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würde. Unser Parteibureau muß in jeder Beziehung aktionZ- fähig werden. Dißmann-Hanau : Die Partei zeigt eine erfreuliche Entwicklung. In der Ma- rokkofrage hätte von der Zentrale früher eingegriffen werden müssen. Denn eine große Aktion muß einheitlich erfolgen. Wir müssen verlangen, daß die Zentrale rechtzeitig zu solchen Akttonen aufruft. Der Kriegsrummcl ist nicht bloß bei den Alldeutschen loS- gegangen, sondern ist weit in die liberalen Kreise gegangen. Da entsteht doch die Frage, was tun wir? Und da mußten wir zu einer Gegenaktion vorgehen.(Sehr richtig!) In den letzten Jahren hat keine Frage die Massen mehr aufgepeitscht als die Marokko - frage. Dagegen tritt selbst die Neichsfinanzreform zurück. Das geheime Zirkular hieb riesig auf die Parteipresse. Genosse Müller hat heute auch einen Teil der gewerkschaftlichen Presse getadelt. Hätte man das in dem geheimen Zirkular getan, so hätte man dort die heute geübte Parität auch geübt, wären alle Aufregungen vermieden worden. Die Gewerkschaftspresse darf der Partei in den bevorstehenden Wahlkämpfen auch keine Schwierig- keitcn bereiten. Partei und Gewerkschaft müssen aufeinander Rücksicht nehmen. Die Verhältnisse bedingen ein gemeinsames Vor- gehen bei den Bewegungen und Organisationen. Vorsitzender Dicy schlägt vor, die Debatte jetzt abzubrechen und zu vertagen. Die Beschlußfassung über folgenden Antrag Bremen : Der sozialdemokratische Verein Bremen bedauert, daß der Partei- vorstand es nicht für möglich gehalten hat, in eine allgemeine Agitation gegen den Marokkorummel einzutreten. Die Versamm- lung ersucht den Parteitag dafür Sorge zu tragen, daß der Parteivorstand in Zukunft solche wichtige, die ganze zivilisierte Welt in Aufregung versetzende Frage nicht so gleichgültig behandelt, ist eine namentliche Vorsitzender Diet? teilt mit, daß Molkenbuhr heute seinen 60. Geburtstag feiert und gratuliert ihm namens des Partei- tages. iLebhaster Beifall.) Molkenbuhr dankt für die Glückwünsche.(Wiederholter leb- hafter Beifall.) Die Wciterverhandlungen werden auf Dienstag vormittag 9 Uhr vertagt. Schluß 7 Uhr abends. Die Resolution zur Marokkoangelegenheit. Der Parteitag der deutschen Sozialdemokratie zu Jena er- hebt auf das nachdrücklichste Protest gegen jeden Versuch,«inen männermordcnden Krieg zwischen Kulturvölkern, wie sie das fran- zösisckie, englische und deutsche sind, hervorzurufen, der notwendig ein Weltkrieg werden mußte und mit einer allgemeinen Kata- strophe enden würde. Die Bestrebungen einer großkapitalistischen Clique, in Ma- rokko festen Fuß zu fassen, um eS um so wirkungsvoller kolonial- politisch auszubeuten und dafür Gut und Blut des deutschen Volkes in Anspruch zu nehmen, unter der verlogenen Vorgabe, daß die Ehre und die Interessen der Nation" dieses erfordern, weist der Parteitag als bewußte Fälschung der Tatsachen und schamlose Heuchelei zurück. Die einzigen, die hüben und drüben an dieser Verhetzung verschiedener Kulturvölker ein Interesse haben, sind neben den Kolonialpiraten die Chauvinisten zu Wasser und zu Lande, deren Handwerk der Krieg ist, die nach Avancement und Auszeichnung dürsten, und die Fabrikanten und Lieferanten von Kriegsmaterial aller Art, die durch den Krieg ungeheure Gewinne in die Tasche stecken auf die Gefahr hin, daß Hunderttausende von Menschen in diesen Kämpfen zugrunde gehen, Millionen in Not und Unglück gestürzt werden. Nur den seit vielen Jahren betriebenen Hetzereien der inter - essierten Kreise ist es zu Hanken, daß Mittel- und Westeuropa wiederholt in einen Zustand kriegerischer