Legitimation seiner Mitglieder zu prüfen. Liebknecht undStadthagen wollen an die Stelle dieses Rechtes des Partei-tages das Recht der Vorstände der Wahlkreise setzen.(Stadt-Hagen: Das habe ich gar nicht gesagt, Sie scheinen schlecht zuhören!) Meine Ohren sind zwar nicht so lang wie die Ihrigen,aber ganz ausgezeichnet.(Heiterkeit.) Stadt Hägen will andie Stelle des§ 8 die Diktatur der Wahlkreisvorstände setzen. Ichbestreite dem Stuttgarter Vorstande das Recht, eine nach seinerUcberzeugung ungültige Wahl zu annullieren. Außerdem ist dieVerteilung von Wahlvorschlägen keine unzulässige Beeinflussung.Wenn zwei Richtungen sich gegenüberstehen, haben sie das Pcchtder Propaganda. Von allen Vorwürfen bleibt nur die Wahl inBotnang übrig. Würde diese Wahl für ungültig erklärt, dannbrauchte doch nicht der ganze erste württembergische Wahlkreisnoch einmal zu wählen.(Sehr richtig!) Ter Parteitag hat allenGrund, dem wohlerwogenen, durchaus begründeten, und im Ein-klang mit dem Organisationsstatut stehenden Beschluß der Kom-Mission beizutreten.Lubwig-Hagen:Fragen Sie drei Juristen um eine Sache, und Sie wer-den drei Meinungen hören.(Lebhafter Zuruf: Vier! GroßeHeiterkeit.) Einstimmig hat die Kommission dem Kreisvorstand dasRecht der Ausschreibung einer zweiten Wahl abgesprochen. Sonstwürde man ia auch schließlich zu drei- und vierfachen Wahlenkommen können. Aber die Kommission war nicht in allen Punkteneinig. Die Minderheit der Kommission, vier Genossen, war derAnsicht, daß der Kreisvorstand unter allen Umständen zur Ein-Forderung der Stimmzettel verpflichtet war. Die vier Genossenverlangen daher alle fünf Orte, nicht bloß Botnang, aber auch diezwei Stuttgarter Bezirke z u st r e i ch e n. Ich bitte den Parteitag,dieser Ansicht beizutreten und die Wahl B u l l m e r s für un-gültig zu erklären, dann ist W e st m e y e r gewählt.Dr. Frank-Mannheim:Stadthagen sprach davon, daß vor allem der Wille desKreises respektiert werden müsse. Von den 22 Landorten desKreises haben beim zweiten Wahlgang nur zwei ihr Wahlrechtausgeübt.(Hört! hört!) Die 20 anderen Orte haben sich in öffent-lichen Erklärungen gegen den zweiten Wahlgang erklärt, indem sievon der gleichen Rechtsansicht ausgingen, zu der sich einstimmigdie Kommission bekannt hat. An der zweiten Wahl hat sich alsonur ein Bruchteil der Genossen beteiligt und sie kann nicht denWillen des Kreises repräsentieren. Der zweite Wahlgang war z uUnrecht ausgeschrieben, der Wahlkreisvorstand hatte seine Be-fugnisse überschritten, der erste Wahlgang ist entscheidend. Wasdie Nichtcinsendung der Wahlzettel betrifft, so war im Zirkulardes Krcisvorstandes mit keinem Wort von der Einschickung derZettel die Rede. Das war vielleicht ein Fehler. Aber es beweist,daß der Vorstand selbst nicht der Ansicht war, daß die Nichtein-fendung die Wahl wertlos macht. Sie müssen dem Antrag derKommission zustimmen, die zweite Wahl für ungültig erklären, beider ersten Wahl die Stimmen von Botnang ausscheiden und dieGenossen für gewählt erklären, die die Kommission vorschlägt.Stadthagen freilich möchte erst Beweise über die Hochzeit vonBotnang erheben.(Heiterkeit.)' Aber die Entscheidung muß jetztfallen, und ich bitte, sie im Sinne der Kommission zu fällen.