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»m i. jitüWt bts Jormärtf Kerlim WsdlR-»»»>->»->« SoÄsISemoki'atilchei' Parteitag. sechster Tag. Jena , 16. September 1911.'(Etz. Der.)' Vor Eintritt in die Tagesordnung erklärt Budde, daß er für den Antrag 89 gestimmt hat. Bebel: DieWeimarische Zeitung" hat mir ein langes Tele- gramm zugeschickt, worin sie erklärt, den mir zugeschriebenen Aus- spruch, den ich ganz entschieden bestreite, einer als zuverlässig be- kannten Korrespondenz, die an verschiedene bürgerliche und auch sozialdemokratische Blätter liefere, entnommen zu haben. Danach ist eine absichtliche Verdrehung seitens derWeimanschen Zeitung" wohl ausgeschlossen. Von dem, was ich gegen den Wortlaut des mir zugeschriebenen Ausspruches gesagt habe, habe ich kem Wort zurückzunehmen. Darauf werden die noch nicht erledigten Anträge(in unserer gestrigen Nummer bereits wiedergegeben) verhandelt. Klara Zetkin begründet den Antrag 78. Unsere Parteisekretäre sind außerordent- lich überlastet. Das muß verhängnisvolle Folgen haben. Ihre Be- soldung steht auch in keinem Verhältnis zu ihren Aufgaben. Die Parteisekretäre hätten längst vor uns hintreten und eine Besser- stellung und Entlastung fordern sollen. Ich handele nicht aus per- sönlichen Interessen, denn ich habe keine Töchter(Zuruf: Kann noch kommen! Heiterkeit) und spreche also nicht als künftige Schwiegermutter eines Parteisekretärs.(Große Heiterkeit.) Ich spreche im Interesse der Gesamtpartei. Mit der Kraft unserer Parteisekretäre wird Raubbau getrieben. Wir fordern eine materielle Besser st ellung der Parteisekretäre, die An- stellung neuer Kräfte, eine bessere bureautechnische Organisation; wir müssen aber auch die An st ellung von Frauen als Parteisekretäre fordern. Wie vorteilhaft Genossinnen wirken, zeigt die Tätigkeit des Fraucnbureaus und des Arbeite- rinnensekrctariats. Wie notwendig die durch den Antrag ge- wünschte Steigerung unserer Aktionsfähigkeit ist, beweisen die Zahlen über die Zunahme der weiblichen Erwerbsarbeit. Die An- regungen sollten noch vor den Rcichstagswahlen in die Praxis um- gesetzt werden können, denn aus ihnen könnten wir ein Mittel ge- Winnen, unseren Kampf zu fördern.(Lebhafter Beifall.) Rysscl-Leipzig : Der Antrag kann nicht von hier aus, sondern Nur in den einzelnen.Kreisen erledigt werden. Da der Partei- vorstand bereits wohlwollende Prüfung zugesagt hat, beantrage ich, den Antrag der neu eingesetzten Reorganisationskommission zu überweisen. Lipinski zieht einen Antrag auf authentische Erläuterung des gestern gefaßten Beschlusses 39(Maifeier) zurück, da ihm der Parteivorstand die Beratung in Aussicht gestellt hat und er nicht im letzten Augenblick Ursache zu einer erneuten Debatte geben will. Dr. Liebknecht begründet die Resolution 89: In der im vorigen Jahre in Magde- bürg angenommenen Resolution heißt es:Der Parteitag wolle gegen die infame Vergewaltigung Finnlands durch den Zarismus protestieren, dem um Freiheit und Recht kämpfenden finnischen Volke brüderliche Svmpathie aussprechen und für diesen opfer- reichen Kainpf kräftigste Unterstützung durch das deutsche Prole- tariat zusichern." Ich habe damals auch näher ausgeführt, in welcher Weise sich die kultivierte Welt zu den Angriffen des Zaris- mus auf die finnische Freiheit verhielt. Selbstverständlich ist keine Rede davon, daß diese Proteste