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ist nach NeuNSsser än d'en kräütiM Ereignissen schuld, als die Wiener sozialdemokratischen Führer mit ihrenHetzereien", In Berlin kennt man ja diese Melodie von Moabit her zur Ge- nüge und ihre Wahrheit desgleichen! Den verkrachten Christlich�sozialen , die die Interessen Wiens den agrarischen Volksauswucherern ausgeliefert haben und deren Handelsminister. Dr. Weihkirchner, den niederträchtigen Äeheimvertrag schloß, der die ungarischen Junker ermächtigt, den Oesterreichern das argentinische Fleisch zu verbieten, dieser von den Wienern bei den letzten Wahlen schmachvoll davongejagten Partei könnte es freilich so passen, jetzt den Spieher in Sozialisten- angst zu versetzen. Aber zu seinem Schmerze wird der olle ehr liche Neumaycr gehört haben, dah sich an der riesenhaften TeuerungLkundgebung in Wien nichtl nur sozialdemokratische, sondern auch solche Arbeiter beteiligten, die vor kurzem noch ch r i st l i ch s o z i a l waren, und ferner noch tausende und aber tausende Kleinbürger und Beamte und selbst die in der Sklavenkette der christlichsozialen Gemeindethrannen schmachtenden städtischen Straßenbahner. In Berlin mag Herr Neumaher allenfalls wagen/ die Miener Sozialdemokraten zu schmähen. Herr Neumayer wird sich in Wien hüten, die Sozialdemokraten für die Schandtaten seiner Kartei verantwortlich zu machen. Zentrums« Stimmen 12 47S IS 214 17 874 21 623 Zui' Düffeldorfer Relchslagswahl. Düsseldorf , 18., Septemeber.(Eig. Bcr.) Morgen, den 19. September, findet die Ersatzwahl für den verstorbenen Zentrumsabgeordneten Kirsch statt. Nur Stunden trennen uns noch von der Entscheidung, die der morgige Tag bringen wird. Aus mehr als einem Grunde gebührt der Düffel« dorfer Ersatzwahl eine gröhere Beachtung, als Ersatzwahlen im allgemeinen beanspruchen können. Die Düffeldorfer Reichstags- crsatzwahl bildet gewiffermahen das Präludium zu der nächsten all- gemeinen ReichstagSwahl, und das Düffeldorfer Wahlresultat hat symptomatische Bedeutung für die nächstjährigen allgemeinen Wahlen. Nur im Jahre 1867 im konstituierenden und später im Nord« deutschen Reichstag war Düsseldorf durch einen liberalen Abgeord- neten vertreten, mit den Wahlen zum Deutschen Reichstag im Jahre 1871 ging der Kreis in den Besitz deS Zentrums über, durch das Düsseldorf seitdem ununterbrochen im Reichstag vertreten wurde. Konnte die Zentrumspartei den Kreis zwei Jahrzehnte als unantastbaren Besitz betrachten, so ist hierin seit 18S0 eine Wandlung eingetreten. Seit 1899 muhte daS Zentrum seinen Kreis stets in der Stichwahl gegen die Sozialdemokratie ver leidigen. Von diesem Zeitpunkt, ab. sind im Wahlkreis Düsseldorf das Zentrum und die Sozialdemokratie die Hauptgegner. Kan didat der Sozialdemokratie war 1899 unser alter, verdienstvoller Vorkämpfer Genosse Grimpe. DaS Stimmenverhältnis zwischen den beiden Parteien seit der Kandidatur Grimpe wird durch fol gende Zahlen illustriert: Es wurden abgegeben w 1890..... 7 573 1803..... 9 367 1808..... 10 712 1903..... 20 375 Im Jahre 1903 entfielen auf den Kandidaten der sogenannten �liberalen Vereinigung" 7866 Stimmen. Lei der letzten Wahl im Januar 1967 erhielten Stimmen: das Zentrum......... 29 250 die Sozialdemokratie...... 2S 389 dieLiberale Vereinigung".... 