GewerkfchaftUchea.Raucbcrfreuden— Cabakarbeiterleidcti.Die Tatsache, daß sich die Arbeiter der Zigarrenbranchezu einer Lohnbewegung, zu einer Tarifbewegung aufgeraffthaben, hat bei den Fabrikanten, denen eine Bewilligung desTarifs noch am leichtesten fallen würde, weil sie kapitalkräftiggenug sind, eine gewaltige Erregung hervorgerufen. Undseltsamerweise sind es gerade d i e Firmen, die, da sie meistHausarbeiter beschäftigen, erst recht die Verpflichtung hätten,die Löhne zu erhöhen. Denn hier wie überall, wo HeimarbeitMode ist, werden dem Unternehmer die Sorgen für Heizung,Raum und Licht von den Arbeitern abgenommen.Der Arbeiter bekommt den Rohtabak geliefert, das heißt,er holt sich den Tabak vom Fabrikanten, wobei er häufiggenug lange Zeit warten muß. Er hat sich jeden Tag eineAnzahl Stunden mit der Zurichtung des Tabaks zu be-schäftigen, so daß er sich oft erst früh um 1(1 Uhr zur eigent-lichen Berufsarbeit hinsetzen kann: ebenso die Wickelmacherin,die meist seine Frau ist. Und nun geht das Arbeiten los.Es kommt der Abend, es kommt die Nacht, aber das Licht indem vierten Stock im Seitengebäude brennt noch immer!Noch immer sitzt da der Tabakproletarier mit seiner Frau,arbeitet und arbeitet! Denn bald ist der Liefertag, und damöchte man doch seine„Zahl" fertig haben. Diese Zahl istmanchmal 150(1, manchmal 2000, manchmal 3000 Stück Zi-garren, selten darüber. Denn diejenigen, die darüberhinauskommen, sind Ausnahmen. Und einen Lohn bekommensie, der es erklärlich macht, daß der letzte Rest von Kraft auf-gewendet werden muß, um den drückendsten Verpflichtungen,die das Leben mit sich bringt, nachkommen zu können.So bezahlt eine Firma Laser ihren Arbeitern nochimmer 9,50 M. pro Tausend der billigeren Sorten. Preisevon 10 M. und 11 M. sind an der Tagesordnung bei Kur-n i k e r, bei K a p h u n, bei Sonnabend. Und nament-lich der letztgenannte hat den Rekord in geringen Löhnen.Man bedenke, so roh, wie der Tabak von Uebersee in Ballenankommt, so empfängt ihn der Arbeiter. Er wird unter seinenHänden gestaltet zur gebrauchsfertigen Zigarre, die mitihrem Aroma den Menschen erfreut. Wüßten die vornehmenRaucher nur, daß oft nicht der zehnte Teil des Kaufpreisesin die Hände der Verfertiger kommt, wüßten sie, daß dieMädchen im fernen Elbing, in Braunsberg, in Graudenzmit Löhnen von, 6, 8, 10 M. pro Woche nach Hause gehenmüssen, sie würden diese Produkte menschlichen Ueberfleißes,sie würden die Zigarre mit anderen Augen betrachten, alsnur mit denen des Gourmands.Und dennoch diese Gereiztheit jener Fabrikanten, wennsich diese Enterbten des Glücks einmal auf sich selbst besinnen,sich ihres Menschtums erinnern, um ihre Lage auf ein Niveauzu heben, das wenigstens einigermaßen menschlich genanntwerden kann.Teile und herrsche: Wir verhandeln nicht mit der Or-ganisation.— Der einzelne ist ja so leicht zu biegen und,wenn notwendig, auch zu brechen.— Wir verhandeln nichtmit der Organisation: wir haben es nicht nötig. Wir vor-legen auch unsere Fabrikation. Dann habt Ihr gar nichts!Merkt Euch das! Das Verlegen der Fabriken, das ist diePeitsche, mit der man dem Arbeiter droht.Nun, die Herren haben' ihre Produktion ja schon seitFahren zu verlegen getrachtet, der Osten reizt ihren Appetitnach �billigen Arbeitskrästen nicht erst feit heute.Aber die Oeffentlichkeit soll es wissen und muß es wissen,was es auf sich hat mit dem Gerede von dem sozialenEmpfinden und Verständnis dieses Unternehmertums. Unddiesem Zwecke sollen diese wenigen Zeilen