irgendeinen Erfolg hätten erzielen können. Unmittelbar nach dem hochverräterischen Staatsstreich der Regierung auf die vom Zaren beschworene Verfassung Finnlands ist die Brutalität noch auf den Gipfel getrieben worden. In den letzten Monaten hat Rußland begonnen. Finnland zu zer- fleischen. Schon sind zwei Kirchspiele des Gouvernements Wyborg Rußland einverleibt worden, und es ist an- gekündigt, daß weitere folgen werden. Das ist natürlich nur der Anfang eines Versuches der Einverleibung Finnlands. (Sehr richtigl) Es ist zum Teil ein Akt der Rache und des Hasses gegen jenes Land, das während der russischen Revolu- tion das Asyl der Kämpfer war, das eine der freiesten Verfassungen der Welt hat, dessen starke Arbeiterbewegung auf außerordentlich hohem Niveau steht und dessen Sozialdemokratie im Landtage die stärkste Fraktion aller Kulturländer besitzt. Die Sozialdemokratie ist in Finnland die Vorkämpferin der politischen Opposition. Auch will die russische Industrie und Landwirtschaft sich durch die Ein- verleibungspolitik ein zollfreies Absatzgebiet schaffen, und das er- klärt, daß nicht nur die schlimmsten Reaktionäre, sondern auch die Oktobristen diese Politik stützen. Parteigenossen, Sie werden erkennen, daß das finnische Pro- letariat Anspruch darauf hat, daß die deutsche Sozialdemokratie sowie auch das internationale Proletariat seine Solidarität mit dcni finnischen Volke erklärt.(Bravol) Es war stets ein Ehrentitel gerade der deutschen Sozialdemokratie, auch über die Grenzen zu blicken und besonders den vom Zarismus unterdrückten Völkern seine Sympathie zu erkennen zu geben. Bei der Einverleibung der beiden Bezirke ist man natürlich nicht stehen geblieben. Unter Mißachtung der Abgeordnetenim- munität ist der Redakteur Genosse A i r o l a verhaftet worden. Wir wissen ja, in solchen Zeiten ist die Abgeordnetenimmunität nur ein Spinnwebfaden, der vor ein Kanonenrohr gespannt ist. Wir wissen ja aus dem Bissingschen Korpsbefehl, daß in Teutschland dasselbe in Aussicht genommen ist und bleibt, trotzdem wir in der Oeffent- lichkeit von der Rücknahme des Befehls gehört haben. Es ist wahrlich nicht erstaunlich, daß in Finnland eine Protest- bewegung entstanden ist, die bereits zu ernsten Konflikten geführt hat. Daß dieser Kampf den russischen Reaktionären schwer im Magen liegt, das beweisen gewisse Veröffentlichungen in der beut- schen Presse, speziell eine Veröffentlichung derKreuzzeitung " vom 14. September. In dieser russisch-regierungsoffiziösen Note wird geklagt, daß es in Finnland wieder recht lebhaft zugeht. Wir be- klagen das nicht, sondern wir rufen ein Braua dazu und unsere allerbe st en Wünsche. Das Interessanteste aber ist eine Drohung am Schlüsse, daß mit Rücksicht aus das jetzige Ver- halten der Finländer nunmehr das ganze Departement Wyborg auf einmal einverleibt werden soll. Diese unerhörte Drohung wird natürlich nicht dazu beitragen, das Volk zu beruhigen, sondern im Gegenteil die Prorestbewcgung verschärfen. Im gegenwärtige» Moment hat unsere Aktion nicht nur eine platonische Bedeutung. In Rußland ist die Arbeiterbewegung zweifellos im Auf st eigen begriffen und die finnische Frage kann nur als ein Teil der allgemeinen russischen Frage gelöst werden. Die russische Arbeiterbewegung beginnt als Massenbewe- gung mehr und mehr zu erstarken, und die Opposition wächst selbst in bürgerlichen