die Herrschenden doch überall, daß eine Niederlage auch denSturz der schuldigen Dynastie herbeiführenkönnte. Er verwahrt sich gegen den Versuch der Bourgeois-presse. Bebels Jenaer Rede als Zustimmung(!) zurdeutschen Rüstungspolitik hinzustellen. Er glaube mit Bebel.die Gefahr liege nicht in einem drohenden Kriege, sondern inder ständig wachsenden Beunruhigung.„Sollte doch die Kata-strophe kommen, so werden der französische und der deutscheSozialismus auf der Höhe ihrer geschichtlichen Aufgabe stehen.Gegenüber den Regierungen stehen die Arbeiter, die einanderlieben gelernt haben. Man will, daß sie einander umbringen,aber das wird nicht sein. Der Sozialismus wird stark genugsein, es zu verhindern!"Unsere Protestbewegung.Gegen die Kriegshetze fanden am Sonntag wieder im HerzogtumBraunschweig mehrere Protestversammlungen stall. In Helm»stedt, wo Genosse Antrick referierte, war die Versammlungüberfüllt. Auch die sonstigen Versammlungen in den reinländlichen Bezirken waren sehr gut besucht. Hier refe-rierten die Genossen Antrick, Günther und Brenner. DieProtestresolution fand überall begeisterte Zustimmung.Auch im Wahlkreise des Januschauers v. Oldenburg, inMarienburg, fand eine sehr stark besuchte Protestvcrsammlungunter freiem Himmel statt. Das konservative Blatt hatte«inInserat abgelehnt; dafür hatte der Landrat vier Gendarmen ge-schickt. Aber das konnte ebensowenig wie das windige und zeit-tveilig regnerische Wetter den ungewöhnlich starken Besuch ver-hindern. Auffällig viel bürgerliches Publikum undviele Frauen waren anwesend. Die eineinhalbstündige Ab-rechnung des Genossen Bartel-Danzig mit der blutdürstigenProfitgier der Marokkohetzer und kriegslüsternen Mordpatriotenfand lebhafte Zustimmung. Der in der Berliner Demonstrationbeschlossene Kriegsprotest wurde ohne Widerspruch angenommen.Der Parteitag in Jena.Dritter Tag.Jena, den 13. September.Nach dem Sturm ist Ruhe eingetreten. Auf der heutigenTagesordnung steht zunächst die Berichterstattung dcS GenossenjGeck über die Tätigkeit der sozialdemokratischen Reichstags-fraktion. Er beschränkt sich auf einige interessante Ergänzungen zudem gedruckt vorliegenden Bericht und gibt zum Schluß einenAusblick auf die kommende Herbsttagung des Reichstags und demWahlkampf.Es folgt dann die schnelle Erledigung einer Reihe von An-trägen und Resolutionen, darunter eine von unserer Reichstags-fraktion vorgeschlagene, vom Genossen Dr. Südekum ausführ-lich und nachdrücklich begründete Resolution, die in Anbetracht derdrohenden Hungersnot die Aufhebung der Le»bensmittel- und Futtermittelzölle, der Grenzab-Sperrung für die Vieh- und Fleischeinfuhr und die B e s e i t i-gung der Einfuhrscheine fordert. Ebenso wird eine vomGenossen Eduard Bernstein eingebrachte und begründete Re-solution, die verlangt, daß in Zeiten internationaler Verwicklungender Reichstag einberufen werden mutz, einstimmig an-genommen.Weit lebhafter gestaltet sich die Sitzung, als der M a n d a t S-streit in Stuttgart zur Beratung gelangt.Genosse Ho ffm an n- Hamburg meldet zunächst als Bericht-xrstatter, datz an dem Parteitag 338 Delegierte, darunter33 Frauen, ferner 3 Vorstandsmitglieder, 8 Mitglieder der Kon-trollkommission und 36 Reichstagsabgeordnete teilnehmen, und be-richtet mit musterhafter Sachlichkeit über den Mandatsstreit inStuttgart, den er näher schildert. Die