gewidmet sein.Raucher, beachtet die im heutigen„Vorwärts" veröffent-lichte Liste der tariftreuen ZigarrensirmenlBerlin und Clmgegend.Zum Streik der Militäreffektenarbeiter.Entgegen den Behauptungen, die in der bürgerlichen Presseerschienen sind, wonach die Arbeitnehmer Verhandlungen mit denArbeitgebern abgelehnt und auch ohne genügende Zeit zu Verhand-lungen zu lassen, die Arbeit niedergelegt hätten, erklärt die Streik-leitung noch mal mit aller Bestimmtheit, daß von ihrer Seite dasmöglichste getan worden ist, um die Differenzen auf gütlichemWege beizulegen. Sie hätte auch gerne noch weiterverhandclt, wenndie beteiligten Firmen nicht derartige Angebote unterbreitet hätten,daß es für die Arbeitnehmer absolut unmöglich war, auf dieserßirundlage weitere Verhandlungen zu pflegen.Um nun ein weitgehendes Entgegenkommen zu bezeugen undsuch dem Wunsche mehrerer von dem Streik betroffener Firmennachzukommen, nahmen die am Sonnabend Versammelten einenVorschlag an, demzufolge aus der Gruppe der Ausständigen eineKommission gewählt werde, die mit den Firmen zu verhandelnhaben. Das wäre eventuell ein Weg. auf dem eine Einigungerzielt werden könnte. Es ist aber auch, was noch einmal hervor-gehoben werden muß, nicht wahr, daß die Löhne 45 Pf. bis 80 Pf.betragen, sondern wie schon im„V o r w ä r t s" mitgeteilt, 31 Pf.bis 74 Pf. pro Stunde. Neun Zehntel der im Berufe tätigen Per-sonen erhalten aber die niedrigen Löhne und nur ein Zehntelrangiert in der höheren Lohnklasse. Sollte wirklich einer vorhandenfein, der 80 Pf. verdient, dann kann es sich nur um einen Meisteroder Vorarbeiter handeln. Die Behauptungen in der bürgerlichenPresse zeigen offenkundig, daß sie aus dem Bureau der Arbeit-geber kommen. Die Versammelten waren im höchsten Maße em-pört über eine derartige Irreführung der Oeffentlichkeit. Daßdurch die Bewilligung der Forderungen die Leistungsfähigkeit derbetreffenden Firmen gefährdet werde, trifft schon deshalb nicht zu,weil diese Betriebe bis dahin niedrige Löhne gezahlt haben, wo dieanderen Firmen der Branche jahrelang schon weit höhere Löhnegeben.Die Ausständigen sind nach wie vor bereit, Verhandlungen zupflegen. Bis jetzt ist noch kein Streikbrecher in den Betrieben,immerhin wird dringend darum ersucht, Zuzug fernzuhalten.Achtung, Metallarbeiter! Bei der Firma Pahlitzs'ch,Gneisenaustraße, Fabrik für Kuvertmaschinen, stehen die Kollegenim Streik. Auf Forderungen, welche die Streikenden eingereichthatten, gab Herr P a h l i tz s ch, nachdem er die Kommission voneinem zum anderen Tage vertröstet hatte, ausweichende Antwort.Als die Kollegen endgültigen Bescheid verlangten, ging HerrP a h l i tz s ch auf Reisen. Auf recht eigene Art sucht Herr P a h l i tz s chsich seiner Leute, die er unbedingt gebraucht, zu versichern. Soschloß er mit einem Kolonnenführer vor einiger Zeit einen Kon-trakt ab, in welchem der Unterzeichnete sich verpflichtete, in fünfJahren sich an keiner Arbeitsniederlegung zu beteiligen, widrigen-falls die ihm von Herrn P a h l i tz s ch geliehenen 800 M. sofortzahlbar seien. Im anderen Falle sollen die 500 M. als bezahltgelten.Die Firma versucht nun durch den Arbeitsnachweis BerlinerMetallindustrieller sowie durch den Nachweis der Gelben Arbeits-Willige zu bekommen, allerdings mit negativem Erfolge.Bei diesem Streik müssen wir wieder einmal konstatieren, daßrechtes die größten Schwierigkeiten macht. So verbot manden Streikenden den Aufenthalt in der Gneisenaustraßezwischen der Bärwaldstraße und