wurde erfaßt und hsriimgefchleudert. Mit zerschmetterten Gliedmaßen blieb der Kleine temußtlos am Erdboden liegen, wurde später, nachdem er in Weißensco einen Nothverband er- halten, nach dem Krankenhause Friedrichshain gebracht, wo er hoffnungslos darniederliegl. Ncber drei Blutthatc» haben wir heute zu berichten. Die erste ist ein grausiger Stiildes- und Selbstmord. Kürzlich hatte der Grünkramhändler Gustav Liick mit seiner 34 Jahre alten Frau Friederike geb. Härtung und seinem L Monate alten Töchterche» Johanna eine Wohnung in deni Hause Großbeerenstr. 43 bezogen Gestern Morgen um 4 Uhr war er, um Einkäufe zu machen, i» die Markthalle gegangen. Als er um 8 Uhr zurückkehrte, fand er die Wohnung verschlossen, sodaß er sie öffnen lassen mußte: er fand ferne Frau am Spiegelhnke» erhängt und sein Töchterchen unter Betten versteckt, todt vor. Die Mutter hatte, ehe sie in den Tod ging, ihr Töchterche» mit einem Bindfaden erwürgt An der rechten Seite des Kindes sind rothe Flecke sichtbar, die darauf hindeuten, daß die Mutter zuerst den Versuch gemacht hat. das Kind mit den Armen zu erdrücken.— Die zweite Blutthal scheint ein Racheakt eines Musikers zu sein. Dieser war auf dem Hofe des Hauses An- dreasstr. 84 erschienen, war aber von dem Eigenihümcr des Hauses hinausgewiesen worden. Als es zu einem Wortwechsel kam, schoß er einen kleinen Revolver auf den Eigenthümer ab, dem die Kugel in die rechte Brust drang. Der Thätcr wurde verhaftet; er verweigerte jede Angabe über seinen Rainen.— Ebenfalls ein Rache- Akt liegt dem dritten Vorfall zu Grunde, bei dem der 28 Jahre alte Schneider Hermann Leginski de» Schneidermeister Gustav Schmidt bedrohte, glücklicherweise ohne Erfolg. L. hatte um Pfingsten die 21 Jahre alte Anna Schmidt kennen gelernt und sich mit ,hr verlobt. Die Eltern bes Mäd- chens brachten aber in Erfahrung, daß er schon mehrfach Ver- Hältnisse angeknüpft, ja einem Mädchen aus Stettin auf solchem Wege 800 Mark abgeschwindelt habe, und lösten vor etwa vier Wochen aus diesem Grunde das Verlöbniß auf. Schmidt sprach nun verschiedentlich die Drohung aus, daß er entweder den Vater seiner früheren Braut oder diese selbst erschießen werde. Da L. dem Mädchen ans der Straße auflauerte, brachte Frau Schmidt ihre Tochter Morgens stets in das Geschäft von Lesebre in der Leipzigerstraße, wo sie angestellt war, und holte sie Abends nach Hause ab. So auch gestern Abend um 6V2 Uhr. Kaum hatte Mutter und Tochter die im 4. Stock belegene Wohnung betreten, als auf der Treppe ein Knall erfolgte. Als Schmidt in dem Glauben, es sei die Gas- leitung explodirt, aus der Wohnung trat, sah er auf dem Treppen- fiur den L., der einen Revolver gegen ihn erhob. L. hatte, wie es scheint, den Schuß in der Absicht abgegeben, um Schmidt oder dessen Tochter aus der Wohnung zu locken. Schmidt schlug schnell die Korridorthür zu und eilte in gebückter Stellung unter den Glasscheiben der Thür hinweg. Nun gab L. noch zwei Schüsse in die Wand ab, die aber nicht durchdrangen. Die Familie Schmidt flüchtete durch das Küchensenster über das Dach hinweg in die Wohnung des Bizewirths. Dieser begab sich nun die Treppe des Vorderhauses hin- auf, um L. zu entfernen. Er fand ihn mit der Waffe in der Hand auf der Treppe liegen. Da L. das Haus nicht verlassen wollte, wurde das 86. Polizeirevier benachrichtigt, und zwei Schutzmänner, die den L. noch auf der Treppe kauernd