14 664 der Pole.......... 268 und ein nationalliberaler Arbeiterkandidat 593 In der Stichwahl siegte der ZentrumSlandidat mit 33317 Stimmen über den Genossen Grimpe, auf den 25 233 Stimmen entfielen. Die Bevölkerung des Wahlkreises Düsseldorf ist vorwiegend katholisch. Die Industrie, wenigstens in der heutigen Ausdehnung, ist jüngeren Datums, als im. eigentlichen rheinisch-westfälischen Jndustriebezirk. Mit der fortschreitenden Industrialisierung hat die Sozialdemokratie festen Fuß gefaht. Sowohl die gewerkschast- lichen, als auch die politischen Organisationen stehen heute ge- festigt da. Seit 1993 steht denn auch im Stadtkreis Düsseldorf bei der ReichStagsivahl die Sozialdemokratie hinsichtlich der Stim- menzahl an erster Stelle, das Zentrum blieb in der. Stadt Düffel- darf im Jahre 1903 mit zirka 13 900 Stimmen um 2000 Stimmen hinter Grimpe zurück. Die erste Stelle behauptete die Sozial« demokratie auch bei der Wahl im Jahre 1907 bei einer Wahl- betciligung von 83,5 Proz. Der katholisch« Landkreis bracht� dem Zentrum bisher stets das. Gros der Stimmen, aber auch hier ist die Sozialdemokratie gut vorangeschritten, so daß der Sukkurs der ZentrumSstimwen aus den ländlichen Bezirken erheblich nach- lassen dürfte. Um das Mandat kämpfen dieses Mal ernstlich wiederum nur die Sozialdemokratie, deren Kandidat Genosse Haberland» Elberfeld ist, und daS Zentrum, das seinen Wählern einen Hansa» bündlerischen Bankdirektor, Dr. Friedrich» Düsseldorf , präsentiert. Dieliberale Bereinigung" deren Angehörige wohl zum größten Teil den Nationallibcralen zuzuzählen find, haben dieses Mal von der Aufstellung eines eigenen Kandidaten Abstand ge- nommen. Motive sind oft schwer zu eruieren; man dürfte aber wohl nicht fehlgehen, wenn man annimmt, daß die Nationallibe- ralen sich nicht vorzeitig der Gefahr aussetzen wollten, Farbe be- kennen zu müssen. Der Mandathandel für die kam- Menden allgemeinen Wahlen ist zwischen dem Zentruin und den Nationalliberalen noch nicht endgültig abgeschlossen. Die Chancen der National- . liberalen lassen sich noch nicht ohne weiteres überschauen. Eine Stichwahl zwischen Zentrum und Sozialdemokratie hätte die nationalliberalen Herrschaften bei offizieller Wahlbeteiligung unter Umständen in eine prekäre Lage bringen können. Indessen glaubt man so allen Weiterungen enthoben zu sein. Die liberale Ver- einigung, oder' wenigstens der Vorstand derselben, hat in seiner Sitzung vom 6. September nun zwar den Beschluß gefaßt, seinen Mitgliedern strikte W ah l e nt ha ltu n g zu empfehlen. Die liberale Vereinigung ist aber ein so heterogenes Gebilde, daß der Beschluß des Vorstandes eine sehr zweifelhafte Bedeutung hat. Jedenfalls ist trotz des Beschlusses der rechte Flügel der Ver- einigung gesonnen, für das Zentrum zu wirken, wohingegen der linke Flügel gegen das Zentrum stimmen dürfte. Die Fortschrittliche Volkspartei , die allerdings auch keine be- sondere Bedeutung im Wahlkreise hat, hat ihre Wahlparole, für den sozialdemokratischen Kandidaten zu stimmen, in den letzten Tagen bekanntgegeben. Die Fortschrittlichen Volksparteiler er- blicken in der Sozialdemokratiedas kleinere Uebcl". Außer Haberland und Dr. Friedrich bewerben sich noch zwei Kandidaten um das- Mandat. DieBewerbung" ist allerdings nach ta eigenen Ueberzeugung der Herren wohl aussichtslos, für die Wahl find die KandidÄuren insofern von Bedeutung, als sie eine Stichwahl wohl herbeiführen können. Der erste dieser Kandidaten