dem Kaiser-Friedrichplatz,Kkrgntlv. Redakt.i Richard Barths Berlin. Lnseratenteil veranto,?"obgleich Bort einem Verkehrshindernis oder einer Belästi-gung etwaiger Arbeitswilliger gar keine Rede sein kann.Die Firma hat nämlich nicht ein Exemplar dieser nützlichen Ele-mente. Des weiteren haben die Streikenden den Eindruck, daßdie bekannten„Nichtgentlemans", welche sich überall bemerkbarmachen, auch hier den Versuch machen, die Streikenden vom Wegedes ihnen zustehenden Rechtes abzubringen. Auf der Polizeiwache,wohin einer der Streikenden auf Veranlassung eines Unbekanntengebracht wurde, bezeichnete sich dieser Unbekannte als ein HerrMathes, Stallschreiberstr. 23, wohnend. In diesem Hause istjedoch ein Mieter dieses Namens nicht bekannt.Die Streikenden ersuchen die Arbeitslosen, den Betrieb zumeiden und Arbeitsangebote der Firma zurückzuweisen. Der Be-trieb ist für Metallarbeiter aller Branchen gesperrt.Ortsverwaltung Berlin des Deutschen Metallarbeiterverbandes.Der Streik der Hausdiener usw. bei der Firma Carl StillerSchuhwarenhaus, Jerusalemer Str. 38/39, dauert fort.— InNr. 222 des„Vorwärts" berichtet die Firma Stiller über die Höhe,der gezahlten Löhne.*)— Die Firma legt besonders großen Wertauf Trinkgelder, welche die Hausdiener angeblich bekommen haben.Wir haben festgestellt, daß Trinkgelder fast überhaupt nicht gegebenwerden. Will denn die Firma behaupten, daß, wenn ein Haus-diener die ganze Woche hindurch 16 Pf. Trinkgeld bekommt und eingroßer Teil überhaupt nichts, weil sie am Lager und im Hausebeschäftigt wurden, hiervon Abzüge für die Kaution gegeben werdenkönnen?— Die Firma Stiller trifft jetzt ganz besonders Maß-nahmen, damit kein organisierter Hausdiener in den Betrieb ein-schleicht.Charakteristisch ist der nachfolgende Engagementsvertrag miteinem Hausdiener:Durch meine Unterschrift bestätige ich mein Einverständnismit folgenden, mein Arbeitsverhältnis mit der Firma Schuh-Warenhaus Carl Stiller, Berlin, betreffenden Vereinbarungen:Eintritt: Am 12. September 1911 als Hausdiener und Dreirad-fahrer.Gegenseitige Kündigungsfrist: Kündigung ausgeschlossen.Lohn: 23 M.Besondere Bemerkungen: 100 M., Einhundert MarkKaution. Zahlbar bei Eintritt mit 6 Proz. Zinsen.Berlin, den 12. September 1911.Vor- und Zunamen:Unterschrift:Schuhwarenhaus Carl Stiller. I. V.: Elsner.Bei 23 M. Lohn also 100 M. Kaution! Dieser im HauseStiller nur wenige Stunden tätig Gewesene war in der glücklichenLage, die geforderte Summe in bar stellen- zu können. Wer diesaber nicht kann, muß sich wöchentlich 2 M. von seinem Lohn kürzenlassen. Die Firma Carl Stiller glaubt, eine Kaution deshalbnehmen zu müssen, weil sich einige ihrer Hausdiener angeblich Un-regelmäßigkeiten haben zuschulden kommen lassen. Warum fordertdenn die Firma diese Kaution von Leuten, welche 3—10 Jahre imHause tätig waren und sich nie etwas haben zuschulden kommenlassen, ja selbst von Angestellten, welche nie zum Einkassieren vonGeldern oder Wegschaffen von Waren herangezogen wurden.Während die Hausdiener bei der Firma Stiller einen Kampfum die Menschenrechte, einen Abwehrkampf führen, weil ihnen zu-gemutet wurde, eine Kaution zu stellen, schloß der Deutsche Trans-portarbeitervcrband mit der Firma H. Leiser, Schuhwarenhaus,für die dort beschäftigten Hausdiener, Radfahrer usw.. einen Tarif-Vertrag, welcher fiir beide Teile als befriedigend angesehen werdenkann und lkine Kaution vorsieht. Hoch die Solidarität!Deutscher Transportarbeiterverband.Deullebes Reich.Der Streik in