vor- fanden, nahmen ihn fest. Er ist der Kriminalpolizei zugeführt worden. L. ist von der Kriminalpolizei vorläufig entlassen, weis er nur Schreckschüsse abgegeben haben will. Marktpreise in Berlin am 4. September, nach Ermittelungen des königlichen Polizeipräsidiums. Weizen per 100 Kg. guter von 16,20—15,60 M., mittlerer von 15,50—15,00 M., geringer von 14,30—14,40 M., Roggen per 100 Kg. guter von 13,40 bis 13,10 M.. mittlerer von 13,00—12,70 M., geringerer von 12,60 bis 12,80 M. Gerste per 100 Kg. gute von 19,00—17,70 M., mittlere von 17,60—16,40 M., geringe von 16,30—15,00 M. Haser per 100 Kg. guter von 18,60—17,40 M., mittlerer von 17,30—16,20 M., geringer von 16,10,; bis 15,00 M. Stroh. Richt- per 100 Kilogramm von 0,00—0,00 M. Heu per 100 Kilogramm von 0,00—0,00 M. Erbsen, gelbe zum Kochen per 100 Kg. von 40,00— 24,00 M. Spcisebohnen, weiße per 100 Kg. von 50,00—20,00 M. Linsen per 100 Kg. von 80,00 bis 30,00 M. Kartoffeln, per 100 Kg. von 9,00—5,00 M. Rind- fleisch von der Keule per 1 Kg. von 1,60—1,20 M. Bauchfleisch per 1 Kg. von 1,30—0,30 M. Schweinefleisch per 1 Kg. von 1,60—1,00 M. Kalbfleisch per 1 Kg. von 1,60—0,80 M. Hammelfleisch per 1 Kg. von 1,50—0,90 M. Butter per I Kg. von 2,80—1,80 M. Eier per 60 Stück von 4.00—2,20 M. Fische per 1 Kg.: Karpfen von 2,40—1,20 M. Aale von 2,80 bis 1,20 M. Zander von 2,40—1,20 M. Hechte von 2,00—1,20 M. Barsche von 1,60-0,80 M. Schleie von 2,40—1,10 M. Bleie von 1,40 bis 0,60 M. Krebse per 60 Stück von 15,00-1,25 M. Polizeibericht. Am 4. d. M. Morgens wurde ein Mann beim Bahnhofe Gesundbrunnen an einem Zaune erhängt vor- gefunden.— Auf dem Güterbahnhofe der Görlitzer Bahn fiel Vormittags der mit dem Verladen von Brettern beschäftigte Ar- beiter Müller zur Erde und erlitt einen Bruch des Unterschenkels. Er wurde nach dem Krankenhause am Urban gebracht.— An der Ecke der Alexander- und Landsbergerstraße wurde ein Fuhr- Herr durch einen Jagdwagen überfahren. Er erlitt einen Bruch des Oberarmes.— Auf dem Flur des Hauses Blumenstraße 43 versuchte Nachmittags der obdachlose Musiker Friedrich Kalanka , den Hauseigenthümer Puttlitz angeblich aus Rache mittels eines Terzerols zu er>chießen und verletzte ihn schwer an der Brust. — In der Nacht zum 5. d. M. gerieth ein Mann jvor dem Hause Friedrichstraße 35a unter die Räder einer Droschke und wurde an der Brust bedeutend verletzt, so daß seine Ueberführung nach der Charitee erforderlich wurde.— Am 5. d. M. Morgens er- hängte sich eine Frau in ihrer Wohnung, in der Großbeeren- straße, nachdem sie vorher ihr 6 Monate altes Kind mittels einer Schnur erwürgt hatte.— Im Laufe des Tages fanden drei kleine Brände statt. Geriifcks-BeiUmat Gewerbegericht. Kammer 8. Gegen den Buchdruckereibesitzer Bartels klagt dessen Lehrling B ö n h a r d, vertreten durch seinen Vater, auf Aushebung des Lehrvertrags. Herr Bön- hard nahm an, zu dieser Forderung berechtigt zu sein, weil in der Druckerei des Beklagten einerseits neben nur 2 Erwachsenen, einem Setzer und einem Drucker, II— sage und schreibe: els — Lehrlinge sind, und weil andererseits unzüchtige Schriften die Hauptarbeit seines Sohnes sowohl, wie der anderen Lehrlinge bildete. Einige in der Druckerei hergestellte Bücher lagen dem Gerichtshof zur Ansicht vor. Verlesen wurden folgende Titel von Schriften, die dort gedruckt worden sind:„Das Liebes- und Geschlechtsleben in seinem Umfange dargestellt(koufiszirt � gewesen!) mit anatomischen Abbildungen."