Kreisen. Wenn man an vergangene Zeiten zurück- denkt, wie damals eine Periode der Revolution durch Attentate be- gönnen hat, so wird inan die Nachricht von dem Attentat auf den Staatsstrcichler S t o l Y p i n nicht unbemerkt vorübergehen lassen. Es ist eine Pflicht der internationalen Solidarität und eine Pflicht unseres vorjährigen Versprechens, auch jetzt wieder an die Seite unserer finnischen Genossen zu treten und mit ihnen zu rufen: Nieder init dem Zaris musl Es lebe die Freiheit des finnischen Volke sl(Lebhafter Beifall.) Die Resolution wird ohne Debatte angenommen.« Da- mit sind alle Anträge erledigt. « Rauch-Hannover erstattet den Bericht der Beschwerdekommisfion. Es liegen drei Fälle vor. Ter Dachdecker Adolf Henseleit in Danzig ist auf Antrag des Sozialdemokratischen Vereins Danzig aus der Partei ausgeschlossen worden. Die Beschwerdekommission beantragt, der Parteitag wolle dem Urteil des SchiedSgenchts b e l- treten. Ter Antrag wird angenommen. Rauch: Ter zweite Fall betrifft den Friseur Gottfried Re- bele in Augsburg . Die Beschwerdekommission ist der Ansicht, daß der Ausschluß des Rebele berechtigt ist und beantragr, den er- hobenen Einspruch zu verwerfen. Dem Antrage wird gleichfalls zugestimmt. Rauch: Gegen den Genossen Hoppe in Berlin haben beide Instanzen aufallcrschärsste Rüge" erkannt. Die Parteiorgani- sation Berlin VI hat Beschwerde erhoben, da nach ihrer Ansicht auf Ausschluß hätte erkannt werden müssen. Die Beschwerde- kommission beantragt, Rücksicht walten zu lassen und es bei dem Urteil zu belassen. Müller-Berlin VI befürwortet den Ausschluß. Der Antrag der Konimission wird angenommen. Rauch macht von verschiedenen Ausschlüssen wegen Nicht. cntrichtung der Maifeierbeiträge Mitteilung. Die Kommission konnte sich nicht damit befassen, weil keine Akten vor- lagen. Es folgt die Verlündung des Ergebnisses der Wahlen zum Parteivorstand. Abgegeben sind 393 Stimmzettel, gewählt sind zu Vorsitzen- den Bebel mit 399 und H a a s e mit 283 Stimmen. Außerdem erhielt E b e r t 192 Stimmen. Zum Kassierer ist gewählt G e r i s ch mit 392 Stimmen, zu Sekretären sind gewählt Braun mit 373 Stimmen, E b e r t mit 379 Stimmen, Molken- b u h r mit 389 Stimmen, Hermann Müller mit 379 Stimmen, P f a n n k u ch mit 399 Stimmen, Scheidemann mit 355 Stim- men. Außerdem erhielt Rudolf 54 Stimmen. Als Beisitzerin ist gewählt Luise Z i e tz mit 389 Stimmen. Für die Kontrollkommission sind gewählt Kaden mit 368 Stimmen, Bock mit 363 Stimmen, E r n st mit 361 Stim- men, B r ü h n e mit 354 Stimmen, Timm mit 298 Stimmen, Geck mit 274 Stimmen. Klara Zetkin mit 264 Stimmen, S t u b b e mit 261 Stimmen, Hengsbach mit 247 Stimmen. Außerdem erhielt Linchen Baumann 15 Stimmen, Brey 159 Stim- men, Dr. Gottschalk 59 Stimmen, Hildcnbrand 138 Stimmen, Löbe 149 Stimmen. Zum Vorsitzenden der Kontrollkom- Mission ist Kaden gewählt. Zu Beisitzern des Vorstandes sind von der Kontroll- kommission L i e p m a n n und W e n g e l s gewählt. Zu Mitgliedern des Bildungsausschusses sind ge- wählt: David, Hugo H e i m a n n, Karl Korn , Mehring, Adolf Müller, Heinrich Schulz , der als Geschäftsführer be- stimmt ist, und Klara Zetkin . Kaden erhält das Wort zur Begründung eines Antrage? der Kontrollkom- Mission. Durch die vorgenommenen Vorstandswahlen ist es zur Notwendigkeit geworden, auch die Gehaltsfrage der Se- k r e