den Plangeschen Mühlen ist aufgehoben, da dieDifferenzen beigelegt, sind. Der Brauerei- und Wühlenarbeiter-verband hat eine Einigung mit der Direktion erzielt.Die Marmorarbeiter in Köln befinden sich in einer Lohn-bewegung. Da bisher noch keiw tariflich geregeltes Arbeits- undLohnverhältnis bestand, so wurde an die Unternehmer ein Tarif-entwurf eingereicht. Die Unternehmer erklären sich zu VerHand-lungen bereit. Zuzug von Marmorarbeitern nach Köln ist fernzu-halten. In Betracht kommen 125 Arbeiter.Busland.Eine englische Streikpolizei.London, 21. September 1911.(Eig. Ber.) Wie tief die Arbeiter-rebolten das englische Bürgertum beunruhigt haben, beweisen dieMaßnahmen, die man jetzt trifft, um einem neuen Streik begegnenzu können. Vor einiger Zeit wurde hier schon berichtet, daß eineReihe Offiziere des Landheeres damit beauftragt worden sind, dasTerrain in London zu rekognoszieren, damit man dem„innerenFeinde" in Zukunft erfolgreich entgegentreten kann. Jetzt verschicktder Minister des Innern Schreiben an alle Polizeibehörden desLandes, die einen Plan zur Einführung einer Polizeireserveenthalten. In England wirbt man in Zeiten großer Unruhe söge-nannte Spezialkonstabler an; das heißt, man bewaffnet Zivilisten,meist Angehörige der bessersituierten Klassen und ausgediente Sol-baten, mit Polizeiknütteln und stellt sie den Polizisten zur Seite.In den letzten hundert Jahren sind Spezialkonstabler nur dreimalangeworben worden, das letztemal vor einigen Wochen bei demEisenbahnerstreik. Diese Spezialkonstabler sollen nun zu einerständigen Einrichtung gemacht werden. Der Minister Churchillschlägt den Polizeibehörden vor, eine Polizeireserve zu schaffen,und zwar eine erste Reserve, bestehend aus ausgedienten Soldaten,Polizisten und ähnlichen disziplinierten Elementen, und eine zweiteReserve, der andere Personen von gutem Rufe und geeignetemKörperbau angehören würden. Diese Polizeireserve, die unteranderem auch ähnliche Dienste verrichten soll wie das Militär beiden letzten Eisenbahner- und Transportarbeiterstreiks, soll in allenvolkreichen Distrikten ins Leben gerufen werdem Um der Arbeiter-schaft die Pille zu versüßen, schreibt Herr Churchill, es könneauch unter Umständen angebracht sein, bei Streiks Streikende alsSpezialkonstabler einzustellen. Aber auf diesen Leim werden wohlwenig Arbeiter gehen. Das Schreiben des Ministers, das vom15. September datiert, hat bei der englischen Bourgeoisie gleich An-klang gefunden. Schon gestern beschloß der Zweckvcrband fürWcstyorkshire, eine Polizcireferve von 400 Mann einzuführen. DieLeute sollen ein festes Jahresgehalt von 5 Pfd. Sterl. und einentäglichen Lohn im Falle der Mobilisierung von 5, ö und 8 Schilling,je nach ihrem Range, bekommen. Der Genosse Herbert Smith.Vorsitzender des Bergarbciterverbandcs von Aorkshire. protestierteenergisch gegen diese neue Einrichtung, die er als eine kapitalistischeSchutzgarde bezeichnete, die bestimmt sei, die Arbeiter niederzu-knüppeln. Auch der Liberale Booth wandte sich dagegen undnannte die Maßnahme eine Verrücktheit, die der panische Schreckengeboren. Tie Reserve wurde aber dennoch angenommen,Hu9 Induftrie und HandelAgrarische— Naivität.Genosse Bebel hat den Leuten der„Deutschen Tagesztg."arge Schmerzen bereitet, indem er auf dem Parteitage inJena darauf hinwies, daß unsere geniale Zollpolitik dieMilitärverwaltung zu erhöhten Ausgaben zwingt. Wieandere Konsumenten müsse natürlich auch sie die durch die*) Leider hat sich in der Notiz ein Druckfehler eingeschlichen:Es muß nicht heißen: 11 Hausdiener 29,— M.. sondern 1 Haus-diener 29,— M.