—„Galanterien und Abenteuer des un st erblichen Adonis Friedrich August von Sachsen. Enthüllungen aus dem Leben dieses Königs."—„Das Weib, physiologisch und psychologisch dargestellt."—„Wie Frauen lieben und leben. Eine psychologische Darstellung weib- licher Schwächen und geheimer Gewohnheiten von I. H. Franke." „Das Paradies der Liebe und Ehe. Das Liebes- und Geschlechts- leben in seinem ganzen Umfange."—„Mädchenspiegel. Ein Rathgeber in delikaten oder geheimen Angelegenheiten des weib- lichen Geschlechts." Herr Bönhard erklärte, daß er erst erfahren, was sein Sohn zu setzen habe, als dieser schon zwei Jahre seiner Lehrzeit absvlvirt hatte, und zwar aus eine eigenthümliche Weise. In seiner Gegenwart habe der Sohn eine gemeine Aeußerung gcthan. Von ihm sei dieselbe gerügt worden, worauf der„Junge" geantwortet hätte:„Kannst Tu denn anderes von mir erwarten, wenn ich fortwährend solche Schweinigcleien setzen muß!" Dieser Vorgang hätte ihn, den Vater, zu Nachiorschuiigen nach der Ar- beit seines Sohnes und infolge des Ergebnisses derselben zur Klage veranlaßt. Ohne weiter auf das Mißverhältnis zwischen der Zahl der Lehrlinge und der Gehilfen im Geschäft des Be- klagten einzugehen, hob das Gericht den Lehrvertrag auf.— Die Blöcke'schen Eheleute, welche eine Glasmalerei und Kunstglaserei besitzen, klagen gegen den Glaser Broske. Sie behaupten, derselbe habe unrechtmäßiger Weise die Arbeit bei ihnen niedergelegt, uni zu einem Konkurrenten überzutreten, und ver- langen, daß er in das zu Unrecht aufgegebene Arbeitsverhältniß zurückkehre oder eine Entschädigung zahle. Der Beklagte hin- gegen giebt an, daß er gerade deshalb gegangen und bei seinem jetzigen Chef eingetreten sei, weil er hier eine vierzehntägige Kündigung habe, was im Geschäft des Klägers nicht der Fall gewesen sei. Demgegenüber berufen sich die Kläger darauf, daß der Kläger zweimal bei ihnen gearbeitet hat, das erste Mal unter direktem Ausschluß der Kündigungsfrist, das letzte Mal, ohne daß dieselbe ausgeschlossen war. Der Beklagte giebt zu, daß, als er das zweite Mal, vierzehn Tage nach Beendigung des ersten Arbeitsverhältnisses, von den Klägern angenommen wurde, man nichts von der Kündigungsfrist gesprochen habe. Er habe aber geglaubt, daß auch diesmal keine Kündigungsfrist bestehe. Die Kläger wurden kostenpflichtig abgewiesen. Begründet wurde das Urtheil, der Beklagte hätte beim Beginn des zweiten Arbeitsverhältnisses, welches er mit den Klägern einging, an- nehmen müssen, daß in 14 Tagen die im Geschäft der Kläger bei seinem ersten Ausscheiden aus demselben vorhandene Usance, die Kündigungssrist auszuschließen, nicht verschwunden sei. Er sei unter den obwaltenden Umständen nicht mit Unrecht in der Annahme wieder bei den Klägern in Arbeit getreten, daß er nicht das Recht auf Kündigung und nicht die Pflicht zu einer solchen besitze. Kammer VI. Der Heizer Steffen behauptet, unrecht- mäßig ohne Kündigung vom Badeanstalts-Pächter W a t t k e ent- lassen zu sein und verlangt 46,30 M. Lohnentschädigung. Der Beklagte macht einen Gegenanspruch von 300 M. geltend; der Kläger habe ihm seinen Kessel ruinirt. Dieser wendet hiergegen ein, daß er den Betrieb der Badeanstalt habe ausrecht erhallen wollen und deshalb den infolge einer Versagung der Pumpe vom Wasser leeren Kessel aus der Wasserleitung gespeist hätte— und zwar im