Unruhe versetzt wurden. Diese Beutemacher versuchten dabei die Reichsregierung in die Rolle des gefügigen Handlangers zu drängen, damit sie die Wehr- und Volkskraft der Nation ihren Interessen opfere; ein Zustand. der zeigt, daß die heutigen Regierungen nur der VerwaltungS- auSschuß für die Interessen der besitzenden Klassen sind.. Der Parteitag weist mit Empörung diese dem Volke gemachten Zumutungen zurück und erwartet, daß insbesondere die deutsche Arbeiterklasse jedes mögliche Mittel anwendet, um einen Weltkrieg zu verhindern. Der Parteitag fordert die sofortige Einberufung des Reichs- tags, damit der Volksvertretung Gelegenheit gegeben wird, ihre Meinung zu äußern und den volksfeindlichen Machinationen ent- gegenzutreten. Parteivorstand. Tie Resolntion über die Reichstagswahl. Ter Parteitag erwartet, daß, soweit es noch nicht geschehen sein sollte, die Parteigenossen in allen Wahlkreisen, in denen die Partei Anhänger besitzt, unverzüglich die Vorbereitungen zur Rcichstagswahl treffen, um selbständig in die Wahl einzutreten. Der Parteitag erwartet weiter, daß die Parteigenossen die Wahlagilarion gründlich ausnutzen, um sowohl neue Mitglieder f ü r die Parteiorganisaton, wie neue Abonnenten für die Parteipresse zu werben. Insbesondere muß die Wahlagitation auch für Erlangung des allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlrechts im Sinne des Parteiprogramms für die Wahlen zum Landtag in Preußen wie in den Staaten, die das allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahlrecht noch nicht besitzen, ausgenutzt werden. Wo nach dem Ausfall der Hauptwahlen die Parteigenossen bei engeren Wahlen eine Entscheidung zwischen gegnerischen Kandidaten zu treffen haben, dürfen sie nur demjenigen Kandidaten ihre Stimmen zuwenden, der sich verpflichtet: 1. für Aufrechterhaltung des bestehenden Wahlrechts für den Reichstag; 2. gegen eine Beschränkung des Vereins- und VerfammlungS- rechts und des KoalitionSrcchts; 3. gegen eine Verschärfung der sogenannten politischen Para- graphcn des Strafrechts; 4. gegen ein wie immer geartete» Ausnahmegesetz; 5. gegen jede Erhöhung der Zölle auf die VerbrauchSartikel der großen Masse; 6. gegen jede Ncueinführung oder Erhöhung indirekter Steuern auf VerbrauchSartikel der großen Masse einzutreten und zu stimmen. Ter betreffende Kandidat ist zu ersuchen, seine Erklärung vor Zeugen oder schriftlich abzugeben. Stehen in der engeren Wahl zwei Kandidaten, die beide bereit sind, die ausgestellten Bedingungen zu erfüllen, so ist der Liberale dem Nichtliberalen vorzuziehen. In jedem anderen Falle ist strikte Stimmenenthaltung zu pro- klamieren. Parteivirstand. An ulisere Leser! Durch die Ueberfüllc des Stoffes sind wir gezwungen, den Redaktionsschluß hinauszuschieben. Wir bitten daher, eine event. spätere Zustellung entschuldigen zu wollen. Bus Indurtm und Dandd. Erntehoffnungen. In die Sorgen um die Entwicklung der deutschen Effekten- markte und um die Versorgung Deutschlands mit Futtermitteln und Vieh fällt ein freundlicher Lichtblick durch die Veröffentlichung des Preußischen Statistischen Landesamtes über die diesjährige Ernte. Bekanntlich hatten sich die Befürchtungen, die hinsichtlich der Kartoffel-, Rüben und Futtermittelernte gehegt waren, auch auf die Getreideernte ausgedehnt. Doch hat die Trockenheit dem Ertrag der Getreidefelder nicht viel schaden können, im Gegenteil, die Einbringung des Erntesegens außerordentlich begünstigt. Die fttzige amtliche Schätzung, die zweite, die das Preußische Statistische LandeSamt vorgenommen hat, bestätigt dies. Für Winterweizen wird ein Ertrag