Mandatsprüfungs-kommission hat, obgleich sie die Manipulationen der Revisionistenbei der Wahl der Vertreter zum Parteitag verurteilt, doch dieSachlage dahin entschieden, datz die vom Kreisvorstand Stuttgartanberaumte zweite Wahl ungültig sei, also das Ergebnisder ersten Wahl wiederhergestellt werden müsse. Danach find ge-wählt, Hildenbrandt, Rapp, Frau Duncker und Westmeycr. Dochsind bei der Wahl Westmeyers V ländliche Bezirke nicht mitgezähltworden, die, wenn sie berücksichtigt wären, insofern eine Aenderungdes Wahlresultats ergäben, als dann nicht Westmeyer, sondernSaemann das Mandat zukommen würde. Ferner aber könnten die280 in Botnang abgegebenen Stimmen nicht mitgezählt werden.da dort ein Teil der Wähler seine Stimmen an einem HochzeitS-abend ohne eigentliche Wahlkontrolle abgegeben habe und an demdarauffolgenden Sonntag die Wahlzeit widerrechtlich eingeschränktworden sei. Auf Grund aller dieser Untersuchungsergebnisse be-antrage die Kommission, die Mandate BullmerS und West-piehers für ungültig zu erklären.Die Debatte über diese Entscheidung wird wesentlich von dreiJuristen. Stadthagen, Liebknecht und Landsberg, geführt, die ausjuristischen Gründen teilweise zu so verschiedenen Folgerungenkommen, datz der Parteitag mehrfach ihren Ausführungen mitHeiterkeit folgt und einer der folgenden Redner erklärt, er hätte beiden drei Juristen eigentlich vier verschiedene Meinungen gefunden.Die Genoffen Liebknecht und Stadthagen wenden sich gegen denstarren Rechtsformalismus. Sie halten den Kreisvorstand für be-rechtigt, nach den bei der ersten Wahl vorgekommenen unglaub-lichen Unregelmäßigkeiten eine Neuwahl anzusehen. Ferner dürftedie Wahl in Botnang nicht einfach für ungültig erklärt werden,folglich seien Bullmer und Westmeyer als gewählt zu betrachten.Ganz anderer Ansicht ist Genosse Landsberg, der sehr provo-zierend auftritt, und sich gegen Stadthagen einige boshafte Sottisengestattet. Er ist ebenfalls gegen den sogenannten FormaliSnius,verteidigt aber gerade deshalb die Entscheidung der Mandats-Prüfungskommission, denn nach seiner Ansicht ist die Funktiondes Kreisvorstandes mit dem ersten Wahlgang beendet, die Eni-scheidung, ob die Wahl gülllg sei, stehe allem dem Parteitag zu.Jedenfalls aber sei es verkehrt, deshalb, weil bei der Wahl inBotnang Unregelmäßigkeiten vorgekommen seien, nun auch alleanderen Ortsvereine des Kreises nochmals wählen zu lassen.Nachdem Genosse Ludwig gesprochen und die Ungültigkeits-erklärung der Wahl von S ländlichen und 2 Stuttgarter Bezirkenverlangt, kommt nochmals ein Jurist zum Wort, Genosse Frank-Mannheim, der wiederum eine andere juristische Auffassung ver-tritt. Er hält die erste Wahl für gültig, verlangt aber, da dieStimmen von 2 Stuttgarter Bezirken ungerechtfertigter Weisemitgezählt worden seien, die Annullierung der Wahl WestmeherS.' Es sprechen noch die Genossen Dittmann und Stadthagen, dann er-folgt auf Antrag Hintze-Berlin Schluß der Debatte. Die nachlängeren Streitigkeiten über den Abstimmungsmodus borge-nommene Abstimmung ergibt die Annahme des Ent-schlusseS der Mandatsprüfungskommission,BullmerS und WestmeherS Mandate sind also für nichtig erklärt.Damit ist jedoch die Behandlung des ParteistrciteS nicht be-endet. Genossin Duncker und 106 weitere Genossen haben den An-trag gestellt, daß der Parteitag erklären möge, er nehme mit