Auftrage des Angeklagten —. Er giebt zu, daß bei einer derartigen Handlungsweise immer die Möglichkeit existire, der Kessel werde wenigstens theilweise beschädigt. Hätte er das Feuer unter dem Kessel sorlgenonunen und dann erst kaltes Leitungswasser in diesen gethan, um darauf neues Feuer zu machen, so wäre kein Dampf auf mindestens eine Stunde gewesen, der Betrieb hätte überhaupt so lange gestanden und ihm wären Vorwürfe darüber gemacht worden. Das habe er, meint Kläger , verhindern wollen. Steffen wurde kostenpflichtig abgewiesen. Das Gericht nahm an, daß der Kläger nicht pflichtgemäß gehandelt habe, das hätte er gethan, wenn er das Feuer dem Kessel entzogen hätte. Dies würde auch dann zutreffen, wenn die Behauptung des Klägers, der Beklagte habe ihn zur Speisung des Kessels aus der Wasserleitung aufgefordert, die Wahrheit wäre. K a m in e r III. Der Bildhauer und Stuckateur R 0 st klagt gegen den Baumeister Friedrich auf Zahlung von 35 Mark. Er sei, führt Kläger aus, von dem Stuckaleurmeisier und bankrotten Bau-Unlernehmer Liehfeldt engagirr worden und Hütte für den Genannten Arbeiten auf einem Bau des Beklagten aus- zuführen gehabt. Auf eine Decke, die er gemacht, hätte er von Liehseldt 15 M. Anzahlung erhalten, von den fehlenden 85 M. habe er keinen Pfennig bekommen. An Friedrich halte er sich aus folgendem Grunde: Liehfeldt sei, was das„Berappen" be- treffe, ein sehr„sauler Kunde". Eines Tages hätten mehrere Kollegen und er darauf bezügliche Besorgnisse dem Baumeister gegenüber laut werden laffen. Dieser habe sie mit der" Aeußerung beruhigt, sie sollten nur arbeiten, er werde dafür sorgen, daß die Arbeit bezahlt wird, nöthigenfalls bezahle er dieselbe. Zwei Zeugen bestätigen, was der Kläger ausführte. Baumeister Friedrich giebt zu, daß er möglicherweise dem Kläger und einigen Anderen die event. Be- zahlung ihrer Arbeit versprochen habe. Liehfeldt hätte ihm aber mitgetheilt, er habe die fragliche Decke erst repariren lassen müssen, bevor sie abgenommen wurde. Der Kläger habe höchstens noch 40 M. zu bekommen. Einer der Zeugen ist derjenige, welcher die Reparatur vorgenommen hat. Derselbe bestreitet erstens, daß die Reparatur 45 M. ausmache, und zweitens, daß er überhaupt für dieselbe schon etwas erhalten habe. Im Gegen- theil schulde ihm Liehfeldt noch eine ganz gehörige Summe. Er wolle sich bezüglich der Ausbesserungen, die er eigentlich für den Kläger gemacht, mit diesem einigen. Das Gericht verurtheille Friedrich zur Zahlung der 85 M. Der Dachdecker Hanke beansprucht von seinem frühereu Meister Schwarzpich 45,70 M. rückständigen Lohn. Der Be- klagte bestreitet die Forderung, es gelingt ihm aber nicht, aus einem Lohnbuche den Beweis zu führen, daß Kläger thatsächlich die Summe nicht mehr zu bekommen hat. Kläger be- chwört, daß er nicht mehr erhalten hat, wie er angiebt. Der Beklagte verlangt, daß wenigstens dem Hanke das von seiner Forderung abgezogen werde, was er für denselben dem Budiker bezahlt hat, wenn sie zusammen frühstücken gingen, und was er an direkten Budikerschulden für ihn berichtigte. Außerdem wünscht er den Lohn seines Arbeitsinannes für zwei Stunden in Abzug zebracht, welche dieser infolge Verführung durch den Kläger ge- meipt hat, anstatt zu arbeiten. Natürlich erregt das bei allen im Verbandlungssaal Anwesenden große Heiterkeit. Die ver- langten Abzüge wurden selbstverständlich nicht gemacht und der