von 2,16 Millionen Tonnen erwartet gegenüber einer ersten Schätzung von 2,09 Millionen Tonnen und einem tat- sächlichen Ertrage des Vorjahres von 2,18 Millionen Tonnen. Die jetzige Schätzung geht damit wesentlich über die erste hinaus und bleibt nur wenig hinter dem vorjährigen tatsächlichen Ertrage zu- rück. Wenn die zweite Schätzung auch noch keine tatsächlichen Ergebnisse bringt, so kommt sie doch der Wirklichkeit bedeutend näher als die erste Schätzung, da sie die neuesten Berichte zur Unterlage hat. Der Anbau Deutschlands an Winterweizen fördert die Haupternte in Weizen überhaupt. Sommerweizen wird nur in ganz geringem Umfange angebaut. Die Schätzung der Ernte belauft sich jetzt auf 262 000 Tonnen gegen eine erste Schätzung don 255 000 Tonnen und einem vorjährigen Ertrage von 301 000 Tonnen. Die Gesamternte Deutschlands an Weizen ist danach mit 2.43 Millionen Tonnen anzunehmen, während vor 4 Wochen nur auf einen Ertrag von 2,35 Millionen Tonnen gerechnet wurde. Das Jahr 1910 hatte eine tatsächliche Weizenernte von 2.48 Mil- lionen Tonnen geliefert. Die diesjährige Schätzung bleibt dem- nach nur um etwa 50 000 Tonnen hinter dem vorjährigen Ergebnis zurück. Weit bedeutender als die Weizenernte ist für die Ver- sorgung Deutschlands der Ertrag der Roggenernte. Die Roggen- ernte ist ungefähr biermal so groß als die Weizenernte. Ihre diesjährigen Aussichten sind nun wesentlich gestiegen. Diese Steigerung des Ergebnisses, die wahrscheinlich auch gegenüber dem Vorjahre eintritt, steht in einem starken Widerspruch mit der Prcisbe- wegung, die sich in den letzten Wochen am Ber - liner Getreidemarkte für Roggen bemerkbar ge- macht hat. Bekanntlich sind die Roggcnpreise außerordentlich in die Höhe gegangen und haben für Mailieferungen sogar den Stand von 200 Mark überschritten. Das Preußische Landesamt schätzt nun die Ernte in Winterroggen für dieses Jahr auf 8,39 Millionen Tonnen gegenüber einer Schätzung von 8,12 Millionen Tonnen vor 4 Wochen und einer vorjährigen tatsächlichen Roggen- ernte von 7,97 Millionen Tonnen. Der Anbau von Sommerroggen ist nur ganz unbedeutend. Er verspricht einen Ertrag von 63 000 Tonnen zu liefern gegenüber einer ersten Schätzung von 62 000 Tonnen und einem vorjährigen Ergebnis von 67 000 Tonnen. Die Gefamtroggcnernte von 1911 ist danach mit 8,45 Millionen Tonnen zu veranschlagen. Vor 4 Wochen war nur mit einem Ertrage von 8,18 Millionen Tonnen gerechnet worden. Die vorjährige Ernte hatte aber nur 8,04 Millionen Tonnen geliefert. In diesem Jahre kann also mit einer Mehrernte von fast einer halben Million Tonnen gerechnet werden, gewiß kein Grund übertriebener Vc- fürchtungen über die Versorgung Deutschlands mit Brot getreide zu hegen. Nicht so günstig sieht eS mit dem Anbau der übrigen Getreidearten, mit Gerste und Hafer aus. Das Erträgnis der Gerstenernte wird mit 1,59 Millionen Tonnen angenommen gegenüber einer Schätzung von 1,56 Millionen Tonnen vor 4 Wochen und einer vorjährigen Ernte von 1,69 Millionen Tonnen. Die Haferernte ist fast da? einzige Gebiet des Getreidean- baucS, das zu einigen Besorgnissen Veranlassung gibt. Zwar nicht unmittelbar; denn daS Preußische LandeSamt schätzt gegen- wärtig den Ertrag der Haferfelder auf 5,05 Millionen Tonnen. Das ist eine Zunahme gegenüber der Augustschätzung um 0,15 Millionen Tonnen, da»! August nur eine Schätzung von 4,90 Millionen Tonnen veröffentlicht worden war. Freilich enthält auch die neue erhöhte Schätzung noch eine Minderernte gegenüber dem Borjahre von ungefähr einer viertel Mil- lion Tonnen. Denn im Jahre 1910 wurden 5,29 Millionen Tonnen Hafer