t ä r e ins Auge zu fassen. Die neu Gewählten müssen aus Stellungen ausscheiden, in denen sie sich materiell günstig standen. Wir können den Gewählten schwerlich zumuten, sich zu verschlcch- tern. Die Kontrollkommission beantragt deshalb, das Gehalt auf 5999 Mark festzusetzen und diesen Beschluß auf die alten Sekretäre und Kassierer auszudehnen. Der Antrag wird ohne Debatte angenommen. Rungr-Köln: Wir haben beantragt, auf die Tagesordnung des nächsten Par­teitages zu setzen:Die Privatbeamten und die So. z i a l d e m o k r a t i e". Wir meinen nicht, daß die Sozialdcmokra- tie für diese Schichten des Proletariats bisher nichts getan hat, aber wir sagen uns, daß die Verhältnisse, unter denen diese Kate- gorie arbeitet, von den Verhältnissen der Handarbeiter grundver- kleines feuiUeton. Elise Schweichel. Heute begeht die Witwe unseres Robert Schweichel in seltener geistiger und leiblicher Frische ihren 89. Ge- burtstag. Gleich ihm entstammt sie einem Königsberger Kauf- mannshause. Und wie sie durch ihn und m i t ihm in den Sozia- lismuS hineinwuchs, ja gewissermaßen mit Liebknechts und Bebels an der Wiege unserer Partei gestanden hat, so dankt sie Schweichel auch die Erweckung und EntWickelung ihrer schrift- stellerischen Begabung. In doppelter Beziehung war diese Frau destrebt, eine tapfere Mitkämpferin ihres Mannes zu sein. Außer französischer und englischer Uebersetzertätigkeit sowie redaktionellen Verpflichtungen durch acht Jahre hat sie in zahlreichen Skizzen, Er- Zählungen, Novellen und Romanen zum größten Teil mit sozialen Hintergründen eine beachtenswerte Regsamkeit entfaltet. Verschie- dene Jahrgänge der Neuen Welt, des Neuen Weltkalenders, der Neuen Zeit und der ehemals wirklich demokratischenBerliner Volkszeitung" zeugen davon. Aeltere Parteigenossen werden sich gewiß auch noch ihres RomansV o m S t a m m gerissen" er- inner», der in der Unterhaltungsbeilage desVorwärts" 1893 er- schienen ist. In ihm wie in:Dunkle Mächte", hat Elise Langer denn unter ihrem Familiennamen schrieb sie Epi­soden aus dem sozialen und publizistischen Kampfleben Robert S ch w e i ch e l s und Wilhelm Liebknechts behandelt. Der zweite Roman ist außerdem in literarisch-biographischer Hinsicht besonders dadurch bemerkenswert, als wir dort August Braß, dem 1848im Tyrannenblut watenden" Revolutionär, später aber ziem- lich anrüchigen Reaktionär und biSmärckischen Begründer derNord- deutschen Allgemeinen Zeitung" sehr menschlich und sehr getreulich gezeichnet begegnen. Längst ließ Elise Schweichel die Feder ruhen. Mehr und mehr lichtete sich der Kreis ihrer Getreuen. Wilhelm und Natalie Liebknecht, ihr eigener Gatte, ihre einzige Schwester starben dahin; zuletzt Julie Bebel , ihrer getreucsten Freun- binnen eine. Mit um so innigerer Gewalt klammerte sie sich nun im Geiste an ihren Mann; ja sie lebt nur noch in seinen Schriften, einen Tag wie den anderen; und von seinem nahen Grabe spinnt sich das Efeugeranke wehmütiger Erinnerungen bis in ihre stille Klause... Theater. Die Entfaltung, der gegenwärtig die Kunstart der Panto- min�c entgegengeht, kam durch die vorgestrige Aufführung im Theater in der Königgrätzer Straße(früher: Hebbel- tbcater) ein merkliches Stück vorwärts. Zwei Pantomimen von Hugo v. Hosmannsthal waren die Hauptwerke des Abends. Zu ihren Texten bekam man vom Autor noch einige kunstphiloso- vbikchc