Beklagte verurtheilt, 45,70 M. zu zahlen. Eine fiir de« Zeitnugsverkauf auf der Straße wichtige Frage beschäftigte gestern die V. Berufungs -Straskammer des Landgerichts I . Der Zeitungshändler Fritz Berg er war durch Strasbefehl mit 10 Mark belegt worden, weil er an zwei ver- schiedenen Sonntagen, Morgens vor 9 Uhr, bei den Königs- Colonnckden Zeitungen feilgehalten haben sollte. Der Beschuldigte erzielte vor dem Schöffengerichte ein freisprechendes Urtheil, weil seine Behauptung, daß er nur die Zeitungen an Abonnenten ab- gegeben habe, nicht für widerlegt erachtet wurde. In der Be- iründung hieß es, daß in dem Verhalten des Angeklagten ein feilhalten von Maaren auf offener Straße, welches auf grund der Gewerbe-Ordnung verboten sei, nicht gefunden werden könne. Der Angeklagte habe nur eine Waare auf grund eines bereits abge- 'chlosseneu Kaufvertrages an den Käufer verabfolgt und hierfür das Geld für die ganze Woche in Empfang genommen. Hierin könne ein Feilhalten nicht erblickt werden. Auch das Gesetz in betreff der Sonntagsruhe könne nicht herangezogen werden, da eine Beschäftigung von Gehilfen im Betriebe des Zeitungs- peditions-Geschäsies und deshalb der Betrieb eines solchen bis 9 Uhr Vormittags erlaubt ist. Tie Thäligkeit, die der Angeklagte durch Verabsolgung bereits bestellter oder verkaufter Zeitungen an den Käufer entwickelt hat, ist keine andere gewesen. als die, welche der Spediteur durch den Zeitungsausträger all- morgentlich ausführen läßt. Der Zeitungsspediteur, welcher einen Austräger nicht hat, darf selbstverständlich die Zeitungen ielbst an die Käufer verabfolgen. Etwas anderes hat der An- gcschuldigte auch nicht gethan.— Diese Gründe wurden in der vom Staatsanwalt eingelegten Berufung angefochten. In einem Falle habe der Angeklagte von einem Käufer, einem angeb- lichen Abonnenten, Geld für die ganze Woche erhalten. Wenn der Angeklagte Zeitungen bereit hielt, damit ein Kunde von ihm sein Abonnement erneuern könne, so bot er feil. Als Feilbieten kennzeichne sich ferner das Auf- stellen des Angeklagten aus dem Bürgersteige, worin jeder Vorübergehende eine Kaufosserte erblicken mußte. Der An« geklagte habe den Verkauf an Abonnenten nur vorgeschoben, um unter dem Deckmantel dieses Geschäfts den verbotenen Sonn- lagshandel betreiben zu können. Wollte er nur seine Abonnenten bedienen, so hätte er dies einfacher erreichen können, wenn er sie in ihren Wohnungen aufgesucht hätte.— Im gestrigen Termine vertraten Staatsanwalt und Vertheidiger den von ihnen einge- nommenen entgegengesetzten Standpunkt. Der letztere, Rechtsan- walt Leop. Meyer, behauptete noch, daß nachträglich vom Polizeipräsidium eine Verfügung erlaffen sei, welche dem Zeitungshandel auf der Straße einen etwas weiteren Spielraum lasse. Das Gericht beschloß, nach dieser Richtung hin Auskunft einzuholen und mußte deshalb die Vertagung erfolgen. Eine Persönlichkeit welche den Gerichten viel zu schaffen macht, wurde gestern aus der Untersuchungshaft der siebenten Straf- kammer des Landgerichts I in der Person des 24jäbrigen Kauf« manns Moritz Robert R u m p e vorgeführt. Rumpe stand im vorigen Jahre unter der Anklage der Unterschlagung vor der 3. Strafkammer. Er war seinem Chef mit 19 000 M. durchgebrannt, nach Trieft gegangen und hatte hier ein verschwende- risches Leben geführt, wobei er sich Moritz von Stein nannte. Nachdem er entlarvt und nach Berlin