(Beifall.)Tittmann-Solingcn:Gewiß ist diese Frage leidenschaftslos zu erledigen. Man hatnur nach dem Recht zu fragen und die Personcnfrage auszu-'scheiden. Zweck der Wohl ist doch, daß der Kreis unter allen Um-ständen auf dem Parteitag vertreten ist. Der Kreisvorstand hatdafür zu sorgen, wie er in jeder Beziehung die Interessen desKreises wahrzunehmen hat. Erfährt nun der Kreisvorstand nachPublizierung des Resultats Vorgänge, die zu einer Kassierungführen könnten, so ist er verpflichtet, Maßnahmen zu er-greifen, daß trotzdem der Kreis auf dem Parteitag vertreten wirdund hat zu diesem Zweck sehr wohl das Recht, eine zweite Wahlauszuschreiben. Das greift in das Recht des Parteitages, die Man-datc der Delegierten zu prüfen, in keiner Weise ein. Der Parteitaghat zunächst zu prüfen, ob die Gründe, die zur zweiten Wahlführten, au Sschlaggebend sind. Kmnmt er zu dem Ergeb-nis. daß die erste Wohl zu Unrecht kassiert worden ist. dann ist derzweite Wahlgang ungültig. Kommt er zu dem Ergebnis, daß dieerste Wahl ungültig ist, dann ist der zweite Wahlgang zulässig.Dann kommt die Prüfung deS Resultats der zweiten Wahl. DieserWeg ist einzuschlagen. AlleS andere ist Formalismus, Vergewalti-gung deS Willens der Parteigenossenschaft. So ist auch die Praxisder Gewerkschaften. Nun führt man an. daß beim zweiten Wahl-gang 20 Orte nicht gewählt haben. Das geschah, weil sie von der„Schlvöbischen Tagwacht" aufgefordert wurden, sich derWahl zu enthalten. Das Resultat deS zweiten Wahlgangesist gültig.(Beifall und Widerspruch.)Stadthagen:Dem Genossen Landsberg möchte ich erwidern, daß es mirnicht eingefallen ist, der Kommission vorzuwerfen, daß sie animosgegen Westmeher vorgegangen ist. Wer das von mir gehörthat, was ich gesagt habe und nicht das. was ich vielleicht sagensollte(Heiterkeit), der konnte mich nicht mißverstehen. Ich habeauch nicht eine Diktatur der Krcisvorstände gefordert. ES mußdas volle Recht des Parteitages bestehen bleiben, aber auch dieFreiheit der Wahl deS einzelnen. Ich stimme mit Frank überein.daß eS auf die wahre Stimmung der Wähler ankommt. ES istdurchaus zu tadeln, wenn man entgegen der Organisation in einemKreis, mag man sie zehnmal für nicht richtig funktionierend halten,sagt, Genossen kümmert Euch nicht um die Organisation.(Sehrrichtig!) Wer einer solchen falschen Parole folgt, hat die Freiheitder Wahl nicht gehabt.(Zuruf württembergischer Delegierter:Wer hat denn solche Parole ausgegeben?) Bei der zweiten Wahlist freie Wahl gewesen und deshalb ist sie der wirkliche Ausdruckder WillcnSmcinung der Wähler. Die Schwierigkeit der Eni-scheidung hängt damit zusammen, daß im Statut der Württem-bcrger eine Bestimmung fehlt, um Unregelmäßigkeiten einen Riegelvorzuschieben. Uebcrall wo Urwahlen stattfinden, sind solche Bc-stimmungen getroffen. So muß z. B. im IV. Berliner Kreis einWahlprotest binnen acht Tagen an den Kreisvorktand gc-richtet werden, der zunächst ordnungsmäßig zu entscheiden hat;da kommt noch lange nicht der Parteitag. Wenn eine ungültigeWahlproklamation stattgefunden hat. muß dann selbswerständlicheine gültige Wahl von dem gleichen Organ anberaumt werden.Was Genosse Landsberg über das Ergebnis der Wahlen gesagthat, hätte er als Jurist nicht sagen sollen.