ist Dr. Breit scheid-Berlin , der für die Demokratische Ver- einigung kandidiert. Die Demokraten beteiligen sich angeblich nur an der Wahl, um den Sieg unseres Kandidaten in der' Stichwahl um so sicherer herbeizuführen; daß jedoch die Kandidatur nicht ausschließlich diesen uneigennützigen Motiven entspringt ganz abgesehen von der Frage, ob die Kalkulation überhaupt richtig ist. bedarf wohl keiner Frage. Der vierte Kandidat schließlich, der Stadtverordnete Malermeister Peter Heckenrath, sorgt dafür, daß im Wahlkampf auch die komische Figur nicht fehlt. Herr Hcckenrath ist Kandidat des Deutschnationalen Wahlausschusses. Dieser Wahlausschuß ist ein höchst sonderbares Konglomerat, ihm gehören an: der Bund der Landwirte, die Deutsch -soziale Partei, die Christlichsozialen, die evangelischen Arbeiterbereinler und kon servative Parteigänger. Die Kandidatur kann aber nicht besser illustriert werden, als Herr Heckenrath es durch die eigene Er­klärung, er fühle sich unfähig, die Aufgaben eines Reichstags abgeordneten zu erfüllen, getan hat. Selbst Herr Lattmann aus Schmalkalden und Herr Liz. Mumm, die in der letzten Woche die Werbetrommel für Herrn Heckenrath rührten, dürften sich ver gebens bemüht haben. Der 5kampf um das Mandat wird zwischen der Sozialdemo- kratie und dem Zentrum ausgefochten werden. Wenn je, so hat sich das schlechte Gewissen des Zentrums in diesem Wahlkampf ge zeigt. Daß die Zentrumspartei ausgerechnet seinen Wählern einen Hansabündler als Kandidaten empfahl, geschah natürlich aus wohl erwogenen Gründen: Man hoffte mit dieser Kandidatur ohne weiteres die Stimmen der Nationalliberalen zu gewinnen. Air dererseits zeigt diese Kandidatur aber auch die riesengroße Heuchelei des Zentrums. Die.Zentrumsprcsse und das offizielle Zentrum haben den Hansabund von vornherein in aller Form be­kämpft, und die ultramontaneEssener Volkszeitung" forderte gelegentlich der Aufstellung Dr. Friedrichs ganz kategorisch dessen Austritt aus dem Hansabund. Der Zentrumskandidat hat sich hierum den Teufel gekümmert, und nach einigen Tagen verkündete die Zentrumspresse, daß ein treuer Zentrumsmann sehr wohl auch Hansabündler sein könne. Der Wahlkampf hat denn überhaupt das Zentrum in seiner ganzen Nacktheit gezeigt. Was die Zcntrumspartci an Nieder- tracht, Verdrehung, Verleumdung und Gemeinheit in diesem Wahl- kämpf geleistet hat, das kann nicht überboten werden. Als den Herren diegeistigen Waffen" ausgingen, griff man unbedenklich zu den brutalsten Mitteln roher Gewalt. Demokratische und sozialdemokratische Flugblattverbreiter wurden tätlich angegriffen und demokratische Redner und Versammlungsbesucher ins Gesicht geschlagen. Das Zentrum weiß nicht ein noch aus. Die Last des ge- häuften Volksbetruges erdrückt eS. Die Chancen sind offensichtlich gefallen, und so greift man zu den skrupellosesten Mitteln. Aber- auch diese Mittel werden die Abrechnung nicht verhindern können. Was das Zentrum sich an schnödem VolkSbettUg und ge- meinem Arbeiterverrat in den letzten Jahren bei der Reichsfinanz- reform, bei der Wahlrechtsfrage, bei der Reichsversicherungs- ordnung geleistet hat, daS wird und muß dem arbeiter- und Volks- feindlichen Zentrum heimgezahlt werden. Wahltag ist Zahltag! Die Massen haben daS Wort! VIe liiarMoaMi'e. Die deutsche Antwort wird in den allernächsten Tassen dem französischen Botschafter überreicht