Be.dauern von den Vorgängen in der württembergischen Landes-Organisation Kenntnis und beauftrage den Zarteivorstand, mitdem württembergischcn Vorstand und mit der Stuttgarter Partei-leitung in Verbindung zu treten, um die EntWickelung der Parteiin Württemberg im Sinne und Geiste der Gesamt-Partei und ihrer Beschlüsse zu sichern.Zur Begründung dieses Antrages erhält in der Nachmittags-sitzung Genossin Duncker- Stuttgart das Wort. Sie bittet inaußerordentlich geschickter Rede, den Gegensatz zwischen den Stull-garter Genossen und ihrem Parteiorgan, der„Tagwacht", nicht,wie das vom leitenden Redakteur des Blattes, dem Genossen Keil,geschieht, als einen persönlichen Streit zwischen ihm und demLokalrcdakteur Westmeyer aufzufassen. Der Streit komme daher,daß in Württemberg der Jndustrialismus um sich greife und da-mit auch der Klassengegensatz zwischen Arbeiterschaft und Unter-nehmcrtum sich verschärfe, während die„Tagwacht" durch Rück-sichtnahme auf die politisch rückständigen ländlichen Elemente An-Hänger zu werben suche. Die Rcdnerin sucht den Revisionismusder„Tagwacht" durch verschiedene Beispiele zu veranschaulicken.erinnert an den„Vorwärts"streit in Berlin und verlangt schließ-lich die Einsetzung einer Pretzkommission, in der die StuttgarterArbeiterschaft einen der Größe ihrer Organisation und ihrer politi-scheu Bedeutung entsprechenden Einfluß ausüben könne. Sie er-läutert weiter den Vorschlag des ParteivorstandsmitgliedesE b e r t zur Bildung einer aus sieben Personen bestehenden Pretz-kommission und beklagt die Nicdcrstimmung der Stuttgarter Anträge durch die Revisionisten. Deshalb seien die Radikalen inWürttemberg gezwungen, den Parteitag anzurufen.Kaum hat Genossin Duncker beendet, so stellt Genosse D i e tz>den Antrag, von jeder Diskussion abzusehen, da dasEintreten in eine Debatte über den württcmbergischen Streit zuendlosen Anklagen und Gegenanklagen führen würde, die voraus-sichtlich mehrere Tage in Anspruch nehmen würde. Ein großer Teilder süddeutschen Delegierten widerspricht, von Nickiard Fischerunterstützt, dem Vorschlage und verlangt, daß wenigstens einer derFührer des württembergischen rechten Flügels ausführlich zumWort kommt. Es entspinnt sich eine leidenschaftliche Geschäfts-ordnungsdebatte, doch werden die Reden immer lauter und stärkerdurch die Rufe übertönt: Nicht reden, abstimmen, abstimmen!Unter großer Unruhe läßt Genosse Leber, der den Vorsitz führt,abstimmen. Mit großer Mehrheit wird der Antrag auf Schlußder Diskussion angenommen und dann ebenfalls mit beträchtlicherMajorität auch der Antrag der Genossin Duncker akzeptiert, durchden der Parteivorstand beauftragt wird, in die württembergischenParteizwistigkeiten schlichtend und ordnend einzugreifen.Die durch diesen kurzen Kampf hervorgerufene Unruhe wirktnoch einige Zeit nach, so daß der Genosse M o l k e n b u h r sich zu-nächst gezwungen sieht, seinen gründlichen Vortrag über die Reichs-Versicherungsordnung vor einer größtenteils unaufmerksamen, sichlebhaft über die soeben erlebten Vorgänge unterhaltenden Ver-sammlung halten zu müssen. Nach und nach verschafft sich GenosseMolkenbuhr jedoch immer größere Aufmerksamkeit und schließtseine Rede unter lebhaftem Beifall. In der Diskussion sprechenGenossin Zietz und Genosse Hoch-Hanau.Zum Schluß erfolgt noch ein« längere persönliche Erklärungdes Genossen