(Heiterkeit.) Konntedas richtige Ergebnis bei der ersten Wahl nicht festgestellt werden,so muß es eben durch die zweite Wahl ermittelt werden. DerParteitag mutz darüber befinden, ob die zweite Wahl zu Rechtangeordnet war. und wenn nicht, dann muß er prüfen, obgegen die Gültigkeit der ersten Wahl Bedenken bestehen. Auch ichmeine, wie Frank, daß wir nicht erst eine lange Bewciser-Hebung vorzunehmen brauchen. Sicher sind in Botnang Un-regelmäßigkciten vorgekommen, die die Ungültigkeit bedingen.200 Wähler sind dort an der Wahl gehindert worden und über-Haupt ist da mit der Hochzeit ganz komisch vorgegangen worden.Sind Sie auch dieser Meinung, so müssen Sie daS Resultat der-weiten Wahl für gültig erklären.Hintze-Berlin beantragt Schluß der Besprechung.Der Schlußantrag wird angenommen.Hoffmann-Hamburg>bat da» Schlußwort: Ich habe versucht, die Sache frei von jedemBeiwerk zu schildern.(Sehr gut!) Ich weiß nicht, ob dadurch,dah unsere Herren Juristen gesprochen haben, die Sache klarer gc-worden ist(Heiterkeit) und ich möchte Sie bttten, einfach den ge-Sunden Menschenverstand und nicht Junstenweisheit entscheiden zuiXn.(öeiterkeit.) Der Wahlkreisvorstand hat das Resultat dereriten"-akl geprüft und da, Ergebnis veröffentlicht. Wohinwürde e» führen, wenn wir den Grundsatz anerkennen würden, dagSU«orstand 5 Tage später eine neue Wahl anordnen kann?Dabn würde ja da, wo innere Zwistigkeiten vorhanden sind, einVorstand es immer in der Hand haben, Unregelmäßigkeiten fest-zustellen und Neuwahlen anzuberaumen.(Sehr richtig!) Ichkann den Stuttgarter Genossen und den Genossen des erstenWürttembergischen Kreises nur den Rat geben, daß dieZwistigkeiten aus der Welt geschafft werden.(Lebhafte Zustimmung.) Auf die Personen hat die Mandats-Prüfungskommission natürlich keine Rücksicht genommen, sie hat sichnur von sachlichen Erwägungen leiten lassen. Ich für meinePerson hätte ja gar nichts dagegen, wenn auch die Stimmen ausBotnang mitgezählt würden. Allerdings kann ich das nur inmeinem Namen sagen, nicht im Namen der Kommission. Diezweite Wahl darf aber auf keinen Fall für gültig erklärt werden,denn das würde zu unheilvollen Konsequenzen führen.(Sehrrichtig!)Dr. Liebknecht(persönlich): Ich habe das Recht des Parteitagesauf Prüfung der Legitimation seiner Mitglieder nicht b e-schränken wollen. Im Gegenteil, ich habe das Recht des Partei-tags aufrecht erhalten und nur die Ansicht vertreten, daß der Par-teitag auch darüber zu entscheiden hat, ob vom Kreisvorstand mitRecht eine zweite Wahl anberaumt worden ist.Vorsitzender Leber schlägt vor, zunächst über den Antrag derKommission auf Gültigkeitserklärung der Mandate von Hilden-brandt, Rapp, Sämann und Frau D u n ck e r abzustimmen.In zweiter Linie käme der Antrag Ludwig, die Wahlen vonW e st m e y e r und Rapp für gültig, die von B u l l m e r für un-gültig zu erklären.Vorsitzender Dietz: Es ist noch ein Antrag Dittmann ein-gereicht worden. Allerdings war die Diskussion schon geschlossen,wir waren mitten in der Abstimmung.(Widerspruch.) Wenn dasBureau das erklärt, so gilt das.(Lebhafte Zustimmung.) Ichmöchte auf das lebhafteste protestieren, daß meine Worte bezweifeltwerden.(Erneute Zustimmung.) Mir ist der Antrag vom Schrift-führer überreicht worden, als wir uns bereits in der Abstimmungbefanden.(Dittmann: Ich bitte ums Wort!— Große Unruheund Schlußrufe.)Dittmann(zur Geschäftsordnung; mit Schlußrufen empfan-gen): Ich habe einen Antrag eingebracht.