in Deutschland gecrntet. Dieses diesjährige Minder« ergebnis ist insofern etwas bedenklich, als auch die anderen Futtermittel bekanntlich eine bedeutende Mindercrnte befürchten lassen. Eine Teuerung für Futtergetreide wird daher nicht zu vermeiden sein. Sehr schlechte Aussichten bietet auch nach der neuen Schätzung des Statistischen LandeSamtes die Kartoffelernte. Sie läßt nur einen Ertrag von 22,57 Millionen Tonnen erwarten gegenüber einer vorjährigen Ernte von 32,73 Millionen Tonnen. Doch ist hierbei zu berücksichtigen, daß die Schätzungen der Kar- toffelernte nicht den gleichen Anspruch auf Genauigkeit machen können, wie die Schätzungen der Getreideernte. Denn während da» Getreide zum allergrößten Teile bereits abgeerntet ist, stecken die meisten Kartoffeln noch in der Erde. DaS Ergebnis kann daher günstiger fein, als die amtliche Schätzung erwarten läßt. ES kann ab'er auch noch schlechter ausfallen, da die Kartoffelernte in den leichten Böden vollständig vernichtet ist und nicht einmal die AuSsaat wieder einbringt. Trotzdem bietet das diesjährige Ernteergebnis im allgemeinen keinen Grund für so schlimme Befürchtungen, wie sie in der letzten Zeit an den Getreide- Märkten gehegt wurden. Steigender Gewinn. Duisburg , 11. September. In der heutigen Sitzung des Auf- sichtSratcs der Rheinischen Stahlwerke wurde der Ab- schluß für das Geschäftsjahr 1910/11 vorgelegt, der einen Roh- gewinn von 6 574 975,10 M.(im Vorjahre 5 877 569,27 M.) auf- Weist. Der AufsichtSrat setzte die. Abschreibungen auf die Anlage- werte auf 2 761638,26 M.(im Vorjahre 2 722 966.96 M.) und die Ueberweisungen an das HochofenerneuerungS- und Delkredere- konto auf 183 017,11 M.(im Vorjahre 300 000 M.) fest und beschloß, der Generalversammlung vorzuschlagen, den verbleibenden Rein- gewinn von 3 630 319,82 M.(im Vorjahre 2 854 602,31 M.) wie folgt zu verwenden: 8 Proz.(im Vorjahre 7 Proz.) Dividende aus 40 000 000 M.(35 000 000 M. im Vorjahre) Aktienkapital gleich 3 200 000 M.(im Borjahre 2 450 000 M.). Talonsteucr und Rc- scrvcfonds 60 000 M.(im Vorjahre auch 60 000 M.), Tantieme für den AufsichtSrat 86 594,51 M.(im Vorjahre 56,172,65 M.) und Vortrag auf neue Rechnung 233 725,31 M.(im Vorjahre 238 429,06 M.). Die Generalversammlung soll am 28. Oktober stattfinden. 8o2iales. Arbeiterinnen in der Aachener Zigarrcnindustrie. Wo immer die Klerikalen herrschen, sind die wirtschaftlichen Verhältnisse der unteren Volksschichten am allerwenigsten rosige. So wird auch in Aachen , einer Hochburg des Zentrums, die AuS- beutung von Frauen- und Kinderarbeit en mswe betrieben. Die frommen katholischen Zigarrcnfabrikanten beschäftigen ausschlicß. lich weibliche Arbeitskräfte, die ihnen nicht nur äußerst billige, sondern vor allem besonders willige Arbeitskräfte sind. Die Zahl der in der Aachener Zigarrenindustrie beschäftigten Arbeiterinnen beträgt 2000. Ein Berufsorgan schreibt:Aachen ist eine Groß- siadt, aber auch eine sehr teure Stadt. Trotzdem werden in der Zigarremndustrie solche. Jammerlöhne gezahlt, daß daneben die bc- kannten niedrigen Löhne fast als glänzend erscheinen, die die Zigarrenarbeiterschaft in den entlegensten Dürfern Süddeutschlands erhält, wo bekanntlich der Lebensunterhalt nicht so teuer ist. Was in Aachen den armen Arbeiterinnen geboten wird, spottet jeder Kritik." AuS den Angaben über die Lohnverhältnisse entnehmen wir folgende Tatsachen. Es herrsche dort die für die Arbeiter ungün- stige Rahmenberechnung mit 205 bis 260 Stück. Nach dieser Bc- rcchnung müssen die Zigarrenrollerinnen 25 bis 40 Stück pro 1000 Zigarren mehr liefern. Damit für diese