Keil gegen die ihn betreffenden Ausführungen derGenossin Duncker._politifche Gcbcrficbt.Berlin, den 13. September 1911.ssSr die Wahlagitation;Die„Kreuzztg.", das führende Organ der konservativen Partei,wendet sich in einem Artikel gegen eine Arbeitslosen-Versicherung, sei es durch den Staat, sei eS durch die Ge-meinde. Denn, das ist der langen Rede kurzer Sinn, die Arbeits-losenunterstützung werde die Arbeiter in ihrem EmanzipationS-kämpfe nur stärken, werde die Bestrebungen der GewerkschaftS-bcwegung fördern. Und dann leistet sich der Leitartikel des füh-renden konservallven Organs folgende lapidaren Sätze, die wir alsstehendes Motto für unsere Wahlflugblätter gegen die Konser-vativen empfehlen möchten:„Und zu diesem politischen und wirtschaftlichen Bedenken ge-sellt sich noch der moralische Nachteil: das Gefühl und die G e-wißheit, daß für alle Lebenslagen vorgesorgti st, muß ja geradezu den Charakter verderben. Jefreier von Sorgen die Arbeiter sind und je mehrfreie Zeit sie haben, desto weniger wird die A l l g e-meinheit einen Nutzen von ihnen haben. TieArbeiter sollen sich selb st helfen, eingedenk des SatzeS:„Spare in der Zeit, dann hast du in der Not!"Die Arbeiterklasse ist ausweislich der Berufszählung diezahlreichste Klasse. Sie umfaßt die Mehrheit deS ganzenVolkes. Die Arbeiterklasse ist der Kern der Nation. IhrWohl und Wehe ist entscheidend für das Volk überhaupt. Und vondieser zahlreichst en Klasse dcS Volkes wagt das füh-rende konservative Organ mit dürren Worten zu sagen,daß die Allgemeinheit(will sagen die Minderheit der agrarischenund industriellen Ausbeuter!) keinen Nutzen von ihr habe, wennsie von den schlimmsten Sorgen um das tägliche Brot befreit werde!Die Arbeiter, die Masse des Volkes soll aus der Sorge um dienackte LebenSnotdurft nicht herauskommen, damit unsere Junkerund unsere Schlotbarone sie möglichst rücksichtslos auspressenund ausbeuten können! Weder Staat noch Gemeinde soll denArbeiter vor dem Elend der Arbeitslosigkeit, daS für ihn häufigdie Verschleuderung seine? ganzen Hausrates,das Hinabschleudern in daS Lumpenproletariatbedeutet, schützen helfen! Der Arbeiter soll„in der Zeitsparen", um in der Not geschützt zu sein. E r soll sich selbst helfen.So spricht man von dem Arbeiter in einer Zeit, wo durch dieagrarische LicbeLgabenzovpolitik, durch die schwarzblaue Steuer-auSplünderung und durch die Dürre alle Lebensmittelpreise in derungeheuerlichsten Weise in dir Höhe gegangen sind, wo für dieMasse des ehrlich arbeitenden Volkes die Hungersnot vor derTüre steht!Und diese Selbsthilfe für die doppelt und dreifach ausgeben-teten und ausgepreßten Arbeiter proklamiert das Organ der-selben Junker, die ihrerseits in der unverfrorensten Weisedie Staatshilfe durch Schutzzölle und Liebesgaben aller Art aufKosten der großen Masse des Volkes für sich in Anspruch nehmen!Stupidere Unverschämtheiten sind von dem leitenden Organeiner schmarotzenden Minderheit einer ausgeplünderten Volks-Mehrheit noch niemals ins Gesicht geschleudert worden! Immer-hin: wir sind der„Kreuzztg." verbunden für dieses wunderbareAgitationsmaterial.Ein verzweifelter Trick.Das Sprachrohr der Kriegslieferanten, die., R h e i-nisch-We st fälis che Ztg.", versucht es noch einmalmit einem letzten Bluff, die Regierung in ein Kriegsabenteuerhineinzuhetzen. Sie sucht nämlich die Regierung