(Rufe: Abtreten! Wäh-rend der Abstimmung gibt es das Wort nicht!)Vorsitzender Leber: Ich habe Dittmann das Wort zu erteilen!Dittmann: Ich habe meinen Antrag eingebracht, als sich dererste Redner meldete, um den Schluß der Debatte zu begrün-den, nicht aber erst, als wir uns schon in der Abstimmung befanden.Es ist doch nicht mein Verschulden, wenn der Schriftführer demVorsitzenden den Antrag nicht gibt. Ich verlange, daß mein Antragverlesen und daß darüber abgestimmt wird.Schriftführer Schiebel-Leipzig: Ich stelle fest, daß D i t t-mann den Antrag eingereicht hat. als bereits Schluß der Debatteeingetreten war.(Hört! hört!— Dittmann: Ich bitte ums Wort!)Stadthagen(zur Geschäftsordnung, wird mit lebhaften Schluß-rufen empfangen): Sie müssen doch so viel Achtung vor dem Prä-sidenten haben, daß Sie einen Redner, dem er das Wort erteilthat, auch sprechen lassen. Bleiben Sie doch ruhig und mäßigenSie Ihre Leidenschaft. Ich will nur vorschlagen, daß wir zunächstabstimmen, ob das Mandat We st meyers ungültig sein soll, unddann, ob das Mandat von B u l l m e r gültig sein soll. Wir könnendoch hier nicht im Ramsch abstimmen.Hoffmann-Hamburg: Wir müssen zunächst darüber abstimmen,ob die Anordnung der zweiten Wahl zu Recht erfolgt ist. Bejahtder Parteitag diese Frage, dann sind ohne weiteres die Mandateder in der zweiten Wahl Gewählten gültig. Wird das verneint,so muß abgestimmt werden, ob das Mandat von We st meyer ausder ersten Wahl gültig ist oder nicht. Dann haben wir Klarheit.(Lebhafte Zustimmung.)Der Parteitag schließt sich diesem Abstimmungsmodus an.Die Anordnung der zweiten Wahl wird mit großerMehrheit für ungültig erklärt.Ebenso tritt der Parteitag mit großer Mehrheit dem Antrageder Mandatsprüfungskommission bei, die Mandate von Hilden-brandt, Rapp, Sämann und Frau Duncker für gültig,da« Mandat von West meyer dagegen für ungültig zu erklären.(Das Mandat von Bullmer ist durch den ersten Beschluß fürungültig erklärt.)ES tritt die Mittagspause ein. Schluß 1 Uhr,Nach mittagSsitzung.Vorsitzender Leber eröffnet die Sitzung und stellt den Antrag 74zur Verhandlung, der jetzt nicht mehr„Westmeher und 10S Genossen" heiße, sondern„Duncker und 104 Genossen",Genossin Duncker:Der Antrag ist veranlaßt durch die Vorgänge auf der letztenwürttembergischen Landeskonferenz. 58 Delegierte, die 8000 von28 000 organisierten Genossen vertreten, haben demonstrativdie Landesversammlung verlassen, nachdem derStuttgarter Antrag auf Schaffung einer Preßkommission zurllebcrwachung der prinzipiellen und taktischen Haltung der„Schwä-bischen Tagwacht" abgelehnt worden war und nacktem den Re°dakteuren West meyer und Krillc. die die Ansichten derStuttgarter Genossen in der„Tagwacht" vertreten haben, gekün-digt worden war. Wir bringen die Sache vor den Parteitag,weil sie die Gesamtpartei angeht. Es sind dieselben Differenzen,die die württembergische Partei erschüttern, welche auch in derGesamtpartei sich geltend machen. Ter Schlüssel der ganzen Situ-ation ist der, daß seit Jahrzehnten zwischen der Mehrheit der Stutt-garter Parteigenossen und ihrem Organ der schärfste Ge-gcnsatz in der politischen Auffassung besteht.