ja auch aus dem Briese HuhSmanS hervor. England war damals noch nicht beteiligt und erst durch seine Beteiligung wurde ja die MarokkokrisiS zu einer akuten Kriegsgefahr.(Sehr richtig!) Damals aber erschien es, als ob der Konflikt zwischen Svanien und Frankreich kommen sollte und deshalb demonstrierten die französischen und spanischen Arbei- ter. Wenn auch der„Panther" schon 6 Tage im Hafen von Aga- dir lag, so war doch der Zweck seiner Entsendung nicht offiziell bekannt gegeben. Wir konnten annehmen, daß nicht allein der Schutz deutscher Bürger, sondern vor allem der Wunsch der Kapi- tallsten, die Raubzüge ausführen wollten, dahinter standen. Aber daL waren nur Vermutungen und darauf konnten wir keine Aktion aufbauen. Eine Aenderung trat am LI. Juli ein, als Lloyd George seine bekannte Rede hielt. Das war für die Genossin Luxemburg das gefundene Fressen.(Heiterkeit.) Und sie veröffentlichte den Brief erst drei Tage nach dem LI. Juli, als die Situation eine ganz andere w-a r. (Aha!) DaS Datum hat man ja mitzuteilen vergessen.(Hört! hört!) ES war natürlich nicht beabsichtigt, derartige Kleinigkeiten wegzulassen. Gerade aber dadurch konnte der Brief das Aufsehen hervorrufen. Hätte man nicht geflissentlich das Datum weggelassen und„geflissentlich korrigiert", dann wäre die Sache vielleicht doch auf der einen oder anderen Seite anders aufgefaßt worden. (Sehr richtig!) Genossin Luxemburg sagt, der Brief konnte nicht vertraulich sein, denn Molkenbuhr schreibt selbst, daß er den Inhalt auch in einer Versammlung ausgesprochen habe. Das habe ich auch, aber es ist nur ein Teil von jenem, was ich in der Persammlung gesagt habe.(Hört! hört!) Wenn wir, das bleibt meine Meinung, unseren Gegnern eine Niederlage bereiten wollen, so wird es immer wieder darauf ankommen, die Sünden der inneren Politik in den Vordergrund zu schieben(Sehr richtig!» und mit unseren Grundsätzen zu agitieren.(Sehr richtig!) Wir haben im September 1910 an der Friedens- demonstration in London teilgenommen. Die Depesche wegen der Demonstration vom 12. Juli in Paris erhielten wir erst L Tage zuvor.(Zuruf: Da war noch Zeit genug!) Die Frage war aber noch nicht so akut, weil ja die Einmischung Englands erst am LI. Jul erfolgte, die Anwesenheit der Franzosen in Berlin Ende Juli wurde zu einer Demonstration ausgenutzt, und wir nahmen, als die Gefahr brennend war, in Paris an der Demonstration teil, indem wir die sonst genommene Rücksicht angesichts der Notwendig- keit zu demonstrieren beiseite ließen. Wir haben ja angeblich nichts verstanden, aber darüber kann man verschiedener Meinung sein. Briefe gehören aber so ohne weiteres nicht in die Oeffentlichkeit. (Lebhafte Zustimmung.) Durch die Veröffentlichung von Lrrefen können die schlimmsten Folgen entstehen.(Sehr wahr!) DaS Ver- langen der Genossin Luxemburg , daß der Parteivorstand selbst seine Briefe an die Oeffentlichkeit bringen muß, muß bekämpft werden, hierdurch würde unsere ganze Tätigkeit lahmgelegt.(Sehr wahr!) Allerdings Leute, die nur recht viel Krakeel machen wollen, würden in solchen Briefen immer einen gefundenen Fraß finden. (Lebhafter anhaltender Beifall.) Stubbe-Hamburg : In der Marokkofrage hätte der Parteivorstand früher aufstehen müssen. Die Vermehrung der Vorstandskräfte ist notwendig, nicht aber durch bestimmte Kräfte, sondern durch ganz Vertrauens- würdige, bewährte Parteigenossen, die im Hauptamt tätig sind. Ter neue Vorstand kann nicht mehr im Ehrenamt tätig sein, sondern muß alsbesoldeterBeamterdie Fäden der gesamten Partei in Händen haben. Der Vorstand sollte auch mehr und mehr mit Bezirks sekretären in Fühlung treten. Im vorigen Jahre wehrte sich der Vorstand mit Händen und Füßen gegen eine Ver- mehrung der Vorstandsmitglieder.(Widerspruch.) Ja, mit Händen und Füßen. Heute willigt der Vorstand erfreulicherweise in die Vermehrung. Es wäre gut, wenn die Frage der Wahl eines be- soldeten, ständig tätigen Borstandes eine glückliche Lösung finden
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