vor einemfriedlichen Abkommen mit Frankreich dadurch abzuschrecken,daß sie ihr einzureden sucht, die Erhaltung des Friedenswerde nicht der Friedensliebe der Regierung,sondern ihrer Furcht vor der Sozraldemokra-tie zugeschrieben werden. Tie Prozenlpatrioten haltendanach unsere Regierung für so kopflos und schreck-Haft, daß die Besorgnis vor einer solchen Deutung sie zueiner Handlung treiben könne, die ihr im Grundeals politisches Verbreche w erscheint! Diesemordspatriotische Auffassung der„Rheinisch-WestfälrsckienZeitung" verrät also ein Urteil über die Intelligenzund das moralische Verantwortlichkeits-gefühl der Krone und der Regierung, wie sieder despektierlichste Sozialdemokrat nicht ausdenken könnte.Das Organ der rheinisch-westfälischen Panzerplatten- undKanoneninidustrie läßt sich angeblich von„einem gelegentlichenMitarbeiter, den sein Beruf mit sozialdemokratischen Zei-tungsredaktionen des Wesbenis in Berührung dringt", ausKöln schreiben:„Ich weiß aus ganz sicherer Quelle, daß augenblicklich ineinigen sozialdemokratischen ZeitungSredaktwncn b e-reits die Triumphartikel vorbereitet werden,welche, wie aus der Pistole geschossen, sofort erscheinen sollen.sobald feststeht, daß in dem Maroklohandel die deutsche Diplo-matie eine endgültige Niederlage erlitten hat und der von denSozialdemokraten so heiß ersehnte Frieden um jedenPreis erzielt worden ist. Ein anderer Ausgang wird zunächstvon den Genossen nicht erwartet. In diesen Artikeln— ich habeeinen ganz gelesen— wird zunächst der alte Brei wieder auf-gewärmt, daß die Sozialdemokratie infolge ihrer idealen undphilantropischen Bestrebungen und Ziele den Krieg als„Massen-Völkermord" verabscheut und ihn deshalb auch mit allen Mittelnzu hintertreiben suche. Des weiteren wird die sozialdemokratischePresse dem deutschen Volke klar zu machen suchen, daß es alleinder Sozialdemokratie zu verdanken hat, wenn das Vaterlanddiesmal von den Schrecknissen eines Krieges bewahrt worden ist.Trotz Junkern. Kanonenkönigen, Panzerplattenfabrikanten undSchlotbaronen und anderen mächtigen Kreisen, die, um Millionenzu verdienen, die Regierung' zum Kriege gehetzt hatten, sei durchdie Sozialdemokraten der Frieden erhalten worden. Warum?—Weil die Regierung ihre Macht fürchte, und sichdeshalb wohl hüte, ohne ihr Einverständniseinen Krieg gegen das Ausland zu führen. EinHinweis auf die angeblich so imposantenso z ia ld e mo kir at i s ch/e n Masfenfriedenskund-gedungen in Berlin, die kürzlich stattgefundenhaben, bleibt selbstverständlich nicht aus.Schließlich st eigertsich der triumphierendeTonin den Artikeln zu der Behauptung,'daß dieEntscheidung von Krieg und Friede« in Händender Sozialdemokratie liege.Während man jetzt die Fanfaronaden der Sozialdemokratenund ihre billigen Proteste gegen den Krieg in einsichtsvollenbürgerlichen Kreisen belächelt, wird man sie allerdings ernsternehmen, sobald die Regierung vor dem Auslandezurückweichen sollte. Man wird dann in der Tatglauben, daß sich die Regierung durch die Sozial-demokratie hat einschüchtern lassen, und sie da-durch veranlaßt wurde, ihre Würde und Ansehen gegenüber demAuslände nicht genügend zu wahren."Wir brauchen wohl nicht erst zu erklaren, daß die Er-Zählung von dem„gelegentlickicn/ Mitarbeiter" und seiner an-geblichen Kenntnis eines bereits vorbereiteten sozialdemo-kratischen Artikels der