und literarhistorische Darlegungen und Beispiele hinzu, mit Agenten auf demallgemein Menschlichen" u. dgl. m. Erinnern wir uns daß dasGesamtkunstwerk" hauptsächlich die Tanzkunst, Tonkunst undTicktkunst" vereinigt, und daß seine Aufführung eine möglichste Gleichheit von Gebärde, Tongebilde und Sprachsatz bedingt' Jede der drei Künste und jegliches Paar von ihnen kann ohne die anderen oder ohne die dritte bestehen und kann sich dann wenn Richard Wagner nicht recht hat eigentümlicher cnt- kalten als im vollen Bund. Darauf, also speziell auf einen persön- kicheren Vorzug der Geste, des mimischen Wortes vor dem allge­meineren Sprachwort, wollen die jetzigen und wohl auch frühere Verfechtungen der Pantomime hinauskommen. Das fremde Mädchen" ist eine junge ahnungslose, von schlimmer Hand vorwärts gestoßene Unschuld. Eine Schurkcnbande führt sie einem jungen Manne zu; er geht ihrer Macht nach, wird von den Kerls gefesselt, von dem Mädchen befreit, und steht schließ- lich vor ihrer Leiche. Die Durchführung der Geschichte im einzelnen ist natürlicher, realistischer, als solch eine Inhaltsangabe andeuten kann. Und die das Werk ergänzende Musik ist eine der besten Dar- bietungen, die dem Berichterstatter jemals in seinen Erfahrungen begegnet ist. Den Komponisten, der sich Hannes Ruch nennt, kennen Fachkreise und Freunde melodiöser Lyrik bereits seit län- gcrem. Eine solche, fast Mozartsche Art, gibt auch hier die Grund- läge; und auf dieser erheben sich die der Szene dienenden charakte- ristischcn Wendungen so, daß sie niemals den vornehm künstlerischen Charakter verlieren. Die Pantomime, zumal die gruselige, ver- langt auch Mißtönungen,Kakophonien". Wie nun ein Maler die Schatten im Bilde möglichst mit Helligkeit und Farbe durchleuchtet, so ist hier das Mißtönende gleichsam vom Wohltönenden durch- leuchtet. Man würdigt dies leicht, wenn man die Musik von Ruch ver- gleicht mit der, die Rudolf Braun zu der anderen Pantomime komponiert hat, zuA m o r u n d Psych e", einem überirdisch schwebenden Spiel eines Gebärdcnduettes. In seine duftige Art findet sich die Musik anfangs recht gut hinein; dem Spiel der Zweie entspricht ihre vorwiegende Zweistimmigkeit. Aber gerade sie führt leicht zu Kakaphonien, die nur als solche nicht von Wohlklang durch- leuchtet sind. Und vor lauter Stilisierung kein Stil! Die Veranstalterin und Regiekünstlerin des Ganzen sowie die Darstellerin der Hauptrollen war die eine der beiden Schwestern, deren erfolgreiche Tanzkünste von anderen Berichten her bekannt sind. Grete Wiesenthal ist keine durchgebildete Tänzerin engeren Sinnes, wenigstens keine im Ballettstil. Allein sie gewinnt die Herzen bald in so sympathischer Weise, daß man sich mit dem frühlingsartigen Zauber ihrer mehr allgemein gehaltenen Be- wegungen begnügt und nicht gerne die Frage aufwirft, ob denn nicht aus dem Formen der Musik noch viel genauer, viel mehrbay- reuthisch", ein Reichtum von Formen der Gebärdensprache heraus- geholt werden könnte. Walzer von Johann Strauß waren überdies der Gegen- stand oder wie soll man sagen? von Einzeltänzen der Gast- spielkünstlerin. Insonderheit aus derBlauen Donau" verstand sie das Wellenhafte sozusagen in überzeugender Weise auszuschöpfen. Und da war auch das Publikum in seinen Huldigungen lebhaft. In- halt und Musik der Pantomimen scheinen keinen sehr freundlichen Eindruck gemacht