(Widerspruch deS Genossen Keil.) Der Chefredakteur der„Tag-wacht" sieht darin nur persönliche Anfeindungen von feiten deSLokalredakteurs W c st m e y e r, der als Vorsitzender der Stutt-garter Parteiorganisation die Parteigenossen in Stuttgart gegenihn. Keil, und seine Redaktionsführung aufhetze. Immer undimmer wieder ist versucht worden, den Gegensatz auf Ursachen per-sönlichcr Natur zurückzuführen. Auf der letzten Landesversamm-lung hat dieser Gedankengang die Haltung der Mehrheit bestimmt.Aber gerade diese Auffassung ist das größte Hindernis der Wer-ständigung. Um die sachlichen Gründe des Gegensatzes darzulegen,muß ich etwas weiter ausholen.Bis vor lvcnigen Jahren war die„Tagwacht" das einzigeParteiblatt Württembergs. In den letzten Jahren hat nun imbisher durchaus kleinbürgerlichen, kleinbäuerlichen Württembergeine außerordentlich industrielle EntWickelungeingesetzt, die auch in der Parteientwickelung sich widerspiegelte.Von 1007 an ist die Zahl der organisierten Genossen um 10 000gestiegen. Das Industriegebiet Stuttgart einschließlich Eß-lingen. Göppingen und Gmünd stellt mehr als dieHälfte der württembergischen Parteimitglieder. In den Städtenspitzt sich der Klassengegensatz immer mehr zu unddie Genossen erwartetcn�von ihrem Organ, daß es dieser EntWickelung Rechnung trage. Statt dessen ließ die„Tagivacht", namcnt-lich in den letzten 4 Jahren, immer mehr die grundsätz-liche Stellungnahme vermissen und zurücktreten.Kaum ein Dutzend grundsätzlicher Artikel fallen auf einen Jähr-gang. Dafür legt sie auf den Parlamentarismus, dessen Bedeu-tung niemand unterschätzt(Rufe: Na, na!), unverhältnismäßigesGewicht. Die„Tagwackt" sieht ihre Aufgabe in persönlicher Re-klame für unsere Mandatare. Ich erinnere an die Oberbür-germeisterwahl und an die Reklame für Dr. Lindemann.Statt die sachlichen Zusammenhänge aufzudecken, krittelt die„Tag-wacht" an den Personen ktcrum. Den Stuttgarter Arbeitern, denendie wirtschaftlichen Verhältnisse immer mehr Klassenkampflogikeinpauken, konnte diese geistige Kost nicht mehr genügen und dieMißstimmung wurde daher immer größer. Dazu sorgte die würt-tembergische Landtagsfraktion ihrerseits dafür, dieStuttgarter Genossen, die ihre sthiDächliche Stellungnahmebesser kennen, als man sie auf dem Lande kennt, vor jeder Ueber-schatzung des Parlamentarismus zu bewahren. Ich erinnere, andie Zustimmung der Fraktion zum reaktionären VolkSjchuleg e f e tz, an die B u d g e t b e w i I l i g ü n g, an das F r i e d r i ch s-Hafen er Frühstück, an das Königshoch und an das Mi«n i st e r e s s e n. Dazu kommt die nichtachtende Behandlung derRechenschaft fordernden Genossen. Am 4. August, als Hilden-brand seine Teilnahme am Ministeressen verteidigte, rief er denaufgeregten Massen zu: Empören Sie sich so viel Siewollen, ich rede nicht für Sie, ich rede zu meiner eigenen Be«ruhigung.(Hört! hört!) Er entschuldigte sich damit, daß ein Fern-bleiben der Fraktion vom Ministcressen eine Brüskierung desMinisters gewesen wäre.(Hört! hört!) Die„Tagwacht" hatallem diesem gegenüber kein Wort der Kritik gefunden,sie hat vertuscht und verteidigt. Keil hat mehrfach angeführt, daßer seine Aufgabe nicht in der Kritik führender Genossen sehe. Aufder Landesvcrsammlung hat er erklärt, er habe keine Lust, dieFahne der Rebellion gegen seine Fraktionskollegen zu erheben.(Hört! hört! Keil ruft: Das habe ich nicht gesagt!)Immer ungestümer forderten die Stuttgarter Genossengrundsätzliche Aufklärung und schärfere Herausarbei-tung des Klassenkampfstandpunktes. Im Grunde ist es derselbeVorgang, wie er sich vor einigen Jahren in Berlin vollzogen hat,als die Parteigenossen auch nicht mit der Haltung des„Vorwärts"einverstanden waren. Den Berlinern ist inzwischen der Einflußauf ihr Organ gesichert worden.