dümmste und unverschämteste Schwindelist. den sich unsere chauvinistischen- Ehrenmänner seit geraumemgeleistet Hadert!Aber selbst wenn es sich nicht um eine freche Lüge desPanzerplattenorgans handelte— welch unsägliche Geringschätzung derRegierung liegt in der Annahmedes Hetzblattes, diese werde sich entgegen ihreri nn ersten Ueberzeugung in einen unabsehbarenKrieg stürzen. Hunderttausende ans Messer liefern und dasSchicksal des ganzen Volkes aufs Spiel-setzen, nur weil sie demVerdacht ausgesetzt sein könne, außer anderen Politischen Erwägungen auch die dringlichen Friedensforderungen der prole-tarischen Volksmassen berücksichtigt zu haben!So zeigt sich täglich von neuem in diesen kehrreichenWochen, daß es keine gröblicheren Majestätsbeleidiger»ndskrupelloseren Schädiger des Ansehens der Regierung gibt alsunsere nationalen- Kriegshetzer!Eine Irreführung.Die„Nordd. Allg. Ztg." regt sich darüber auf. daß GenosseQueich als Vertreter der englischen Sozialdemolratie in seinerBegrüßungsrede auf dem Parteitag die englischen Arbeiter alsFeinde deS Imperialismus und Chauvinismus und als Anhängerder Abrüstung bezeichnet habe. Er hätte verschwiegen, daß seinePartei sich für die Ausrechlerhaltung einer genügend starken Flotteausgesprochen hätte.Die.Nordd. Allg. Ztg." verschweigt, daß dieser Beschluß.wie im„Vorwärts" seinerzeit mitgeteilt, durch Urabstimmung derMitglieder mit großer Majorität verworfen worden ist.Die Nlannesmann-Presse.Der Herausgeber der. G r e nz b o t e n'. Herr Cleinow.hatte behauptet, die„Post", die.Rheiiiisch-Westfälische Zeitung" unddie„Tägliche Rundschau' führten in der Marokko sacke dieöffentliche Meinung irre, und er hatte von Beziehungen dieser Blätterzu den Herren ManneS mann gesprochen. Die„Rheinisch-Wistiälische Zeitung" hat diese Behaiipiungen darauf als„einenichtswürdige Verleumdung und jouriialist'sche Charakterlosigkeit"bezeichnet. Herr Cleinow erklärt nun in dem heute erschienenen,Grenzboten"-Hest:„ES wird mir jeder Unbefangene zugeben, daß aiiS meinenAnSführungen nur solcke den Vorwurf der B e st e ch l i ch k e i:herauslesen können, die nicht wissen, wie vielfach und vertraulichdie Fäden zivischeu der Presse und dem Pudlikuni sein können.Ich habe die„Rdeinisck-Wcstfälische Z>iiuiig' wegen Beleid i-gung verklagt, ebenso die„Post" und die„Tägliche Rund»schail", weil sie die Ausführungen dcS Essener BlalteS weiter ver»breitet haben."Die Kraftprobe der Kriegshetzer.In diesen Tagen, wo auf diplomatischem Wege die Entscheidungim Marokkokouflikt fallen wird, lassen unsere Kriegshetzer alle ihreMinen springen. So bringt die„Post" einen Leitartikel, in dem siedie Frage auswirft, ob es nicht doch besser sei. denunauS-weichlichen Krieg mit Frankreich und England schon jetztzum AuStrag zu bringen, stall fich auf einen Vertrag einzulassen.Mit brutalster Rücksichtslosigkeit wird erklärt, daß es im gewissenSinne vorteilhafter fei. gegen Frankreich und England gemeinsamKrieg zu fiihrcn, als gegen England allein. Denn dem Insel-reich England könne Deutschland nicht gut etwas anhaben, sei aberFrankreich der Verbündete Englands, so könne man sich für die vonEngland zugefilgten Verluste an ihm schadlos halten. DaS Blallder Panzerplattenpatrioten sagt wörtlich:„Sind aber England und Frankreich verbündet, so haben wirin Frankreich ein AngriffSobjett. Die französische