zu haben. Vielleicht bildet sich sogar eine neue Gepflogenheit heraus, in Zwischenakte nicht mehr hineinzuklatschen. Jedenfalls aber tut einer Vervollkommnung des Pantomimen- spieles ein Orchesterspiel not, das sich einerseits bescheiden zurück- hält und namentlich in einem intimen, gut akustischen Theater- räume nicht grell wird, das aber andererseits noch mehr über die landläufige Glcichförniigkeit in der Behandlung der Tongebilde hinausgeht, als dies sonst schon verlangt werden kann. Diesmal stand es damitetwa sehr minder". sz. Neues Schauspielhaus: Des MccrcS und der Liebe Wellen. Trauerspiel von Grillparze r. In seinen Griechendramen, in derSappho ", derMedea", desMeeres und der Liebe Wellen" hat Grillparzers Dichter-Jndividualität ihre reinste und reichste Ausprägung erhalten. Der freie menschliche Sinn, in dem er die griechische Ueberlieferung umformt, die Ver- innerlichung der Gestalten, die Einfachheit der Linien, vor allem der Wohllaut und die Bildlichkeit der Sprache gemahnt an Goethes Iphigenie "; ihr hohes Vorbild befruchtete seine Eigcnkraft und Phantasie. In dem lyrisch bewegten Ausdruck der Empfindungen den beiden anderen Werken ebenbürtig, wird der Bühneneindruck vonDes Meeres und der Liebe Wellen" freilich durch die breit herausgegangenen Schlußszenen beeinträchtigt. Als Hero den Leichnam ihres kühnen Schwimmers vom Meer ausgespült am Ufer findet, vollendet sich die Tragik ihres Schicksals. Daß Grillparzer den Vorhang noch zweimal in die Höhe gehen läßt, um seiner Heldin zu ausgiebiger Klage zu verhelfen, erscheint als unnütze Verschleppung ihres Todes. Es war charakteristisch, daß hei der Aufführung des Neuen Schauspielhauses nach der vorletzten Szene das Publikum in dem Gedanken, nun sei die Sache aus, in Massen nach den Türen drängte. Der alte Fontane, der sonst das Stück ganz außerordentlich schätzte, bemerkt in seiner kaustischen- Art sehr treffend, daß dies hartnäckige Nichtstcrbenkönnen ihn immer an die Schreckensgeschichte von dem armen Staatsverbrecher erinnere, der nach dem dritten vergeblichen Hcnkershieb sich vor der ver- sammelten Menge aufgerichtet und selbstKopf ab" gerufen habe. Die Aufführung bot respektable Bemühungen, doch keine, die aus den Adern der Dichtung das Gold zutage förderten. Erika von Wagner, die die Hero am Wiener Burgtheater mit großem Erfolge spielte, besitzt Anmut und Liebreiz in Fülle aber ihrer Heldin fehlte jener Schimmer innerer Seelcngröße und Bedeutsamkeit, die Distanz, durch die der Dichter seine Priesterin vom anderen verliebten Mädchcnvolke scheidet.' Mit Mitteln für moderne Rollen anscheinend glänzend ausgestattet, blieb sie der Hero so das Beste schuldig. Im Streben nach Natürlichkeit ging die Leuchtkraft und der Schmelz der Verse großenteils verloren. erstarb im Flüstern. Auch der Leander Salfners, Loehrs Naukleros, Linds Oberpriester trugen andere als des Dichters Farben. _ dt. Humor und Satire. Dickwanst Bourgeois. Waldbrand, Pest und Cholera Spukt in allen Landen. Ist nickit bald ein Retter da, Geh'n wir all' zuschanden. Hungersnot und Kriegsgefahr Trüben unser» Frieden,' Doch ein gutes Austernjahr Ist uns halt beschieden. Auch der Wein ist gut gedieh'»; Süße Trauben traufen; Das ist unsre Medizin Das Elend zu versaufen. Rings umdroht von Not und Tod Suchen tvir Vergessen. Hat der Habenichts kein Brot, Mag er. Kuchen fressen.