— Inzwischen haben sich alle Par-teiorganisationen in Württemberg, die nur einigermaßen dieMittel haben, eigene Organe geschaffen, die Organisation inHeilbronn, in Göppingen, in Eßlingen. Demnächsthaben auch die Reutlinger und Ulmer Genossen ihre Blätter. Alsodie Genossen auf dem Lande haben eine ihnen unterstellte Presse,während die größte Parteigenossenschaft Württembergs dazu verurteilt bleiben sollte, ein Blatt zu lesen, das ihren Anforderungennicht entspricht, das sie in der Hauptsache zu unterhalten haben,bei dem sie aber nichts zu sagen haben. Wir verlangten durch einePreßkommission Einfluß auf das Blatt zu gewin-nen, in der aber nicht die Genossen des Jndustriebezirkes durch dieländlichen Genossen majorisiert werden durften. Bei dem Ueber-gewicht' der ländlichen Delegierten auf der Landesversamm-lung, das sie einem ungerechten Delegationssystem verdanken, undbei der einseitigen Information der ländlichen Bezirke durch dievom Landessekretariat fast ausschließlich auf Agitation geschicktenrevisionistischen Genossen, war keine günstige Stimmung der Lan-deSversammlung für die Wünsche der Stuttgarter zu erwarten.49 Delegierte auf der Landesversammlung haften im ganzen 723Mitglieder hinter sich, während Groß-Stuttgart mit seinenmehr als 8000 Mitgliedern nur 43 Delegierte hat.(Zuruf: Dasist ein Skandal!) Die Stuttgarter Genossen beantragten daher.nach der Zahl der vertretenen Parteigenossendie Abstimmung vorzunehmen. Der Antrag wurde glatt abgelehnt.Auf Anraten und nach Besprechung mit dem als Parteivorstands-Vertreter antvesenden Genossen E b e r t wurde ein Kompromiß-antrag eingebracht, eine Preßkommission zu bilden nach dem Vor-bild der Berliner, die gleichberechtigt mit dem Landesvorstanddie„Tagwacht" überwachen sollte. Bei Meinungsverschiedenheitenzwischen beiden Körperschaften sollte der LandesauSsöbußden Ausschlag geben. Von den 7 Mitgliedern der Preßkommrssionsollten 4 von Groß-Stuttgart und je einer vom 1., 2. und 4. Reidhs-tagSwahlkreiS gewählt werden. Obivohl E b e r t sich dafür insZeug legte, wurde der Antrag abgelehnt. Dagegen wurde be-schloffen, daß die Wahl sämtlicher 7 Mitglieder der Preßkommissionauf den Kreisgeneralversammlungen der genannten drei Kreiseerfolgen sollte. Das Wahlsystem zu den Kreisgeneralversammlun«gen ist aber ein g a n z ä h n l i ch e s wie daS zur Landesversamm�lung, es gibt den kleinen ländlichen Mitgliedschaften ein entschie«dencs Uebergewicht. �Eine derartige Preßkommission konnte bei der rein revisi«nistischen Neubesetzung und der überwiegend revisionistischen Zu«sammensetzung des Landesausschusses nur ein Messer ohne Klingeund ohne Griff für uns sein. Die radikale Minderheit mußte imder Annahme dieses Antrages eine Mißachtung ihrer bercch-tigten Forderungen erblicken. Dem Faß den Boden schlug aberder Antrag Döring aus. den drei Redakteuren der„Tagwacht". We st meyer, Roßmann und K rillezu kündigen. DaS war ein Eingriff in die Rechte der nochzu wählenden Preßkommission, ferner war er eine Maßrege-lung von We st meyer und Krille. Dazu kam, daßW e st m e h e r als Vorsitzender deS Stuttgarter Ortsvereins derFahnenträger der Stuttgarter Parteigenossen war. Eine solcheMißachtung konnten sich die Stuttgarter nicht gefallen lassen. Na-mentliche Abstimmung— abgelehnt. Preßkommission— abgelehnt.Kompromißantrag