___ Red, d.„V."'Th. Glocke, Berlin. Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdr. u. VerlagsanstaitZollerhöhungen hervorgerufene Preissteigerung für Lebens-und Futtermittel bezahlen. Diese von normalen Menschenkaum bestrittene Tatsache veranlaßt das Agrarierblatt zueinem fast unglaublichen— Bluffversuch. Es schreibt:,... Herr Bebel scheint die Reichsetats nicht zu kennen.Selbstverständlich sind die Gesamtausgaben für Heer und Marinegestiegen. Sie betrugen bei dem Kapitel 25, Titel 3, des Militär-etats(Brot- und Futterverpflegung) im Jahre 1873 annähernd49 Millionen Mark und sind bis zum Jahre 1911 mit einigenSchwankungen auf 72 Millionen Mark gestiegen. DieseSteigerung hat aber mit der Zoll- und Steuerpolitiknicht das mindeste zu tun. Sie erklärt sich vielmehraus der Zunahme des Gesamtbedarfes, die von 1878 bis1911 an Brotfrucht etwa 42 000 Tonnen, an Hafer. Heu undStroh zusammengenommen etwa 163 000 Tonnen betrug, d. i. beiBrotgetreide über 57 Prozent, bei Hafer, Heu und Stroh etwa56 Prozent. Dagegen sind die von der Heeresverwaltung imEtat veranschlagten Preise seit 1873 gesunken. Sie betrugen beiWeizen Roggen Hafer Heu Stroh1873 249,— M. 183,— M. 166,22 M. 68.— M. 45.80 M.1911 203,02 M. 151,34 M. 155,04 M. 60.55 M. 45.31 M.Selbstverständlich kann man nicht die Preise xbeliebigerJahre zusammenstellen, um die Wirkung der Zölle zu er-Mitteln. Weil die Preise starken Schwankungen unterliegen.ist ein solcher Nachweis durch Vergleichungen der Preise zweierJahre nicht einwandfrei zu führen. Warum wählt die„Tages-zeitung" nicht die folgende Zusammenstellung, die die amt-lichen Notterungen enthält? Danach kostete die Tonne Mark:1903 1904 1910Roggen... 132.3 135,1 152.3Weizen.... 161.1 174,4 211,5Haser.... 136.6 133,7 153.1Hier kann man schon mit größerem Recht behaupten:die Vergleichung der Preise kurz vor Einführung der letztenZollerhöhung und der nachherigen Notierungen zeigt dieWirkung der Zölle!Aber, wie schon bemerkt, ein Vergleichen der inländischenPreise nach verschiedenen Jahren läßt leicht Trugschlüsse zu.Will man die Wirkung der Zölle ermitteln, dann muß mandie Inlandspreise mit den Preisen am Weltmarkt vergleichen.Dabei zeigt sich, daß die Inlandspreise um fast denZollbettag höher sind, als auf dem Weltmarkt. Ohne Zöllewürde demnach die Militärverwaltung für Roggen zirka 50 M..für Weizen zirka 55 M.. für Hafer zirka 50 M., für Pferdefutter— Bohnen, Lupinen, Wicken— zirka 15— 20 M., für Maiszirka 30 M. usw. ersparen, hätten wir keine Zölle. Bei demgroßen Bedarf der Militärverwaltung kämen Riesensummenheraus, die nun das Agrariertum als willkommene Beuteeinsteckt. Es gehört schon die ganz agrarische edle Dreistigkeitoder freche Naivität dazu, diese offenkundigen Tatsachen ausder Welt— zaubern zu wollen.Liebesgaben-Notstandspolittk.Ein recht charakteristisches Licht auf die Notstandspolitik der Re«gierung als Dienstbeflissene der Großagrarier wirst eine Eingabeder Handelskammer Düsseldorf. Es heißt darin u. a.:..... Da der Frachtersparnis infolge der Herabsetzung derTarife für einzelne Futtermittel keine durchschloggebende Kraft inne-wohnt und viel wirksamer die Rot durch Aendernng des ZollwesenSbekämpft werven könnte, aber bislang nicht bekämpft wird, wirdin weiten Kreisen— einerlei, ob nxit Äecht oder mir Unrecht-i- derEindruck erweckt, daß es der Regierung mit der Futtermittel-verbilligmig nicht