werden, lieber ihren Inhalt ist nichts bekannt und es ist deshalb ganz müßig von den verschiedenen Preßpolemiken Notiz zu nehmen. Höchstens sei verzeichnet, daß aus London gemeldet wird, die Nord- seeflotte werde auf Kriegsfuß gebracht. Eine Bestätigung der Meldung liegt nicht vor. DieNorddeutsche Allgem. Zeitung" über die Verhandlungen. Der an dieser Stelle vorausgesagte glattere Fortgang der Marokko -Verhandlungcn nach der Pause ist tatsächlich ein- getreten. Die Blätter berichten günstig über eine Unterredung vom Freitag nachmittag, in der zwischen dem Staatssekretär v. Kiderlcn und dem Botschafter Cambon die Antwort Frankreichs auf Deutsch - landS Bemerkungen zum Entwurf der abzuschließenden Uebcr- etnkunft erörtert wurde. Die Antwort trägt in einem Teil den deutschen Wünschen Rechnung, bezüglich eines wei- teren Teils ist eS gelungen, die Auffassungen der beiden Mächte einander so weit zu nähern, daß bei einigem guten Willen auf beiden Seiten unschwer eine Einigung erzielt werden kann, lieber einige Punkte herrschen allerdings noch solche Gegensätze, daß noch eingehende Verhandlungen nötig sein werden, ehe das Einverständnis hergestellt sein wird. Doch ist zu hoffen, daß auch diese Schwierig- leiten werden überwunden werden.- Unsere Protestbewegung. Eine interessante IriedenKcmonstration hat am Sonntag die Nürnberger Arbeiterschaft veranstaltet. Auch in Nürnberg hatten in voriger Woche die Alldeutschen imNamen des Volkes" in einer Versammlung zum Kriege, gehetzt. DaS gleiche äfften ein paar Tage später die vereinigten Christlichen , dcutschnatioualen Handlungsgchilsen und Leute ähnlichen Kalibers imNamen der Arbeiterschaft" nach. Diesen schwächlichennationalen" Veran- staltungen gegenüber trat am Sonntag das wirkliche Volk von Nürnberg auf den Plan und veranstaltete eine Kundgebung von solch eindrucksvoller Größe, wie sie Nürnberg selten noch gesehen hat. Die mehr als 30000 Menschen fassende städtische Fe st Halle, im Luitpoldhain war zum Bersten gefüllt, gewaltige Scharen von Arbeitern und Ar- beiterinnen drängten sich außerdem draußen um den massigen Bau. Zwei ausländische Genossen, Van der S m i s s e n- Belgien und Topalowitsch- Balkanstaaten, hicl- ten flammende Ansprachen, in der sie die einmütige Gegnerschaft deS gesamten internationalen Proletariats gegen das verbrecherische Spiel mit dem Kriege betonten. Die in französischer Sprache ge- haltenen Reden wurden von dem Genossen S ü d e k u m ins Deutsche übersetzt, der dann selbst noch eine wirkungsvolle An» spräche an die Versammlung richtete. Eine Resolution, die sich in scharfen Worten gegen die Kriegshetzer wandte, fand ein» st i m m i g e Annahme. Nach einem brausenden Hoch auf die Internationale formierten sich die Tausende zu einem Zuge, der sich durch die Vorstädte bis zum Zugange der Altstadt bewegte. Dort löste sich der Zug, entsprechend den getroffenen Verein» barungen, auf. Die gewaltige Kundgebung verlief in musterhafter Ordnung und zwang auch den Gegnern Achtung und Anerken» nung ab. Eine deutsch -franzüsische FrieLenskund- gebung wurde am Sonntag in dem französischen Grenzorte B u s s a n g veranstaltet. Sowohl aus den deutschen wie den fran- züsischen Distrikten waren die Teilnehmer mit Extrazügen an- gelangt. Bon deutscher Seite sprachen die Genossen Reichstags- abgeordneter E m m e l- Straßburg, Wendel- Frankfurt a. M. «nfe