sogenanntenHeber- zigarren" die Wickel nicht fehlen, wird den Wickelmacherinnen dementsprechend Schutz abgezogen. Für diese ungerechte Praxis können die Fabrikanten auch nicht einen einzigen stichhaltigen Grund angeben. Denn Ueberzigarren werden sonst nur geliefert und zwar 10 pro 1000 Stück, wo den Arbeitern 25 bis 35 Gratiszigarrcn verabfolgt werden. DieS ist bei den Aachener Zigarrenarbeiterinnen nicht der Fall. Durch die Einrichtung schlagen die Fabrikanten nicht allein die Bezahlung der Meister heraus, sondern auch noch teilweise den Pflichtteil zur Alters-, Invaliden- und Krankenversicherung. Die Arbeiterinnen werden aber auch durch sie um so härter getroffen, als ihre Entlohnung ohnehin miserabel ist. Für den Nahmen Zigarren werden 64 Pf. bis 1,25 M. gezahlt, hin und wieder wohl auch 1,50 bis 1,60 M., der letztere Satz jedoch nur für derartig schwierige FassonS, daß die Arbeiterinnen nicht viel davon fertigstellen können. Für 1006 Formen Wickel, das sind 2000 Stück, werden 3,25 bis 4,50 M. be­zahlt. Außerdem gibt man den Arbeiterinnen noch schlecht zu der- arbeitenden Tabak, meist Siückblatt. so daß sie bei angestrengter Arbeit Hungerlöhne von höchstens 7R>is 12 M. pro Woche erreichen können. Der Verdienst der Zigarrensortiererinnen ist ungefähr gleich hoch. Auf der niedersten Stufe stehen jedoch die Löhne der Hilfsarbeiterinnen. Der schlechten Entlohnung entspricht in einigen Fabriken die menschenunwürdige Behandlung der Arbeiterinnen durch einzelne Meister, Meisterinnen, Chefs usw. Aus einer Fabrik wird von einer Meisterin berichtet, die sich von den armen Arbeite- rinnen Geschenke aller Art machen ließ, sogar die Kommunionkleider für ihr Kind lis� sie sich schenken. Die Geberinnen erhielten dafür Vergünstigungen bei der Arbeit, während die Nichtgeberinnen schikaniert wurden. Diese durch die Kirche zur Knechtseligkeit erzogenen Prole- tarierinnen. die jeglicher Aufklärung ermangeln, wissen sich also aus ihrem Elend nicht anders zu helfen, als durch Bestechung ihrer Meisterin. Die armen Arbeiterinnen sind so jämmerlich schlecht gestellt und so zur Knechtseligkeit erzogen, daß ihnen die Erkenntnis ihre» .Rechte» auf angemessene Bezahlung und die Notwendigkeit, sich zu organisieren, schwer fällt. Noch trostloser sind die Zustände bei den Heimarbeiterinnen. Sie erholten meist die schlechtest bezahlte Beschäftigung mit nach Hanse . Dabei müssen sie noch Raum, Licht und Heizung einrechnen. Von den Wohnungsverhältnissen wird berichtet, daß sie in Aachen unerschwinglich hoch seien. So bietet bei den Zigarrenheimarbeitc. rinnen ein einziger Raum zugleich Wohn-, Etz-, Schlaf- und Ar- beitsraum. Natürlich müssen hier die Kinder der Mutter helfen, die bis spät nachts, neben der Hausarbeit und Kleinkindcrversor- gung, bei ihrer Arbeit sitzt. Dabei klagen sie über daS schlechte Material, bei dem man so wenig verdienen kann. Die schon ohne- hin gesundheitsschädigende Arbeit in der Zigarrenindustrie, bei welcher zirka 60 Proz. der Arbeiter der Tuberkulose verfallen, hat bei diesen Zuständen der Heimarbeit frühe? Siechtum von Mutter und Kind zur Folge. Einen Ausweg aus ihrer traurigen Lage denken auch die arm- sten Heimarbeitermnen hier nicht zu finden. Sie hören wohl die Botschaft wenn alle einig wären,... allein es fehlt ihnen der Glaube, daß es in Aachen je besser werden würde. Die fromm eingeschüchterten Gemüter dürfen ja von den frommen Herrschern, die solche Ausbeutung mit ihrer Religion vereinbaren können, nichts fordern. Und die vom Zentrum und Unternehmertum abhängigen christlichen Gewerkschaften denken gar nicht daran, hier