recht ernst ist und daß sie hohe Futtermittel-preise für Hafer,- Heu und Stroh im Interesse der landivirtschaft-lichen Verkäufer dieser Güter wünscht, aber keine Verbilligung in,Interesse der Vichhalter. Wir fürchten, wie schon erwähnt, daßdieser Eindruck auch durch die getroffenen Tarismatznahmen nichtvöllig beseitigt werden wird, einmal deswegen, weil die Aus-führungsbestimmungen zu wenig berücksichtigen, daß die großeMehrzahl der Viehhalter ihre Futtermittel nur durch denHandel, nicht aber direkt in Wagenladungen beziehenkann. dann aber, weil die gewährten Frachtermäßigungenwieder abgeschwächt und unwirksam gemacht werden durchTariferhöhungen, teilweise für die gleichen Dinge. Schonseit Jahren interessieren sich bestimmte Kreise der Land-Wirtschaft für Frachterhöhungen fiir Futtermittel, und in der letztenSitzung der ständigen Tariskommission deutscher Eisenbahnen istauf deren Veranlassung beschlossen worden, sämtlichen Mischfutternmit Einschluß derjenigen melassehaltigen, die mehr als einenMelasseträger haben, die Vergünstigung des Spezialtarifs III zuentziehen nnd sie in die allgemeine Wagenladungsklasse zu ver«setzen. Das bedeutet eine Erhöhung der Fracht um mehr als dasDoppelte----'Die Großagrarier find an hohen Futtermittelpreisen als Ver-käufer interessiert. Deshalb erlauben sie der Regierung keine Politik,die den Viehhaltern billiges Viehsuttcr garantieren könnte. Damitauch keine Konkurrenz der künstlichen Futtermittel auskommen kann,muß die gehorsame Regierung hierfür die Tarife verteuern. Unddas spielt sich auf als Vertreterin der Landwirtschast und dernationalen Interessen. Die Regierung betreibt eine Politik, als seisie offiziell lediglich ein Ausschuß zur Wahniehmung von Groß-grundbesitzerinteressen. Und das Volk schreit nach Brot!K-etztc Nadmcbtcn.Teuerungsunrnhen in Oesterreich.Wien, 23. September.(W. T. B.) Wie aus Jägerndorf ge-meldet wird, kam eS heute abend dort nach einer Versammlunggegen die Lebensmitteltcucrung zu einer Kundgebung von zwei-tausend Personen vor der Bezirkshauptmannschast. Die Mengezog dann vor einen Meicrhof, wo die Fenster eingeworfen und dieTüren beschädigt sein sollen. Als einer der Demonstranten ver-haftet wurde, nahm die Menge eine drohende Haltung ein. Eswurde Militär aufgeboten, das den Platz räumte. Um zehn Uhrabends herrschte wieder Ruhe._Verurteilter Totschläger.Köln, 23. September.(W. T. B.) Ter Handwerker GustavAdolf Hild, der am 10. Mai 1911 hier seine Mutter ermordethat. ist vom Schwurgericht wegen Todschlags zu 10 Jahren Zucht-haus und 10 Jahren Ehrverlust verurteilt worden.Riescnbrand in einem russischen Torfe.Warschau, 23. September.(Pr.-E.) Eine entsetzliche Feuers-brnst brach heute gegen Abend in der Ortschaft Plawno aus. TerBrand, der allem Anscheine nach auf Brandstiftung zurückzuführenist, brach zu gleicher Zeit an zwei auseinanderliegenden Stellenaus. Gegen 10 Uhr abends bot das brennende Dorf nur noch denAnblick eines gewaltigen Flammenmeeres. Mehr als 80 Gebäudewurden ein Opfer der FeuerSbrunst. Ein ungeheures Elend istdamit über die Bevölkerung des kleinen Dörfchens hereingebrochen.die nichts weiter als das nackte Lebe» in Sicherheit bringen konnte.Vieh, Hab und Gut wurden ein Raub der Flammen. Bei denVersuchen, Herr des Feuers zu werde», um zu retten, was irgendnoch zu retten war. ist eine große Anzahl Menschen ums Lebengekommen. Der Brand konnte�bis in die späten Nachtstundennicht gelöscht werden.Paul Singer& Co, Berlin SV� Hierzu 5 Beilagen.