GrulNdsZ-MriS ; für die französische ZrMerjchajf die Abgeordneten R o u a n e k und V o g I ff. In ihröff Ansprachen kennzeichneten die Redner unter stürmischem Beifall der Zuhörer die wahnsinnige Kriegshetze, die im Interesse einer kleinen Kapi- talistengruppe betrieben werde. Sache des Proletariats sei es, gegen solche Machenschaften stärksten Protest zu erheben. Im Gy- gensatz zu den Kriegstreibern trete die internationale Arbeiter- schast für den Weltfrieden ein, der durch intcrnatio- nale Schiedsgerichte und Abrüstung garantiert werde. Zum Schluß der imposanten Veranstaltung wurde eine Resolution einstimmig angenommen, in der es heißt, daß die internationale Arbeiterschaft jedes mögliche Mittel anwenden werde, um wegen Marokkos einen Krieg zu. ver­hindern. Ferner dcrlangt die Resolution sofortige Ein- bcrufung der Parlaments Die Wiederbelebung des politischen Cerrors in Rußland . Von russischer sozialdemokratischer Seite wird uns ge- schrieben: Die RevolverschüsD die den Ministerpräsidenten S t o- lypin vor den Augen des Zaren und der gesamten Hof- gesellschaft niederstreckten, kündigen eine neue Aera des politi- schen Terrors in Rußland an. Anläufe hierzu sind in den letzten Monaten schon mehrfach unternommen worden.' Am 29. April verwundete eine unbekannte Frau im Theater zu Wologda den Gefängnisinspektor I e f i n o w, der die Durchpeitschung von 83 politischen Gefangenen angeordnet hatte. Ende August wurde der durch seine Grausam- keit berüchtigte Oberstaatsanwalt S k o p i ns k i von un- bekannten Leuten in einem Eisenbahnwagen erschossen. Und vor kurzem verwundete ein Besucher den Gefängnisdirrktor von Serentui, W y s s o z k i, der im vorigen Jahre die Durch- peitschung der politischen Gefangenen angeordnet und dadurch den Selbstmord Szasonows verschuldet hatte. Jetzt ist das Haupt der regierenden Verbrecherbande. Ministerpräsident Stolypin , einem ähnlichen Anschlage zum Opfer gefallen, der mit einer beispiellosen Kühnheit in Szene gesetzt worden ist. Unwillkürlich drängt sich nach diesem letzten Attentat der Vergleich mit dem Attentat gegen den allmächtigen Diktator P l e h w e auf. Auch damals sah man in dem Attentat des todesmutigen Revolutionärs die Vergeltung für die endlose ahl der Opfer, die das Haupt der russischen Autokratie vom iolkc gefordert. Wollte man bloß diesen Maßstab gelten lassen, so wäre die Vergeltung gegenwärtig noch gerecht- fertigter als im Juli 1904, wodie russische Gesellschaft nach dem Zeugnis des damaligen Führers der liberalen Opposition. Peter v. Struve von einem Gefühl der Freude und der Beftiedigung ergriffen war" unddie Taten der politischen Mörder durch ihr Mitgefühl sanktionierten�. Denn wenn man in der Gestalt des Tyrannen Plehwe daS Symbol der stumpfen Barbarei der russischen Selbstherrschast vor sich sah, der mit der Geradlinigkeit eines gemieteten Bravos daS ihm anvertraute Regierungssystem verteidigte, so hatte man bei Stolypin eine noch furchtbarere j e s u i- tische Barbarei vor sich, der kein Mittel zu schändlich war, um unter dem elenden Flickwerk der russischen Verfassung" die unumschränkte Despotie deS Zaren wieder herzustellen, und die mit sichcrem Klassen- instinkt die besitzenden Klaffen gegen die Demokratie zu- sammenschmiedcte. Dieser Unterschied ist ausschlaggebend für die politische Wertung dieses wie jenes Anschlages. Die