gebracht worden war, zeigte er ein Verhalten, welches an seiner Zu- rechnungsfähigkeit Zweifel erregte. Er behauptete, daß alle Vor- gänge, welche zwischen der von ihm begangenen Unterschlagung und seinem Rücktransport nach Äerlin lagen, aus seinem Ge- dächtnisse verschwunden seien. Die medizinischen Sachverständigen gaben nach längerer Beobachtung ihr Gutachten dahin �ab, daß Rampe nicht täusche, sondern thatsächlich zur Zeit der Strafthat geisteskrank gewesen sei. Rumpe wurde darauf freigesprochen. Im Februar d. I. wurde er wieder verhaftet, weil verschiedene Personen ihn des vollendeten und des verfuchten Betrugs sowie der Unterschlagung bezichtigten. Rumpe soll sich als reicher, kreditfähiger Mann ausgegeben haben, der demnächst ein Bankgeschäft gründen wolle. Er soll die ge- schädigten Personen dadurch veranlaßt haben, ihm größere Summen anzuvertrauen, die er für sich verbraucht hat. Im gestrigen Termine handelte es sich zunächst wieder um den Geisteszustand des Angeklagten. Während der Gefängnißarzt, Geheimrath Dr. Levin, den Angeklagten für völlig gesund hält, soll diese Frage erst in dem Entmündigungsverfahren entschieden werden, welches gegen den Angeschuldigten schwebt. Das Gericht beschloß, das Ergebniß dieses Verfahrens abzuwarten, bevor in der Strafsache weitere Schritte zu thun seien. Unter einem schweren Verdachte standen gestern der frühere Posthilfsbote Georg T h a u und dessen Ehefrau vor der neunten Ferien-Strafkammer des Landgerichts l. Der erstere war der wiederholten Unterschlagung im Amte, die letztere der Hehlerei beschuldigt. Im Monat April d. I. gelangten in kurzer Aufeinanderfolge drei eingeschriebene, in Berlin aufgegebene Briese nicht an ihren Bestimmungsort. Während die beiden ersten Briefe nur kleinere Geldbeträge enthalten hatten, war der. letzte, den die Deutsche Bank an das Bank- geschäft von M. Nelke Wwe. in Salzwedel gerichtet hatte, mit 6000 M. in Kassenscheinen beschwert. Der Verbleib der Briefe ließ sich bis zu ihrer Eintragung auf dem Postamte 1 in der Spandauerstraße nachweisen, dann waren sie plötzlich ver- schwanden und obgleich die Handhabung des Geschäftsverkehrs mit diesen Briefen eine äußerst genaue und vorsichtige ist, mußte es doch einem der Beamten gelungen sein, einen solchen Brief trotz der Ueberwachung des ihm zur Seite gestellten Kollegen verschwinden zu lassen. Die Postbehörde nahm an, daß in allen drei Fällen der Thäter eine und dieselbe Person sei, und der Verdacht lenkte sich auf Thau, weil in allen drei Fällen nachgewiesen wurde, daß die Briefe durch seine Finger gegangen waren, während die übrigen in Betracht kommenden Beamten nur mit einem oder zwei der verschwundenen Briefe zu thun gehabt hatten. Eine bei Thau vorgenommene Haussuchung ergab nichts direkt Belastendes. Dagegen wurde festgestellt, daß er und seine Ehefrau An- schaffungen für sich und den Hausstand gemacht, welche zu ihren Einnahmen in keinem Verhältniß standen. Thau bezog monat- lich 75 M. Diäten. Hiervon wurden 3 M. als Kautronsbeitrag in Abzug gebracht, er zahlte 24 M. Miethe und monatlich 10 M. auf die von ihm entnommenen Möbel ab. Es blieben somit 38 M., wovon Mann, Frau und Kind leben mußten. Es wurde nachgewiesen, daß die Angeklagten in der fraglichen Zeit über 200 M. verausgabt hatten und besonders belastend war, daß die Ehefrau bei einem Ankauf einen Hundertmarkschein gewechselt. Weiteres