von E b e r t abgelehnt. Halten wir unsdas alles vor Augen und machen wir uns noch den sehr gra-vierenden Umstand klar, daß der dritte Teil der Landesversamm«lung. 102 Delegierte, nur 328„Tagwacht"-Leser repräsentierte,während das Groß-Stuttgarter Industriegebiet 12700 Leser hat!Wir hätten jede Selbstachtung verloren, wenn wir uns das hättengefallen lassen. Hätten wir uns gefügt, so hätte das auch nichtzum Frieden geführt, sondern der Krieg wäre in Permanenzerklärt worden. Das ganze Partcileben leidet unter den un-gesunden Verhältnissen, die die Landesversammlung sanktionierthat. Um des Friedens willen rufen wir die oberste Instanzder Partei, den Parteitag, an. Wir vertreten in dieser Angelegen-heit die Auffassung der Gesamtpartci, auch der Ver-treter des Parteivorstandes stand auf unserer Seite und erkannteunsere Forderungen als berechtigt an. Wir fordern, daß derParteivorstand mit der Stuttgarter Leitung der Landespartei undder Ortspartei diese Sache prüft und schlichtet, damit endlichder Friede möglich wird, der notwendig ist, wenn wir geschlossendem gemeinsamen Feind entgegengehen wollen.(Lebhafter langanhaltender Beifall. Rufe bei den Süddeutschen: Schöne Friedens-rede!)Dietz:Ich bitte Sie, den Antrag anzunehmen unker Ablehnung jederDebatte. Eine Debatte würde kein klares Licht bringen, denn wirhaben in Württemberg nicht nur 16, sondern vielleicht 100Stunden über die Angelegnheit diskutiert, und sie ist n i ch t g e-fördert, sondern so weit gebracht worden, daß sie vor denParteitag gebracht ist. Daher ist es am klügsten, den Antrag an-zunehmen und von jeder Debatte abzusehen.(Widerspruch.) Dar-über hat der Parteitag zu beschließen, ob er debattieren will.(Leb-hafte Zustimmung.) Ich beantrage, daß der Parteitag von jederDebatte absieht, und den Antrag dem Parteivorstandüberweist.Materiell will ich auf die Angelegenheit nicht eingehen, nureinige Streiflichter darauf werfen. Man hat mir vorgeworfen,daß ich als alter Parteigenosse nicht in der Lage war. die Sache anOrt und Stelle beizulegen. Sehen Sie sich einmal Victor Adleran, der ein großer Diplomat und ein noch größerer Stratege ist.Auch er hat eS nicht fertig gebracht, einen Ausgleich in Böhmenherbeizuführen, er hat sich zurückziehen und dem Unheil den Lauflassen müssen. Wir haben auch in Deutschland und speziell inWürttemberg einiges, was an Böhmen erinnert, aber wirhaben doch das Vertrauen zu uns, daß in Deutschland ein solchesBöhmen nicht aufkommen kann. Wir sind Manns genug, einsolches Feuer zu ersticken.Der tschechische Proletarier ruft auS:dloi nopsstölö. eou tvoi nepsatölö,Tvoi nepsatdle, aou rnoi nepsat&ö.Und der österreichische Proletarier versteht das ohne weiteresWenn aber der deutsche Proletarier ausruft:„Meine Feinde sinddeine Feinde und deine Feinde sind meine Feinde", dann sagt derBruder Tschcch:„Nix deitsch" und versteht das nicht.In Württemberg bestehen Unterschiede zwischen Nord und SüdDie Differenzen zwischen Stadt und Land sind nicht schwer zu be-greifen. Wenn man aber den Streit einen Streit zwischen Radi-kalen und Revisionisten genannt hat, so trifft das nicht zu.(Leb-Haftes Sehr richtig!). Der Streit ist vielmehr entstanden ausstarken persönlichen Difierenzen ,n der„Tagwacht". Wenn solchepersonlichen Differenzen lahrelang dauern, ziehen sie immerteeüsjfi Sicilf, Wir tfanm nicht einfach Straf-Bayern nach