Bomben- explosion, die Plehwe in Stücke riß, fand einen regen Wider- hall bei der liberalen Bourgeoisie, welcher der Diktator die politische Betätigung vollkommen unmöglich ge- macht hatte, die aber zu feig war, aus eigener Kraft gegen ihn vorzugehen; sie erleichterte aber auch, infolge der ein, getretenen Verwirrung, die revolutionären Massenaktionen der Arbeiter und Bauern. In der mit revolutionären! Zünd- stoff gesättigten Atmosphäre, auf dem durch heftige Klassen- kämpfe aufgerührten Boden war dieses Attentat der Funke, der die Flanimen hoch emporschlagen ließ. Ganz anders ist die Situation jetzt. Die Gegenrevolution hat sich durch ihre sechsjährige intensive Tätigkeit eine Grundlage ge- schaffen, die sich nicht durch die Revolverschüsse einzelner Revolutionäre beseitigen läßt. Der Großgrundbesitz und die Großbourgeoisie klammern sich im Bunde mit der Bureaukratie, trotz heftiger innerer Widersprüche, an das von Stolypin geschaffene System und sind nicht gewillt, auch nur einen Fußbreit' ihrer politischen Vorherrschaft gut- willig abzutreten. Das liberale Kleinbürger- tum. soweit es politisch zur Geltung kommt, hat seinerevolutionären" Sünden schon längst abgeschworen und wird sich hüten, die Sympathiekundgebungen von 1904 und 1903 zu wiederholen. Zu gleicher Zeit ist die Bauern- schaft politisch vollkommen matt gesetzt und durch heftige innere Kämpfe zerrissen, während die Arbeiterklasse sich erst im Beginn ihres neuen Aufstieges befindet. Die politische Situation ist also von der im Jahre 1904 grund- verschieden und nimmt dem Anschlag gegen Stolypin selbst den politischen Wert, den die Taten einzelner Terroristen auf dem Hintergrunde der revolutionären Massenaktionen der Jahre 1904/3 gewonnen haben. Die Tat Bagrows hat nur den politischen Wert, daß sie vor den Herrschenden als drohendes Menetekel erscheint. Es wäre töricht, wollte man die terroristische Taktik anders bewerten und ihr einen größeren Spielraum in den künftigen revolutionären Kämpfen in Nußland gewähren. Einzelne Helden können nicht die geschichtliche Mission er- füllen, die nur den Massen und ihrer zielbewußten Arbeit gehört. Vereinzelte Revolverschüsse können nicht ein Staats« wesen umwandeln, an dessen Fortdauer ganze Klaffen der Gesellschaft ein lebhaftes Interesse haben. Es steht im Gegenteil zu befürchten, daß gerade die terroristische Taktik die Massen von einem zielbclvußten Kampf abhalten ünd in ihnen die Hoffnungen wach rufen, daß der Heldentod Einzelner ihnen die Befreiung bringen würde. Alle Einwendungen, die die russische Sozialdemokratie seit' einem Jahrzehnt gegen die terroristische Taktik der sozialrcvolutionärcn Partei erhoben hat. bleiben heute noch in Kraft und sind jetzt, bei der be- ginnenden Mobilisation der revolutionären Kräfte von be- sonderer Wichtigkeit. Und die Partei des Proletariats, deren Fahne in den finsteren Jahren der Gegenrevolution keinen Augenblick gewankt, würde ihre Pflicht nicht erfüllen� wenn sie jetzt die Massen nicht darüber aufklärte, daß sie ihre Be- freiung nur durch ihren eigenen offenen Kampf erringen können. Nicht vereinzelte Anschläge gegen die Träger der Re- gicrungsgcwalt; nicht die Beseitigung der Handlanger des Zaren, die sofort durch andere ersetzt werden, sondern der planmäßig vorbereitete Sturm gegen die Bastille des Zarismus» das ist die Losung der russischen Sozial- demokratie!