Belastungsmaterial lag der Anklagebehörde nicht vor. Die Angeschuldigten bestritten mit aller Entschiedenheit ihre Schuld und. hatten durch ihren Vertheidiger, Rechtsanwalt Cassel, einen umfangreichen Beweis dafür angetreten, daß sie sich gewissermaßen das Essen am Munde abgedarbt, um noch kleine Ersparnisse machen zu können, sowie daß ihnen durch das Halten von Schlafburschen eine nicht unbedeutende Nebenein- nähme erwachsen sei. Der Staatsanwalt hielt diesen Beweis insoweit erbracht, daß er erklärte, die Freisprechung der An- geklagten beantragen zu müssen. Der Gerichtshof erkannte nach diesem Antrage. Unterschlagungen bei der OrtSkrankenkasse in Neu- Weißensee beschäftigten am Dienstag schon wieder einmal die Ferienstrafkammer am Landgericht U, nachdem erst am 3. August dieses Jahres der Rendant Buchert und der Vorsitzende Bensch, elfterer zu vier Jahren, letzterer zu vier Monaten Gefängniß wegen desselben Delikts verurtheilt worden sind. Diesmal war der Kassenbote Franz Kürbis angeklagt, während der Rendant Buchert als Zeuge geladen war. Nebenbei bemerkt, verbüßt Buchert seine Strafe im Untersuchungsgefängniß. Das zuständige Zentralgefängniß am Plötzensee hat den p. Buchert als Kassen- schreiber an das Untersuchungsgefängniß überwiesen. Seinem Geständnisse nach hat Kürbis in der Zeit vom Oktober 1837 bis Ende Mai 1883 etwa 400 M. Beiträge, die er in seiner Eigen- schast als Kassenbote von den Mitgliedern der Kaffe eingezogen, aber nicht abgeführt hat, unterschlagen und in feinem Nutzen ver- wendet. Er will durch große Roth in diese Zwangslage versetzt worden sein, er hatte Frau und vier Kinder zu ernähren und bezog nur ein Gehalt von 60 M, im Monat. Als das Manko ent- deckt wurde, ist die Kasse mit 260 M. entschädigt worden und zwar durch 150 M. Kaution, einen einbehaltenen Monatsgehalt von 60 M. und drei Ratenzahlungen von zusammen 50 M. Den Rest hat der Rendant Bucherl zu decken versprochen und Kürbis blieb in seiner Stellung. Als aber die großen Unterschlagungen des Rendanten entdeckt wurden, da kam auch das Vergehen des Kaffenboten an den Tag. Dieser hat daraus in der Verzweiflung einen Selbstmordversuch begangen, ist an der Vollendung der Verzweiflungsthat jedoch verhindert worden. Das Geständniß des Angeklagten, der seine Thal durch Roth und Mangel jeder Kon- trolle entschuldigt, war so ausreichend, daß der Zeuge Buchert gar nicht vernommen werden brauchte. Das Urtheil lautete aus vier Monate Gesängniß. Frankfurt , 1. September. (Strafkammer.) Vor einiger Zeit erfolgte vor dem Schöffengericht für Uebertretungen die Ab- urtheilung eines Fabrikarbeiters Warszow, der ohne Erlaubniß ein sozialdemokratisches Flugblatt kolportirt hatte. Der Vor- sitzende des Gerichts, Amisrichter Bloch, verlas damals zur Kenn- zeichnung der Schrift eine Stelle aus dem Inhalte derselben und bemerkte:„Es stehen sehr schöne Sachen in dem Flugblatt." An diese Gerichtsverhandlung anknüpfend brachte die„Volksstimme" ein Reserat, worin dies Vorgehen des Amtsrichters getadelt wurde, weil es den Anlaß geben könne, anzunehmen, daß ein Richter, der sich als politischer Gegner des Angeklagten kundgebe, unter dem Einfluß seiner politischen Meinung stehe, und eine solche Annahme sei im Interesse der Rechtspflege zu bedauern. Wegen dieses Be- lichtes ist gegen den verantwortlichen Redakteur des Blattes, G.
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