Besserungen zu erstreben. Sie haben wichtigere? zu tun, durch niederträchtige Lügen und Verleumdungen suchen sie die freien Gewerkschaften in ihrer EntWickelung zu hemmen. Mögen die Proletarierinnen dahin wirken, allen die Erkenntnis nahezubringen, daß ohne die Aufklärung der Frauen der Kapitalis- mus nicht bekämpft werden kann, und daß ihre Interessen nur in den freien Gewerkschaften wirksam vertreten werden. Die österreichische Gcwerbeinspektion, deren Bericht für 1910 soeben erschienen ist, umfaßt 170 Beamte: 1- Zentralinspektor, 14 Oberinspektoren, 48 Gewerbeinspektoren, 52 Kommissare, 1 Sanitätskonsulenten, 2 Assistenten und 5 Assisten- sinnen, 3 Spezialinspcktoren, 44 Kanzleibeamte. Die von den Sozialdemokraten lange geforderte Vermehrung ist in bescheidenem Maße erfolgt, insbesondere durch Beistellung der Schreibhilfe die Bureauarbeit vermindert worden. Daher stieg die Zahl der In- s p e k t i o n e n um 7626(25 Proz.). Doch wurden von fabrik- mäßigen Betrieben(15 443) nur 10 411, von 128 950 kleineren un- fallversicherungSpflichtigen Betrieben gar nur 24 295 besucht; nur 1899 zwei», 417 drei- und mehrmal, 262 nachts, 317 Sonntags. In mehreren Bezirken wurde nicht die Hälfte der Fabriken besucht. Alle Inspektionen haben bei A r b e i t s ko n f l i k t e n. am meisten f31) die Reichenbergcr, vermittelt. Eine große Rolle spielt die Teilnahme an k o m m i s s i o n e l l e n Verhandlungen; selten unter 190. in Wien 969. Daran schließen sich viele schriftliche Gut» achten, bis zu 252(Königgrätz). Ueberaus gering, eine Folge der Anweisungen von oben, ist die Zahl der Anzeigen wegen Ueber- tretungen(973). Die Seltenheit der Inspektionen läßt wenig entdecken. /Jus der frauenbep?egung. Sozialistische Kindererziehung. In großer Zahl sind in Frankreich Kindergruppen gegründet worden. Im August fand im Scine-Tepartement eine Reihe internationaler Kinderfeste statt, die vom Verband der azialistischcn Genossenschaften unterstützt wurden und einen tresf- lichen Verlauf nahmen. Eine nähere Schilderung der Tätigkeit einer solchen Gruppe gibt Genosse B o u d i o s in derHumanite". Er erzählt von der Erziehungsarbeit der Genossenschafter von B e l l e v i l l c. de? bekannten revolutionären Stadtteils von Paris . Die Gruppe zählt 150 Kinder. Geleitet wird sie von einem Komitee Von 5 Personen, dem eine Anzahl Genossinnen als Helferinnen zur Seite stehen. Sie haben eine ganze Anzahl Musikkurse eingerichtet: Notenlesen, Einzel- und Chorgesang. Mandoline, Bio- line und Vortrag lernen die Kinder. Daneben werden zweimal in der Woche kurze und anziehende Vorträge gehalten. Die Kinder 'elber bestellen ein Bureau und verfassen ein Protokoll, diskutieren auch die Vorträge. Namentlich sucht man die Aufklärung der weiblichen Jugend zu fördern, um den Zerwürfnissen zwischen dem sozialistisch geschulten Manne und der rückständigen Frau, die o viele Ehen stören, vorzubeugen. Ferner hat man eine kleine Genossenschaft zur Beschaffung von S ch u l u t e n s i l i e n eingerichtet, die unter beratender Mitwirkung Erwachsener von den Kindern selbst verwaltet wird und sie in trefflicher Weise auf ihre künftige genossenschaftliche Tätigkeit vorbereitet. Eine eigene B i- b l i o t h e k wird bald hinzukommen. Ten Höhepunkt und Abschluß des Jahres bilden die K i ndc r r e i s e n. Vom 10. bis 15. Sep­tember reisen die Kleinen nach Lille , Tünkirchen, Arras , AmienS usw. Die Magazine und die Schuhfabrik der Genossenschaften wer. den besucht. Dabei wird ein Reisetagebuch geführt, das den beleh­renden Zweck der Reise sichern soll.»Sicher können wir nicht das